»Wenn die Maske fällt« von Bobby_Andrews
"Mr Rory Quinn und Begleitung", las der junge Mann die Einladung laut vor, die ihm seine Mutter strahlend in die Hand gedrückt hatte, kaum dass die Angestellte den Briefkasten geleert hatte.
"Begleitung? Von wegen!", fauchte der Neunzehnjährige und zerknüllte die edle Karte in seiner Hand. Auf keinen Fall würde er zu diesem lächerlichen Maskenball gehen, den die Familie McCarthy Jahr für Jahr veranstaltete. Als würde das ganze Dorf nur darauf brennen, eingeladen zu werden. Aber nicht Rory!
Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als erwachsene Menschen, die sich als Vampire, Werwölfe oder sonstige Monster verkleideten, nur um sich gegenseitig mit ihrer "Kreativität" zu übertreffen. Das war definitiv nicht die Gesellschaft, in der Rory seinen Halloweenabend verbringen wollte. Statt höflich an der Seite seiner Eltern zu stehen und bei langweiligen Gesprächen über Börsenentwicklungen zu nicken, plante er lieber, durch die dunklen Gassen von Harvest Hollow zu schleichen und Kindern einen ordentlichen Schrecken einzujagen. Das war genau nach seinem Geschmack.
Mit einem übertriebenen, diabolischen Lachen, das durch die hohen Hallen des palastähnlichen Hauses widerhallte, rief er: "Mwahaha!" Zielsicher versenkte er die Einladung der Nachbarn mit einem gekonnten Drei-Punkte-Wurf im nächsten Blumentopf seiner Mutter.
🍁
Logan Fitzgerald arbeitete an diesem Nachmittag – wie an jedem anderen auch – in der kleinen Bäckerei am Ende der kopfsteingepflasterten Straße, die sowohl ins beschauliche Dorf Harvest Hollow hinein als auch wieder hinausführte. Die Bäckerei, die auch ein gemütliches Café beherbergte, war entweder das erste oder das letzte Haus, das gelegentliche Besucher auf ihrer Durchreise zu den Sehenswürdigkeiten in den nahegelegenen Highlands zu Gesicht bekamen.
Logan hatte schon vielen Menschen „Hallo" und „Auf Wiedersehen" gesagt, je nachdem, von welcher Seite sie den Laden betraten. Denn diese besondere Bäckerei hatte keinen klassischen Eingang und keinen Ausgang. Stattdessen gab es zwei gegenüberliegende Türen im Verkaufsraum, die stets beide geöffnet waren. Besucher konnten so von beiden Seiten eintreten und auch wieder hinausgehen.
Gerade kippte Logan, dessen blonde Locken in einem praktischen Dutt am Hinterkopf zusammengebunden waren, die frischen Brötchen in die Auslage, als das dunkle Läuten der Türglocke ertönte. Ohne hinzusehen, wusste er, dass es die linke Tür und somit ein Dorfbewohner sein musste und kein Durchreisender. Gelassen stapelte er deshalb die Brote ins Regal, bevor er sich zur Kundschaft umdrehte. Aus Erfahrung wusste er, dass viele Dorfbewohner um diese Uhrzeit kamen, um Gebäck für das Kaffeekränzchen oder Brot für das Abendessen zu kaufen – und sie ließen sich gerne Zeit bei der Auswahl.
Logan atmete kurz den herrlichen Duft der frischen Backwaren ein, bevor er sich umdrehte. Doch das zuvor noch freundliche Lächeln gefror ihm im Gesicht, als er seinen Gast erkannte.
Vor ihm stand doch tatsächlich Rory Quinn, der arrogante Spross der reichen Unternehmerfamilie, der oben auf dem Berg in einem prachtvollen Haus wohnte, in das die Wohnung von Logan sicherlich ein Dutzend Mal hineingepasst hätte. Wenn nicht öfter.
Quinn, und die anderen wohlhabenden Bewohner der alten Herrenhäuser in den umliegenden Bergen, waren selten in Harvest Hollow anzutreffen, geschweige denn hier, um Backwaren zu kaufen. Sie hielten sich normalerweise fern von einfachen Dorfbewohnern wie ihm. Wenn jedoch einer von ihnen einmal hier unten auftauchte, war das in der Regel ein schlechtes Zeichen. Was ausgerechnet Rory wohl hier wollte?
