46. 𝐸𝑖𝑛 𝑀𝑎𝑛𝑛 𝑠𝑡𝑒ℎ𝑡 𝑧𝑢 𝑠𝑒𝑖𝑛𝑒𝑚 𝑊𝑜𝑟𝑡

Man sah es ihm an, dass er mehr als verwirrt war. So ein dummes Gesicht hatte Maurice bei dem Jungen lange nicht gesehen. Daher war seine Reaktion nur allzu verständlich. Doch Maurice war kein Geist.

„Wie bist du...?", fragte Higa ebenfalls verwirrt.
Als Antwort tauchte die kleine Jenny hinter Maurice auf. Sie war genau wie der alte Mann ganz in schwarz gekleidet und schaute entschlossen und vorwurfsvoll auf Higa.
„Oh Jenny..."
„Spar dir jetzt die Standpauke, mein Freund. Es war klar, dass du es im Alleingang versuchst. Doch ich habe nach deiner Flucht meine kostbare Zeit damit verbracht die HKS Group im Auge zu behalten. Als sie plötzlich alle mobil wurden, war klar, dass es deinetwegen war."

Alec legte den Kopf schief. Er würde nie wieder den Fehler machen dieses Mädchen zu unterschätzen.
„Und als sie dich hier her brachten, war das die perfekte Gelegenheit den alten Mann zu befreien."
Sie spielte selbstsicher mit einem Dietrich in ihrer Hand. Wo auch immer sie Maurice eingesperrt hatten, Jenny hatte ihn mit ihren Wahnsinns Talenten befreit. Offenbar hatte sie ihm öfters über die Schulter geschaut, als ihm lieb war.

Higa gab ihnen nicht länger Zeit für Erklärungen. Er nitzte die Gelegenheit und griff nach der Waffe in Alecs Hand. Niemand war schnell genug ihn dieses Mal aufzuhalten. In der nächsten Sekunde zielte er mit der Pistole auf Alec.
Trotz Kopfschmerzen und Verwirrung konnte er gerade noch schnell genug ausweichen, als der Schuss knallte. Jenny und Maurice suchten sich Deckung, obwohl es nicht viele Möglichkeiten gab.

Alec hingegen musste den Kampf fortführen und stürzte sich auf den alten Asiaten, dessen grau melierte Haare schon längst nicht mehr ordentlich am Kopf lagen. Sie rangen beide um die Waffe. Zentimeter für Zentimeter drängte Alec ihn zurück und löste seine Hand von der Pistole. Schließlich hatte er diese erobert und hielt sie nun direkt an Higas Schläfe.
Erschrocken und auf einmal ganz klein, kauerte der Mann am Boden, während Alec aufstand und ihn wütend nieder starrte.

Niemand konnte ihn jetzt aufhalten, wenn er den Abzug drücken wollte. Er kämpfte mit sich. Die Wut brachte ihn zum kochen und ließ seine Hand zittern. Egal, er würde aus dieser Nähe trotzdem gut treffen, um Higa zu töten.
Seine grauen Augen wurden so dunkel, dass Jenny glaubte sie seien schwarz. Er wollte eigentlich niemanden verletzen, doch seine Wut drängte ihn dazu die Vernunft zu ignorieren.

Maurice zögerte und trat vorsichtig an den Jungen heran.
„Er ist es nicht wert, dass du dafür dein Leben zerstörst."
Alec hörte seine Worte, aber sie drangen nicht zu ihm durch. Immer noch führte er einen Kampf mit sich selbst aus. Er konnte all das jetzt und hier beenden. Auch wenn er dafür lebenslänglich in den Knast müsste. Sterben würde er sehr wahrscheinlich eh bald. Also hatte er kaum etwas zu verlieren.

Er konnte Naomi und die ganze Stadt vor diesen Untieren beschützen, wenn er sie alle einfach umbrachte. Dann müsste niemals wieder jemand so werden wie er.

Man hörte Stimmen aus den Fluren. Jemand kam näher und plötzlich stand Wilkinson in Begleitung mehrerer Polizisten im ziemlich demolierten Saal. Ein weiteres Ass, welches von Alec geplant war einzutreffen.
Er erkannte die Situation und stockte. Seine Augen wanderten zügig zwischen Maurice, Jenny und den Männern hin und her.

