Episode 6

~4 Jahre später(2024)~

Ich betrachte mich im Spiegel und strich mir meine schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Mein pechschwarzes Tattoo war halb von meinem grünen Top bedeckt. Ein Teufel in einen Kreis. Wie mit Fingern aufgemalt. Vor vier Jahren habe ich der Organisation meine Treue geschworen und wurde Polizistin in Seoul. Ich erinnerte mich noch an die Worte die Choi Sungho allen neuen Mitglieder gesagt hatte: ,,Ab jetzt gehört euer Leben der Organisation. Was auch immer geschieht, die Organisation wird euch beschützen. Doch wenn einer uns hintergeht, töten wir denjenigen."

Ich war also zwei Personen. Ein Gang-Mitglied und eine Polizistin. Was für eine Ironie. Jedoch könnte das nützlich werden, um den Mörder meines Vater zu retten.

***

Die Straßen waren nass vom Regen und alles war nur spärlich beleuchtet. Wang Gangtae und ich waren gerade dabei jemanden zu beschatten. Ein Auftrag unserer Polizeiabteilung für Gewaltverbrechen.

Gangtae stand an der Hauswand, parallel zu meiner Seite und hielt sich im Schatten. Ein paar Männer gingen gerade die Treppe zum Clubhaus hoch. ,,Und was machen wir jetzt?", fragte Gangtae. Ich spähte hinter dem Werbeschild hervor und beobachtete, wie sie die Tür öffneten und das Haus betraten. ,,Wir gehen rein", antwortete ich. ,,Was?!", entgeistert sah er mich an. ,,Wir wissen doch gar nicht, wie viele da noch drin sind!" Entschlossen ging ich voraus und er starrte mir noch mit offenem Mund hinterher. Plötzlich hörte ich Stimmen und ein paar Männer kamen um die Ecke. Abrupt stoppte ich und drehte mich hinter Gangtae in den Schatten. Schnell legte ich einen Arm um seinen Hals und drehte meinen Kopf zur Seite, sodass es aussah als hätten wir einfach nur einen intimen Moment. Die Männer gingen ahnungslos vorbei und betraten ebenfalls das Clubhaus.

Ich ging nun auch die Treppe hoch. ,,Hey, ruf Verstärkung und komm dann zum Eingang!", rief ich Gangtae zu und lief dann weiter. Im ersten Geschoss fand ich einen Aufzug, mit dem ich hochfuhr bis ich laute Musik hörte. Als ich ausstieg, entdeckte ich sofort eine Tür, hinter dessen Glas buntes Licht blinkte. Ich klingelte, da die Tür verschlossen war und mir wurde auch sofort geöffnet. Ein etwas älterer Mann, mit Halbglatze und gelben Zähnen blickte mir entgegen. In sekundenschnelle gab ich ihm einen gezielten Schlag unters Kinn und führte ihn langsam zu Boden, damit man keinen Aufprall hörte. Mit schnellen Schritten lief ich durch Lamettafäden und Konfettiregen. Überall waren Nebenräume aus denen Stöhngeräusche zu hören waren. Frauenstimmen die um Verschonung oder Erlösung flehten. Das war definitiv keine gewöhnliche Party. Ich ging weiter in einen abgeschotteten Raum, versteckt von Lamettafäden. Auf dem Boden lagen leere Flaschen und kalte Zigaretten. Auf einem Bett lag ein Frau, die keuchende Geräusche von sich gab. Schnell eilte ich zu ihr.Sie trug ein kurzes schwarzes Cocktailkleid. Eine Scherbe steckte in ihren Dekolleté und ihr Hals zeigte Schnitte vom Ohr bis zur Schulter. Ich hob ihren Oberkörper an und holte eine Pille aus ihrem offenstehenden Mund. Drogen. Sie fing an zu husten und ich klopfte ich leicht auf den Rücken. Keuchend hielt sie sich an mir fest. Ich legte sie wieder auf das Bett und ihren Kopf zur Seite. Nebenan hörte ich Lärm. Durch das Lametta an der Wand drang Licht und ich schob es ein wenig zur Seite.

Fünf Männer saßen auf schwarzen Kunstledersofas und einer warf einen sauber geordneten Batzen Geld zu seinem Gegenüber. Doch der warf es wieder zurück. ,,Ich überlass dir das nicht für 'ne Anzahlung. Ich mach das nur, wenn dein Boss erscheint" Der der das Geld geworfen hatte, fing an zu lachen. ,,Verdammt, wenn dein Chef weiter bei uns kaufen will, muss er auch mal sein Gesicht zeigen, sonst ist das kein faires Business! Weißt du..für Viele sind Drogen gerade Mangelware, aber das gilt anscheinend nicht für euch. Wenn das so ist, dann hauen wir ab", sagte er und wollte aufstehen und gehen, doch der Bestecher hielt ihn auf. Irgendwo hab ich den schon mal gesehen. Bei der Polizei vielleicht? ,,Hey nicht so eilig. Setz dich"

,,Okay", sagte er und setzte sich schmunzelnd.

