22. 𝑅𝑜𝑡 𝑤𝑖𝑒 𝐵𝑙𝑢𝑡
Naomi sah den schmucken Fred über die Straße kommen und bewunderte sein Outfit. Sonst trug er immer sportliche Kleidung, doch heute trug er eine dunkle Hose und sogar ein Hemd. Der helle Parker hing über seinem Arm und die schwarzen Schuhe glänzten, als ob er sie gerade erst gekauft hätte.
Naomi starrte ihn mit offenem Mund an. Er war schon echt attraktiv. Sogar die Haare hatte er mit Gel zurück gekämmt.
„Hi Nao!", grüßte er mit dem süßesten Lächeln der Welt und sie spürte, wie ihr warm wurde, trotz der eisigen Aura von rechts. Sie schaute kurz auf Alec und schluckte. Wenn Blicke töten könnten, würde Fred gleich tot umfallen. Der Typ konnte verdammt böse gucken. Naomi bekam eine Gänsehaut.
„Hey...Fred", gab sie zögerlich zurück. „Sag mal, ist dir nicht kalt?"
Er schüttelte den Kopf und sagte nur kaltschnäuzig ohne Alec anzusehen dessen Nachnahmen: „Hauser!"
Alec antwortete genauso ablehnend: „Frederic!"
Auf einmal war es so kalt wie am Nordpol. Was war denn mit den Zweien los?
„Hast du nicht irgendetwas zu tun, Alec? Ich glaube du bist hier überflüssig."
Wow, derart ablehnend kannte sie Fred gar nicht.
„Weißt du, nur weil du es bist, Fred, bleibe ich noch ein bisschen", gab Alec frech grinsend zurück. Doch seine Augen waren so kalt, dass Naomi irritiert einen Schritt zurück wich. Was um alles in der Welt ging hier vor sich?
~
Alec zögerte. Eigentlich wollte er keine Minute in Freds Gegenwart verbringen. Der Typ war ein Arsch und Naomi wusste es noch nicht. Doch es war nicht seine Art, Leute schlecht zu reden. Sie würde es noch früh genug herausfinden.
Allerdings wirkte sie aufgrund seiner Reaktion verstört. Alec bereute sein Verhalten sofort und bemühte sich etwas entspannter zu werden.
Fred passte es natürlich nicht, dass Alec noch blieb. Er wäre am liebsten mit Naomi alleine in die Stadt gegangen. Wer weiß, was er anstellen wollte? Alec würde schon verhindern, dass er Naomi zu nahe kam.
Doch er konnte nicht verhindern, dass Fred sich ihren Arm krallte und sie mit sich schleifte. Er quasselte auf sie ein und Alec sah die ganze Zeit auf die verschlungenen Arme. Es war keine Eifersucht, was ihn quälte. Mehr die Sorge um Naomi. Fred war einfach nicht zu trauen.
Es dauerte nicht lange, bis sie das erste Kleidergeschäft erreichten und dort direkt auch auf Diana und Hannes stießen.
„Oh du hast ja Verstärkung mitgebracht."
„Ja, aber was ist mit euerer Verstärkung?", fragte Naomi und sah sich um.
„Tilly ist krank und Samantha ist etwas dazwischen gekommen", erklärte Diana schulterzuckend. Hannes legte ihr wie gewohnt den Arm um die Schulter.
Alec fand es ganz entspannend nicht noch zwei gackernde Hühner mehr dabei zu haben. Gerade Tilly und Samantha konnten laut und albern sein. Diana war schon schrill genug mit ihren bunten Klamotten. Für sie ein passendes Abendkleid zu finden, würde eine Herausforderung werden. Doch irgendetwas sagte ihm, dass das alles arrangiert war. Wollten sie Fred und Naomi verkuppeln?
Er sah wie das blonde Mädchen ihren Freund stehen ließ, sich bei Naomi einhakte und sie von Fred entfernte. Sehr gut, lobte Alec sie innerlich.
Sie ließen ihn vorbei gehen und blieben mit Abstand hinter den Jungs. Doch Alec konnte genau hören, was sie sagten.
„Sag mal, Nao, dass Fred hier ist kann ich noch irgendwo verstehen...", sagte sie tuschelnd.
Alec verdrehte die Augen. Hundertprozentig arrangiert, dachte er sich.
