44. 𝑁𝑖𝑔ℎ𝑡 𝑅𝑢𝑛𝑛𝑒𝑟𝑠 𝑙𝑒𝑡𝑧𝑡𝑒𝑟 𝐶𝑜𝑢𝑝
Eine weitere Woche war vergangen. Alec hatte die ganze Zeit versucht ein Zeitfenster zu finden. Er brauchte nicht viel, nur ein paar Minuten. Als er an dem Punkt war aufzugeben, fand er es endlich, sein Zeitfenster.
Allerdings war es nicht nur die Gelegenheit, die ihm bis dahin fehlte, es waren auch Informationen. Nach wochenlangem Studium und ständiger Beobachtung von Higa und Kent, hatte Alec endlich einen Plan.
Wie so oft saß er vor dem Computer im Wohnraum der mittlerweile gemütlicher eingerichteten Wohnung und tippte fleißig. Dabei wanderten seine Augen immer wieder zu Naomi, die sich die Zeit damit Vertrieb aus dem fast leeren Zimmer etwas wohnhaftes zu zaubern. Schließlich konnten sie und Charlie noch auf die Straße gehen und einkaufen. Sie hatte keine Gelegenheit ausgelassen bei jedem Ausgang tonnenweise Deko mitzubringen.
Obwohl sie nicht sehr lange in diesem zweiten Versteck von ihm bleiben würden, gab sie sich solche Mühe. Irgendwie amüsierte ihn das. Naomi war einfach nicht unterzukriegen und suchte immer das Positive. Genau dafür liebte Alec sie. Wenn er es nicht besser wüsste, könnte man fast meinen sie wäre glücklich.
Doch Naomi war nicht glücklich. Ihre Sorge um Alec und ihren Vater überspielte sie bloß mit einem unsicheren Lächeln. Nur hatte sie aufgegeben mit Alec darüber zu sprechen. Wann immer sie ein Zittern an seiner Hand bemerkte, schaute sie ewig lange darauf und drehte sich dann ganz bewusst weg.
Ach wenn es doch nur das Zittern wäre. Selbst als Alec versehentlich einen Teller hatte fallen lassen, weil seine Hand nicht richtig zugreifen konnte, sagte sie kein Wort. Sie dachte sich nur ihren Teil. Als ob sie beide eine stille Vereinbarung getroffen hätten nicht darüber zu sprechen.
Naomi kam sogar noch am späten Abend zu ihm, während er noch immer am Computer arbeitete und Vorarbeit leistete, und brachte ihm etwas gegen die hämmernden Kopfschmerzen. Ohne diese wäre er wahrscheinlich dreimal schneller mit allem fertig.
Zum Dank und weil er ihr Schweigen zu schätzen wusste, erhob er sich und gab ihr einen sachten Kuss auf die Wange. Naomi zögerte, brachte aber ein knappes Lächeln hervor und ließ ihn dann wieder alleine. Alec war es nicht gewöhnt so umsorgt zu werden. Mal abgesehen von Maurice, der immer noch verschollen blieb, hatte sich nie jemand für ihn interessiert.
Zugegeben, dank seiner abgedrehten Lebensweise hatte er das auch nicht gewollt. Nun war er an dem Punkt, wo er das niemals wieder aufgeben wollte. Es tat einfach zu gut jemanden um sich zu haben, der für einen sorgte.
Alec beschloss ihre Nähe eine Weile zu genießen. Wenigstens für einen einzigen Abend. Deshalb folgte er ihr langsam in die Küche, wo sie sich einen Tee machte und er sich an den Türrahmen lehnte.
„Was ist?", fragte sie neugierig.
„Ich dachte es wäre schön eine Pause zu machen."
Sie nickte nur.
Alec hatte sich beim Aufstehen das Glas vom Schreibtisch mitgenommen und trank ganz brav die Medizin. Leider half sie nur ein bisschen.
„Wieso bist du noch wach, Naomi?"
