9. Ein gebrochenes Versprechen
Eine junge Frau saß auf einer Wiese im Nirgendwo. Unter ihr erwachte der Bunker zum Leben und über ihr ging die Sonne auf. Der Bunker war ihr Zuhause, ihre Familiengeschichte und ihr Leben. Jeder den sie kannte, lebte dort. Sie liebte ihr Zuhause, aber nichts war so schön wie die aufgehende Sonne. Sie wärmte die Kälte des Kriegs aus ihren Knochen und versprach Hoffnung, die eigentlich niemand mehr hatte. Die junge Frau hatte gestern die Liebe ihres Lebens verloren. Der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hatte, war im Krieg mit Bärenstein gefallen und hinterließ seine schwangere Frau. Tieftraurig strich sie über ihren dicken Bauch. Das Kind würde sie überleben, da war sie sich ganz sicher. Es war in Ordnung, sagte sie sich. Ihrem Kind, ihrer Tochter Honora, würde es im Bunker gut gehen. Die junge Frau bereute nichts, nur ihre Gene hätte sie lieber für sich behalten. Nun würde das kleine Mädchen eine erstgeborene Henotello werden. Der Name ein Fluch für sich.
KYRIE
Der Krieg nahm seinen Lauf. Öfter als zuvor sah Kyrie Soldaten ihren Wald durchqueren, alle von ihnen trugen einen ernsten Ausdruck im Gesicht. Die wenigsten schenkten ihr Beachtung, sie war nur ein weiterer Flüchtling auf der Suche nach einem sicheren Hafen. Ein paar Soldaten OneSheeps hatten ihr von Ohama erzählt und ihr angeboten sie dorthin zu eskortieren. Offenbar wurde Ohama immer noch als die letzte freie Stadt angesehen. Kyrie hätte ihnen beinahe zugestimmt.
Sie wollte es so sehr. Doch ihre schreckliche Schuld ließ sie zögern. Egal was diese Soldaten ihr erzählten, sie gehörte nicht in diese Stadt. Sie gehörte nicht zu Brandon, Killian und Zosia. Zosia. Sie hatte sich nicht nach ihr fragen getraut. Sie wollte keine Gerüchte in Umlauf bringen. Vermutlich erzählten sich die Soldaten schon genug Schauergeschichten über die Frau im Wald.
Sie hoffte nur keine dieser Geschichten erreichte Loke. Oder vielleicht hoffte sie es doch? Seinen Soldaten machte sie das durchqueren ihres Waldes immer etwas schwerer. Sie schickte sie auf unwegsames Gelände und vertrieb das Wild in ihrer Nähe. Es waren harmlose Bosheiten, aber irgendwie fühlte es sich doch gut an, ihrem Ex-Ehemann damit Schwierigkeiten zu machen.
"Hast du das Neueste gehört?"
"Was?" Kyrie spitzte die Ohren. Wieder einmal wanderten Soldaten Ohamas an ihr vorbei und redeten ohne Furcht über ihre Stadt. Neugierig schlich Kyrie näher, hielt sich jedoch im Schutz der Büsche und Bäume. Das Zwielicht der untergehenden Sonne gab ihr zusätzliche Deckung.
"Ich hab gehört Killian hat Bärenstein wieder mal die Hölle heiß gemacht, wegen einer versteckten Lieferung oder so. Ich bin echt froh, dass Wolf ihn nach Silny Syn geschickt hat. Ich glaub ohne ihn würde Bärenstein uns die ganze Zeit verarschen."
"Das glaub ich auch." Kyries Herz blieb stehen. Ihr Geliebter war in Silny Syn? Bevor sie sich aufhalten konnte, sprang sie aus ihrem Versteck und stellte sich vor die Soldaten. Diese wichen erschrocken, ihre Waffen zückend, zurück.
"Es ist alles okay. Ich werde euch nichts tun. Ich will nur wissen, was Killian in Silny Syn tut. Bitte." Die Verzweiflung ließ ihre Stimme höher klingen. Die Soldaten entspannten sich, allerdings nur wenig.