„Night Runner!", rief er Alec sanft.
Alec erinnerte sich an sein Versprechen ihm gegenüber. Doch warum sollte er sich wegsperren lassen, wenn er auch geradezu gut von einer Brücke springen konnte.
Er würde den Knast auch nicht überstehen, wenn er gesund wäre. Seine Angst davor eingesperrt zu sein, wuchs in ihm heran und drohte ihn zu zerreißen. Er hatte von Anfang an nicht vorgehabt sich einsperren zu lassen. Er ging davon aus im Kampf gegen Higa zu sterben. Oh warum musste er nur daneben zielen? Warum war Alec nicht einfach stehen geblieben?

Der Grund kam gerade zur Tür herein.

Ihre hellen Sneakers wanderten fast lautlos über den Fliesenboden. Nur das Knirschen der Glasscherben, verriet sie. Ihre gold-braunen Augen fixierten Alec wachsam und gleichzeitig beunruhigt. Er konnte nicht wegschauen. Verzweiflung, Reue und Zorn, all das spiegelte sich in seinen grauen Pupillen wieder.
Sie flehte ihn still an. Trotzdem hielt er die Waffe immer noch auf Higa gerichtet. Er war so sehr entschlossen abzudrücken.

Wieso waren sie alle hier? Glaubten sie wirklich ihn aufhalten zu können?




~




Einige Stunden zuvor...

Naomi wälzte sich unruhig in ihrem Bett. Es war so schön gewesen nicht alleine einzuschlafen, sondern in Alecs warmen Armen. Trotz allen Sorgen und den harten Arbeitsstunden, ließ sie es sich nehmen die Nähe zu ihm zu suchen. Ganz gleich ob sie sich vorher mit Alec gestritten hatte oder was Charlie davon hielt.

Der überbehütende Vater kam hervor, wenn er die beiden kritisch beäugte oder sich demonstrativ räusperte, wann immer Naomi Alec etwas zu lange umarmte. Doch mittlerweile störte es Charlie nicht mehr, dass seine Tochter sich in einen Dieb verliebt hatte. Er war schließlich mehr als nur das.
Darum spielte er nicht den Spielverderber.

Er hielt ständigen Kontakt zu David und Ricko und bedauerte es eingesperrt zu sein. Doch die Jungs trösteten ihn am Telefon damit, dass es nicht für immer so sein würde. Außerdem versicherten sie ihm überall mithin zu kommen. Ganz egal wo er sein neues Restaurant eröffnen würde und das wollte Charlie. Er liebte es Koch zu sein und die Menschen mit Leckereien zu verwöhnen.

Genauso, wie er Naomi eine frisch zubereitete Überraschung auf den Holztisch stellte und sie aufgemuntert ansah. Das zerzauste Mädchen rieb sich die müden Augen und blickte sich suchend um.
„Wo ist Alec?"
„Keine Ahnung. Er muss wohl schon sehr früh raus gegangen sein."

Jedes Mal wenn Alec das Haus verließ, drehte sich Naomi der Magen um. Er wurde doch von allen Seiten gesucht. Bisher war er nur hinaus gegangen, wenn er Dinge erledigen musste, die kein anderer tun konnte.
Beunruhigt setzte Naomi sich an den Tisch und wollte gerade vom Kaffee nippen, als das komische Gefühl im Magen schlimmer wurde.
Besser sie schaute einmal nach.

Also stand sie hurtig auf und stürmte durch die Wohnung, auf der Suche nach seinen Klamotten. Doch da war nichts. Charlie beobachtete ganz ruhig, wie seine völlig verrückt gewordene Tochter hin und her wuselte und immer mehr in Panik geriet.

„Was ist denn los, Naomi?"
„Er ist weg", sagte sie aufgelöst und blieb plötzlich stehen. „Er ging, ohne es zu sagen."
„Ja, aber er kommt wieder."
Charlie verstand es nicht.
„Papa, er macht es heute."
„Was denn?"
Charlie stand echt auf dem Schlauch. Naomi ging auf ihn zu und blieb ganz nahe vor ihrem Vater stehen. Sie starrte ihn schon fast nieder.

Sofern das mit ihrem Erscheinungsbild überhaupt möglich war. Sie trug immer noch ihre gemütliche Haushose und die Schlappen. Ihre komischen Haare standen ihr vom Kopf ab und der Sand in ihren Augen, ließ sie eher wie ein Zombie aussehen.

„Er fordert die HKS Group heraus."
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Charlie es kapierte. Seine Augen wurden langsam größer.
„Bist du sicher?"
„Er hat alles mitgenommen."
„Was ist mit dem Truck?"
„Lass uns nachsehen."