Sie zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht aus Angst du würdest noch vor dem Rechner einschlafen."
Er hob die Augenbraue.
„Du siehst müde aus", meinte sie als Erklärung.
„Nicht mehr als du", stellte er grinsend fest, als sie versuchte ein Gähnen zu unterdrücken.
„Ich will nicht einfach schlafen. Ich hoffe nämlich immer auf den Moment, wo du mich um Hilfe bittest."
„Ach das ist es also. Nun, ich habe vielleicht tatsächlich eine Aufgabe für dich."
Sie spitzte förmlich die Ohren und lehnte sich an die Küchentheke.
„Du kannst morgen früh ein bisschen telefonieren."
„Hä?", fragte sie verwirrt nach und legte den Kopf schief.
„Ich brauche einen Lastwagen. Da ich auf der Fahndungsliste stehe, wäre es nett, wenn du den für mich besorgen könntest."
„Eine spezielle Größe oder Marke?"
Alec schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist egal. Er kann auch recht billig sein, solange er noch fahren kann."
„Okay. Ich kümmere mich darum", sagte sie voller stolz. Naomi war wohl sehr froh ihm endlich helfen zu können.
Sie starrte ihn noch eine Weile an und Alec hätte zu gerne gewusst, was in ihrem Kopf vor sich ging. Also sprach er sie ganz einfach direkt darauf an.
„Du bist immer so geheimnisvoll. Ich habe keine Ahnung was du planst, weil du niemanden einweihst. Dabei wäre es doch viel einfacher, wenn wir dir helfen würden."
„Aber du hilfst mir doch."
„Ja, jetzt endlich."
„Komm schon, Naomi, ich mache das seit Jahren. Ich bin es nur gewohnt mit Maurice zu arbeiten. Ich will dich nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen. Nur deshalb halte ich dich da raus. Doch sei versichert, ich habe einen Plan, um das Ganze bald zu beenden."
„Das du einen Plan hast, wusste ich in dem Moment, als du wie ein Berserker auf die Tastatur eingetippt hast. Davor hast du immer nur den Bildschirm angestarrt."
Alec grinste schon wieder.
„Wieso siehst du das alles?"
„Weil ich nichts besseres zu tun habe, als dich 24/7 zu beobachten", antwortete sie schmunzelnd, drehte sich dann zur Teekanne um und schüttete das heiße Gebräu in eine übergroße Tasse. Seit wann hatte Alec so große Tassen in der Küche? War das eine Anschaffung von ihr?
Auch wenn diese Wohnung nur als Notversteck diente und nicht einmal die Hälfte seiner Ausrüstung und seines gewohnten Lebensstils ersetzen konnte, war es riskant für Naomi, jedes Mal wenn sie hinaus ging.
„Du solltest echt auf dich aufpassen, Naomi. Zwar stehst du nicht auf der Fahndungsliste, aber die HKS Group sucht dich immer noch."
„Schon gut, ich bin vorsichtig."
Was Alec als Nächstes zu ihr sagte, bereute er sofort als er den Mund aufmachte.
„Nein, bist du nicht. Du kaufst unnützen Kram, anstatt nur das Nötigste zu besorgen und schnell wieder nach Hause zu kommen."
„Erstens, Mister-Schlecht-Gelaunt, ist das nicht mein Zuhause, sondern nur ein Boxenstop. Zweitens, hindert mich dieser unnütze Kram daran durchzudrehen und drittens will ich mich nicht schon wieder mit dir streiten."
„Naomi, ich sag dir jetzt mal was."
Alec trat ein paar Schritte näher und starrte sie mit einem ziemlich ernsten Gesichtsausdruck nieder.
„Ich habe eine Scheißangst dich zu verlieren", sagte er mit scharfen Tonfall. Die Bedeutung seiner Worte war allerdings alles andere als scharf.
„Du wirst mich nicht verlieren."
Er seufzte halb genervt.
