9. 𝐷𝑎𝑡𝑒 𝑜𝑑𝑒𝑟 𝑛𝑖𝑐ℎ𝑡 𝐷𝑎𝑡𝑒?

Finn spielte gelangweilt mit seiner neuen Kamera herum. Er ging die Einstellungen durch und wechselte häufig die Linsen. Dann fragte er die Mädels aus dem Kurs, ob sie ihm nicht vielleicht Modell stehen würden.
Diese waren natürlich für schöne Fotos von ihnen Feuer und Flamme.

Zugegeben, Finn machte echt tolle Fotos. Dabei war das Motiv egal. Er sollte lieber Fotograf werden und nicht Reporter. Er liebte es Bilder zu machen, schon seit er ein Kind war. Zumindest behauptete er das immer stolz. Daher glaubte Naomi auch er sollte etwas daraus machen.

Die Tür öffnete sich und Fred steckte seine leicht gerötete, mit Sommersprossen besprenkelte Nase in den Kursraum. Seine blonden Haare waren modisch zurück gekämmt.
„Naaaooooommmmiiiiiiii!", rief er laut und jeder drehte sich zu ihm um.
Ihr war es so peinlich. Am liebsten hätte sie sich irgendwo versteckt.
Fred kümmerte die Aufmerksamkeit nicht. Er war es gewohnt.

„Huhu!", winkte er fröhlich und kam zu ihr. Sie stand wie so oft quatschend neben Diana und musterte den Sportstudenten überrascht.
„Was machst du denn hier?"
„Unsere Freundschaft auffrischen."
„Hä?"
Naomi legte verwirrt den Kopf schief.
Fred zückte ein Ticket aus seiner Jackentasche, welches das Logo der HKS Universität und seines Basketballclubs trug.

„Mein Team hat am Wochenende ein wichtiges Spiel. Ich hatte gedacht du könntest zuschauen. Also ich würde mich freuen, wenn du es dir ansiehst und für uns jubelst."
Naomis Augenbrauen schoben sich langsam nach oben.
„Ich war noch nie bei einem Basketballspiel."
„Dann probier' es doch mal aus", ermutigte sie Fred.

Diana rückte näher an sie heran und flüsterte ihr ins Ohr: „Das ist ein Date."
Naomi stieß ihr den Ellenbogen in die Seite und versuchte ihren Kommentar zu ignorieren. Doch der hatte sich still und leise in ihr Unterbewusstsein geschlichen.

War das wirklich eine Einladung zu einem Date? Fred hatte doch zuvor erwähnt, dass er wieder mit Naomi befreundet sein wollte. Also hatte Diana das missverstanden.
„Wow! Ich würde gerne zuschauen. Ich habe schon viele Spiele im Fernsehen gesehen, habe aber noch nie eines besucht."

„Dann wird's ja Zeit."
Fred grinste breit und gab ihr das Ticket.
„Das ist super lieb von dir, Fred", meinte Diana mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme.
Fred sah etwas verlegen aus und suchte schnell das Weite.
„Bis Samstag dann", rief er wieder so laut, dass jeder es hören konnte.

Auch Hannes schenkte Naomi vielsagende Blicke, was sie nur noch mehr ärgerte.
„Kommt schon, Leute, ihr interpretiert da zu viel hinein."
„Is klar", konterte Diana nur knapp und versuchte vergeblich ihr Grinsen zu unterdrücken.
Naomi setzte sich schmollend auf ihren Platz und starrte auf das Ticket in ihrer Hand. Dabei schmunzelte sie voller Vorfreude in sich hinein. Sie würde zwar viel lieber mit James zu einem Spiel gehen, aber Fred würde ja auch nicht die ganze Zeit neben ihr sitzen, sondern selber auf dem Spielfeld stehen. Das machte die ganze Sache überhaupt nicht zu einem Date.

Finn war zu ihr gekommen und knipste ein Foto von ihr.
„Ey!", beschwerte sich Naomi empört.
Sie mochte keine Fotos von sich. Schon gar nicht ungefragt.

„Sorry aber du hast gerade so nett ausgesehen", meinte er zwinkernd statt einer Entschuldigung. Naomi zog es vor, sich nicht weiter aufzuregen und sah wieder auf das Ticket. Sie sehnte den Samstag herbei.

Dieser kam dann doch schneller als beabsichtigt. Sie hatte weder etwas zu anziehen noch eine Idee, wie sie ihre spröden Halblocken frisieren sollte. Dabei sollte sie sich doch gar nicht um ihr Aussehen kümmern. Es war ja schließlich KEIN Date. Nur was trug man zu einem Basketballspiel? Leger oder machte man sich etwas hübsch? Naomi beschloss ganz normal auszusehen.