Ich drehte mich zurück zu der Frau. Ihre Augen waren geschlossen, doch sie atmete noch.

,,Yeonseo!", gab mein Funkgerät plötzlich von sich. ,,Yeonseo, bist du da?"

Erschrocken schaute ich zum Fenster. Nein, sie hatten nichts gehört.

Ich bedeckte die Frau mit einer Decke und nahm mir einen Stuhl. Ich rammte ihn gegen das Fester und es zersprang in winzige Einzelteile. Die Männer gingen zu Boden, um sich vor den Scherben zu schützen.

,,Polizei! Keine Bewegung!", rief ich. ,,Steh auf Park Jonghu!"

,,Ach du Scheiße, Jonghu", kicherte jemand. Der dem das Geld zugeworfen wurde stand auf und nahm Jonghu's Arm, doch ich schubste ihn weg. Jonghu kramte ein Messer hervor und ging damit auf mich los. Ich hielt seinen Arm fest und rammte meinen Ellbogen in sein Gesicht. So schnell gab er anscheinend nicht auf und wollte mir wieder ins Gesicht boxen. Erneut fasste ich seinen Arm, aber drehte ihn diesmal um, sodass er aufschrie. In dieser Position, packte ich seinen Kopf von hinten und rammte ihn in den Tisch. Endlich fiel er zu Boden und ich legte ihm Handschellen an. ,,Sie sind festgenommen. Sie werden beschuldigt Lee Soomin umgebracht zu haben!" Ich zerrte ihn hoch und führte ihn zum Ausgang. ,,Hey ich kann alleine laufen!", beschwerte er sich. ,,Halt die Klappe!", antwortete ich barsch und schubste ihn voran. Der Typ von vorhin nahm schon wieder Jonghu's Arm und schaute mich an. ,,Wer bist du eigentlich?!", fragte er fordernd. ,,Und wer bist du eigentlich?!",fragte ich zurück. Seufzend zog er seine Identitätskarte aus seiner Hemdtasche. Scheinbar eine Undercover-Mission seinerseits. ,,Kwang Yejoon, Polizist der Drogenermittlungsabteilung", antwortete er. ,,Scheiße, er ist ja auch ein Bulle!", schrie Jungho.

,,Kwon Yeonseo. Abteilung für Gewaltverbrechen", antworte ich zurück.

,,Dir ist klar was du hier gerade angerichtet hast?", fragte er und blickte mich enttäuscht an.

,,Ich glaube, ich kann es mir denken, so ungefähr", antwortete ich gelassen.

,,'So ungefähr' reicht nicht!", rief er aufgebracht. ,,Du hast ein halbes Jahr Ermittlungsarbeit von uns vernichtet! Und jetzt schnappe ICH mir das Arschloch!" Er wollte nach Jungho greifen.

,,Scheiße!", rief ich verärgert. ,,Das kommt nicht in Frage!"

,,Das kommt nicht in Frage?" Spöttisch schaute er mich an. ,,Hast du etwas keinen Respekt vor Ranghöheren oder verarscht du mich gerade?"

,,Das war unser Mordverdächtiger", antwortete ich. Gangtae tauchte auf und reichte mir ein Handy. ,,Unser Chef will dich sprechen", erklärte er. Ich nahm das Handy entgegen.

,,Mitkommen", sagte Kwang Yejoon und wollte Jongho mitnehmen. ,,Halt! So nicht", rief ich und zerrte den Täter zurück. ,,Ja?", beantwortete ich den Anruf. ,,Wie bitte?",rief ich entgeistert. ,,Alles klar, verstanden" Enttäuscht ließ ich Jongho los und nickte Yejoon zu. ,,Er gehört erstmal euch und dann uns" Ich wollte den Raum verlassen, doch Yejoon rief mich zurück. ,,Hey, eins noch!" Genervt atmete er aus. ,,Komm mir nie wieder in die Quere!"

Ich verdrehte die Augen und verließ den Raum.

,,Verdammt!!", schrie ich, als ich draußen war und trat gegen einen Mülleimer. Dieser Mistkerl hatte meine Mission versaut.

***

Ich parkte auf dem Parkplatz der Polizeistation, nahm mein Handy aus der Jackentasche, packte es in das Fach auf dem Beifahrersitz und schloss es ab. Aus dem Fach zwischen den Sitzen, holte ich mein Arbeitshandy und steckte es in meine Jackentasche.