„Wenn dich Higa in die Finger kriegt..."
„Wird er nicht", unterbrach sie ihn.
„Du hast doch keine Ahnung zu was diese Leute fähig sind", sagte Alec nun lauter.
„Dann erzähle es mir endlich. Seid Tagen warte ich darauf, dass du mich endlich aufklärst. Ich wollte dir Zeit geben und dich nicht bedrängen, aber ich weiß das du Dinge über die HKS herausgefunden hast."
Alecs Blick wanderte über die Schulter nach hinten. Er hatte bemerkt, das Charlie dazugekommen war. Etwas in Alec sträubte sich dagegen die beiden aufzuklären. Doch hatten sie die Wahrheit verdient. Sie hatten lange und geduldig darauf gewartet.
~
Dai Higa beäugte kritisch und angespannt die drei großen Transporter, die auf den Hof rollten. Einer hässlicher als der andere. Dagegen wirkte seine Limousine wie ein Glanzstern. Frisch poliert und elegant. Doch die Transporter waren nicht dazu gedacht Personen zu befördern.
Sie sollten sein Geld in Sicherheit bringen.
Er war nicht so dumm es einer Bank anzuvertrauen und dann noch die Hälfte seines Vermögens zu versteuern. Das einzige Geld, was man auf einem Konto finden konnte gehörte zur Firma, welches ausschließlich zum abwinkeln geschäftlicher Dinge genutzt wurde.
Dessen Verlust konnte Higa im Notfall noch verschmerzen, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen wie Night Runner das Konto plündern wollte. Dazu musste er sich in die Bank hacken. Ohne seinen schlauen Partner war er dazu wohl kaum fähig.
Nein, Higa machte sich mehr Sorgen um all das Geld bei ihm zu Hause.
Er würde es alles in den HKS Tower bringen. Es gab kein besser gesichertes Gebäude. Nur etwas schien ihm komisch. Wenn der Dieb es doch auf sein Vermögen abgesehen hatte - was nach all seinen letzten Opfern schon zu vermuten war - warum kündigte er den Raubzug vorher an? Er hätte locker in sein Haus einbrechen können. Doch diese Nachricht, diese Vorankündigung, war eine Herausforderung und Higa spielte gerne mit.
Der Junge überschätzte sich bei weitem.
Der alte Mann entfaltete den zum zigtausenden Mal zerknüllten Zettel und las abermals die Zeilen...
An die Higa und Kent Security Group,
In drei Tagen nehme ich euch die Macht.
Night Runner
Mehr stand da nicht. Das waren ausgeschnittene Buchstaben aus der Zeitung. Wofür bemühte er sich noch? Seine Identität war eh aufgeflogen.
Higa gluckste einmal leise und zerknüllte den Zettel dann ein weiteres Mal. Er steckte ihn unter seine Weste und dirigierte die Männer, während sie die kostbaren Kartons aus dem Haus trugen und in den Transportern verstauten. Solange, bis ein weißer SUV auf den Hof fuhr.
Ein wohl bekanntes, spitzbübisches Gesicht stieg aus. Higa verdrehte die Augen. Auf diesen Besuch konnte er gut verzichten.
„Guten Tag, Mr. Higa", grüßte Inspektor Wilkinson fröhlich. Er war ziemlich gut aufgelegt, dafür das ihm der Dieb entwischt war.
„Inspektor, Sie haben ja Nerven hier aufzutauchen. Sollten Sie nicht einen Verbrecher jagen?"
„Oh genau deshalb bin ich hier. Meine Quellen sagen mir, dass er ihnen einen Besuch abstatten wird."
Higa unterdrückte das Grummeln. Der Mann hatte Augen und Ohren überall. Ein paar Mal war er ihm sogar ganz dicht auf den Versen gewesen. Wenn er nicht vorsichtig war, könnte die ganze Sache für ihn schlecht ausgehen. Dieser verdammte Dieb. Er musste verschwinden. Higa würde ihn eigenhändig töten, wenn es sein musste.
