33. 𝑀𝑢𝑡 𝑧𝑢 𝑙𝑒𝑏𝑒𝑛

Naomi machte den Herd aus, obwohl die Suppe noch nicht fertig war. Dann ging sie um die Theke herum auf Alec zu. Er verbarg seine Verzweiflung und seine Angst, doch sie konnte ihn mittlerweile durchschauen. Er konnte sie jetzt nicht mehr belügen.

„Ich weiß nicht, wie es ist von irgendetwas abhängig zu sein und zu glauben keinen Ausweg zu haben, aber ich bin nicht der Meinung, dass man sich einfach umbringen sollte. Irgendwann wirst du eine Lösung für das Problem finden, Alec."
Er hob skeptisch den Kopf. Seit wann war seine Welt so kaputt?

„Selbst wenn ich mit dem Stehlen aufhören kann, was soll ich dann machen, Naomi? Ich habe immer in Dunkelheit gelebt und kenne nichts außer den Hass auf die HKS Group."
„Die Welt ist so groß. Ich bin mir sicher du wirst dort draußen etwas finden, was dir Glück bringt. Wenn's nicht das Studium ist, dann vielleicht etwas anderes. Auch du musst Träume haben, oder nicht?"

Alec zuckte nur mit den Schultern.
„Du bist mehr als nur ein Dieb, Alec."
„Ach ja?", meinte er spöttisch. „Woher willst du das wissen?"
Er richtete sich plötzlich auf und sein Blick wurde wieder kalt und ablehnend.
„Du kennst mich nicht. Ich kenne mich nicht einmal selbst. Also was genau magst du bitte an mir, Naomi? Du hast dich in den Nachtdieb verliebt, weil er dich beeindruckt und beschützt hat. Aber du liebst nicht mich."

Schon wieder waren seine Worte schärfer als jede Klinge. Doch Naomi schluckte den Schmerz ihrer Seele hinunter und stellte sich ihm aufrecht entgegen.
„Du solltest im Augenblick nicht mit mir darüber diskutieren. Ich mag dich und basta!"

Er runzelte verwirrt die Stirn, doch Naomi hielt ihn für nicht ganz zurechnungsfähig. Er litt offenbar unter sehr starken Depressionen und war deswegen in Behandlung, sonst hätte er keine Beruhigungsmittel.

Sofort verwarf Naomi den letzten Gedanken. Alec könnte die Tabletten auch geklaut haben. Sie bließ hörbar die Luft aus und überlegte was sie ihm noch sagen konnte, damit er nicht mehr so negativ dachte.

„Ach was soll's. Ich bin müde", sagte er angestrengt und rieb sich die Augen. Sein Körper war noch zu schwach um zu streiten.
Deshalb ging er einfach wieder nach oben.
„Du bist ein guter Mensch. Das weiß ich mit Sicherheit", sagte Naomi ihm noch, bevor er auf der Empore verschwand.

Sie sah auf ihre Handyuhr und stellte fest, dass es schon sehr, sehr spät war. Charlie musste durchdrehen. Doch Alec alleine lassen war viel zu riskant. Er würde noch auf dumme Ideen kommen. Wenn jemand unbedingt sterben wollte, dann schaffte er das auch.

Schnell schrieb sie ihrem Vater eine beruhigende Nachricht und meinte bei einer Freundin übernachten zu wollen. So würde Naomi zwar später eine Standpauke erwarten aber Charlie würde sich keine Sorgen machen.

Zumindest für diese Nacht. Was würde sie morgen machen? Es war zum Glück Wochenende und der Kurs war auch vorbei. Das gab ihr die Freiheit ein paar Tage in Alecs Versteck zu bleiben. Vorausgesetzt ihr Vater spielte mit. Doch Alec brauchte Hilfe. Sie würde ihn jetzt nicht im Stich lassen. Er hatte ihr so oft das Leben gerettet. Allein das bewies wie besonders er war und es machte ihn zu einem guten Menschen. Dieb hin oder her.