„Fitzgerald!" Rory schien seltsamerweise überrascht Logan hier anzutreffen, dabei wusste er doch genau, dass der Bäckerssohn den Laden seines Vaters nach dessen frühen Tod direkt nach dem Schulabschluss übernommen hatte.
„Quinn!" Logan versuchte trotz allem höflich zu bleiben, obwohl es in ihm brodelte. Ihre gemeinsame Schulzeit war ihm nicht in besonders guter Erinnerung geblieben. „Was kann ich dir anbieten?"
Der Schwarzhaarige zog seinen rechten Mundwinkel nach oben und grinste amüsiert. „Weiß nicht, was hast du denn so?", hakte er nach und ließ seinen Blick schweifen. Auf den frisch gebackenen Kürbisbrötchen blieb er liegen. „Was ist das?", fragte er neugierig.
„Kürbisbrötchen", antwortete Logan knapp. Er hatte keine Lust gezwungenermaßen Smalltalk mit dem Gast zu halten, der zur falschen Tür in sein Geschäft geschneit war. Er gehörte nicht in dieses Dort. Er gehörte nicht in Logans Welt.
„Davon nehme ich welche!" Rory tippte entschlossen auf die gelben Brötchen, die so herrlich weich und fluffig aussahen, und zog sein Portemonnaie aus der Tasche.
„Wie viele?" fragte Logan, bemüht, neutral zu bleiben.
„Drei!" Rory zeigte die Zahl mit seinen Fingern, fast so, als würde er mit einem Kind sprechen. Logan verdrehte genervt die blauen Augen.
„Bekommst du in deinem Schloss nichts Anständiges zu essen?", feixte Logan, der die subtile Provokation nicht zurückhalten konnte, während er die Brötchen vorsichtig in eine Tüte legte.
Rory zuckte mit den Schultern und legte einen großen Geldschein auf den Tresen, als wäre es nichts Besonderes. „Stimmt so", sagte er großzügig, als Logan ihm das Wechselgeld geben wollte. „Man sieht sich!"
„Hoffentlich nicht allzu bald," murmelte Logan, als Rory zur rechten Tür hinausging. Der Gedanke, dass Rory wieder in sein luxuriöses Anwesen zurückkehrte, während Logan noch Stunden in seinem kleinen Laden verbringen würde, nagte an ihm. Es war eine ungleiche Welt, und es schien, als ob das Leben nicht immer fair verteilt war.
Er wusste ja nicht, dass Rory beim Verlassen der warmen und heimeligen Backstube genau das Gleiche dachte.
„Einladung zum Verborgenen Maskenball
In der Maske liegt die Freiheit.
Im Schatten findet ihr die Wahrheit.
Am Oktober 31
sind die Geister wieder fleißig
öffnet sich die Tür zu einer Nacht
wo jeder als er selbst erwacht
Im Keller des „Cosy Kettle Pub"
warten Geheimnisse, still und leise
Verlockung flüstert, sanft und sacht
in dieser Nacht, auf dunkler Reise
Kommt verhüllt, und bleibt bis zum Morgen
– denn was ihr wirklich sucht,
liegt hinter den Masken verborgen.
Euer ergebener Jack Skellington"
Immer wieder las Rory die mysteriöse Einladung, die er an diesem Morgen auf seinem Frühstücksteller gefunden hatte. Die Hausangestellte hatte ihm den versiegelten Umschlag dorthin gelegt, nachdem sie ihn im Briefkasten gefunden hatte. Er war eindeutig an ihn adressiert, auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, wer ihn auf diese Party eingeladen hatte.
Er zögerte. Eigentlich hatte er sich geschworen, dieses Jahr keine Halloweenparty zu besuchen. Doch die Neugier ließ ihn nicht los. Diese Einladung versprach etwas anderes als die üblichen, langweiligen Maskenbälle, die seine Eltern bevorzugten. Sie klang nach etwas Verbotenem, Geheimnisvollem und Aufregendem. Und für eine solche Versuchung war er durchaus bereit, eine Ausnahme zu machen.
Vielleicht war dies ja auch die Gelegenheit, endlich jemanden kennenzulernen. Rory sehnte sich schon lange nach einem Freund – jemandem, der nicht aus seinem Kreis stammte oder, noch schlimmer, versuchte, sich durch ihn Zugang zu diesen Kreisen zu verschaffen. Mit einer Maske konnte er seine wahre Identität verbergen und vielleicht jemanden treffen, der ihn als Person schätzte, ohne nur das Vermögen seiner Familie im Blick zu haben.