„Ganz recht. Er hat es sogar angekündigt. Was halten Sie davon?"
„Nun, ich bin sicher er plant etwas."
Er sah sich kurz auf dem Hof um, warf seinen langen Mantel zurück, steckte sich eine Zigarette an und sah dann wieder zu Higa, der noch immer wie angewurzelt vor der Haustür stand.
„Genau aus diesem Grund habe ich beschlossen tätig zu werden. Ich gehe auf Nummer sicher und rette mein Geld."
„Ach sie meinen das steuerfreie, illegal gewaschene Geld?"
Higa verengte die Augen zu Schlitzen. Es stimmte zwar, doch wollte er das von dem Polizisten nicht hören. Dieser wollte ihn doch nur provozieren.
„Glauben Sie doch was sie wollen. Ich habe nichts zu verbergen. Sie haben meine Firma und mein Haus bereits durchsucht. Ich bin sauber."
Wilkinson lachte höhnisch, blieb aber völlig entspannt. Er wusste genau, dass da etwas war. Ihm fehlten nur die Beweise. Doch aus sicherer Quelle wusste Higa, dass Wilkinson mit dem Nachtdieb gesprochen hatte. Er war bei ihm im Krankenhaus gewesen. Bestimmt hatte er den Jungen ausgequetscht und dass Night Runner etwas wusste, war Higa klar, seitdem ihn Naomi Singer engagiert hatte.
Zuvor war er bloß ein lästiger Dieb gewesen. Mittlerweile war er mehr als nur ein Dieb. Higa wusste noch nicht, was dahinter steckte, aber so gezielt und systematisch, wie er die HKS Group ausgeraubt hatte, musste er andere Ziele verfolgen. Nur welche? Wer war der junge Mann? Er war ein Student, aber mehr wusste Higa nicht über ihn. Wie sehr er auch darüber nachdachte, er kam nicht drauf.
Stattdessen wich er genervt Wilkinsons Spitzen aus und hielt so lange wie möglich durch, bis die Fahrzeuge fertig beladen waren. Dann komplimentierte er den Inspektor hinaus und bereitete die Wagenkolonne vor.
Wilkinsons Blick, als er den Zigarettenstummel zu Boden fallen lies und ihn zertrampelte, war eindeutig. So als wollte er Higa sagen: Ich habe dich bald.
Fürs Erste jedoch verließ er den gestressten Mann ohne ein weiteres Wort.
Eine halbe Stunde später fuhren sie mit drei SUVs als Begleitschutz durch die belebte Stadt. Die Frühlingssonne knallte ganz ordentlich und erwärmte das dunkle Metall der Transporter. Higa machte das in seiner gekühlten Limousine nichts aus.
Nervös umklammerten seine runden Finger den Türgriff. Die Drohung kam vor zwei Tagen. Also höchste Zeit aktiv zu werden. Trotzdem war Higa unruhig. Er zog immer wieder an seiner Krawatte und hatte das Gefühl kaum Luft zu bekommen. Wie konnte ihn ein einziger Mann so nervös machen? Er hatte alles, um ihm zu trotzen. Eine Armee stand hinter ihm und mit seinem Geld konnte er alles und jeden um sich herum kaufen.
Er blickte aus dem Fenster auf die öden Passanten auf dem Gehweg. Die Leute erledigten ihre Einkäufe, hasteten von der Mittagspause wieder zur Arbeit und störten sich überhaupt nicht an den drei dicken Transporten, die eine ganze Autokolonne hinter sich herzogen. Jeder hatte seine eigenen Probleme und jeder war bereit für die Lösung alles zu geben.
In der Regel konnte Higa sämtliche Probleme lösen, aber Night Runner war ein Problem, dass er nicht im Griff hatte. Genauso wenig wie die Singers. Der Junge hatte sie gerettet, schon wieder. Die Kleine musste nur den Mund aufmachen und es war um Higas mächtiges Imperium geschehen.