„...aber was macht Alec hier?"
Es schien Naomi in diesem Moment ebenfalls aufzufallen, dass Alec immer noch da war. Wie selbstverständlich war er einfach mitgekommen.
Er rechnete mit einer Ausrede oder einer daher gestotterten, völlig sinnlosen Antwort seitens Naomi. Doch das Mädchen überraschte ihn schon zum zweiten Mal an diesem Tag.
„Lass ihn doch mitkommen. Ein bisschen Gesellschaft kann ihm nicht schaden. Außerdem habe ich nichts gegen Alec."
Seine Finger zerdrückten die Papierschachtel in seiner Jackentasche. Seit wann das denn?
Sie wunderte sich nicht einmal über sein Verhalten, stellte keine Fragen und sagte auch noch, dass sie nichts gegen ihn hatte. Die Frau war eindeutig verrückt.
In einem teuren Geschäft für elegante Mode, fingen die Mädchen sofort an herum zu stöbern. Alec hatte kein Interesse daran einzukaufen, noch hatte er vor zum Abschlussball zu gehen. Er setzte sich in einen samtweichen roten Sessel, der neben zwei weiteren mitten im Raum geparkt war und behielt Fred im Auge.
Dieser half Naomi tatkräftig bei der Auswahl ihrer Garderobe und suchte sogar die passende Handtasche für sie. Nur mit den Schuhen kannte er sich nicht aus. Alecs kalter Blick heftete sich an den blonden Muskelprotz und wartete nur auf einen Fehler von ihm. Hatte der Typ denn nichts besseres zu tun, als Naomi anzugraben?
Allerdings würde er hier im Geschäft keine Szene machen. Er wollte bloß Naomi beschützen. Neuerdings wurde dieses Mädchen immer interessanter für Alec. Ihre Oberflächlichkeit und ihre Naivität konnten nervig sein, aber sie war lieb und die einzige Person, die ihm Aufmerksamkeit schenkte. Er konnte noch so sehr versuchen, unsichtbar zu werden, Naomi würde ihn immer bemerken.
Das konnte noch echt zum Nachteil werden.
Er sollte sich von ihr fern halten. Trotzdem war er hier und passte auf sie auf und trotzdem hatte er eingewilligt, ihr beim Lernen zu helfen. Er hielt sein Wort normalerweise, was ihm die Sache nicht einfacher machte. Nun war es zu spät zurückzugehen.
~
Naomi war überwältigt von all den farbenprächtigen Kleidern. Egal ob kurz oder lang, sie waren alle bezaubernd. Eigentlich war sie ja eher der Typ für Cocktailkleider. Sie war eh schon so klein. Sie wollte ihre schlanken Beine zeigen und Absätze tragen, um größer zu erscheinen.
Sie probierte ein Outfit nach dem anderen an, nur um hinterher die Qual der Wahl zu haben. Auch Fred erleichterte ihr die Entscheidung nicht, weil er zu jedem Kleid begeistert in die Hände klatschte und sagte „Das ist es!"
Diana hatte auch noch gar nichts in der engeren Auswahl. Zudem hatte sie Schwierigkeiten ihre ausladende Oberweite in die Kleider zu stecken. In den meisten bekam sie einfach keine Luft.
Neidvoll schielte Naomi immer wieder zu ihr herüber und beguckte anschließend ihre platte Brust. Sie war zwar nicht flach, aber ein bisschen mehr hätte der liebe Gott ihr schon geben können.
Sie fühlte sich wie bei „Pretty Woman", als sie sich zum hundertsten Mal aus der Kabine wagte und grinsend ihre Pirouetten drehte. Auch Diana machte mit und zusammen kreierten sie eine lustige Fashion Show. Doch das richtige Outfit ließ noch immer auf sich warten, bis Fred auf einmal zu Naomi kam, bis über beide Ohren grinsend und mit einem Bügel in der Hand.
„Hier! Zieh das mal an!", meinte er und hielt ihr ein ganz in rot getauchtes Seiden-Chiffon-Kleid vors Gesicht. Es war ärmellos und um die Taille eng geschnitten, während ein gewellter Rock ausladend hinunter fiel.
Naomi guckte ihren Freund skeptisch an.
