47. 𝐸𝑖𝑛 𝐷𝑖𝑒𝑏, 𝑑𝑒𝑟 𝑝𝑙𝑒𝑖𝑡𝑒 𝑖𝑠𝑡

Zwei Jahre später. Irgendwo mitten auf atlantischen Ozean...

Das laute Plätschern der glatten Wellen durchbrach die anmutige Stille in der Bucht. Sonst war kein Laut zu hören. Nur das monotone Klatschen unter dem Rumpf.

Die Night Runner ankerte schon seit Tagen hinter der unscheinbaren felsigen Insel und wirkte ganz und gar so, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Doch in ihrem frisch herausgeputzten Bauch herrschte reger Trubel.

„...es waren große Kellergewölbe mit ausgetüfteltem Sicherheitssystem und vielen Geheimverstecken. Dort unten geschah es oft, dass die harmlosen Anzugträger der HKS junge Frauen einsperrten und innerhalb von wenigen Tagen an Zuhälter und illegale Sklavenhändler verkauften. Doch nicht nur Frauen wurden dort unten eingesperrt. In den finsteren Ecken dieser Verstecke lagerten Waffen. Tonnenweise illegaler und gefährlicher Waffen...."

Die ergriffene Stimme erzählte angespannt weiter, während die goldbraunen Augen immer wieder zu Hannes hinüber starrten, der ebenfalls wie gebannt an Naomis Lippen hing.
Seine Augen starrten sie die ganze Zeit an.
„Ich habe die Bilder gesehen. Es gibt die Beweise, meine Freunde. Ich habe sie von Night Runner bekommen. Von dem Mann, der einen Feldzug gegen diese korrupten Leute geführt hat."

Auf einmal wurde ihre Stimme ruhiger und man hörte die Ehrfurcht aus ihren Worten.
„Ein Mann, der alles durch sie verloren hat und trotzdem die Stärke und den Mut aufgebracht hat, die Wahrheit aufzudecken und gegen sie zu kämpfen. Für euch dort draußen mochte er nur ein Dieb sein, aber er war mehr als das. Für mich jedenfalls war er immer ein Held und...ich vermisse den dunklen Schatten in der Nacht. Jener Schatten, der stets über mich gewacht hat. Er war immer da, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte. Erst viel zu spät ist mir klar geworden, dass Night Runner schon immer auf mich aufgepasst hat. Er war schon viel länger in meiner unmittelbaren Nähe, als mir bewusst war. Und vielleicht hat er auch über euch gewacht, ihr wisst es nur nicht."

Naomi hörte an diesem Punkt auf zu erzählen und ließ ihre letzten Worte mit einer kleinen Pause wirken. Dann holte sie hörbar Luft und schwenkte die Stimmung.

„So, meine lieben Zuhörer. Wenn ihr wissen wollt, wie die Geschichte des mittellosen Straßenjungen Night Runner weitergeht, dann schaltet auch morgen wieder ein. Wie immer um sechzehn Uhr, hier bei eurem Starradio Hero. Ich bin eure Naomi und ich freue mich, dass ihr mir zugehört habt. Ich wünsche euch einen schönen Abend. Und wie immer gilt: Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen und es braucht nur einen Helden, der sie aufdeckt. Gute Nacht."

Naomi lehnte sich auf dem ledernen Sessel zurück und wartete, bis das rote Lämpchen aufhörte zu leuchten.
„Und off", verkündete Hannes zufrieden und schob den Regler auf dem Mischpult nach unten.
„Gut gemacht, Nao. Die Quote ist schon wieder gestiegen."
Er zeigte ihr einen erhobenen Daumen und grinste breit. Sie erwiderte das Lob zufrieden, legte das Headset nieder und stand auf.

Die moderne Sunseeker schaukelte sachte hin und her, als sie die Stufen hinauf stieg in die Küche. Dort traf sie auf Diana, die gemütlich auf der Eckbank saß und gerade das Radio abschaltete.
„Klasse. Ich fand es hochspannend."
„Ach ja? Du kennst das doch alles schon."
„Na und?", meinte sie schulterzuckend und zupfte an ihrem farbenprächtigen Bikini herum.