Sie ließen alles stehen und liegen und eilten aus dem Haus. Naomi konnte sich gerade noch Schuhe anziehen. In der Nähe gab es eine ziemlich große Garage, in der Alec einen großen Lastwagen versteckt hatte. Naomi hatte, um ihm zu helfen, die Angebote der umliegenden Schrottplätze durchstöbert und das Monster vor einigen Tagen dort gesehen. Er war nachts fix dort über den Zaun geklettert und hatte sich das Ding unter den Nagel gerissen.

Doch nun war die Garage leer. Charlie prustete und hielt sich die Hand auf die Brust.
„Sieht ganz so aus, als wäre dein Dieb ohne dich losgezogen."
Das war nicht das Schlimme daran. Er hätte sie eh an einem Stuhl angebunden, weil sie ihm im Weg gestanden hätte. Doch einfach so zu verschwinden verletzte Naomi. Wieso hatte er sich nicht einmal verabschiedet? Niemand konnte sagen wann und ob er zurückkommen würde. Noch dazu war Alec krank.

„Ich muss zu Wilkinson", meinte Naomi plötzlich wieder entschlossen und rannte schon los.
„Aber Naomi...", warf Charlie protestierend ein.
„Nein, ich muss ihm helfen. Alec schafft das nicht alleine."

„Wie wahr", stimmte eine tiefe Bassstimme ihr zu. Charlie und Naomi wirbelten herum.
Der Inspektor war schon hier. Naomi rechnete schon mit einem ganzen Battalion Polizisten, doch er war allein gekommen.
„Woher wussten Sie...?"
Auch ohne, dass Naomi den Satz beendete, wusste Wilkinson, was sie meinte.

Er hob zur Erklärung eine Mappe und einen USB-Stick hoch.
„Das lag heute morgen auf meinem Schreibtisch."
Naomi legte den Kopf schief.
„Sämtliche Beweismaterialien über die illegalen Machenschaften der HKS Group. Ich weiß nicht, wie er daran gekommen ist, aber er hat es mir heimlich still und leise auf einem Silbertablett serviert."

Naomi wusste, dass Maurice normalerweise die Recherche übernahm. Also wie hatte Alec es geschafft an so viele Informationen zu gelangen? Überhaupt, wie wollte er alleine in den Tower einbrechen und sich Higa und Kent vorknöpfen? Wenn sie es nicht besser wüsste, glaubte sie an ein Selbstmordkommando.

„Sie müssen Ihn aufhalten!", bat Charlie eindringlich. Naomi wunderte sich noch darüber, warum ausgerechnet Charlie das sagte, aber er sprach ihr genau aus der Seele.
„Ich fürchte das kann ich nicht alleine tun. Miss Singer, Sie müssen mich begleiten. Nur Sie können zu ihm durchdringen."

Wilkinson sah zum ersten Mal nicht einfach nur ernst oder entschlossen aus. Auf seinem faltigen Rauchergesicht bildete sich ein Ausdruck, den Naomi nicht einordnen konnte.



~



Es waren ihre flimmernden Augen und die unausgesprochene Bitte, die Alec letztendlich dazu zwangen die Waffe zu senken und den Finger vom Abzug zu nehmen.

Vorsichtig trat Wilkinson an ihn heran und entwaffnete ihn, bevor er es sich anders überlegen konnte. Er konnte es nicht tun. Nicht vor Naomi.

Higa grunzte erleichtert.
„Du Narr, du hättest die Gelegenheit nutzen sollen. Dir ist klar, dass ich eher aus dem Knast kommen werde, als du."
Genau dieser Gedanke beunruhigte Alec.
„Und wenn schon", platzte es aus Naomi plötzlich hervor, „ich werde dafür sorgen, dass Sie keinen Fuß vor den anderen setzen können, ohne von Paparazzi und Hassparaden belästigt zu werden."

Entschlossen ballte sie die Fäuste und funkelte den Mann am Boden böse an.
Wilkinson gab seinen Kollegen ein Zeichen und sie hoben den alten Asiaten auf die Beine. Er bekam Handschellen und wurde abgeführt.
Nicht ohne Alec noch einmal vielsagend anzuschauen.
Dieser bereute schon seine Entscheidung.

Er wandte sich an seine Freunde und schenkte ihnen einen reuevollen Blick.
„Junge, es wird alles gut", sagte Maurice mitfühlend, doch er hatte ja keine Ahnung.
„Ach ja?", kam es nur skeptisch von Alec.
Dann wandte er sich dem Inspektor zu.
„Machen Sie schon. Ich gab Ihnen mein Wort, dass ich nicht weglaufe."