Eine halbe Stunde später ging Naomi nach oben, um nach Alec zu sehen und stellte entsetzt fest, dass er gar nicht schlief. Sein Bett war leer. Er war auch nicht hinunter gekommen. Wo war er nur? Sie sah sich hektisch um und sah die komische Metalltür. Zuvor hatte Naomi ihr kaum Beachtung geschenkt.

Schnell lief sie darauf zu und drückte sie auf. Zu ihrer Überraschung landete sie auf dem Dach. Eisiger Wind klatschte ihr entgegen. Sie hatte sich nichts übergezogen.
„Alec?", rief sie ihn mehrmals.
Leider gab er zunächst keine Antwort, bis sie langsam in Panik geriet.

„Scheiße man, ist das dein Ernst?"
„Schrei nicht so, oder willst du mich gleich an die Bullen verraten?"
Sie wirbelte erschrocken herum und sah hinter sich aufs Dach eines Schuppens. Darin befand sich womöglich der ganze Technische Kram des Hauses.

Alec saß seelenruhig am Rande und ließ die Beine an der Wand herunter baumeln. Unter seinen Füßen ging es sehr tief nach unten.
Er schien sich nicht über ihre Gesellschaft zu freuen und Naomi brachte ihre Erleichterung etwas zu deutlich zum Ausdruck.
„Was, dachtest du ich springe herunter?"
Sie wollte es nicht zugeben, aber ja dieser Gedanke hatte sie beunruhigt.

„Viel zu schmerzhaft. Wenn, würde ich mich erschießen oder mit Drogen vollpumpen."
Letzteres hatte Naomi schon gesehen und das reichte ihr vollkommen.
„Darf ich raufkommen?"
„Wenn du einen Weg findest", meinte er betont ablehnend.
Seine Launen waren nur ein Ausdruck für seine Krankheit.

Naomi fand an der Seite des Schuppens eine Tonne und eine abgebrochene Leiter. Sie stieg zuerst auf die Tonne und kletterte dann vorsichtig an der wackeligen Leiter hinauf. Alec schaffte das bestimmt auch ohne Hilfsmittel. Als sie oben ankam, sah er bewusst weg und stützte sich nach hinten auf die Arme. Sie ignorierte das gekonnt und setzte sich neben ihn.

„Wow! Also die Aussicht ist echt klasse", bewunderte sie die weitläufige Sicht auf den Hafen. Das raue Wasser des Kanals spiegelte die vielen Lichter der Schiffe und der Kräne wieder. Es brachte eine harmonische Stimmung mit sich und Naomi genoss das Gefühl von Ruhe und Einsamkeit. Wenn ihr nur nicht so kalt wäre. Alec schien nicht zu frieren in seinem Pulli. War ihm denn nie kalt?

Sie verbarg ihre zitternden Hände unter ihrem Gesäß.
„Kommst du öfters hier her?"
„Immer wenn ich das Gefühl habe mir fällt die Decke auf den Kopf."
Naomi machte den Mund auf, um was zu sagen, traute sich aber nicht ihn auf die Vergangenheit anzusprechen.
„Na sag schon", forderte Alec tonlos. Er hatte sie mal wieder genau im Auge.
„Wie lange warst du eingesperrt?"

Alec zuckte nur kurz mit der Augenbraue.
„Ein paar Jahre. Doch nicht die ganze Zeit. Manchmal sollte ich auf dem Hof meines Ziehvaters aushelfen, dann ließ er mich raus. Doch wenn er eine schlechte Zeit hatte, trank er immer sehr viel und sperrte mich manchmal für Tage in den Schrank."

„Das muss furchtbar gewesen sein."
„Eigentlich mochte ich den Schrank. Solange ich dort drin war, wurde ich nicht geschlagen."
Er sagte das so lässig, als würde er davon berichten wie ihm jemand das Eis klaute oder Ähnliches.
Es folgte ein unsicheres Lächeln. Natürlich fiel es ihm schwer darüber zu reden und Naomi beschloss nicht weiter zu fragen.