"Wer bist du überhaupt? Hast du uns belauscht?", fragte einer der Soldaten. Er war groß, mit einem bescheuert aussehenden Schnauzer. Sein Kollege hatte sich für einen nicht weniger doof aussehnenden Vollbart entschieden. Beide waren sie kräftig und muskulös genug um sich nicht so schnell einschüchtern zu lassen.
Ihre Uniform zeichnete sie als Ohamas Soldaten aus, ein Stoffband um ihre Arme als erfahrene Kämpfer. Kyrie seufzte.
"Ich bin..war eine Freundin von Killian. Vor langer Zeit. Ich will nur wissen ob es ihm gut geht." Schnauzersoldat verzog den Mund und dachte nach. Schließlich ließ er die Waffe sinken.
"Ich schlag dir einen Deal vor. Du gibst mir deinen Namen und ich erzähle dir was Killian in Silny Syn macht. Einverstanden?" Kyrie schluckte hart. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie konnte ihren Namen nicht preisgeben, aber die Sehnsucht nach Killian und seinem Verbleib waren so gewaltig. Ihr Herz schrumpfte und wollte aus ihrer Brust springen.
"Bitte.", flüsterte sie verzweifelt und spürte die Versuchung ihrer Kräfte. Sie konnte ihnen nachgeben und auf ihre Art herausfinden, was sie wissen wollte. Der Soldat blieb hart und schüttelte den Kopf.
"Ich will wissen, wem ich diese Informationen gebe. Also?" Kopfschüttelnd gab Kyrie nach. Weder konnte sie ihre Kräfte einsetzten, noch dieser quälenden Ungewissheit standhalten. Vor ihrem inneren Auge sah sie Killian. Ihr lächelnder Killian, wie er seiner Tochter einen Kuss gab. Was täte sie nicht alles für diesen Mann.
"Kyrie.", hauchte sie zart. Die Soldaten kamen näher. Etwas lauter wiederholte sie ihren Namen.
"Ich heiße Kyrie Henotello." Der Schrecken auf ihren Gesichtern hätte sie beinahe auflachen lassen.
"Du bist eine Henotello? Was machst du hier vollkommen alleine. Wenn die NKS dich erwischen bist du tot. Ganz zu schweigen von Bärenstein.", meinte der vollbärtige Soldat verwundert. Kyrie schüttelte den Kopf.
"Macht euch um mich keine Sorgen." Schnauzer betrachtete sie interessiert.
"Auf wessen Seite stehst du dann? Als Henotello meine ich. Gehörst du zu Bärenstein?" Gehörte sie zu ihm? Kyrie überlegte. Technisch gesehen waren sie immer noch verheiratet, aber das war wohl kaum was dieser Soldat wissen wollte. Er wollte wissen, wo ihre Loyalität lag und Kyrie konnte dies doch sehr einfach entscheiden.
"Ich stehe zu Killian. Immer." Beeindruckt über ihre Ehrlichkeit warfen die Soldaten sich nachdenkliche Blicke zu. Der schnauzbärtige Soldat nickte schließlich verständnisvoll.
"Gut. Killian Hayes ist unser Botschafter in Silny Syn. OneSheep hat eine...Allianz mit Bärenstein. Zusammen wollen wir die NKS aus unserem Land vertreiben. Killian sorgt dafür das Bärenstein uns nicht hintergeht. Wolf hat ihn dorthin geschickt um Bärensteins Soldaten auf unsere Seite zu ziehen."
"Aber das ist doch sehr gefährlich!", brach es aus Kyrie und entsetzt hielt sie sich die Hand vor den Mund, "was ist mit seiner Tochter? Killians Tochter? Ist sie bei ihm in Silny Syn?" Der Soldat schüttelte den Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Ich hab gehört, dass eine Freundin von ihm sich um seine Kinder kümmert."
"Kinder? Er hat mehr als eine Tochter?" Vollbart nickte. "Er hat noch einen Ziehsohn. Einen Henotello mit echt krassen grünen Augen." Sein Kollege sah ihn verwundert an.
"Woher weißt du den von den Augen des Jungen?" Vollbart zuckte die Schultern.