Also trug sie eine einfache blaue Jeans und ein weites Oberteil. Da es schon herbstlich kühl war, zog sie ihre dicken Boots und eine Jacke über. Der Wind war sehr unangenehm und Naomi lief extra noch einmal ins Haus zurück, um ihre Wollmütze zu holen.

Als sie ihrem Vater das zweite Mal Tschüss gesagt hatte und in den kleinen Vorgarten trat, winkte Fred ihr schon von der anderen Seite des Zauns zu.
„Naaaooommmiiii", rief er wieder und Naomi zog eine Flunsch.
„Hi Fred. Sag mal kannst du meinen Namen auch normal aussprechen oder einfach Nao sagen?"
„Ähm...ist dir das lieber?"
Sie nickte überzeugend.

„Na gut", meinte Fred schulterzuckend und legte in freundschaftlicher Manier seinen Arm um ihre Schultern. Meine Güte war er schwer. Was bekam der Junge zu Hause zu Essen?
„Na bist du aufgeregt?"
Naomi versuchte ihre Nervosität zu verbergen. Es war mehr seine ungewohnte Nähe als die Vorfreude auf das Spiel, die sie so beunruhigte. Dennoch nickte sie schnell.

„Das hoffe ich. Wenn wir die Tigers heute besiegen, haben wir eine gute Chance auf den letzten Titel."
„Wieso der letzte?"
„Ich mache dieses Jahr meinen Abschluss, Dummerchen."
Ach ja, das hatte Naomi ganz vergessen. Sie wurde etwas wehmütig in Anbetracht der Tatsache, dass sie bald die Uni verlassen und ihre Freunde nicht mehr jeden Tag sehen würde - vorausgesetzt sie schaffte dieses Mal die Prüfung. Hatte er deshalb beschlossen den Kontakt zu ihr aufleben zu lassen?

Es war schade, dass ihnen nur noch ein paar Monate zusammen blieben. Doch vielleicht würde dieses Mal der Kontakt nicht wieder abbrechen. Vielleicht könnten sie Freunde bleiben, was auch immer nach dem Abschluss mit ihnen passieren würde.
Genau das Gleiche erhoffte sich Naomi von Diana und Hannes.

Fred begleitete Naomi zur Bushaltestelle und sie fuhren gemeinsam mit dem nächsten Bus zu einer auswärts gelegenen Sporthalle. Sie gehörte auch zur HKS Group, war aber kein offizieller Teil der Uni.
„Was gehört eigentlich nicht der HKS Group?", wollte Naomi wissen und verzog die Miene. So langsam ging ihr dieser Name auf die Nerven. Gerade weil ihr Vater so viel Stress mit der HKS Group hatte. Er suchte verzweifelt nach einem neuen Ladenlokal, bevor man sie aus dem alten Haus vertrieb.

Es kotzte sie so seher an, dass man zu solch drastischen Mitteln griff, um Charlie zum Gehen zu bewegen. Wenn sie ihm wenigstens Geld bieten würden, um sich etwas Neues aufzubauen, aber nein sie bedrohten ihn lieber. Naomi war sich ganz sicher, dass der Überfall letztens von der HKS Group kam. Was würden sie als Nächstes tun? Hoffentlich würden sie Charlie nichts antun. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz anders. Sie schüttelte sich und vergrub die Hände in den Jackentaschen.

„Alles okay?", fragte Fred besorgt und musterte sie von der Seite.
„Ja sicher, ich hatte nur unangenehme Gedanken."
„Ich hoffe sie hatten nichts mit mir zu tun", meinte er halb scherzend halb unsicher.
„Keine Sorge, das hatte gar nichts mit dir zu tun. Es ist nur momentan nicht ganz einfach für Charlie und mich."

„Verstehe."
Mehr kam nicht von ihm. Warum fragte er nicht was los war? Hielt er sich aus Höflichkeit zurück und wartete bis sie von selbst etwas erzählte? Naomi stand nicht der Sinn danach über ihre Sorgen zu reden. Sie wollte sich auf das Spiel konzentrieren und abschalten.

Mittlerweile hatten sie die große Halle betreten, in der es schon recht laut zur Sache ging. Die Tribüne war zu 90% mit süßen und jubelnden Mädchen besetzt, die den heißen Jungs in den weiten Trikots beim Aufwärmen zuschauten.
Einer davon kam zu Fred gelaufen.
„Da bist du ja endlich, Mann. Los zieh dich um. Beeilung!"
Fred nickte und drehte sich erklärend zu Naomi um.