Man sah es Wilkinson an, dass er lieber wo anders sein und jemand anderes verhaften wollte. Trotzdem hatte der Junge das Gesetz gebrochen und musste eine Strafe bekommen. Er selbst wollte sich allerdings für Alec einsetzen. Schließlich musste man doch die Umstände berücksichtigen. 
Er hoffte nur auf einen guten Richter für den Jungen.

In Zeitlupe kramte er die Handschellen hervor und legte sie widerwillig um Alecs Handgelenke.
Für einen Moment fing Alecs Blick den seinen auf.
„Wie hast du es nur angestellt?", fragte er leise, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
Alec öffnete den Mund, um zu antworten, hielt jedoch inne. Er war kein Verräter. Deshalb wartete er damit die Wahrheit zu sagen.

„Ohne mich, hätte er gar nichts geschafft."
Da war doch die miese Ratte aus seinem Versteck gekrochen, dachte sich Naomi.

Alles drehte sich zu Fred um, der breit grinsend die Arme hob und sich offenbar für den Retter der Nation hielt.
„Schließlich kenne ich sämtliche Zugangscodes und weiß wie man Computer und Türen hackt."

Er sagte das so selbstsicher. Ihm war schon klar, dass Polizisten anwesend waren.
„Du Idiot, wieso verschwindest nicht nicht einfach? Ich habe dir genug Geld gegeben, um damit ein neues Leben anzufangen", knurrte Alec verständnislos.
„Das stimmt, aber ich kann dich doch nicht ganz alleine als den Helden da stehen lassen. Was wäre ein Held ohne seine Komplizen, nicht wahr?"

Er nahm schon erwartungsvoll die Hände hoch  und ließ sich immer noch breit grinsend Handschellen anlegen.
Sehr zum Unverständnis aller anderen. Naomi schüttelte den Kopf.
„Wa hast du mit der Sache zu tun?", fragte sie frei heraus.
Fred ließ sich Zeit mit der Antwort und stotterte herum.
Da antwortete Alec für ihn: „Er hat mich kontaktiert, kurz nachdem ich euch aus dem Schutzhaus geholt habe", erklärte er immer noch grummelnd.

Naomi sah zwischen den beiden Jungs hin und her.
„Also sorgte er für den Stromausfall?", wollte Kent wissen. Ihm wuchs langsam eine Beule am Kopf.
„Ich habe ihm auch die geheimen Daten übermittelt. Keiner hat den Sicherheitsverstoß mitbekommen, weil ihr zu sehr damit beschäftigt wart eure Spuren zu verwischen und den Nachtdieb zu fangen."

Fred klang immer noch total zufrieden mit sich.
„Aber warum? Was hat dich dazu gebracht auf einmal gegen sie zu arbeiten?"
„Es war das Geld, Naomi", erklärte er ihr und lächelte überzeugend.
„Schwachsinn", rutschte es Alec heraus. „Du hast es wegen ihr gemacht. Du wolltest nicht als ewig gehasster Volltrottel bei ihr in Erinnerung bleiben."

Das traf die Sache ziemlich auf den Punkt. Auch wenn Fred das niemals zugeben würde.
„Na los, ihr könnt das später noch alles vor Gericht erzählen."
Die Polizisten führten die Gefangenen aus dem Gebäude und verstauten sie nacheinander in den vielen Streifenwagen, die mit Blinklicht den HKS Tower umstellt hatten.
Naomi rannte ihnen hinter her.

„Wilkinson, warten Sie."
Er führte Alec höchstpersönlich neben sich her, als fürchtete er, dass ihm der Dieb doch noch abhauen könnte.
„Bitte lassen Sie mich noch kurz mit ihm reden", bat sie eindringlich.
Alec tauschte einen intensiven Blick mit dem Inspektor aus.
„Ich laufe nicht weg. Ansonsten hätte ich es schon längst getan."
Diese Versicherung schien Wilkinson zu genügen, denn er ging ein wenig auf Abstand.

„Hör zu, Naomi, mach dir bitte keine Sorgen...", begann Alec gleich, bevor sie auch nur Luft holen konnte, doch sie unterbrach ihn gleich.
„Ich mache mir aber Sorgen. Ich werde dich jeden Tag besuchen", meinte sie zwar zusichernd, aber man hörte die Verzweiflung aus ihrer Stimme.
Wusste das Mädchen eigentlich, dass er nur ihretwegen noch lebte und bereit wahr durchzuhalten?

