K A P I T E L 21
Zoey
Als mein Wecker klingelt, taste ich blindlings nach dem lauten Objekt und grummele zufrieden, als dieses endlich verstummt. Ich kuschele mich wieder in mein Bett. „Noch fünf Minuten", denke ich.
Als ich das nächste Mal wieder verschlafen auf meinen Wecker blinzele, fahre ich hastig hoch und klettere aus meinem Bett, um mich rasch fertig zu machen. Stolpernd laufe ich ins Badezimmer, um meine Zähne zu putzen und mein Gesicht zu waschen, bevor ich mir meine Kleidung heraussuche und anziehe. Ich schlüpfe hastig in meine Stiefel und laufe los zur Bushaltestelle. Gerade noch so passe ich den Bus ab und setze mich völlig erschöpft auf einen der freien Plätze. Meine Atmung reguliert sich langsam und ich entspanne mich. An der übernächsten Haltestelle steigt Romy ein und setzt sich zu mir.
„Guten Morgen", begrüßt sie mich lächelnd.
Ich lächele zurück. „Und? Bist du schon aufgeregt?", fragt sie mich freudig.
Verwirrt blicke ich sie an und runzele meine Stirn. „Du weißt schon. Der Friseurtermin?", hilft sie mir auf die Sprünge, doch bei klingelt nichts.
„Friseurtermin?", hake ich ahnungslos nach.
„Ja, Val hat für uns drei einen Friseurtermin arrangiert", erzählt sie mir. „Bei einem der besten Friseure der Stadt! Er hat selbst Promis schon die Haare frisiert", fügt sie strahlend zu.
„Absolut keine Ahnung, sie hat mir nichts erzählt", erwidere ich ihr schulterzuckend.
„Wahrscheinlich hättest du eh nein gesagt, wenn du es gewusst hättest", kichert sie und ich stimme ihr zu. Ich kann Friseure tatsächlich nicht so gut leiden, denn jedes Mal könnte ich nach meinem Friseurbesuch heulen.
„Kommst du?", reißt mich Romy aus meinen Gedanken und sieht mich abwartend an. Schnell folge ich ihr aus dem Bus ins Schulgebäude. Wir sind noch relativ früh dran, weshalb die Schulflure noch ziemlich leer sind und nur vereinzelt Schülergruppen an den Schließfächern stehen.
„Ich muss noch zu meinem Spind", sagt Romy und schleift mich schließlich mit zu ihrem Schließfach. Als wir ankommen, öffnet sie es und sucht sich die jeweiligen Bücher heraus. Ich dagegen lehne mich an das Nachbarschließfach und schließe noch einmal meine Augen. Durch ein Kichern schlage ich meine Lider auf und blinzele mehrmals gegen das helle Licht, das sich durch die Flure erstreckt.
„Wilde Nacht gehabt?", scherzt mein bester Freund lachend.
„Sehr lustig, Lukas", murmele ich genervt und umarme Valérie kurz, die mich besorgt mustert.
„Ey! Bekommt dein bester Freund keine Umarmung?", empört sich Lukas und zieht eine Schnute.
„Nö", antworte ich frech und laufe an ihm vorbei, wobei ich mich bei Romy und Valérie einhake und sie quer durch den Korridor mitschleppe. Ich höre Lukas fluchen, weshalb ich mir ein Grinsen nicht verkneifen kann.
„Val, warum gehen wir zum Friseur?", frage ich meine Freundin und schaue sie erwartungsvoll an.
„Weil wir in drei Tagen Prom haben!", flötet sie grinsend.
„Aber ich mag meine Haare so wie sie sind!", wehre ich mich dagegen.
Valérie dreht sich zu mir herum und betrachtet meine Haare. „Du hast Spliss in den Spitzen und ein neuer Haarschnitt kann auch mal her", meint sie knapp und läuft dann weiter zu ihrem Kursraum. Seufzend schüttele ich meinen Kopf und verabschiede mich von Romy, rufe Valérie noch ein „Tschüss" hinterher, bevor ich mich zu meinem Kurs begebe.
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„Denkt ihr, mir würde ein Kurzhaarschnitt stehen?", wirft Valérie in die Runde, als wir gemeinsam in der Pause an einem Tisch sitzen. „Dann sehe ich aber aus wie meine Cousine! Ich töne mir lieber meine Spitzen. Oder? Was meint ihr?", quasselt sie weiter. Ich befürchte schon, dass ihr Essen kalt wird, wenn sie weiter so viel redet.
„Lass dich doch einfach mal von dem Friseur beraten", meint Romy, nachdem sie ihr Essen im Mund unterschluckt. Meine Augen schweifen zu Valérie und ich warte auf ihre Antwort, während ich mir eine Gabel mit dem Nudelauflauf in den Mund schiebe.
