27. 𝑂𝑓𝑓𝑒𝑛𝑏𝑎𝑟𝑢𝑛𝑔

Naomi rannte hinter ihm her, halb stolpernd halb taumelnd. Sie hatte definitiv zu viel getrunken, um so über den Sand zu laufen.
Alec ging zielstrebig zum nachtschwarzem Wasser. Die Wellen tosten. Naomi machte sich wegen der Brandung noch mehr Sorgen. Wie konnte sich Hannes nur so was gefährliches ausdenken?

„Alec, Bitte warte!", rief sie ihn aufgeregt.
Er hörte nicht auf sie. Sie legte einen Zahn zu. Doch schwankte der Boden etwas und sie hatte Probleme das Gleichgewicht zu halten. So landete sie doch irgendwann der Länge nach im Sand. Das Gute daran war, dass Alec auch stehen blieb und nach ihr schaute.
Sie hob den Kopf und flehte ihn mit Blicken an, dann setzte sie sich langsam auf.

„Du holst dir den Tod, wenn du da rein gehst. Du magst vielleicht ein guter Schwimmer sein, aber selbst für dich ist das zu gefährlich."
„Willst du mich so sehr küssen, Naomi?", fragte er halb neckend und halb ernst.
„Darauf kann ich echt verzichten! Du hast noch nicht verstanden worum es mir geht", schrie sie ihn wütend an. „Hannes wollte mich damit ärgern. Aber es ist nur ein Spiel. Es gibt keinen Grund das so ernst zu nehmen."

„Ich nehme das aber ernst, Naomi. Ich stehe zu meinem Wort."
Sie hievte sich auf die Beine und klopfte sich den Sand von den Händen.
„Mal im Ernst, Alec, bist du dumm? Liebst du es gefährliche Dinge zu tun? Brauchst du das für dein Ego? Oder habe ich Gift an mir, weshalb du dich so dagegen sträubst mich...zu küssen? Ich meine, nicht dass sich das will, verstehe mich nicht falsch, doch jeder normale Mensch würde es anders machen."

„Ich bin nicht jeder normale Mensch", konterte er genervt.
„Du bist so ein Idiot!", schimpfte sie. Ihr fehlte jegliches Verständnis. „Mal abgesehen von deinem Größenwahnsinn, weißt du eigentlich, wie ich mich dabei fühle? Dein Verhalten ist verletzend."

Oh nein, warum sagte sie denn sowas? Sie klang so als hätte sie es echt nötig. Dabei meinte sie es ganz anders. Sie machte sich bloß Sorgen um ihn und er nahm sie gar nicht ernst.

„Also willst du mich doch küssen", schlussfolgerte er und verlagerte sein Gewicht ungeduldig aufs andere Bein.
Naomi rollte mit den Augen.
„Lieber küsse ich einen Frosch", keifte sie abweisend. „Werd erwachsen, Alec. Ach was bemühe ich mich eigentlich um dich? Geh dir doch eine Lungenentzündung holen."

Als er auch noch anfing zu schmunzeln wurde es ihr zu viel. Wenn er sich unbedingt beweisen musste, dann sollte er das machen. Nur würde sie ihm nicht dabei zusehen.
Naomi drehte sich um und ging schimpfender Weise wieder zurück.

Sie war gerade drei Schritte gegangen, da griff eine starke Hand nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. Alec drehte sie zu sich um, legte ihr seine kühle Hand ans Gesicht und nur einen Atemzug später lagen seine weichen Lippen auf ihren. Völlig perplex ließ sie es geschehen.
Sie vernahm im Hintergrund die aufgewühlten Reaktionen der anderen.

Alec küsste sie!
Und wie er sie küsste!
So intensiv und voller Gefühl. Damit hatte sie nicht mehr gerechnet. Zu ihrer Überraschung war sie auch nicht angewidert von ihm. Ganz ihm Gegenteil. Seine warmen Lippen wirkten beruhigend und tröstend zugleich. Darum schloss sie die Augen.

Wieder kribbelte ihr Bauch, nur dieses Mal viel intensiver. Ihr Brustkorb zog sich zusammen und hinterließ ein angenehmes Stechen. Der Kuss war gut. Zu gut, um wahr zu sein. Gleichzeitig kam ihr dieses Gefühl bekannt vor, wie ein blasser unwirklicher Traum.

Sein Mund bewegte sich an ihrem und ihr wurde ganz anders. Ihr ganzer Körper prickelte, ihr Herz machte einen Salto nach dem anderen, ihre Beine wurden zu Gummi und trotz des kalten Windes wurde ihr angenehm warm.