Entschlossen stand er auf und begann, seinen Kleiderschrank zu durchsuchen. Er wollte etwas anziehen, das ihn vollkommen verbarg, etwas Unverwechselbares, das ihn in die Menge der Fremden eintauchen ließ. Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Ein breites Grinsen stahl sich auf sein blasses Gesicht. Dieses Kostüm war perfekt!
Während er das Ensemble auf seinem Bett ausbreitete, stieg in ihm die Vorfreude. Es war lange her, dass er sich auf etwas wirklich gefreut hatte. Rory wusste, dass diese Einladung anders war als alles, was er zuvor erlebt hatte. Aber vielleicht war genau das, was er brauchte: eine Nacht, um sich von seiner Rolle in der Welt zu lösen und herauszufinden, wer er wirklich sein wollte.
🍁
Nachdem Logan den Taxifahrer bezahlt und gewartet hatte, bis die Rücklichter des Wagens in der Ferne verschwunden waren, machte er sich auf den Weg zu dem Ort, der laut Einladung eine verheißungsvolle Nacht versprach. Aufgeregt ging er, die Hände in den weiten Taschen seines schwarzen Mantels vergraben, die dunkle, mit Kopfstein gepflasterte, Straße hinab. Der kühle Wind der heraufziehenden Nacht fegte plötzlich durch die Bäume am Straßenrand, ließ das bunte Herbstlaub tanzen, als hätte es ein Eigenleben, und wirbelte es in wilden Bögen Logan entgegen. Die Blätter schimmerten im goldenen Schein der erleuchteten Fenster auf, als sie kurzzeitig vom Licht erfasst wurden, bevor sie wieder in die Dunkelheit verschwanden.
Logan nahm den würzigen Duft von brennendem Kaminholz wahr, der sich mit der frischen Note von feuchten Tannennadeln mischte und von den nahen Wäldern erzählte, deren entferntes Rauschen ein flüsterndes Geheimnis mit sich zu tragen schien, während die kühle Nacht sich immer enger um den einsamen Spaziergänger legte.
Mit jedem Schritt, der ihn näher an sein Ziel brachte, wurde Logan nervöser. Er hatte sich absichtlich vor einem anderen Pub absetzen lassen. Der „Cosy Kettle" war berüchtigt, und sein Ruf hatte es sogar bis in Logans kleines Dorf geschafft. Es hieß, dass sich in dem ehemaligen Gentlemans-Club auch heute noch ausschließlich Männer trafen – und nicht nur, um Zigarren zu rauchen und Whiskey zu trinken.
Mit jedem Meter, den er näher an das festlich geschmückte Haus herankam, desto dringender bohrte sich die Frage in sein Gehirn, von wem diese Einladung gekommen war. Und warum ausgerechnet er eine erhalten hatte. Niemand im Dorf kannte sein dunkles Geheimnis, dass er seit seiner Schulzeit so gut es ging, verborgen hatte. Und doch hatte er vor zwei Tagen einen Brief im Postkasten der Bäckerei gefunden, der an ihn - und nur ihn! - adressiert worden war.
„In der Maske liegt die Freiheit."
Ein Versprechen, in das er sich nur allzu gern fallen lassen würde. Auch wenn er sein halbes Leben lang seine Gefühle hinter einer unsichtbaren Maske verborgen hatte, so hatte er heute das Bedürfnis mit einer sichtbaren seine wahren Gefühle endlich zu zeigen.
Der schmale Weg zum „Cosy Kettle Pub" war bereits mit raschelndem Herbstlaub bedeckt, das bei jedem Schritt unter seinen Füßen knackte, und links und rechts des Pfades warf das flackernde Licht leuchtender Kürbislaternen lange, gespenstische Schatten. Zarte Spinnweben, die sanft im Wind schwankten, gingen in den Ästen der Bäume und gruselige Vogelscheuchen steckten ihre knorrigen Astfinger nach dem Gast aus, als ein sanfter Nebel sich über die Szenerie zu legen begann.
Der Pub selbst war in warmes, orangefarbenes Licht getaucht, das durch die verzierten Fenster nach außen drang und auf der hölzernen Veranda schmückten alten Laternen einladend das Haus. An der steinernen Fassade rankten sich dunkle Efeutriebe empor, die in der Dämmerung wirkten, als hätten sie sich wie schützende Arme um das Etablissement gelegt.