„So wie du das alles erzählst, klingt es zwar sehr fantastisch, aber gleichzeitig lieferst du auch entsprechende Beweise dafür. Die Leute wissen, dass du ihnen keinen Schwachsinn erzählst, sondern etwas, das auf wahren Begebenheiten beruht."

„Und selbst wenn es nur erfunden wäre, die Zuhörer genießen die Geschichte. Außerdem regt es sie zum Nachdenken an. Nicht alles in dieser Welt ist so rosig, wie es scheint. Das wollen wir ihnen unterschwellig klar machen."

Diana sah ihre Freundin einen Moment schweigsam an. Natürlich hatten sie alle ihre Gründe hier zu sein. Es war Maurice Idee etwas gutes für Alec zu tun und ihm einen kleinen Traum zu erfüllen, indem sie das Boot kauften. Doch es war allein Naomis Mut und Raffinesse zu verdanken, dass daraus sowas wie ein Radiosender entstanden war.

Sie hatte Alecs Geld dafür genutzt sich etwas aufzubauen und mit ihrem Vater ein sicheres Zuhause zu schaffen. Doch es war ihr wichtig allen zu sagen, was damals wirklich geschehen war. Obwohl eine Sache immer noch ungeklärt blieb. Die Leute erfanden die wildesten Theorien darüber, wie Night Runner es letztendlich geschafft hatte Dai Higa sein ganzes Geld zu stehlen und wo er es versteckt hatte. Naomi hatte zwar Zugänge auf sein Konto, aber Higas ganzes Vermögen blieb bis zu diesem Tag spurlos verschwunden.

Sie hatte Alec auch nicht mehr danach fragen können.
Er war für vier Jahre verknackt worden. Doch wegen seiner Gesundheit hatte man ihn in die Schweiz zu einem speziellen Neurologen gebracht. Danach hatte sie nie wieder etwas von ihm gehört. Weder von Maurice noch von Inspektor Wilkinson. Dieser hatte wieder neue Fälle angenommen und war seit seiner ruhmreichen Verhaftung vom Nachtdieb und des HKS Firmenvorstandes ziemlich beschäftigt. Naomi glaubte nicht, dass er noch Kontakt zu Alec hatte.

Der einzige, der wusste wo Alec war, schien Maurice zu sein. Doch der war ebenfalls spurlos verschwunden.
Also wartete Naomi seit zwei Jahren geduldig auf Neuigkeiten. Sie wusste, dass man Alec behandeln wollte, doch nicht ob er es heile überstanden hatte.

Diana und Hannes machten ihr täglich Mut, aber mit der Zeit wurde die Hoffnung immer kleiner, dass sie Alec jemals wieder sehen würde.

Deshalb konzentrierte sie sich darauf seine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte vom Nachtdieb, den sie engagiert hatte, um ihre Familie zu beschützen. Nur dank ihm hatte sie herausgefunden, warum ihre Mutter sterben musste. Higa hatte sie getötet, weil sie etwas über seine illegalen Keller herausgefunden hatte. So ein Keller war unter Charlies Restaurant verbaut gewesen. Weshalb die HKS Group in unbedingt dort heraus ekeln wollte.

Naomi hatte ihr Wort gehalten und die Wahrheit über Higa und Kent erzählt. Die Wahrheit über illegalen Menschen- und Waffenhandel. Ihre Berichte hatten so viel Anklang gefunden, dass man ihr ein Stipendium und die Gelegenheit ihr Studium doch noch abzuschließen ermöglicht hatte.

Das hatte sie auch endlich hinter sich gebracht. Ihr Freunde hatten die Prüfung lange vor ihr bestanden, wollten sich aber nicht völlig von Naomi trennen. Kurzum hatten sie beschlossen zusammen etwas aufzubauen. Kosten mussten sie nicht scheuen. Alec hätte gewollt, dass sie sein hart verdientes Geld auf diese Weise investierte.