Zögernd streckte sie die Hände aus und fühlte seinen bebenden Bauch. Sein Körper war so schön warm. Am liebsten hätte sie sich an ihn geschmiegt, aber etwas hielt sie zurück. Etwas drängte sich in ihr Unterbewusstsein und schrie ganz laut. Etwas zerrte an ihrem Verstand, lachte sie aus und versuchte sie gleichzeitig zu warnen.

Obwohl sie es versuchte zu leugnen, sagte ihr Herz doch ganz deutlich die Wahrheit. Es dämmerte ihr mit jeder Sekunde mehr und als er sich langsam zurückzog, hatte sie Gewissheit:

Sie hatte gerade Night Runner geküsst.

Zur Bestätigung schaute sie ihm in die Augen. Dort stand es geschrieben. Er wusste genau, dass er sich gerade verraten hatte. Deshalb hatte er sich gesträubt sie zu küssen!

Alec senkte schuldbewusst den Blick und lies sie los. Dann trat er an ihr vorbei, nahm im Gehen seine restlichen Kleider auf und ging mit großen Schritten Richtung Dünen.

Naomi blieb stehen. Sie stand völlig neben sich. Noch immer klopfte ihr einsames Herz ganz doll. So doll, dass es schmerzte. Ihre Lippen brannten. Das hatten sie doch damals nicht getan. Warum jetzt?

Während ihr Verstand es noch versuchte zu verarbeiten und einzuordnen, kam Diana zu ihr.
Naomi starrte an ihr vorbei und kümmerte sich überhaupt nicht um sie. Sie war noch immer ganz wo anders.
Alec war Night Runner! Sie war sich absolut sicher und doch glaubte sie es nicht. Ihr Herz hatte es die ganze Zeit gewusst. Deshalb hatte sie sich ihm auf einmal so nahe gefühlt.
Sie hatte angenommen den Verstand zu verlieren, dabei hatte ihr Körper ihr die ganze Zeit Signale gegeben.

Sie fühlte sich so dumm. Die ganze Zeit war er vor ihrer Nase gewesen. Sie wusste nicht, wie er es all die Zeit verbergen konnte. Das war im Augenblick auch nicht wichtig.
Sie musste das erst einmal verdauen.
Als Diana anfing sie zu schütteln, meinte Naomi es wäre doch mal an der Zeit ihre Freundin zu bemerken.
Diana schenkte ihr besorgte Blicke.
„Nao du bist ganz weiß. Bist du okay?"
Naomi blinzelte verwirrt. Dann fasste sie sich an die immer noch prickelnden Lippen und drehte sich um.
Alec war schon verschwunden.

„Muss ja ein toller Kuss gewesen sein, so aufgewühlt wie sie ist", bemerkte Hannes.
Naomi ignorierte ihn.
„Komm, du solltest ins Warme gehen. Ich begleite dich."
Diana schob sie liebevoll voran und hielt sie fest, weil auf ihre gummiartigen Beine kein Verlass mehr war.
So taumelten die Mädchen angetrunken zur Hütte zurück.



~



Währenddessen in der Stadt im gigantischen HKS Tower...

Higa schaute aus dem Fenster seines schwach beleuchteten Büros und starrte auf die Stadt. Die vielen quadratischen Dächer hatten einen weißen Schneeteppich bekommen. So würde es leichter sein den verdammten Nachtdieb zu fangen. Allerdings war dieser nicht dumm und dachte sicherlich das Gleiche. Deshalb war er so inaktiv in letzter Zeit. Laut Polizei gab es genug Idioten, die ihm Anfragen schickten. Viele davon konnten nicht einmal ihre Nachrichten anständig verschlüsseln - diese Anfänger.

Trotzdem gab Higa nicht auf. Er musste geschnappt werden, bevor er ihm das letzte Hemd auszog.
Es klopfte an der Tür und seine Sekretärin trat ein.
„Inspektor Wilkinson, Sir", kündigte sie an und verschwand sogleich wieder im Flur.

Sie machte Platz für die auffallende Gestalt des stets adrett gekleideten Inspektors. Er trug wie immer seinen langen Mantel und dazu einen schicken Anzug. Es war nicht nötig sich für ihn so schick zu machen, dachte Higa bei sich und verbarg seine Gedanken hinter einem aufgesetzten Lächeln.

„Guten Abend, Mr. Higa", grüßte Wilkinson freundlich und reichte dem älteren Herren die Hand. Dieser erwiderte die Höflichkeitsfloskeln, bis er Wilkinson anbot sich in einem der vielen bequemen Sessel nieder zu lassen. Dankbar folgte dieser dem Angebot und Higa nahm ihm gegenüber Platz.