Als Logan die Veranda betrat, griff er in seiner Tasche nach der Maske, die sein Kostüm vervollständigen würde, und strich behutsam über die glatte Oberfläche des Stoffes. Noch einmal atmete er tief die erfrischende, leicht feuchte Nachtluft ein. Dann zog er entschlossen die dunkle Maske über seine Augen, bis sie perfekt saß, und ließ seine Finger über die kühle Messingklinke der Eingangstür gleiten. Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür, und er trat ein – bereit für das, was die geheimnisvolle Nacht noch im Verborgenen hielt.
Batman zog die Schultern zurück und richtete sich auf. Stolz und mit festem Schritt stieg er die schmale Treppe hinab in den Keller des Pubs. Nachdem er im Schankraum seine Einladung vorgezeigt hatte, hatte man ihm den Weg zum Hinterzimmer gewiesen, wo eine versteckte Treppe hinunter in das Herz der Party führte.
Rory spürte eine leichte Aufregung, doch er hatte sich entschlossen, in die Rolle seines Kostüms zu schlüpfen. Der dunkle Ritter kannte keine Furcht. Er war der Schrecken der Unterwelt, immer mit dem besten Spielzeug ausgestattet. Falls die Party nichts für ihn wäre, könnte er jederzeit in seinem Batmobil verschwinden – oder ein paar nichtsahnende Jugendliche erschrecken. Immerhin hatte er das ohnehin vorgehabt.
Als er die letzten Stufen hinunterging, ließ er seinen Blick durch den aufwendig dekorierten Raum gleiten. Die alten Ziegelwände und das gewölbte Dach strahlten im sanften Schein der Kerzen, die in goldenen Lichttönen tanzten. Kürbislaternen, orangefarbene Lichterketten und kunstvoll drapierte Spinnweben verliehen dem steinernen Keller eine gespenstische Atmosphäre. Der Duft nach Zimt und alten Holzmöbeln erfüllte die Luft.
Rory blieb plötzlich stehen, als er in der Menge einen Mann entdeckte, der einen langen, schwarzen Umhang trug. Seine glänzende Maske verdeckte sein Gesicht, doch etwas an ihm kam Rory seltsam vertraut vor. Sein Blick fiel auf den silbernen Degen, der am Gürtel des Fremden hing, und plötzlich erfasste ihn ein seltsames Déjà-vu. Ein flüchtiges Gefühl, als hätte er diesen Moment schon einmal erlebt. Aber das war unmöglich – er war zum ersten Mal in diesem Dorf, in diesem Pub. Wahrscheinlich war es nur eine Einbildung.
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Zorro stand auf der Tanzfläche, umgeben von der Menge, aber in Gedanken allein. Der Raum war voll von maskierten Gästen, doch niemand schien ihn zu bemerken. Vielleicht war das auch gut so. Seit er den Keller betreten hatte, spürte Logan eine merkwürdige Vertrautheit. Die Wände, das gedämpfte Licht, die Melodie, die durch die Luft schwebte – alles fühlte sich seltsam bekannt an. Doch wie konnte das sein? Er hatte diesen Ort noch nie zuvor gesehen. Es musste Zufall sein.
Dann sah er ihn. Batman stand auf der Treppe und blickte direkt zu ihm hinunter. Ihre Blicke trafen sich, und etwas Unausgesprochenes schien in der Luft zu liegen. Der Blick des dunklen Ritters war intensiv, fast bohrend, als er langsam die Stufen hinunterging und sich sicher durch die Menge bewegte. Logan konnte nicht anders, als weiterhin zu ihm zu starren, bis Batman schließlich dicht vor ihm stand.
Logan musste ein wenig zu dem Mann aufsehen, doch er war nur einen Hauch größer als er selbst. Die Fledermausohren auf der Maske trugen dazu bei, ihn imposanter wirken zu lassen. „Darf ich?" Die tiefe, raue Stimme des Fremden hallte durch den Raum. Obwohl sie wahrscheinlich verstellt war, um seine Identität zu verbergen, fühlte sie sich für Logan seltsam vertraut an. Er sah die Hand, die Batman ihm entgegenstreckte, und ergriff sie, ohne zu zögern. In dem Moment, in dem ihre Hände sich berührten, durchfuhr ihn eine unerwartete Welle von Gefühlen. Sein Herz zog sich zusammen, nur um dann wie wild zu pochen. Was, zum Teufel, geschah hier?