Außerdem hatte er sie inspiriert. Das Boot auf dem digitalen Wandbild in Alecs Versteck glich der Night Runner bis aufs kleinste Detail. Naomi hatte es nur ein wenig umgebaut, für das Studio unter Deck.

„Lass uns doch heute Abend in den Hafen fahren und bei Charlie zu Abend essen", schlug Hannes vor, der auch die Treppe herauf kam.
Die Mädchen waren sofort Feuer und Flamme für den Vorschlag.

„Bin mal gespannt, was dein Vater diese Woche als Spezialgericht auf der Karte hat", meinte Diana grinsend und rieb sich genüsslich die Hände.

Charlie hatte echt das große Los gezogen. Natürlich war auch etwas von Alecs Geld an ihn gegangen, wovon er sich ein ganz neues Restaurant geschaffen hatte. Direkt am Strand und von vielen Touristen überlaufen. Er konnte jeden Tag neue Gerichte kreieren und alles so machen, wie er es wollte.
Natürlich mit tatkräftiger Unterstützung von Ricko und David. Die beiden hatten ebenfalls Wort gehalten und wohnten daher nicht weit entfernt vom Lokal in einem Mehrfamilienhaus.

Ricko hatte auch schon Anschluss gefunden und eine südländische Schönheit geheiratet.
Naomi glaubte zwar, dass ihr Glück nicht lange anhielt, weil sie viel zu früh geheiratet und alles überstürzt hatten, aber sie wünschte den beiden trotzdem alles Gute.

Sie selbst hatte ihre Sehnsucht und ihre Sorgen in den hintersten Winkel ihres Herzens verbannt und in eine ganz tiefe Schublade gesteckt. Sie ehrte Alec mit dem Boot und damit, dass sie seine Geschichte in der Welt verbreitete. Doch würde diese Geschichte nie ein Ende finden. Sie wusste nicht was mit Alec war. Wo er war und ob er wieder gesund war.
Er war einfach aus ihrem Leben verschwunden.

Ihr Seufzer durchbrach die Stille und ließ Diana und Hannes inne halten.
Sie fragten schon gar nicht mehr was los war. Sie wussten es eh und konnten nichts ändern.
Naomis Seufzen war schon alltäglich und ging meistens unter.

„Ich schmeiß den Motor an. Wir sollten gegen Achtzehn Uhr im Hafen sein."
Damit ging Hannes an Deck und wenige Minuten später erklang das tiefe Rumoren des Motors. Diana lief ebenfalls an Deck und lichtete den Anker, während Naomi aus dem getönten, länglichen Küchenfenster auf das blaue Wasser starrte und beobachtete wie die kleinen Wellen langsam am Rumpf vorbei zogen und nach und nach immer größer wurden.

Sie hatte ein traumhaftes Leben. Sie kam an die schönsten Orte und lebte auf einer Motoryacht. Ihr Vater und ihre Freunde waren immer bei ihr und eigentlich hatte sie alles was sie sich wünschen konnte. Wenn sie an einer Story dran war, die nichts mit dem Nachtdieb zu tun hatte, zog sie wortwörtlich sogar Simon und Finn mit ins Boot. Die beiden unterstützten das Team hin und wieder und die alte Clique aus der Uni kam wieder zusammen. Sehr zur Freude von Diana und Hannes.
Ja Naomi hatte wirklich alles - bis auf Alec.

Sie fuhren eine ganze Weile unter gleichbleibender Geschwindigkeit Richtung Festland. Tatsächlich sahen sie schon von weitem den Hafen, als die Sonne schon ziemlich tief am Horizont hing und die vielen Boote und die Häuser der kleinen Stadt in ein warmes Abendlicht tauchte.  

Naomi kramte schon die Pfänder hervor, um sie nacheinander an der Reling zu befestigen, als ihr Blick hinter die Yacht aufs Meer fiel. Sie stockte und blinzelte gegen die Sonne. Ein kleiner schwarzer Punkt huschte über die Wellen und näherte sich mit konstanter Geschwindigkeit. Nach einem Moment erkannte sie ein dunkles Schlauchboot, das zielgerichtet auf die Night Runner zusteuerte.