Das wäre kaum besorgniserregend, wenn sie keine Beweise hätte, aber Higa war sich ziemlich sicher, dass Night Runner ihr welche verschafft hatte. Er musste sie noch erhalten haben, bevor Kent alles aufgeräumt hatte.
Das beunruhigte den Mann zutiefst.
Nur was genau hatte der Dieb gefunden? Wie viel wusste dieser Mistkerl?
Higa dachte die ganze Fahrt zum Tower darüber nach, rutschte unruhig auf seinem Ledersitz herum und konnte es kaum erwarten, dass sie in die Tiefgarage einbogen, die für diese Aktion komplett gesperrt wurde. Er sah auf die vielen Männer in schwarzen Anzügen, die nur kurz ihre Hand ans Funkgerät am Ohr hielten und jeden darüber informierten, dass die Ware so eben eingetroffen war.
Hier würde Night Runner nie im Leben ungesehen hereinkommen und selbst wenn er auftauchte, musste er erst die Armee von Sicherheitsleuten erledigen, was allein kaum zu schaffen war. Da konnte er noch so gut trainiert sein.
Doch aus zuverlässiger Quelle wusste Higa, dass der Junge nicht richtig gesund war. Alle Medien hatten die Nachrichten über Night Runners Krankenhausaufenthalt verbreitet.
Dafür hatte er nämlich gesorgt. Higa wollte es seinem Feind so schwer wie möglich machen.
Er stieg aus, kaum dass der Wagen anhielt. Er wartete nicht einmal darauf, bis ihm einer der Sicherheitsmänner die Tür öffnete. Er wollte bloß nicht sein Vermögen aus den Augen lassen.
Man begann sogleich unter höchster Anspannung die Kisten durch den unteren Eingang ins Gebäude zu schleppen und sicher im Bunker zu verstauen.
Nein, Night Runner würde nicht jetzt kommen. Er würde später zuschlagen, wenn Ruhe einkehren würde.
Alles verlief soweit reibungslos. Higa wartete so lange neben der geöffneten Bunkertür, bis der allerletzte Karton mit Geld verstaut war. Dann schloss er höchst persönlich die Tür ab und atmete erleichtert und zufrieden aus.
Wieder einmal war er seinem Feind einen Schritt voraus.
Zehn Männer sollten Tag und Nacht mit schweren Waffen vor dem Bunker Wache halten. So sicher hatte sich Higa lange nicht mehr gefühlt.
Doch das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand, als jemand lässig den Gang entlang schlurfte.
„Was willst du denn noch hier?"
„Ich wollte es persönlich sehen", antwortete der blonde junge Mann und blieb zwei Meter vor dem Geschäftsführer stehen. Dieser zog die Augen zusammen und forschte in dem merkwürdigen Gesichtsausdruck, seines Gegenübers.
„Nach allem was du versaut hast, wagst du es hier her zu kommen. Was sollte mich daran hindern dich zu erschießen?"
„Vermutlich nichts. Ich habe keine Angst davor diese verkommene Welt zu verlassen. Meine Schwester interessiert sich nicht für mich und andere auch nicht. Mein ganzes Leben lang habe ich versucht es besser zu machen und bin dabei nur immer weiter abgerutscht. Doch wissen Sie, Higa, wer es noch schwerer hatte?"
Higa legte den Kopf schief und wartete auf die Antwort.
„Sie", sagte Fred und setzte eine mitfühlende Miene auf. Er meinte es sogar halbwegs ernst.
„Sie sind wahrlich zu bedauern, weil es niemanden gibt, der Sie liebt. Sie wissen gar nicht was Liebe ist und deshalb werden Sie meine oder Alecs Bemühungen jemanden zu schützen niemals verstehen."
Higa war ohnehin komplett verwirrt. Wovon redete dieser Mistkerl?