***

Zügig lief ich zum Abteil für Drogenermittlung und schaute durch die Glastür. ,,Kwon Yeonseo?", fragte jemand hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen Mann in grauem Anzug. Mein Herz hörte für eine Millisekunde auf zu schlagen. Zwei kleine Narben auf seiner Nasenspitze. Graue Bartstoppeln in Form eines V's. Ich blinzelte. ,,Ja genau, die bin ich", antwortete ich.

,,Und wer bin ich wohl?", fragte er und schmunzelte.

,,Kann ich Ihnen sagen", entgegnete ich und räusperte mich. ,,Eum Seungri, Leiter der Drogenermittlung"

Er nickte und öffnete die Tür. Wir betraten das Büro und ich folgte ihm in sein Leitungsbüro, abgekappt von seinen Angestellten.

,,Was sollte das?", fragte er fordernd und schaltete das Licht an.

,,Was?", fragte ich.

,,Ihr hattet keine stichfesten Beweise. Die Festname war nicht rechtens", entgegnete er.

,,Das Motiv war offen fündig und die Gefahr dass er flieht, war groß"

,,Für eine Festnahme zu wenig"

,,Park Jongho ist schon dreimal vorbestraft. Er wäre doch sicher vor mir als Polizistin geflohen, also musste ich ihn festnehmen"

Eum Seungri seufzte. ,,Du wolltest schon zweimal zu uns oder?"

,,Ja", antwortete ich. ,,Warum eigentlich?", fragte er. ,,Wieso willst du hier zu uns?"

,,Es gibt jemanden den ich schnappen will", entgegnete ich.

,,Wen denn?", hakte er nach.

Ich blickte ihn emotionslos an. ,,Dir geht es noch um was anderes, hab ich recht?" Schmunzelnd klopfte er mir auf die Schulter. ,,Das gefällt mir an dir Kwon Yeonseo. Denn hier wird man nichts, wenn es einem bloß um die Rentenansprüche geht" Er nickte und bedeutete mir zu gehen.

***

Gemütlich lief ich über den Kies zum Strand, nachdem ich mit meinem Motorrad an der Küste geparkt hatte. Choi Sungho stand schon dort und wartete. Ich lief zu ihm rüber. ,,Warten Sie hier schon lange?", frage ich höflicherweise. ,,Ja", antwortete er und blickte wieder zum Hafen. Ich nickte und gab ihm eine Termoflasche. Er nahm sie entgegen und öffnete sie. ,,Was ist das?", fragte er skeptisch. ,,Das ist Kamillentee. Der hilft beim Einschlafen. Sie haben doch Schlafprobleme oder?", antwortete ich. Lächelnd nahm er einen großzügigen Schluck, den er jedoch gleich wieder mit einem angeekelten Gesichtsausdruck ausspuckte. ,,Der schmeckt nach Schminke", sagte er und kräuselte seine Lippen. ,,Jetzt werd ich gar nicht mehr schlafen können"

Ich seufzte und schaute aufs Meer. Er drehte die Flasche zu und steckte sie in seine Tasche.

,,Wie geht's dir Polizistin?", fragte er dann neugierig und blickte mich erwartungsvoll an.

,,Ich werd zur Drogenermittlung versetzt", antwortete ich kurz. Choi Sungho nickte anerkennend. ,,Dann geht's jetzt richtig los"

,,Ich kann jetzt die Herkunft der Waffe klären und auch wie Eum Seungri in die ganze Sache verstrickt ist. Und dann werde ich herausfinden wer meinen Vater...in der Nacht ermordet hat"

Ein Schiffmotor war zu hören und das Meer rauschte. Nachdenklich blickte ich in die Ferne. ,,Wir wollten eine Hängematte vors Haus hängen und jeden Tag schwimmen und fischen gehen, so wie die Leute, die im Grunde nichts Besseres zu tun haben. Ganz genau so wollten wir hier am Meer leben. So wollte...er dort leben", erzählte ich und schaute auf den Boden. ,,Und vielleicht, hätten wir ja wirklich so ein Leben geführt, wenn man ihn nicht erschossen hätte"

Choi Sungho atmete langsam aus. ,,Siehst du das Lagerhaus dort hinten?" Er zeigte auf ein weißes kahles Gebäude im Südwesten. ,,Vor ungefähr zehn Jahren hat Yang Jeonghan mich mal dort gerettet"

Lächelnd holte er etwas aus seiner Manteltaschen. Ein Schwarzes Messer. ,,Mein altes Messer"

Er gab es mir und ich nahm es ehrfürchtig entgegen. ,,Töte ihn gleich wenn du ihn schnappst. Vertrau mir, was auch geschieht, die Organisation beschützt dich", sagte er.

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