Auch Batman spürte bei der Berührung etwas Außergewöhnliches. Ein angenehmer Schauer breitete sich über seinen Rücken aus, kroch langsam seinen Nacken hinauf und floss in seine Arme, bis seine Finger zu kribbeln begannen. Doch anstatt die Hand des geheimnisvollen Zorros loszulassen, zog er ihn näher zu sich. Seine andere Hand wanderte zu seinem Rücken, und sie begannen, im sanften Rhythmus der Musik zu schaukeln, während sie eng aneinander tanzten.
Zorro wusste zunächst nicht, wie ihm geschah. Noch nie hatte er sich in einer so engen Umarmung mit einem Mann befunden. Doch seltsamerweise fühlte es sich vertraut an, als hätte er genau diesen Moment schon einmal erlebt. Logan atmete tief aus, ließ seinen Kopf gegen Batmans Brust sinken und schloss die Augen. Fast instinktiv legte Batman eine Hand in Logans Haare, und plötzlich blitzten Erinnerungen in Logans Kopf auf – Erinnerungen an warme Hände, die ihn berührten, an Lippen, die sanft seine eigenen streiften. Aber woher kamen diese Bilder? Hatte er sie geträumt? Oder waren sie Bruchstücke eines längst vergessenen Lebens?
Der Geruch von Batmans Haut, die Wärme seines Körpers – es fühlte sich so echt an, als ob sie genau in diesem Moment schon einmal so eng beieinander gewesen wären. Logan atmete tief ein, ließ sich von dem vertrauten Duft einhüllen und gab sich dem Moment hin.
Batmans Herz schlug unruhig. Dieser Mann, diese Situation – alles schien ihm unheimlich vertraut, als hätte er genau hier, mit genau diesem Mann, schon einmal gestanden. War es ein Traum gewesen? Ein Hirngespinst? Oder vielleicht doch eine Erinnerung, die tief in ihm schlummerte?
Zorro drängte sich plötzlich noch näher an ihn, als könnte er die seltsame Verbindung zwischen ihnen ebenfalls spüren. Ohne nachzudenken, ließ Batman seine Lippen sanft auf Zorros Stirn sinken, ein Kuss, der sich genauso vertraut anfühlte wie der Rest dieses Moments. Als der Mann in seinen Armen aufsah und ihm in die Augen blickte, trafen ihn zwei tiefe, blaue Seen, die in seine Seele zu blicken schienen. Plötzlich wusste er, wen er vor sich hatte.
„Asher!", flüsterte Rory leise, seine Stimme kaum mehr als ein Hauch. „Du bist zurück!"
„Ewan!" Der Name schoss durch Logans Kopf wie ein Pfeil, als der Fremde ihn mit Asher ansprach. Erneut fühlte er sich dem Vermummten sehr nahe und versank viel zu lange in seinen warmen braunen Augen. Er kannte diese Augen. Sie gehörten einem hohen Lord, den er einmal geliebt hatte.
Halt!
Er hatte nie jemanden geliebt. Schon gar keinen von denen Hochwohlgeborenen! Und doch... Logan schien Ewan zu kennen.
„Wie?", fragte er den Ritter der Nacht.
Rory zögerte. Er hatte auf diese Frage keine leichte Antwort. Er wusste nur eines: Er hatte Asher geliebt. Damals, vor langer Zeit. Wie lange das her war, vermochte er nicht zu sagen. Doch er spürte, wie sein Herz sich erinnerte. An die zarten Finger, die ihn streichelten. An die Lippen, die ihm Liebesschwüre ins Ohr flüsterten. Und an den Schmerz, den er verspürt hatte, als sein Geliebter... Ewan schluckte hart, als er an das Ende dachte. Das Ende, das er selbst verschuldet hatte, weil er diese Beziehung zu lange aufrechterhalten hatte. Weil er seinen Liebsten nicht aufgeben wollte, obwohl er gewusst hatte, dass auf ihre Beziehung die höchste aller Strafen stand.