„Kommen wir gleich zur Sache, Inspektor", begann Higa geschäftig. „Ich will in ihre Ermittlungen bezüglich des Nachtdiebes einbezogen werden. Lassen Sie mich wissen wie Ihr derzeitiger Ermittlungsstand ist."

„Nun, eigentlich ist es nicht üblich vertrauliche Polizeiinformationen zu teilen, Mister."
„Ich bitte Sie, Wilkinson. Der Typ raubt hauptsächlich Beteiligte der HKS Group aus. Meine Firma und die meiner Fürsprecher erleiden immensen Schaden."

Wilkinson nickte und lehnte sich zurück.
„Das ist wohl wahr. Ich bedauere Ihren Verlust, Higa. Ich kann Ihnen versichern, dass ich bereits eine Spur habe."
„So?", fragte Higa neugierig nach und verengte seine eh schon schmalen Augen.

Der Inspektor holte sein Smartphone aus der Seitentasche seines Jackets. Er tippte kurz auf dem Display herum und legte es dann offen auf den Tisch vor sich.
Higa beugte sich vor und betrachtete das geöffnete Bild einer Person.
„Das ist Ihre Spur?"
„So weit ich weiß, hat Night Runner öfters Kontakt zu dieser Person gehabt. Wir wissen noch nicht in welcher Beziehung sie zueinander stehen, aber Fakt ist, dass er von dieser Person gedeckt wird."

Higa lehnte sich schmunzelnd zurück. Wilkinson hatte am Anfamg nur um den heissen Brei geredet. Er wollte ihm diese Information mitteilen, um seine Reaktion zu sehen.
„Kennen Sie die Person auf dem Bild?"
„Nein", antwortete er ohne zu zögern. Ob Wilkinson seine Lüge durchschaute? Wie viel wusste er über seine Aktivitäten?

Der Inspektor steckte sein Telefon wieder ein.
„Werden Sie der Spur nachgehen?"
„Natürlich! Doch kann ich ihnen gleich sagen, dass ich ohne Beweise nichts machen kann. Ich muss ihn nach wie vor auf frischer Tat ergreifen und ihm die Maske vom Gesicht reißen. Anders bekomme ich ihn nicht hinter Gitter."
Higa nickte verständnisvoll.
„Sie leisten großartige Arbeit, Inspektor. Ich vertraue Ihnen und glaube ganz fest, dass sie diesen Night Runner schnappen können."

Mit diesen Worten erhob er sich aus seinem Sessel. Der Inspektor tat es ebenfalls und ging schon Richtung Tür.
„Das werde ich! Sobald er wieder auftaucht, ist der Junge dran. Ich weiß nämlich jetzt wie ich ihn zu fassen bekomme."
„Das ist gut. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Man wird Sie hinaus begleiten."
„Vielen Dank! Auf Wiedersehen, Mr. Higa."




~



Sonntag Morgen in der Herberge...

Naomi hatte kein Auge zubekommen. Wie auch nach dieser aufwühlenden Wendung der Ereignisse.
Stundenlang hatte sie auf ihrem schmalen Bett gelegen und an die Decke gestarrt. Ihr Herz hatte nicht aufhören wollen im Viereck zu hüpfen. Sie musste nur an Alec denken, schon war es um sie geschehen. Ihr war schwindelig und das nicht allein vom Alkohol.

Sie wusste nun mit ziemlicher Sicherheit, dass Alec der Nachtdieb war, der ihr das Leben gerettet hatte.
Er war für sie von einem Hochhaus gesprungen ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben. Er war die ganze Zeit an ihrer Seite geblieben und hatte sie heimlich beschützt. Allein dafür war sie unheimlich dankbar und es brachte ihr Herz zum schmelzen.

Sie starte immer noch an die mittlerweile helle Decke. Durch das lange Fenster schien das abgedämpftes Sonnenlicht. Diana schlief noch.
Naomi war müde, doch kein Schlaf war in Sicht. Sie wollte unbedingt mit Alec reden. Er war gestern einfach verschwunden. Sie hatte so viele Fragen an ihn. Angefangen bei ihrer Mutter. Was hatte er herausgefunden?
Dann wollte sie wissen wie er zu einem Dieb geworden war.

Ihre Gedanken überschlugen sich.
Seufzend stand sie auf und ging mit frischen Klamotten in den Waschraum. Dort schlurfte ihr Jessica entgegen. Sie rieb sich gähnend den Schlaf aus den Augen und murmelte nur ein verschlafenes: „Morgen!"
Sie hatte Naomi gar nicht richtig bemerkt, sonst hätte sich diese schon eine ganze Palette von Fragen anhören müssen. Schließlich war da gestern Abend etwas zwischen ihr und Alec gelaufen.