„Ihre einzige Liebe gilt ihrem Vermögen. Doch was, wenn man sie davon befreit? Würden Sie dann endlich den Schmerz des Verlustes verstehen?"
Nun musste Higa laut lachen.
„Keine Sorge, mein Freund. Ich habe so eben alle Vorkehrungen getroffen, um das um jeden Preis zu verhindern."
Dieses Mal verunsicherte ihn Freds Lächeln. Es schien als wüsste er etwas. Higa bekam wieder dieses Gefühl der Unruhe, nur aufgrund dieses selbstgefälligen Gesichtsausdrucks.
„Sie glauben Sie könnten Night Runner schlagen?", fragte Fred lachend. Er amüsierte sich köstlich. „Ich habe es mein halbes Leben lang versucht gegen ihn anzukommen. Sehen Sie doch was aus mir geworden ist. Ich bin ein kompletter Versager, der nicht einmal das Mädchen retten kann, dass er liebt. Wenn ich nur zwei, drei Dinge anders gemacht hätte, dann hätte sie sich für mich entschieden. Es hat mir lange etwas ausgemacht, aber im Grunde, Mr. Higa, weiß ich nun was ich für sie tun kann."
Higa war immer noch verwirrt.
„Was zum Teufel redest du da?"
„Ich bin bloß gekommen, um Ihren Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ich Ihnen mitteile, wie arm sie jetzt sind."
Am liebsten hätte Higa wieder laut gelacht, doch die Entschlossenheit in Frederics Augen ließ ihn zögern.
„Mein Geld ist sicher."
„Ist es das? Oder haben Sie soeben zweihundert Kartons mit Blüten in den Bunker geschlossen?"
Immer noch zögerte Higa, trotzdem befahl er seinen Männern die große runde Tür hinter sich aufzumachen. Das Eisen quietschte und nur wenige Sekunden später drehte Higa sich um und ging in den mit Kartons gefüllten Raum.
„Aufmachen!", befahl er einem der Männer. Dieser zückte sein Taschenmesser und Schnitt die Folie auf.
Higa übernahm den Rest und öffnete den Karton. Sofort stolperte er zurück. Der Karton war nicht bis zum Rand mit seinem Geld gefüllt. Es waren bemalte Blätter.
Panisch grabschte Higa nach dem Messer und schnitt noch zwei andere Kartons auf. Auch die waren mit Papier gefüllt. Dann noch einer und noch einer. Alle Kisten waren gleich. Kein Geld, nichts.
Wütend drehte Higa sich zu dem grinsenden Fred um.
„Was soll das? Was hast du mit meinem Geld gemacht?"
Er packte den Jungen am Kragen und schüttelte ihn.
„Oh ich habe gar nichts gemacht, aber fragen Sie doch mal Night Runner."
„WIE?", schrie der empörte Mann außer sich.
„Wie konnte er es stehlen?"
Er schüttelte immer heftiger und Fred ließ es über sich ergehen. Es war eine Genugtuung Higa so aufgelöst zu sehen. Endlich, seit einer Ewigkeit, hatte er das Gefühl etwas richtiges zu tun.
„Du hast ihm geholfen, stimmt's?"
„Und wenn schon."
„Ich dachte du hasst ihn."
„Das tue ich immer noch, aber Sie hasse ich noch mehr."
„Warum?"
Nun klang Higa fast wehleidig. Fred glaubte er würde gleich zusammen brechen. Sein sonst so blasser Kopf wurde knallrot vor Zorn.
„Sie haben Naomi in Gefahr gebracht."
„Dieses Mädchen?"
Higa konnte es nicht fassen. Was hatte die kleine Studentin bloß an sich, dass diese Kerle sich so um sie bemühten?
Higa platzte förmlich aus allen Nähten. Er schlug Fred so hart wie er konnte ins Gesicht, sodass dieser zu Boden ging. Ihm machte das nichts. Er lachte sogar, weil er sich besser fühlte. Dieses Gefühl war es absolut wert.
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