„Schon gut, Naomi, beruhige dich."
Sie wollte nicht hören. Sie plapperte wieder unsicher drauf los und gab ihm alle möglichen Versprechungen und gleichzeitig erwartete sie von ihm die Motivation nicht zu verlieren.
„Nao!", rief er ihren Namen. Erst einmal und dann noch zweimal.
Zum Schluss schrie er sie energisch an:
„Naomi, jetzt hör doch zu!"

Prompt war sie still.
„Wenn du etwas für mich tun willst, dann verlass die Stadt. Geh mit Charlie irgendwo hin, wo man euch nicht so schnell finden kann. Higa wird schneller wieder frei kommen, als mir lieb ist. Ich will nicht, dass er euch was anhaben kann."
„Aber...aber...", begann sie protestierend, doch Alec ließ sie nicht zu Wort kommen.
„Nichts da. Ich kann beruhigter mit allem klar kommen, wenn ich weiß, dass du in Sicherheit bist. Im Gefängnis kann ich nämlich rein gar nichts für dich tun."

„Ich will dich nicht alleine lassen. Wie willst du das überstehen?"
„Wenn ich dich jeden Tag sehen, aber nicht haben kann, werde ich es noch schwerer haben, Naomi. Also tu mir den Gefallen, sobald die Gerichtsverhandlungen durch sind, tauche unter."
Sein Blick war ernst und ganz und gar überzeugend.

Es widerstrebte Naomi einfach so zu verschwinden. Alec war krank und brauchte jegliche Unterstützung. Doch sie hatte auch nicht die Kraft mit ihm zu diskutieren. Wenn er so ernst schaute, konnte sie das nicht ignorieren.

„Wir müssen...", sagte Wilkinson nur und zog Alec vorsichtig am Arm.
„Nein..."
Naomi schüttelte den Kopf und folgte ihnen bis zum Wagen.
„Ich verspreche, ich werde mich um die HKS Group kümmern, Alec."
„Mach es nicht allein, Naomi. Maurice soll auf dich aufpassen."
Sie nickte nur und sah hilflos dabei zu wie Alec auf dem Rücksitz verstaut wurde.

„Keine Sorge, Miss Singer. Ich passe auf ihn auf. Ich lasse nicht zu, dass er stirbt."
Das war Wilkinsons letztes Versprechen, bevor auch er ins Auto stieg und sie unter lautem Sirenengeheul abfuhren.
Naomi traute ihm. Er war ein Mann, der zu seinem Wort stand und nicht korrupt war. Er schuldete es Alec, der ebenfalls sein Wort gehalten hatte. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass Alec ihr nichts davon erzählt hatte.

Ihr wäre es lieber wenn er weglaufen würde. Doch wie sollte er dann medizinisch behandelt werden? Ihr blieb nichts anderes übrig als deprimiert hinter den Streifenwagen herzuschauen, die in einer langen Kolonne die Straße entlang fuhren.

„Ich fasse es einfach nicht", murmelte sie still vor sich hin. Sie fühlte sich auf einmal leer und hilflos.
Ihre unruhige Hand strich sich die Haare zurück und sie konnte einen lauten Seufzer nicht unterdrücken.
„Es wird alles gut", meinte Maurice, der plötzlich hinter ihr stand.
„Er ist krank. Was soll daran gut werden."
Jennys runde Augen blickten wie ein kleines trauriges Hündchen auf die Straße, wo die Streifenwagen schon längst verschwunden waren.

„Er ist Night Runner", sagte sie und klang dabei wenig überzeugend. „Er ist Night Runner. Er hat schon so einige Scheiße durchgemacht. Das packt er auch noch."
Ihre Worte in Gottes Ohren, dachte Naomi und tröstete sich nur halbwegs damit.

Doch dann kam eine weitere Emotion in ihr hoch. Aus der Niedergeschlagenheit wurde Wut und aus der Wut entstand langsam Entschlossenheit. Wenn Alec stark sein konnte, dann würde sie es auch tun.
„Kommt, Leute, wir haben einiges zu tun."
Ein Lächeln umspielte Maurices Mundwinkel.
„Kein Wunder, dass er dich so mag."
Mit diesen Worten ließen sie die HKS Group in ihrem Chaos zurück und waren froh nicht auch noch verhaftet worden zu sein.

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