Derweil kroch ihr die Kälte unter die Haut und brachte sie zum frösteln.
„Geh rein, wenn dir kalt ist."
„Dort drinnen ist es auch nicht viel wärmer", beklagte Naomi sich. „Du könntest mich wärmen", erklärte sie voller Hoffnung, erwartete aber schon einen dummen Kommentar von ihm.
„Netter Versuch."
Da war er auch schon.
„Ich will immer noch, dass du gehst."
„Netter Versuch", konterte sie sofort.

„Dann geh rein. Ich verspreche dir, ich werd nicht runter springen."
Naomi forschte skeptisch in seinem Gesicht.
„Na schön...", sagte sie mit einem scharfen Unterton. „Ich verspreche dir, dass ich nachher noch da sein werde."
„Hab wohl keine Wahl, was?"
„Nö."

Naomi war von der kurzen Zeit so durchgefroren, dass sie zähneklappernd hinein ging und zielsicher einfach in Alecs Bett krabbelte und sich die Decke bis zum Kinn zog. Alec würde schon nichts dagegen haben, wenn sie sich in seinem Bett aufwärmte. Der Rest der Wohnung war auch nur semi beheizt und vorher hatte ihn das auch nicht gestört. Er hatte sich sogar an sie gekuschelt. Bei der Erinnerung musste sie schmunzeln und schmiegte sich in das breite Kissen, welches noch Alecs Duft anhaften hatte.



~




Da schlief dieses Mädchen einfach in seinem Bett. Nicht dass ihn das gestört hätte - nicht im Geringsten. Es war zu schön, um wahr zu sein. Gleichzeitig quälte es Alec. Früher oder später würde er sie wieder aufgeben müssen. Doch für eine Weile konnte er ihre Nähe genießen.
Darum setzte er sich neben sie aufs Bett und beobachtete ihren ruhigen Schlaf. Vermutlich hatte sie die Nacht kaum geschlafen und sich dauerhaft Sorgen um ihn gemacht.

Noch war es nicht Morgen. Naomi hatte noch ein paar Stunden und Alec würde ganz bestimmt nicht weglaufen.
Für eine Weile wachte er über sie und wäre beinahe selbst wieder eingeschlafen. Die Nachwirkungen des Beruhigungsmittels spürte er immer noch. Sein Kreislauf war komplett herunter gefahren. Wenn Naomi ihn nicht aufgewärmt hätte, dann wäre er wohl gar nicht mehr aufgewacht. Noch wusste Alec nicht, ob er ihr dankbar dafür war.
Für den Augenblick vielleicht. Es war schön nicht mehr alleine zu sein.

„Hey", flüsterte sie schläfrig.
Wann hatte sie die Augen geöffnet?
„Hi", grüßte er freundlicher als beabsichtigt.
„Hast du geschlafen?"
Alec schüttelte den Kopf.
Naomi setzte sich langsam auf und sah ihn an.
Hatte sie Angst er könnte jeden Moment verschwinden? Der Ausdruck in ihren Augen ließ darauf hindeuten.

„Weißt du was, Alec...ich glaube du brauchst Urlaub."
Das kam unerwartet. Er starrte Naomi an wie eine seltene Pflanze.
„Sag Maurice Bescheid, dass ich dich ein paar Tage beschlagnahme. Ich werde derweil Charlie sagen ich würde bei einer Freundin übernachten, um zu lernen."

Sie meinte das tatsächlich ernst.
„Und was genau hast du vor, Naomi?", wollte Alec immer noch leicht skeptisch wissen.
„Ich bringe dich auf andere Gedanken."
Wieder ein verständnisloser Blick von ihm.

„Glaub mir, das wird schon wieder", meinte sie selbstsicher.
Naomi stand auf und ging zu ihrer Tasche und der Jacke, die sie nur schnell über eine Stuhllehne am quadratischen Küchentisch gehängt hatte, und holte ihr Handy hervor.
Alec folgte ihr hinunter.

„Du sagst du kennst dich kaum, dann werden wir eben beide herausfinden, wer du bist."
„Und wie stellst du dir das vor?", fragte Alec mit wenig Begeisterung und stützte sich auf die Stuhllehne.
„Wir sollten etwas unternehmen. Ich meine damit nicht von einem Hochhaus springen und in Häuser einbrechen. Ich meine normale Dinge, die normale Menschen so tun."