„Es war nicht deine Schuld allein!" Ashers Hand hatte sich erhoben und wischte nun eine dicke Träne aus Ewans Gesicht. „Wir beide tragen die Schuld an den Konsequenzen. Doch ich würde es wieder tun, nur um mit dir zusammen zu sein." Ein Lächeln, dass schon vor Ewigkeiten Ewans Herz erweicht hatte, zierte nun Ashers Lippen und Ewan konnte nicht anders, als sein Glück zu umarmen und seine Lippen auf die von Asher zu legen.
Eine kleine Ewigkeit standen Batman und Zorro eng umschlungen auf der Tanzfläche. Sie küssten sich, sie spürten sich, sie erinnerten sich. An die Zeit, in der sie einst ein Liebespaar gewesen waren, doch niemals wirklich hatten zusammenleben können. Ewan, der Erbe eines einflussreichen Lords, der sich Nachwuchs wünschte und Asher, ein einfacher Fußsoldat, der das Herz des Menschen erobert hatte, mit dem er nie eine Zukunft hatte haben können.
Sie hatten sich gefunden, geliebt und hatten schließlich die Strafe für ihr Vergehen erhalten. Doch bevor sie Hand in Hand gestorben waren, hatten sie sich geschworen, einander wiederzufinden, wenn die Zeit reif war. Wenn zwei, die sich lieben konnten, ihnen für eine Nacht ihre Körper schenken und sie noch einmal in die Welt zurückholen würden.
🍁
Am Rande der Tanzfläche stand Jack Skellington, der geheime Gastgeber der Party und beobachtete zufrieden die Entwicklung auf der Tanzfläche. Es hatte ein paar Jahrzehnte gedauert, die passenden Seelen für sein Vorhaben zu finden, doch es hatte sich endlich gelohnt. Logan und Rory waren die perfekten Gefäße, um die Geister seiner Freunde für eine Nacht aufzunehmen. Sie waren Asher und Ewan sehr ähnlich und vielleicht spürten sie endlich, dass auch ihre Seelen auf eine Art miteinander verbunden waren, wie es nicht oft vorkommt im Universum.
Jack wusste, dass seine alten Freunde nur diesen Abend haben würden, um danach endlich gemeinsam die Schwelle zum himmlischen Reich übertreten zu können. Und nur an diesem Abend, an dem die Wand zwischen den Welten am dünnsten ist, war es ihm geglückt, die beiden Männer in den Pub zu führen, an dem sich Ewan und Asher damals das erste Mal geküsst hatten. Natürlich nicht mitten auf der Tanzfläche, es waren andere Zeiten gewesen. Aber sie hatten ihre Herzen füreinander geöffnet und die Liebe eingelassen. So wie jetzt Rory und Logan.
Jack grinste zufrieden. Denn obwohl seine Geisterfreunde gerade Hand und Hand die Treppe zum Licht emporschwebten, küssten sich die jungen Männer auf der Tanzfläche weiter, vielleicht ohne genau zu merken, dass sie mehr sie selbst waren, als sie jemals vorher zugelassen hatten.
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Rory spürte, dass Ewan nicht mehr da war. Doch die warmen Lippen auf seinen fühlten sich so gut und richtig an, dass er weiterhin Zorros Rücken streichelte und sich zufrieden seufzend dem Moment hingab.
Logan ahnte, dass - nun da er Asher nicht mehr spüren konnte - auch Ewan verschwunden war. Doch er wollte den Augenblick nicht verlieren und beschloss, sich so lange daran festzuhalten, wie es ihm möglich war.
Als das Fest sich dem Ende näherte, führte Batman Zorro schließlich aus dem Pub und sie traten an die frische Luft. Logans Hand lag noch immer in der des Fremden, der nun gar nicht mehr so fremd war. Er hatte das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen und wollte endlich wissen, wer der Mann hinter der Maske war.
„Wer bist du?", fragte er neugierig. Doch die Frage verhallte unbeantwortet in der Nacht. „Okay, Batman!", sagte Logan leise, „ich weiß nicht, was das heute für ein seltsamer Abend war, aber ich weiß, dass es der schönste war, den ich seit langem erlebt habe. Auch wenn du kein Lord bist und kein Ritter in dunkler Rüstung, so bist du doch etwas Besonderes für mich. Durch dich fühle ich mich nun endlich wie ich selbst. Ich wollte nur, dass du das weißt."