Das hatte nichts mehr mit einem Spiel zu tun. Zumindest nicht für Naomi. Alecs Kuss löste noch immer einen Wirbelsturm an Gefühlen in ihr aus. So etwas hatte sie noch nie empfunden. Nicht einmal bei James. Klar hatte er ihr auch Herzklopfen bereitet, doch bei ihm hatte sie sich immer auch ein kleines bisschen unwohl gefühlt.

Bei Alec war sie stets sie selbst geblieben und er wusste alles über sie. Dessen konnte sie sich sicher sein. Erst recht nachdem sie sein Geheimnis erfahren hatte.
Doch was dachte er über sie?
Bisher hatte er sie immer wie ein naives kleines Mädchen behandelt und stets einen genervten Eindruck gemacht.
Trotzdem hatte er ihr immer geholfen. Egal ob es um die Uni ging oder ihre Familie.

Der Typ verwirrte Naomi noch immer. War sie nun lästig für ihn oder mochte er sie? Selbst nach dem gestrigen Abend konnte sie das nicht eindeutig sagen.
Als sie ins Zimmer zurück kam, hatte sich ihre Freundin auch endlich aus den Federn geschält. Sie machte sich ebenfalls frisch und zusammen gingen sie nach unten in den großen Frühstücksraum.

Dort war ein kleines bescheidenes Buffet aufgebaut. Naomi stürzte sich hungrig darauf. Sie brauchte definitiv Energie, um all ihre Gedanken zu sortieren.
Während sie sich gierig den Pfannkuchen reinschob, suchten ihre Augen die ganze Zeit den Raum ab. Alec war nicht da.
Wieso war er nicht da?

Als Hannes sich zu den Mädchen setzte, richtete sich Naomi sofort neugierig auf.
„Hey, hast du Alec gesehen?", fragte sie statt einer Begrüßung.
„Auch schön dich zu sehen", grinste er mit einem vielsagenden Blick.
„Was war da eigentlich gestern zwischen euch?"
„Das möchte ich auch gerne wissen, deshalb muss ich mit ihm reden. Weißt du wo er ist?"
Hannes schüttelte zu Naomis Bedauern den Kopf.
„Er war die ganze Nacht nicht im Zimmer."

Die Mädchen tauschten verwirrte Blicke.
„Heißt das, er hat gar nicht bei dir im Zimmer geschlafen?"
Auch Diana fand das seltsam.
Hannes zuckte unwissend mit den Schultern.
„Der Typ macht was er will. Wundert mich eigentlich nicht. Ich habe ihn nie einschätzen können."

Tja, Naomi ging es ähnlich, obwohl sie jetzt zumindest eine Erklärung dafür hatte.
Trotzdem wollte sie unbedingt mit Alec reden.
Zu ihrer Überraschung kam er zehn Minuten später doch in den Frühstücksraum. Er schenkte ihr nicht einmal Beachtung, holte sich nur ein Glas Saft und setzte sich an irgendeinen leeren Tisch.
Und wieder tat er auf unnahbar.
Doch Naomi musste Gewissheit haben. Er durfte nicht einfach so verschwinden, ohne dass sie einen Beweis hatte.

„Hannes, tust du mir bitte einen Gefallen?"
Er hob abwartend die Augenbrauen.
„Kannst du ihn für mich ablenken?"
Ihre Freunde starrten sie neugierig und verständnislos an.
„Warum? Was hast du vor?"
„Ich brauche seinen Autoschlüssel."
„Das wird nicht einfach werden, Nao."
Das wusste sie. Alec war ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen. Wie beklaute man einen Dieb?

„Ich will nur was überprüfen. Danach gebe ich ihm den Schlüssel sofort zurück."
Hannes warf einen Blick über die Schulter zu Alec, der sich nur mit seinem Handy beschäftigte. Übrigens hatte er immer noch den selben Pulli an, wie am Vortag.
Er hatte wirklich nicht geschlafen.

„Ich vermute der Schlüssel ist in seiner Jackentasche."
Naomi wagte einen unauffälligen Blick zu Alec. Nein, seine Jacke hatte er nicht dabei. Entweder er hatte den Schlüssel so bei sich, dann würde es unmöglich sein daran zu kommen, oder er war in der Jacke. Wo war die nur?