Er war nicht normal.
„Ich weiß nicht. Ich sollte jetzt im Moment nicht dort draußen herum laufen."
„Solange du nicht als Night Runner herumläufst und Leute ausraubst, geht das schon in Ordnung. Selbst wenn die Polizei dich verdächtigt, können sie dich nur auf frischer Tat erwischen."
„Moment mal..."
Alec griff nach ihrem Handgelenk.
„...was willst du damit sagen?
„Ähm..."
Auf einmal wirkte sie unruhig und senkte beschämt den Blick. Offenbar hatte sie vergessen ihm was zu sagen.

„Wilkinson war bei mir und Charlie", gestand sie nicht mehr so selbstbewusst. Alec konnte es nicht fassen, dass sie das jetzt erst erwähnte und ihn dann noch überreden wollte hinaus zu gehen.
Er versuchte nicht gleich in Panik zu geraten. Nicht wegen sich selbst, sondern wegen ihr. Wusste sie in welche Schwierigkeiten sie das brachte?

„Ich habe natürlich nichts gesagt, aber er geht davon aus, dass ich deine Identität kenne."
Alec legte forschend den Kopf schief.
„Ich habe alles geleugnet. Nur hat er eine komische Bemerkung gemacht."
„Was für eine Bemerkung?", fragte Alec vorsichtig und ließ ihr Handgelenk los.
„Er meinte ich hätte einen starken Beschützer bei dem Ausflug gehabt, der genau wusste wo er nach mir suchen sollte."

Alec stöhnte und senkte den Blick. Er verfluchte sich innerlich. Wenn er bei seinem üblichen Raster geblieben wäre, hätte das Wilkinson nicht auf seine Fährte gebracht.
„Ich glaube, er weiß wer du bist. Nur hat er keinerlei Beweise."
„Natürlich weiß er es. Ich habe in letzter Zeit viele riskante Dinge getan, die ich besser nicht getan hätte."
Als er wieder zu ihr aufsah, bemerkte er ihr trauriges Gesicht.

„Das ist alles meine Schuld. Du bist nur meinetwegen in diesem Schlamassel."
Nun, leugnen konnte er das nicht. Doch er machte ihr keine Vorwürfe.
„Wenn ich dir nicht in den Wald gefolgt wäre..."
„Hätte, wenn und aber", unterbrach Alec sie. „Ich bin selbst daran schuld. Doch wie du schon sagtest, können sie mir nichts ohne Beweise."

Das schlechte Gewissen sprach aus Naomis treuen Augen. Es tat ihr wirklich leid. Doch sie war dabei so süß, das Alec es tatsächlich zu einem Schmunzeln brachte.

„Ich bin mir sogar sicher, dass sie mein Versteck kennen. Sie müssen dich überwacht haben. Nur ist es kein Verbrechen in einem Lagerhaus zu leben. Vielleicht eher die Tatsache meinen Strom illegal anzuzapfen, doch auch das müssen sie mir erst einmal nachweisen."
„Und wenn sie hier rein kommen?"
„Dann müssen sie erst einmal die Fallen überwinden und bis dahin bin ich schon längst weg."

„Ich schätze ich bin in deinem Fluchtplan nicht inbegriffen."
Natürlich war sie das nicht. Alec hatte auch nie damit gerechnet sie je bei sich zu Hause zu haben.
„Naja, ist ja nicht so wichtig. Lass uns nicht darüber nachdenken. Wir machen nichts Illegales."

Wie konnte dieses Mädchen so gelassen bleiben? Bei allem was sie um die Ohren hatte, war das ein Wunder. Warum hatte sie eigentlich noch nicht über ihre Mutter gesprochen? Es musste ihr schwer fallen ihre Fragen zurück zu halten und Alec war sich sicher, dass sie welche hatte.

„Warum guckst du so?", fragte sie als Alec immer noch regungslos im Wohnzimmer stand und versuchte ihre Gedanken und Gefühle zu erforschen.
„Weil du krampfhaft positiv denkst und versuchst mich damit anzustecken."
„Funktioniert es?", fragte sie mit einem provozierenden Grinsen.
Alec verdrehte die Augen und schnalzte spöttisch mit der Zunge.