„Ist das dein Ernst? Das ist doch viel zu auffällig und hast du dir mal den Ausschnitt angeschaut?"
Er nickte fleißig und drückte ihr den Bügel in die Hand.
„Du willst doch immer auffallen, Nao", meinte Diana zwinkernd. „Damit hättest du die perfekte Gelegenheit."
Ihre Freundin hatte Recht, aber das Kleid war wohl einen Hauch zu auffällig für die zierliche Naomi. Außerdem schien es ihr zu freizügig. Naja mit einer dünnen Jacke oder einem Schal könnte sie das noch kaschieren.
Sie zögerte immer noch, drehte sich aber zur Kabine um. Daneben war ein langer, bodentiefer Spiegel angebracht. Für einen kurzen Moment bemerkte sie ein Paar grauer Augen, das sie durch den Spiegel gegenüber beobachtete.
Alec hatte sich zu allem vornehm zurück gehalten. Warum starrte er sie jetzt so an?
Als er bemerkte wie sie ihn ansah, senkte er schnell den Blick auf sein Handy und tippte vor sich hin.
Warum war er überhaupt mitgekommen?
Mutig verschwand Naomi mit dem blutroten Cocktailkleid wieder in der Umkleidekabine und zog es an. Als sie wenig später wieder in den Vorraum trat, gab es begeisterten Beifall von Hannes und Fred. Auch Diana schrie entzückt auf, kam zu ihrer Freundin und drehte sie vor dem Spiegel.
„Wow! Nao das ist der Hammer! Es passt total zu deinen roten Haaren und darin hast du endlich mal Figur."
Welche Figur? fragte Naomi sich insgeheim und musterte ihr Spiegelbild. Diana hatte recht. Durch den tiefen Ausschnitt hatte sie optisch viel mehr Oberweite und der ausladende Rock gab ihr eine schmale Teile und ein bisschen mehr Hüfte. Naomi konnte es selbst kaum glauben. Ausgerechnet das auffälligste Kleid im Geschäft, machte sie zu einer kleinen Prinzessin. Selbst das Klein konnte sie mit hohen Absätzen streichen.
Sie lächelte ihr eigenes Spiegelbild an und freute sich über die Komplimente der anderen. Doch ein Urteil fehlte ihr noch. Zielstrebig ging sie zu Alec, der immer noch entspannt im Sessel klebte und sie keines Blickes würdigte.
„Was ist deine Meinung? Wenn du schon hier bist, sag wenigstens was."
Alec ignorierte sie gekonnt. Naomi schluckte leicht gekränkt und wackelte ungeduldig mit dem Fuß.
„Warum fragst du ihn überhaupt? Sieht der Typ so aus als hätte er Ahnung von Mode?", fragte Fred mit einem gehässigen Unterton.
Was hatte er nur gegen Alec? Er mochte vielleicht nicht ganz unrecht haben, aber er musste ihn nicht gleich so offen provozieren.
Zum Glück blieb Alec cool. Er interessierte sich offenbar nur für das Handyspiel.
„Hey Alec!", rief Naomi etwas lauter und schnippte mit den Fingern vor seinem Gesicht.
Er sah flüchtig auf und tat so, als habe er sie zuvor nicht bemerkt. Allerdings hatte das Mädchen schon gelernt, dass der Typ viel aufmerksamer war, als manche es ihm zutrauten.
„Lass ihn doch Naomi, den Kerl kannst du nicht für voll nehmen", meckerte Fred genervt. Ihm ging Alecs verhalten extrem gegen den Strich.
Dieser sah schon wieder auf sein Handy. Davon ließ sich Naomi nicht verunsichern und fragte ihn erneut, was er von ihrem Outfit hielt. Sie wusste nicht warum, aber sie wollte unbedingt seine Meinung hören, ihn in die Gruppe integrieren und Kontakt zu ihm aufnehmen.
Er verwirrte sie nur, indem er das Handy auf den Kopf drehte und weiter drauf herum tippte. Eine Antwort gab er jedoch nicht.
Diana trat neben sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Er hat das Handy gedreht, das heißt es gefällt ihm."
Naomi riss die Augen auf und starrte Alec an. Wieso konnte er das nicht einfach sagen?