„Klar! Warum bin nicht darauf nicht selbst gekommen?", lacht sie und klatscht sich begeistert in die Hände.
„Hey, meine Hübschen!", ruft Lukas, der sich neben seine Freundin setzt und ihr daraufhin einen Kuss auf die Wange drückt.
„Baby, was meinst du: Kurzhaarschnitt oder Ombré Haare?", fragt Valérie gleich darauf ihren Freund.
„Du solltest dich wirklich professionell beraten lassen, anstatt ihn zu fragen", meine ich.
„Was soll das denn jetzt bedeuten?", fragt mich Lukas beleidigt.
„Dass du von sowas nicht die geringste Ahnung hast!" Kindisch streckt er mir seine Zunge heraus. „Schön, was ist dann Ombré?", hake ich spöttisch nach und verschränke auffordernd meine Arme vor der Brust.
„Okay, gut. Du hast gewonnen, Kleines", gibt er zu und hebt abwehrend seine Arme in die Luft, bevor er mich angrinst. Ich grinse ihn ebenfalls an.
„Ich will vorher noch zu meinem Spind, also bis nachher", meine ich nach einer Weile, stehe auf und schlendere aus der Mensa. Die Stille im Korridor ist wirklich angenehm, im Gegensatz zur überfüllten Mensa. Kein Gelächter oder Gequassel. Ich sperre mein Spind auf und tausche meine Bücher gegen die ein, die ich jetzt benötige.
„Na, Zoey!", ertönt Phils Stimme rechts neben mir und ich stöhne innerlich genervt aus. Nach unserem Treffen ist er beinahe unausstehlich geworden. Ständig schreibt er mir Nachrichten oder kommt in den Pausen zu mir. Auch wenn wir nun sozusagen „Freunde" sind, nervt es mich mächtig.
„Oh, hey, Phil", lächele ich ihn gespielt fröhlich an.
„Wie geht's dir heute?"
Bevor du da warst deutlich besser. „Gut", beantworte ich seine Frage.
„Das freut mich", lächelt er. „Hast du heute Nachmittag schon etwas vor?"
„Jap", meine ich und schlage die Tür meines Spinds zu.
„Heute Abend?", versucht er es erneut.
„Hör zu, ich habe genug zu tun. Immerhin haben wir in nicht einmal drei Tagen unseren Abschluss", sage ich ihm und blicke ihn entschuldigt an.
„Okay ...", meint er gedehnt. „Dann bis irgendwann mal", grinst er und verschwindet in der aufkommenden Schülermenge. Ich seufze und laufe schließlich zu meinem nächsten Kurs. Sport.
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„Zum Aufwärmen lauft ihr alle drei Runden und danach könnt ihr euch noch dehnen, bevor wir mit dem Hochsprung beginnen", brüllt uns unser Sportlehrer zu und stellt sich an den Rand der Laufbahn. Er pfeift durch seine Trillerpfeife und schon laufen wir los. Links neben mir läuft Valérie und rechts Romy.
Schon nach der ersten Runde können wir nicht mehr und ich bekomme Seitenstechen. Ich will nicht mehr!
„Los kommt schon, Mädels!", ruft uns der Lehrer zu und ich verdrehe genervt meine Augen. Soll er doch selbst laufen!
Nach qualvollen zwei weiteren Runden stürzen wir uns erschöpft auf den Boden und legen uns auf den Rasen. Zu meiner Erleichterung sind wir nicht die Einzigen.
„So ab zum Hochsprung", meint unser Sportlehrer, ohne uns eine Verschnaufpause zu lassen, weshalb er einige vernichtende Blicke kassiert.
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„Ich will lieber nach Hause und mich ausruhen", jammere ich, während ich versuche, meine zwei Freundinnen zu überreden, mich bei mir Zuhause abzusetzen.
„Zoey?"
„Ja?", frage ich hoffnungsvoll.
„Halt die Klappe!" Ich stöhne genervt auf und lehne meinen Kopf zurück. Romy grinst leicht, konzentriert sich aber eher aufs Fahren. Valérie, die auf dem Beifahrersitz sitzt, durchforstet tatkräftig das Internet nach Haarfrisuren. Romy setzt den Blinker und biegt danach in die rechte Einfahrt ein. Nachdem sie ihren Wagen sicher geparkt hat, steigen wir aus. Valérie grinst freudestrahlend, während ich herumjammere, wie sehr ich Friseure hasse. Als wir in das moderne Gebäude hereinspazieren, werden wir sofort auf die schwarzen Drehstühle gebeten. Valérie ist als Erste dran. Der Friseur, der sich als Matthew Bennett vorstellt, begrüßt uns und macht sich anschließend ans Werk. Nach fünf Stunden ist sein Kunstwerk vollbracht. Oder vielleicht auch nicht. Ich mustere mich mehrmals im Spiegel. Auch wenn bei mir nicht all so viel verändert wurde wie bei Romy oder Val, bin ich überrascht, wie gut es mir gefällt. Meine Spitzen sehen wieder gesund und gepflegt aus. Ansonsten hat Matthew meinen Ansatz leicht dunkler getönt und meine Spitze stattdessen aufgehellt. Mir gefällt es wirklich. Romy und Valérie sind von ihren neuen Frisuren genauso begeistert.