~



Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber Naomi hatte das Gefühl, seine Laune hatte sich etwas gebessert. Überzeugt davon ihn dauerhaft aufmuntern zu können, deckte sie den Tisch und drängte Alec dazu Nahrung aufzunehmen.
Schweigend und missmutig löffelte er die frische Suppe und schenkte ihr gelegentlich einen düsteren Blick. Doch das nützte ihm nichts. Naomi wusste, dass er sie mochte. Das hatte er bereits mehrmals bewiesen.

Nach dem leichten Frühstück ging er duschen und sie räumte die Küche auf. Am liebsten hätte sie auch geduscht, aber sie hatte keine Kleider eingepackt.
„Hey Alec, leist du mir was?"
Er rubbelte sich mit den Handtuch die dunklen Haare trocken und kam ins Wohnzimmer.
„Bitte!", flehte sie freundlich.
Er gab nach und holte ihr eine Jogginghose und ein T-Shirt, was ihr natürlich beides viel zu groß war. Egal, ihre Klamotten konnte sie später noch holen.
Auch wenn sie die Konfrontation mit Charlie scheute.

Als sie ebenfalls umgezogen war, schlurfte sie zu ihm zurück. Alec hob nur leicht amüsiert die Augenbraue.
„Du siehst aus wie ein Sack."
Sie verzog den Mund und wollte etwas Ähnliches zu ihm sagen, konnte es aber nicht.

An Alec war absolut nichts komisches. Er hatte eine normale Jeans an und wie immer einen dunklen Hoodie. Seine immer noch nassen Haare fielen ihm dieses Mal nicht ins Gesicht und Naomi blieb staunend der Mund offen stehen. Wusste der Typ eigentlich wie gut er aussah?

Sein Gesicht war schmal und ebenmäßig geschnitten. Doch der strake Kiefer und die tiefen Augenbrauen machten ihn sehr männlich. Diese grauen und aufmerksamen Augen wurden von langen dichten Wimpern geschützt und seine Nase war wie gemalt. Wenn er sich so unter seinem langen Pony versteckte, bemerkte man gar nicht wie auffallend attraktiv er war.
Ihr Blick blieb auf seinen Lippen hängen. Sie waren zuvor noch sehr blass gewesen. Mittlerweile zeigten sie wieder eine etwas lebendige Farbe.

Automatisch erinnerte sie sich an das Gefühl von ihm geküsst zu werden und schluckte es sofort hinunter. So schnell würde das wohl nicht wieder passieren.
Schnell drehte sie sich um und kramte in ihrer Tasche nach dem Portemonnaie. Wie viel Bargeld hatte sie eigentlich dabei?

„Was machst du?", fragte er und stellte sich neben sie, was Naomi natürlich gleich nervös machte. Verdammt, warum war sie nur so verknallt ihn ihn?
Sie setzte ein Lächeln auf, um ihn von ihren zittrigen Fingern abzulenken.
„Ich gehe einkaufen und du wirst mich begleiten", verkündete sie möglichst selbstsicher.

Anfangs gefiel ihm diese Idee gar nicht, doch es würde seinen schrägen Alltag etwas auflockern.
So rollte er eine halbe Stunde später den großen Einkaufswagen an den überfüllten Regalen vorbei und guckte langweilig und genervt in der Gegend herum, während Naomi ein Teil nach dem anderen in den Korb legte.
Irgendwann sah er skeptisch auf den schon sehr gut gefüllten Wagen.

„Naomi, wer soll das alles essen?"
„Na wir", gab sie eindeutig zurück.
Alec hatte noch nie so viel Zeug in seiner Bude.
„Willst du mich mästen?"
Sie grinste.
„Nö, aber du brauchst etwas mehr auf den Rippen. Schließlich hast du eine Woche nichts gegessen."