Doch eigentlich war es ihr egal, wie er sich ausdrückte. Es war typisch Alec, nichts zu sagen. Also grinste sie zufrieden und stolzierte zur Umkleide zurück.
„Nimmst du das Kleid?", fragte Hannes und hielt schon das nächste Outfit für Diana bereit.
„Ich muss einfach", antworte Naomi zuversichtlich.
Diana verschwand ebenfalls, um sich umzuziehen und Hannes ging los, um ein weiteres Kleidungsstück zu finden. Außerdem musste er für sich noch einen Anzug aussuchen.
Die Beiden waren also noch eine Weile beschäftigt.
„Hey Nao!", rief Fred, als sie sich umgezogen und die anderen Kleider zur Rückgabe gebrachte hatte. Ihr rotes Kleid wartete noch in er Kabine auf sie.
„Du hast die richtige Wahl getroffen. Das Kleid ist so sexy. Damit würden dir alle Männer der Welt zu Füßen liegen."
Oh warum musste Fred ihr jetzt wieder so kommen?
Sie blieben vor der letzten Kabine stehen und Naomi erkannte den intensiven Blick in Freds Augen. Es schmeichelte ihr, doch jetzt war der falsche Moment, um zu flirten.
Fred kam näher und sah immer wieder nervös zu Boden, wo seine eleganten Herrenschuhe auf dem Laminatboden klapperten. Es war wirklich befremdlich, ihn in dieser feinen Garderobe zu sehen.
„Hast du eigentlich über meine Worte nachgedacht? Ich will dich nicht bedrängen, oder so, aber ich würde mich echt über eine Antwort freuen. Egal wie sie ausfällt. Ich hasse das Warten leider."
Nein, er setzte sie überhaupt nicht unter Druck.
„Ich würde wirklich alles für dich tun, wenn du meine Freundin wärst. Ich würde dich auf Händen tragen, jeden Tag für dich kochen und dir die schönsten und teuersten Kleider kaufen."
Hatte er so viel Geld? Es klang mehr nach Bestechung und Naomi war überhaupt nicht nach Geld orientiert.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke.
„Tust du mir einen Gefallen, Fred?"
Er nickte sofort.
„Sicher."
„Dann flüsterte mir etwas ins Ohr. Vielleicht gehe ich dann mit dir aus."
Er war halb erstaunt und halb verwirrt. Doch die Hoffnung strahlte aus all seinen Poren.
„Was willst du hören?", fragte er neugierig und kam ihr noch näher.
Nun waren kaum dreißig Zentimeter zwischen ihnen und Naomi versuchte krampfhaft ihre Unruhe zu verbergen.
„Sag: Es war nicht für Geld", befahl sie mit leiser Stimme.
Es war ein Test. Wenn er Night Runner war, würde er schon jetzt wissen, was sie beabsichtigte. Trotzdem würde sie den Worten lauschen. Selbst ein Flüstern war individuell und Naomi würde sofort wissen, ob der Nachtdieb vor ihr stand.
Freds Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln und Naomi bekam eine Gänsehaut. Hatte er sie durchschaut? Konnte er wirklich Night Runner sein? Sie hielt den Atem an, als er sich langsam vorbeugte. Sein warmer Atem kitzelte an ihrem Ohr als er die Worte flüsterte.
Ein Schauer lief ihr den Rücken herunter und sie blieb wie angewurzelt stehen.
Er hatte es ganz genauso gesagt. Naomi war hin und weg. Was sollte sie jetzt tun? War das Beweis genug? Konnte sie jetzt mit Sicherheit sagen, dass Fred Night Runner war?
Nein, hundertprozentig sicher war sie noch nicht. Das Einzige, was als Beweis durchgehen konnte, war ein Kuss. Schließlich hatte Night Runner sie geküsst. Auch wenn ihre Erinnerung daran immer mehr verblasste. Sie würde ihn immer auf diese Weise identifizieren können.
Also verschmolz ihr Blick mit seinem. Sie hatte dieses Kribbeln im Bauch, was man haben sollte bevor man sich küsst. Sie wartete darauf, hoffte Fred würde die Signale erkennen und tatsächlich tat er das auch.
Wieder verringerte sich der Abstand zwischen ihnen und Fred senkte sein Gesicht vorsichtig ihrem entgegen. Nun würde sie Fred küssen und herausfinden, ob er Night Runner war. Zugleich würde sie herausfinden welche Gefühle sie für ihn hatte - selbst wenn er nicht Night Runner war.