„Hannes, fahr mal langsamer!", rief sie ihrem Freund auf der Brücke zu. Dieser drosselte sofort die Geschwindigkeit.
„Was ist los? Ist dir einer über Bord gegangen?", fragte er mit einem Blick auf den blauen Pfänder in ihrer Hand.
Naomi schüttelte den Kopf und deutete auf das kleine Boot, das spielend über die Wellen hüpfte.

Hannes stellte den Motor ab und kam zu ihr ans Heck. Er hielt sich die Hand schützend über die Augen und spähte über das glitzernde Wasser.
„Der hat's aber eilig. Wo kommt der bitte her, so mitten vom Ozean?"
Naomi zuckte nur mit den Schultern.

Doch die Frage war durchaus berechtigt. Wo kam mitten auf dem Meer ein Schlauchboot her?
Diana kam ebenfalls dazu, als sie bemerkt hatte, dass das Schiff nur noch auf dem Wasser trieb.
Alle drei starrten auf das immer größer werdende Pünktchen, dass tatsächlich auf die Night Runner zusteuerte.

„Bitte sag mir nicht, dass man uns entdeckt hat."
„Mach dir nicht ins Hemd, Hannes, wir haben doch nichts verbrochen", meinte Diana und klopfte ihrem Freund auf die Schulter.

Das Schlauchboot verlor an Geschwindigkeit und wurde ganz korrekt an die Badeplattform heran gefahren. Der Motor wurde abgestellt und Naomi starrte auf die einzelne Person, die eine Leine bereit hielt zum Anlegen.
Hannes sprang hinunter und half dem Fahrer beim Manöver.

Dann sprang dieser an Bord. Seine vollkommen schwarze Kluft schien wetterfest zu sein und sofort vielen ihr die zusätzlichen Reserve Tanks auf, die er mit sich schleppte.
Er hatte sich auf eine längere Fahrt vorbereitet, wobei es ein ziemliches Wagnis war mit einem Schlauchboot über den Ozean zu schippern. Doch wer weiß, wo er herkam.

„Bitte um Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen", zitierte er die berühmte Zeile aus Star Trek.
Hannes nickte nur und starrte den Fremden immer noch verblüfft an, der endlich etwas seine Jacke öffnete und Anstalten machte seine Kapuze abzunehmen.
Der Fahrtwind mochte kalt sein, aber nun war es bestimmt heiß in der Sonne. Er hatte das doppelte an und Naomi schwitzte jetzt schon in ihrer kurzen Hose und dem Shirt.

Die Night Runner schaukelte gewaltig und Naomi musste sich festhalten, um nicht gleich ins Wasser zu fallen. Allerdings lag das nicht am unruhigen Seegang. Diese grauen, fixierenden Augen bohrten sich geradezu in ihre Seele. Naomi blinzelte. Sie blinzelte zweimal. Nein, es war keine Einbildung.

Auch Naomis Freunde waren reichlich verdattert über den spontanen Besucher. Sie hatten noch einen Reporter oder wer weiß wen erwartet. Jeder wollte wissen wer bei Starradio Hero mitarbeitete und von wo aus gesendet wurde. Doch das schöne an einer mobilen Einrichtung war, völlig anonym bleiben zu können.

Zumindest bis jetzt. Bis zu dem Moment, wo die Hauptfigur aus Naomis Sendung plötzlich an Deck der Night Runner stand und in die ziemlich verwirrten Gesichter seiner Freunde grinste.

„Du...bist hier...", flüsterte Naomi und stand neben sich.
Sogleich ging in Alecs Gesicht die Sonne auf.
„Ich habe erwartet diesen Satz von dir zu hören", antwortete er nur amüsiert und konnte gerade noch die Arme ausbreiten, bevor Naomi ihm entgegen sprang.