„Es waren nur ein paar Tage, Naomi. Abgesehen davon will ich gar nicht zunehmen."
„Es wäre aber gesünder für dich", argumentierte sie und packte das nächste Teil in den Wagen. Dann ging sie weiter.
„Du weißt schon was mein Hobby ist? Ich falle wegen Übergewicht noch vom Dach."
„Wohl kaum, nur weil du mal ein paar Tage mehr isst. Ich koche auch kalorienarm."

Alec schüttelte verständnislos den Kopf und blieb ein paar Minuten ruhig. Was war eigentlich sein Problem? Bei seinem Job musste er viel trainieren, um fit zu bleiben. Er würde das ganze Essen im Nu verbrennen. Also warum meckerte er ständig herum?

Allerdings gefiel es Naomi so mit ihm zu diskutieren. Sie hörten sich schon wie ein ganz normales Pärchen an. Sie konnte nicht anders, als es zu genießen. Genau das wollte sie: Einfach normal mit ihm leben und ab und zu mit ihm streiten. Das machte unglaublich viel Spaß. Also ging sie weiter und grinste in sich hinein.

„Mal ehrlich, wo lässt du das alles?", fragte er verwundert und deutete auf ihren schlanken Körper.
„Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die alles essen können. Ich wünschte auch ich würde wenigstens ein bisschen zunehmen. Da fehlen ein paar Rundungen", meinte sie und klopfte auf ihre Hüfte.
„Ach was beneide ich Diana um ihre Oberweite. Ganz ehrlich so eine Bohnenstange ist doch unattraktiv."

Sie wollte eigentlich nicht nach Komplimenten fischen. Ihr wurde gerade bewusst in welche Lage sie Alec gebracht hatte, als er auch schon sagte: „Also meiner Meinung nach ist alles so wie es sein sollte."
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Doch Alec wich ihrem Blick aus und rollte den Wagen an ihr vorbei.

Sie starrte ihm einen Moment hinterher und fing dann an zu schmunzeln.
Meinte er das tatsächlich so, oder sagte er nur was sie hören wollte? Jedem anderen hätte sie nicht geglaubt, aber es war so leicht ihrem Schwarm ein Kompliment abzukaufen.

Ihre gute Laune blieb bestehen und sie beendeten den Einkauf. Alec half ihr die proppenvollen Tüten im Kofferraum seines Nissans zu verstauen und fuhr mit ihr zu seinem Versteck zurück.
„Hast du das Gefühl man verfolgt uns?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Doch das heißt nichts."

Ein paar Minuten später fuhr Alec den Wagen in eine große Garage und packte die Tüten in den Fahrstuhl, der sich alleine über den Zahlencode aktivieren ließ. Er achtete nicht darauf diesen vor ihr geheim zu halten. Offenbar vertraute Alec ihr mehr, als sie angenommen hatte. Irgendwie freute sie das.

Nachdem sie alles verstaut hatten und Alec erschöpft auf dem Sofa landete, reichte Naomi ihm eine kalte Cola.
„Gut gemacht!", lobte sie und kassierte einen vorwurfsvollen Blick von ihm.
„War das so schlimm?"
Er nickte, schien es aber nicht ernst zu meinen.

„Und was, wenn ich fragen darf, hast du als Nächstes mit mir vor?"
Er nahm einen Schluck Cola und setzte sich in den Schneidersitz. Naomis Beine taten schon beim Hingucken weh.
„Das, mein Lieber, bleibt eine Überraschung."
„Du machst mir Angst."
Sie lachte.
„Du hast vor gar nichts Angst."
„Doch...", entgegnete er und schenkte ihr einen prüfenden Blick, „...gerade...jagst du mir sehr viel Angst ein."
Das amüsierte sie und sie lachte gespielt böse.

Sie wollte eine Menge mit ihm machen. Alec wusste nicht, wie man lebte und sie hatte sich fest vorgenommen das zu ändern. Nur so konnte sie ihn behalten. Es war eine Spur egoistisch, aber das störte sie nicht. Wenn Alec so weiter machte, würde er entweder eingebuchtet werden - was ihn ganz sicher umbringen würde - oder seinen Depressionen zum Opfer fallen.
Naomi würde alles tun, um das zu verhindern. Einfach alles!

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