„Das war Matt, unser Kapitän. Er mag es nicht wenn man zu spät kommt."
„Aber du bist doch gar nicht zu spät."
„In seinen Augen schon."
Er deutete ihr an sich auf die Tribüne zu setzen und verabschiedete sich mit einem: „Drück uns die Daumen."
Dann verschwand Fred für ein paar Minuten und kam kurz darauf in seinem Trikot wieder. Es war bis auf das Logo und wenige Streifen an der Seite ganz in weiß. Dazu standen die schwarzen Trikots der gegnerischen Mannschaft ganz im Kontrast.

Der Schiedsrichter rief alle beisammen und die jungen Männer nahmen alle Aufstellung. Kein Wunder, dass hier so viele Mädchen waren, Basketballspieler waren gut trainiert und sehr beliebt bei den Frauen. Auch Fred hatte einige Fans im Publikum, die große Schilder hochhielten auf denen „Viel Glück!" für sein Team oder „Du bist der Beste, Fred!" drauf stand und einige andere Sprüche.

Naomi lehnte sich grinsend zurück und genoss die Anspannung bis zum Anpfiff. Als es losging konnte sie mit ihren Augen erst gar nicht folgen. Es war so ein schnelles Spiel. Der Ball ging hin und her. Nach einer Weile gewöhnte sie sich zwar an die Geschwindigkeit, aber es war echt anstrengend.

Schon nach den ersten Minuten des Spiels, konnte die gegnerische Mannschaft einen Korb werfen.
„Mist!", fluchte Naomi laut und wunderte sich darüber, dass sie so mitfieberte.
Matt, der Kapitän der hellen Mannschaft gab andauernd Anweisungen und gestikulierte wild herum. Auch der zweite Korb fiel für die Gegner. Doch bis zur Pause schaffte es Freds Team weitere Punkte zu verhindern.
Sobald der Schiedsrichter abpfiff, ließen sich alle erschöpft auf den Bänken nieder. Nur Fred nicht. Er blieb auf dem Spielfeld stehen und sah zu Naomi herüber. Ihr Herz begann aufgeregt zu klopfen.

„Guck, wo schaut er hin?", sagte das blonde Mädchen in der Reihe vor Naomi.
„Er schaut zu uns oder nicht?", antwortete die Brünette neben ihr.
„Hat er ein Mädchen hier?"
Naomi machte sich klein. Das Gerede machte sie nervös. Sie sollten ja nichts falsch verstehen. Sie war nicht Freds Freundin. Sie war bloß EINE Freundin.

„Hoffentlich reißen sie das Ruder noch rum", meinte jemand hinter ihr. Sie wagte nicht sich umzudrehen.
„Na sicher, Fred hat doch noch gar nicht alles gegeben. Worauf wartet er? Gibt er den Gegnern extra einen Vorsprung?"
Konnte das sein? Machte Freds Mannschaft mit Absicht Fehler, um das gegnerische Team zu verwirren und ihnen Vorsprung zu geben? Das war ganz schön gemein, aber auf dem Spielfeld war wohl alles erlaubt.

Es ging weiter. In der zweiten Halbzeit zeigte sich Freds Team deutlich überlegen. Sie gingen mehr in die Offensive und gewannen öfter die Zweikämpfe. Naomi reckte Stolz den Kopf. Wie schnell Fred doch war und so geschickt dabei sich um sich selbst zu drehen. Die Tribüne flippte aus. Auch Naomi klatschte begeistert in die Hände und verfolgte Fred mit ihren glänzenden Augen.

Das Spiel war unglaublich spannend, denn die Gegner wollten die letzten zehn Minuten noch einmal starken Gegenwind geben. Es nützte ihnen nichts. Bald fielen zwei Körbe für Freds Team, beide von ihm geworfen. Der letzte und entscheidende Punkt wurde allerdings von einem seiner Kollegen gemacht. Nicht ohne eine hervorragende Vorlage von Fred.

Der Abpfiff kam und Freds Mannschaft hatte gewonnen. Sie jubelten und klatschten einander ab. Einige von ihnen sprangen sich sogar in die Arme oder liefen einmal ums Spielfeld herum ganz in ihrem Siegestaumel. Naomi stand auf und jubelte fröhlich, bis Fred zu ihr kam. Alles um sie herum hielt den Atem an.