Mit diesen Worten ließ Logan die weiche Hand los und ging ein paar Schritte, um sich mit dem Handy ein Taxi zu rufen. Märchen und romantische Geschichten waren wahrscheinlich doch nur für Träumer, danke er traurig, als er aus dem Augenwinkel sah, wie Batman sich in die andere Richtung aufmachte.
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Ein kalter Wind kam auf und Regen begann langsam Logans Kostüm aufzuweichen. Er fröstelte. Kurz dachte er daran, zurück in den warmen Pub zu gehen und dort auf das Taxi zu warten. Doch plötzlich hörte Logan das Geräusch eines Motors näherkommen. War das schon seine Mitfahrgelegenheit? Er drehte sich um und sah einen schwarzen Sportwagen auf sich zu fahren. Nein, das war nicht für ihn. Logan wollte gerade auf sein Handy schauen, als der Wagen neben ihm anhielt und der Fahrer das Fenster öffnete.
„Darf ich dich ein Stück mitnehmen, Fitzgerald?" Logan taumelte ein Stück rückwärts. War das möglich? Der Batman hinter dem Steuer griff an seinen Hals und zog sich mit einer fließenden Bewegung die Maske vom Gesicht. „Quinn! Wie... wie hast du mich erkannt?"
Rory schmunzelte. „Deine Stimme, Logan. Sie ist so unverwechselbar, ich könnte ihr stundenlang zuhören! Also, soll ich dich nach Hause bringen?"
Logan zögerte kurz. Doch dann gab er sich einen Ruck und stieg auf der Beifahrerseite in das Auto.
„Wieso bringst du mich nach Hause", fragte Logan nach einer Weile, die sie durch die beginnende Dämmerung fuhren. „Ich meine, du konntest mich nie leiden." Rory grinste verlegen.
„Damals wusste ich ja auch noch nicht, wie gut du küssen kannst." Logan schüttelte amüsiert den Kopf. Dann fuhr Rory ernster fort. „Ich war damals ziemlich gemein zu dir und deinen Freunden. Das tut mir leid. Ich war immer etwas... eifersüchtig, weißt du!"
„Eifersüchtig?" Logan konnte es kaum glauben. „Du warst der reichste und beliebteste Schüler damals. Wir waren auf dich neidisch. Du hattest doch alles, was man sich wünschen kann!"
„Nein, Logan", sagte Rory traurig, als er auf einen alten Feldweg abbog. „Eines hatte ich nie: Echte Freunde!"
Der Wagen hielt und Rory sah Logan bittend an. „Verzeihst du mir, dass ich damals ein Arschloch war?"
Logan lächelte milde. Er hatte in den letzten Stunden durch Ewan und Asher erfahren, dass Menschen, die scheinbar alles besitzen, manchmal diejenigen sein können, die am wenigsten wollen. Ewan wollte nur bei seinem Geliebten sein. Und Rory nur einen Freund haben. „Natürlich verzeihe ich dir!" Logan legte eine Hand vertraut auf Rorys Oberschenkel. „Verzeihst du mir auch, dass ich ständig hinter deinem Rücken auf dich geschimpft habe?"
„Hab es wohl verdient!"
„Ein bisschen." Logan lächelte. Und Rory streckte nun ebenfalls seine Hand nach dem jungen Mann aus. Mit geschickten Fingern löste er die Schleife am Hinterkopf, und die Maske des Zorros fiel zwischen ihnen auf den Sitz.
„Hallo, Hübscher!", hauchte Rory über den Schaltknüppel hinweg.
„Hi...", antwortete Logan verlegen. „Lass uns doch einfach einen neuen Anfang starten."
„Gute Idee!"
Und als sie sich erneut - ohne den Schutz der Masken - küssten, verstanden sie, dass sie nicht nur einander, sondern auch sich selbst erkannt hatten. Genauso, wie es der mysteriöse Jack Skellington in seiner Einladung prophezeit hatte:
Denn was ihr wirklich sucht,
liegt hinter den Masken verborgen!
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In diesem Sinne, Liebe Leut,
Glück dem, der den zweiten Blick nicht scheut.
Denn oft finden wir, was uns genehm,
Erst bei genaueren Hinseh'n.
Denn weil wir alle Masken tragen,
Muss man sich manchmal hinterfragen,
Ob Maske zeigt, was man gern wäre,
Oder verbirgt, was man nicht hält in Ehre.
Drum schaut doch mal genauer hin
Was Mensch verbirgt, tief in sich drin...
Happy Halloween 🎃
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