Valéries Haare strahlen nussbraun und ein fransiger Pony umrandet ihr Gesicht. Romys Haare sind dagegen um einiges kürzer und pechschwarz.
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„Ich bin Zuhause!'", rufe ich in den Flur, lasse die Haustür zu fallen und schlüpfe aus meinen Stiefeln.
„Dad?", frage ich erneut, doch erhalte keine Antwort. Ich ziehe meinen Mantel aus und tapse anschließend in die Küche. Ich öffne hungrig den Kühlschrank und entdecke den restlichen Nudelsalat. Ich schnappe mir eine Schüssel und befülle diese reichlich. Ich gehe mit der Schüssel in der Hand ins Wohnzimmer und setze mich auf das Sofa. Als ich es mir gemütlich mache, entdecke ich den Umschlag, der auf dem Tisch liegt. Meine Finger greifen nach dem Papier und ich sehe, dass er an mich adressiert ist. Ich stocke, als ich die Anschrift lese.
Harvard University
Sofort reiße ich den Umschlag auf und überfliege nervös den Inhalt.
Wir möchten Ihnen hiermit mitteilen, dass Sie angenommen sind.
Ich lese den Satz immer und immer wieder durch, bis ich es richtig realisiert habe. Ich springe kreischend auf und kann es noch nicht richtig fassen.
Ich bin angenommen!
Es sind nur noch 24 Stunden zu meinem Abschluss, denke ich mir aufgeregt, als mein Wecker klingelt. Ich stehe putzmunter auf und vollziehe meine morgendliche Routine, ehe ich in die Küche trotte und frühstücke. Als ich damit fertig bin, fülle ich noch schnell Buddys Wasserschüssel auf und mache mich schließlich auf den Weg zur Bushaltestelle. Der Bus fährt vor, ich steige ein und suche mir einen Platz. Der gleiche Ablauf wie in den letzten Jahren und der Morgen endlich vorbei ist.
„Nehmt euch bitte ein Zimmer", kommentiere ich, als Romy und ich an Vals Schließfach ankommen, und abrupt lösen sich Valérie und Lukas voneinander. Lukas grinst schelmisch, während Valérie verlegen auf den Boden blickt. Ich kichere, kann ihr Verhalten aber nachvollziehen. Letztendlich trennen sich unsere Wege und während Valérie und Romy zusammen Unterricht haben, sitze ich neben Lukas und starre gelangweilt an die Tafel, an der unsere Französischlehrerin verzweifelt versucht, die Grammatik zu wiederholen. Doch niemand hört zu, da unsere Abschlussprüfungen schon geschrieben und korrigiert sind. Mein Blick schweift zu Lukas, der lustlos kleine Papierkügelchen formt und damit seine Mitschüler abwirft. Ich schmunzele über meinen besten Freund und kann es mir gar nicht vorstellen, dass er bald alleine in Deutschland herumturnt und dort seine Mitmenschen zur Weißglut bringt.
Als die Schulklingel ertönt, stehen alle hastig auf und eilen aus dem Klassenzimmer. Das war das letzte Mal Französisch in meinem Leben! Lukas und ich folgen der Schülermasse und laufen durch den Schulflur zur nächsten Unterrichtsstunde.
„Und wann kommt dein Gorilla wieder nach Hause?", neckt er mich.
„Er ist kein Gorilla, Lillie Fee", kichere ich und knuffe ihn in die Seite.
„Lillie Fee, ernsthaft!?", empört Lukas sich und blickt schmollend zu mir herüber. Ich schmunzele. „Willst du lieber Schlumpfine sein?"
„Ach halt die Klappe, Glöckner von Nôtre Dame."
„Ey, mach dich nicht über diesen Mann lustig!", beschwere ich mich. „Er ist ein süßer und anständiger Kerl", erkläre ich meinem besten Freund. „
Du bist schon einzigartig, Zoey McCartney", grinst er und legt einen Arm um mich. „Aber im positiven Sinn."
„Brav, Lillie Fee", meine ich und klopfe ihm auf die Schulter.
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