„Na, wie war's?"
Etwas verlegen um Worte nickte sie nur grinsend.
„So ein Basketballspiel ist aufregend. Danke, dass du uns so angefeuert hast."
„Gerne. Ich hatte eine menge Spaß."
„Das ist schön. Es wäre echt doof gewesen, wenn du dich gelangweilt hättest."

„Dafür hast du es viel zu spannend gemacht."
Fred lächelte vergnügt. Er wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Naomis Blick blieb eine Sekunde zu lange an seinem muskulösen Arm hängen. Er hatte ja noch mehr Muskeln als Alec und selbst da hatte Naomi schon gestaunt, weil sie es dem ruhigen und schmächtigen Alec nicht zugetraut hatte so stark zu sein. Doch im Gegensatz zu ihm zeigte Fred seine Muskeln ganz deutlich und er badete sich in den schwärmerischen Blicken der Mädchen um ihn herum. Warum hatte er eigentlich keine Freundin?

„Hey ich gehe schnell duschen und dann lass uns was essen gehen."
Naomi nickte schon, als ihr einfiel, dass sie nachher noch lernen musste.
„Oje, können wir das verschieben mit dem Essen? Ich hatte keine Ahnung wie lange das Spiel geht, aber ich muss dringend was für die Uni machen. Ich komme schon unter der Woche kaum zum Lernen."
„Kein Problem. Ich müsste auch noch Arbeit erledigen. Doch versprich mir, dass wir das Essen nachholen."
Sie nickte heftig und sprang die Tribüne herunter.
„Ich begleitete dich aber noch nach Hause."

„Nicht nötig, Fred. Du wolltest doch duschen."
Er zögerte. Naomi war es unangenehm ihn vor all den Mädchen zurückzuweisen. Noch unangenehmer würde es sein, wenn er sie nach Hause brachte. Sein enttäuschter Hundeblick machte es ihr jedoch sehr schwer ihn einfach stehen zu lassen.
„Wir könnten doch fürs erste zusammen in der Uni essen?"

„Eigentlich wollte ich unseren Sieg mit dir feiern. Dafür ist mir das Essen aus der Cafeteria nicht gut genug", meinte Fred schmollend.
„Also gut, ich gehe demnächst richtig mit dir essen. Versprochen. Doch jetzt muss ich los. Mach dir keinen Kopf und geh duschen. Wir sehen uns am Montag."
Fred schien sich damit zufrieden zu geben. Sie winkte und lief los.
„Ciao!"


~



Fred schaute Naomi noch einen Moment hinterher, bis sie zwischen den vielen Leuten untertauchte. Er seufzte und ging zurück zu seinen Teamkollegen.
„Hey Fred, seit wann hast du eine Freundin?", stocherte Chen gleich. Er war halb Asiate. Seine dichten schwarzen Haare waren kurz und stachelig. Er war ebenfalls verschwitzt und absolut gut aufgelegt aufgrund des Sieges.

„Sie ist nicht meine Freundin", erklärte Fred schnell. „Noch nicht", fügte er leise hinzu.
„Ah, okay. Doch es wundert mich dich in weiblicher Gesellschaft zu sehen, wo du doch seit deiner Ex niemandem mehr hinterher geschaut hast."

Chen hatte ganz recht. Seine Freunde aus dem Team kannten Freds Vergangenheit. Seine Freundin hatte ihn für einen anderen sitzen gelassen. Das hatte er lange nicht verkraftet. Doch das war schon ewig her.

Naomi war einfach immer da gewesen. Doch weil sie seit er denken konnte in James verknallt war, hatte Fred es nie gewagt sie in Betracht zu ziehen. Doch sie war immer da und sie war immer interessant für ihn gewesen. Jetzt wo er sein letztes Semster an der Uni hatte, konnte er nicht mehr tatenlos dabei zusehen, wie sie diesem Langweiler hinterherlief. Der Typ beachtete sie gar nicht. Naomi brauchte jemanden, der auf sie aufpassen konnte. Jemand, der nur sie ansah. Fred hielt sich für den Richtigen.

Allerdings würde es nicht leicht werden Naomis Herz zu ändern. Immerhin mochte sie James schon seit bestimmt sechs Jahren. Das kann man nicht einfach ausblenden. Immerhin hatte Fred einen Schritt auf sie zu gemacht. Sie hatte einen winzigen Teil seiner Welt kennengelernt und sich darin wohl gefühlt. Er war sich ganz sicher, mit ein bisschen Geduld würde er Naomis Herz schon ändern.

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