Naomi schloss die Augen und bohrte sich die Fingernägel in die Hand.
Die Zeit schien still zu stehen, während sie auf seine Lippen wartete.
Ein lautes Krachen ließ sie erschrocken zurückzucken. Sie riss die Augen auf und sah in Freds verdutzte Miene, der nun den Kopf zur Seite drehte. Eine ganz dunkle Wolke braute sich da auf seinem Gesicht zusammen, als er die Stirn in Falten zog und wie ein Tiger die Zähne fletschte.
Naomi folgte seinem Blick und staunte nicht schlecht über den schwarzhaarigen Typ, der gegen die Kleiderstange vor den Umkleiden gelaufen war und sie halb umgeworfen hatte. Nun jonglierte er mit zwanzig leeren und bestückten Bügeln, die nacheinander zu Boden fielen. Er konnte es nicht verhindern.
„Sorry! Tut mir wirklich leid!", entschuldigte er sich ganz verlegen bei der Verkäuferin, die ihm besorgt zur Hilfe eilte und die Kleider vom Boden aufsammelte.
Naomi konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, bereute aber gleichzeitig aus dem Moment gerissen worden zu sein. Nun würde Fred sie nicht mehr küssen und Naomi würde nicht herausfinden, ob er Night Runner war.
„Jetzt habe ich die Schnauze voll", grummelte Fred wütend, ballte die Fäuste und stampfte auf Alec zu. Dieser hob nur verdutzt die Augenbraue und stand nur da, als Fred ihm mit Anlauf ins Gesicht schlug. Naomi hielt sich schockiert die Hände vors Gesicht.
Der arme Alec taumelte rückwärts zu Boden und hielt sich die gerötete Wange. Er war nun ebenfalls wütend. Sein kalter Blick war noch beängstigender als Freds.
Die anderen Kunden im Geschäft sahen neugierig und entsetzt auf die Szene.
Auch die Verkäuferin wich ängstlich zurück. Kein Wunder, Fred baute sich vor Alec auf und wirkte dadurch noch stärker und aggressiver.
„Du verdammter Blödmann gehst mir schon die ganze Zeit auf die Nerven!", schrie er böse und hob Alec am Kragen seines Pullis wieder auf die Beine.
„Was ist dein Problem, Mann?", fragte Alec und schubste den großen Kerl von sich.
„Du bist eine verdammte Nervensäge. Jeder weiß, dass du das gerade mit Absicht getan hast. Wärst du nicht gewesen, hätte ich Naomi geküsst."
Alec fing doch tatsächlich an zu grinsen.
„Dann habe ich ihr wohl einen Gefallen getan. Welche Frau würde schon gerne einen so übel stinkenden und aufgepumpten Idioten wie dich küssen?"
Oh, oh! Alec sollte ihn nicht noch provozieren.
„Ist das wahr?", wollte Diana wissbegierig wissen, die plötzlich hinter ihrer Freundin stand.
Naomi nickte nur geistesabwesend und starrte weiterhin auf die beiden Jungs.
Fred reagierte natürlich auf die Provokation von Alec und haute ihm prompt noch eine herunter. Dieses Mal fiel er nicht zu Boden. Er wagte es tatsächlich sich zu wehren und konterte mit einem rechten Haken seinerseits.
Doch Fred war kampferprobter und blockte den Schlag ab. Sofort dreschte er wieder auf Alec ein, der abermals zu Boden ging und sich nur mit Mühe und Not vor den kräftigen Schlägen schützen konnte.
„Hör doch auf!", rief Naomi und rannte zu Fred. Sie riss an seinem Arm, um ihn aufzuhalten.
Fred war so wahnsinnig, dass er sie wütend zurück schubste. Naomi taumelte gegen den Pfeiler und einen Kleiderständer, doch Hannes fing sie zum Glück auf, bevor sie sich verletzen konnte.
Was war nur mit Fred los? So kannte sie ihn gar nicht. Er flippte total aus.
„Bitte, meine Herren! Gehen Sie hinaus!", flehte die ängstliche Verkäuferin, wagte sich aber nicht näher als zehn Schritte an Fred heran, der im selben Moment erkannte, was er angerichtet hatte.