„Aber wieso?", fragte Hannes immer noch staunend, aber auch irgendwie erfreut. „Ich meine wie...?"
„Ich bin auf Bewehrung...", erzählte er angestrengt unter Naomis fester Umarmung.
Sie konnte es einfach nicht fassen. Aus Angst er würde gleich wieder verschwinden, drückte sie sich an ihn wie ein Klammeräffchen. Es kümmerte sie nicht das Warum oder Wieso. Alec war bei ihr und er war wohl auf.

„Sie haben mich nach meiner Operation wieder eingebuchtet, aber wegen guter Führung etwas eher entlassen. Natürlich hat Wilkinson ein gutes Wort für mich eingelegt."
Diana und Hannes tauschten staunende Blicke.
„Du bist also gesund? Aber wie hast du die OP überstanden?"

„Ganz ehrlich, Leute, das ist nicht wichtig. Ihr wollt das gar nicht wissen. Es zählt nur, dass ich gesund bin. Es gab keine Komplikationen und..."
„Wie das?", unterbrach ihn Naomi. „Sofern ich das richtig gehört habe, konnte nur Dr. Brown dich mit der besten Technik operieren. Also wer...?"
„Es war Dr. Brown", unterbrach Alec sie ebenfalls.

Naomi starrte ihn an. Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
„Dr. Brown? In der Schweiz?"
Er nickte als Antwort auf beide Fragen.
Alec schob Naomi sachte von sich und trat aufs Deck.

Er erklärte ihr in aller Ruhe, dass Dr. Brown eigentlich aus der Schweiz kam und ihn mit dorthin genommen hatte. Es war Alecs Entscheidung gewesen dessen Angebot mit der Operation anzunehmen, auch wenn es unter dem Deckmantel der HKS Group geschehen war.

Die Sicherheitsfirma bestand leider immer noch. Sie hatte es ziemlich schwer, da Higa und Kent von der Gesellschaft ausgestoßen wurden und nicht mehr die Leitung der Firma hatten.
Trotzdem würde es keine Welt ohne die HKS Group geben. Also war Alecs Kampf zwar erfolgreich, aber nicht ganz vollendet. Doch das kümmerte ihn nicht mehr. Er hatte sein Ziel erreicht und die Korruption beendet. Higa und Kent waren pleite. In naher Zukunft würde die Firma also einen anderen Namen bekommen und einen neuen Vorstand.

Das Geld von Higa und Kent hatte Alec nicht behalten, sondern den Familien zugeteilt, die jahrelang unter der HKS gelitten hatten - auch wenn es die Polizei gern beschlagnahmt hätte. Doch Alec traute niemandem. Schon gar keinen Polizisten.

„Und was ist aus dem Arzt geworden?", wollte Hannes am Ende der Erzählung wissen.
„Er arbeitet jetzt in der Schweiz. Er war ganz froh von Higa losgekommen zu sein. Obwohl er es bedauerte die Forschungseinrichtung verloren zu haben. Doch seine Lizenz als Arzt hatte man ihm nicht genommen, weshalb es für ihn möglich gewesen war mich zu heilen."

Naomi beäugte den dunkelhaarigen Jungen skeptisch. Das alles klang so einfach und unkompliziert. Warum sollte der Mann Alec noch helfen, nach allem was im HKS Tower geschehen war? Doch sie hatte keine Lust Alec zu löchern. Er würde ihr vielleicht nach und nach mehr erzählen. Sie hatte gelernt Geduld mit ihm zu haben. Also ließ sie die Sache auf sich beruhen und lächelte ihn erleichtert an.

„Und was hast du jetzt vor?"
Diese Frage beschäftigte alle, doch Diana konnte mal wieder nicht warten. Also hatte die flotte Blondine gleich Naomis Gedanken ausgesprochen. Ihr Blick war eindeutig.

„Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Es kommt ganz auf Naomi an. Wenn sie weiterhin mit meinem Geld um die Welt reisen möchte, soll sie das tun. Bleibt nur noch die Frage, ob sie mich mitnimmt. Vielleicht braucht ihr ja noch einen Reporter in eurem Team, oder einen Ingenieur, der die Wartung des Schiffs übernehmen kann, oder einfach nur jemand..."