„Lenk ihn einfach ab. Verwickle ihn in ein Gespräch oder schütte deinen Kaffee über ihn. Ich muss im Flur nach seiner Jacke suchen."
Hannes war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, doch er tat Naomi den Gefallen.
Also nahm er seinen Teller und seinen Kaffeebecher und ging gezielt zu Alec hinüber.
„Soll ich mitkommen?", fragte Diana und wollte schon aufstehen.
„Nein! Ich muss das alleine machen", erklärte Naomi mit einem so ernsten Unterton, dass ihre Freundin sie komisch anschaute.

Tatsächlich ließ sich Alec von Hannes in ein Gespräch verwickeln. Zu gerne hätte Naomi Mäuschen gespielt, aber sie durfte keine Zeit verlieren.
„Bitte räum das für mich weg", bat sie Diana ihren Teller aufzuräumen.
Dann eilte sie zügig hinaus in die Halle und suchte nach der Garderobe. Sie durchstöberte alles nach seiner dunklen Steppjacke. Sie hoffte, betete, dass er sie nicht im Auto hatte.

Immer wieder schaute sie zurück zum Speisesaal. Zum Glück machte Hannes einen guten Job.
„Guten Morgen, Miss Singer!", grüßte der Professor sie freundlich und erschreckte sie damit unheimlich.
„G-Guten Morgen, Sir!", antwortete sie höflich und versuche so unauffällig wie möglich zu wirken.
Zum Glück ging der Professor weiter in den Frühstücksraum und kümmerte sich nicht um sie und Naomi konzentrierte sich wieder auf die Jacken.

Da war sie! Naomi war vom Glück gesegnet. Alec hatte seine Jacke wirklich hier aufgehängt.
Vorsichtig griff sie in die tiefen Taschen.
„Yes!", flüsterte sie begeistert, als sie gleich fand wonach sie suchte.
Alec war wirklich leichtsinnig seinen Autoschlüssel in der Jackentasche zu lassen.

Schnell zog sie sich ihre eigene Jacke über und die dicke Wollmütze und lief dann schnurstracks nach draußen auf den Parkplatz.
Mittlerweile stand der Nissan auch nicht mehr direkt vor der Tür. Es schien so, als hätte Alec ihn über Nacht bewegt. Wo er wohl hingefahren war?

Sie drückte auf den Knopf und die Scheinwerfer leuchteten auf.
Noch einmal sah Naomi zum Haus, um sich zu vergewissern, dass niemand sie bemerkte.
Dann öffnete sie die Beifahrertür und stieg ein.
Die Tür fiel zu und sie begann das Handschuhfach zu durchsuchen.
Eigentlich war es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie ausgerechnet in seinem Wagen einen Hinweis finden würde.
Wonach genau suchte sie eigentlich?

Er würde wohl kaum seine Maske irgendwo herum liegen lassen. So dumm war er nicht. Also was genau hoffte sie zu finden?
Sie wusste es selber nicht.
Trotzdem schaute sie in das Seitenfach der Tür und zuletzt in die Mittelkonsole.
Sie fand ein paar Kopfhörer, ein Ladekabel für sein Handy und eine merkwürdige kleine Schachtel. Nichts gab ihr einen Hinweis auf seine Identität.

Sie lehnte sich enttäuscht im Sitz zurück.
„Verdammt Naomi, was machst du hier eigentlich? Du weißt es doch schon. Reicht dir das denn nicht?", sprach sie mit sich selbst und spielte mit der kleinen Box in ihren Händen.

Neugierig wie sie war, wollte sie einen Blick hinein werfen, bevor sie den Kofferraum unter die Lupe nahm.
Langsam hob sie den Deckel ab und fand ein glitzerndes Schaumkissen, in welchem ein silberner Ring steckte. Naomi hielt die Luft an und schlug sich die Hand vor den Mund.

Das war der Ring ihrer Mutter, den sie damals Night Runner gegeben hatte.
Da war es! Der Beweis nach dem sie gesucht und nicht geglaubt hatte ihn hier zu finden.
Jetzt war sie hundertprozentig sicher, dass Alec Night Runner war.

Allein das trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie freute sich so unheimlich. Gleichzeitig kam ein gewisses Gefühl der Enttäuschung in ihr auf. Warum hatte er ihr das nicht einfach gesagt? Warum zum Teufel spielte er solche Spielchen mit ihr?

Während die dicken, warmen Tränen auf ihre Hände tropften und sie noch versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, klopfte es plötzlich am Fenster.
Erschrocken und ertappt starrte sie in Alecs kalte graue Augen, die sie vorwurfsvoll ansahen. Mit einer Handbewegung forderte er sie auf auszusteigen.

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