Besorgt drehte er sich zu Naomi um.
„Nao, es tut mir so leid, ich..."
„Fass mich nicht an!", schrie sie hysterisch und schlug auf seine Hand ein, als er ihr näher kam. Sie konnte nicht fassen, dass sie diesen Typ beinahe geküsst hatte. Sie starrte auf das Blut an seiner Hand. Ihr Herz setzte aus, als ihr Blick auf Alec fiel. Er saß wie ein Häufchen Elend am Boden und leckte wortwörtlich seine Wunden. Seine Lippe war aufgeplatzt und er würde sicherlich ein blaues Auge bekommen.
Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht und versuchte angestrengt auf die Beine zu kommen. Hannes und Diana halfen ihm dabei. Er nickte dankbar und sah wütend auf Fred.
„Geh besser, bevor ich dich anzeige", meinte er nur knapp.
Die Reue war Fred ins Gesicht geschrieben, doch dafür war es zu spät.
„Es tut mir leid, Naomi."
„Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Du hast Alec grundlos angegriffen."
„Grundlos...?", wollte der blonde Junge schon protestieren, besann sich aber noch.
Halb gekränkt und halb wütend nahm Fred seine Jacke und stolzierte mit großen Schritten aus dem Geschäft.
„Hey man, du solltest dringend lernen solche Schläge abzuwehren", meinte Hannes mit einem erleichterten Grinsen und klopfte Alec aufmunternd auf den Rücken. Dieser zuckte kurz, als ob er Schmerzen hätte. Hatte er sich beim Hinfallen verletzt?
In der nächsten Sekunde richtete er sich auf und wischte sich ein letztes Mal das Blut vom Gesicht.
Er musste sich nun ziemlich schlecht fühlen. Vor so vielen Leuten zusammen geschlagen zu werden, musste an seinem Ego kratzen.
Doch warum hatte er sich nicht gewehrt? Der eine Versuch sich zu behaupten war einfach nur lächerlich gewesen. Wozu hatte der Junge eigentlich all die Muskeln, wenn er sie nicht zu benutzen wusste? Selbst wenn, er hätte Freds Attacken locker ausweichen können. Jemand der so galant tanzen konnte, hatte doch besseres drauf. Andererseits war Alec auch für seine Tollpatschigkeit bekannt und Muskeln zu haben machte niemanden zu einem Kämpfer.
Naomi konnte sich keinen Reim darauf machen. Deshalb hielt sich ihr Mitgefühl für Alec etwas in Grenzen. Doch die Verwirrung wuchs in ihr.
Jedenfalls konnte sie Fred als Night Runner ausschließen. Night Runner würde niemals jemanden einfach so zusammenschlagen. Er wich eher der Gewalt aus und kämpfte nur wenn es nicht anders ging.
Schon gar nicht würde er Naomi verletzen und das hatte Fred getan. Vielleicht unbewusst, aber wenn Hannes sie nicht aufgefangen hätte, hätte sie sich böse am Kopf verletzen können.
„Geht es dir gut?"
Verblüfft starrte sie Alec an, der sich doch tatsächlich jetzt um sie sorgte.
Sie nickte nur und wies auf seine aufgeschlagene Lippe hin.
„Du solltest was dagegen machen."
Er nickte und verabschiedete sich von den dreien mit einem knappen: „Man sieht sich."
Warum nur hatte Fred so überreagiert? Und warum konnten die Beiden sich auf den Tod nicht leiden? Es war offensichtlich. Auch die Tatsache, dass Fred eine Auseinandersetzung provoziert hatte. Alec hätte sich davon nicht beeindrucken lassen sollen. Die ganze Zeit hatte er nicht auf Freds Spitzen reagiert, erst nachdem er ihn geschlagen hatte und auch dann eher unmotiviert.
Naomi blieb nachdenklich und grübelte für den restlichen Samstag darüber nach, während ihre Freunde noch immer Lust hatten zu shoppen. Ihr war absolut die Laune verhagelt. Zum Glück hatte sie ihr Kleid schon gefunden. Allerdings wollte sie es gar nicht mehr kaufen. Es glich ihr mehr einem bösen Omen und würde sie stets an Freds schlechtes Verhalten erinnern.
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