Alec konnte nicht weiter sprechen. Naomi stellte sich auf ihre zierlichen Zehenspitzen und legte ihre Hände auf Alecs breite Schultern, während sie ihm einen überzeugenden Kuss auf den Mund drückte.
„Damit wäre die Antwort wohl klar", übersetzte Hannes grinsend.
„Eigentlich", begann Alec leicht benommen von dem Kuss, „weiß ich nicht was ich machen will. Doch ich habe jede Menge Talente und Zeit es heraus zu finden."

Naomi nickte.
„Es wird sich schon etwas finden. Bis dahin freut sich die Crew über den neuen Schiffsjungen."
„Moment mal, ja, das Schiff ist nach mir benannt. Ich bin sehr wohl der Kapitän, mindestens der Steuermann, aber um keinen Preis der Schiffsjunge."

„Das ist mein Schiff, ich habe es gekauft, also entscheide ich auch wer welche Rolle bekommt", beharrte Naomi.
„Aber du hast es von meinem Geld gekauft", konterte Alec. Er nahm die Diskussion gar nicht ernst. Er hatte einfach nur Freude daran so mit Naomi zu spielen. Er hatte sie unglaublich vermisst. Ihr verdrießliches Gesicht, wenn sie ihn schief anguckte und ganz niedlich die Arme in die Seiten stemmte. Sie versuchte sich aufzuspielen, aber sie war einfach viel zu klein und dadurch auch viel zu süß.

„Du hast es mir überlassen."
„Das stimmt ja auch", sagte Alec nickend.
„Sag mal, hättest du nicht etwas vernünftiges damit anstellen können? Warum hast du einen Radiosender aus dem Boot gemacht?"
„Ich dachte du wolltest so ein Boot haben."
„Ja für die Freizeit, nicht für eine Sendung über mich."
„Die Sendung hat uns alle ernährt, weil zu viele Leute sich für dich interessieren."
Alec hob nun ungläubig die Augenbrauen.

Er seufzte und wollte schon nachgeben.
„Wie wäre es, wenn wir den Rest des Geldes für einen Bootsführerschein ausgeben, oder ich dir ein wenig Verstand einbauen lasse."
Er tippte ihr mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.

Eigentlich erwartete Alec den nächsten Konter, aber Naomi wurde auf einmal klein wie ein Mäuschen und sah verlegen zur Seite.
„Was?"
Sie kaute auf ihrer Unterlippe und knibbelte an den Fingernägeln.
„Naomi...", sagte Alec und ahnte schon das Schlimmste.

„Ich bin, bis auf einen kleinen Rest ziemlich pleite, Alec. Schließlich habe ich das meiste Geld für die Night Runner und meinen Vater ausgegeben."
„Warte mal, du hast das ganze Geld vom Konto schon verballert?"
Sie nickte beschämt.
Alec starrte erst fassungslos auf sie und dann zu ihren beiden grinsenden Freunden.
„Ich dachte du freust dich vielleicht über das Boot und Charlie hat es verdient etwas abzubekommen. Er hat auch am meisten verloren."

„Und wovon bezahlst du deine Rechnungen, Naomi?"
Sie grinste zwar verlegen, aber nur halbwegs besorgt.
„Von Luft und Wasser kann man nicht leben", stellte Alec kopfschüttelnd fest.
„Wir haben jedenfalls einen Job, Alec", warf Hannes einfach in die Unterhaltung. Doch Diana zog ihn zischend weg und schob ihn ins Innere des Bootes.

„Verdammt, Naomi, ich bin ein Dieb. Ein Dieb, der pleite ist."
Sie nickte nur.
Alec konnte ihr einfach nicht lange böse sein. Ganz egal wie viel Geld sie besaßen, oder wohin der Weg sie führen würde, er wollte bei diesem Mädchen bleiben. Sie würden auf einander aufpassen und sich gegenseitig die Kraft geben, die sie lange verdient hatten.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top