"Ich hab ein paar Mal in der Schule ausgeholfen und bin ihm dabei über den Weg gelaufen. Du würdest diese Augen auch nicht vergessen, glaub mir. Ich hab noch nie so ein grün gesehen. Wie der grünste Wald im Frühling." Schnauzer lachte und klopfte Vollbart auf die Schulter.
"Bist du jetzt zum Poet geworden."
"Ich war immer ein Poet. Du wusstest es nur nicht."
"Okay. Das reicht.", stoppte Kyrie ihr Gespräch, "danke für die Informationen." Sie wollte nur gehen, weit weg und nie wieder zurück schauen, doch Schnauzer hielt sie auf.
"Hey, warte, Kyrie. Ich weiß, du hast sicher einen Grund hier alleine im Wald zu leben, aber wir könnten jede Hilfe gebrauchen. Möchtest du uns nicht begleiten?" Kyrie sah in Schnauzer und Vollbarts Gesicht und erkannte gute Männer. Freundliche Männer. In einem anderen Leben wären sie vielleicht Freunde geworden und sie hätte mit ihnen scherze gemacht und über Kollegen gelacht. Aber die Welt war, wie sie nun mal war. Und jeder hatte seine Sünden zu tragen.
"Es tut mir leid.", murmelte sie und ging. Die beiden Soldaten versuchten nicht sie aufzuhalten. Im Gegenteil, sie wünschten ihr ein gutes Leben und verschwanden im Dickicht. Kaum waren sie außer Sichtweite brach Kyrie an einem Baum zusammen. Ihre Beine fühlten sich so schwer und nutzlos an. Ihr Körper fror und ihre Gedanken waren ein heilloses Durcheinander. Killian, ihr geliebter Killian war bei Loke.
Und ihre Tochter in den Händen einer Fremden. Er hatte ihr versprochen immer auf Zosia aufzupassen, ein Vater zu sein. Er hatte sein Wort gebrochen.
KILLIAN
Wieder einmal stand er müde auf. Drei Stunden Schlaf waren bei weitem nicht genug, doch Loke versuchte immer noch seine geheimen Pläne durchzusetzen und Killian würde ihm nichts durchgehen lassen. Jeden Abend durchforstete er alle Berichte, die er finden konnte, nach Truppenstärken und Botschaften. Es war eine unglaublich mühselige Arbeit, aber jedes Mal wenn Killian aufgeben wollte, dachte er an seine Kinder. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen, eine Mission. Seine Trauer und ihr Schmerz sollten nicht umsonst sein.
Schwerfällig zog er sich an und trank den schlechten Kaffee den das Küchenpersonal eigens für ihn herzustellen schien. Ebenso ungenießbar war das Essen, das man ihm vorsetzte, doch auch darüber beschwerte Killian sich nicht.
Verglichen mit vielem was er auf seinen Reisen und während Kämpfen gegessen hatte, war dies immer noch Gourmetnahrung. Loke musste sich doch ein bisschen mehr anstrengen um ihn das Leben schwer zu machen. Langsam wach werdend verließ er sein trostloses Quartier und ging die Straße des Lagers entlang zum Konferenzgebäude.
Sein Quartier war wider Erwartens schön. Es war trocken und sauber, das Bett hatte sogar noch eine Art Federung und das Bad war für seine Verhältnisse ein Luxusobjekt. Für Loke musste es die wohl schlechteste Unterbringung im Lager sein, doch für jemanden wie Killian war es das Gegenteil. Sich schüttelnd zog er seine Lederjacke enger um seinen Körper und fuhr sich fahrig durch die Haare um mit seinen Fingern die Knoten auszubürsten.
Zugegeben er sah zwischen all den perfekt hergerichteten Soldaten etwas schäbig aus. Ohne wirklich darauf zu achten, band er seine langen Haare zusammen und steckte die Hände in die schwarze Militärhose. Wie immer wenn er durch das Lager ging folgten ihm zahllose Augenpaare.
Einige kannten ihn noch aus seiner Zeit als Navas Gefangener und misstrautem ihm zutiefst. Andere sahen in ihm Lady Navas Vertrauten. Trotz ihres manchmal tödlichen Verhaltens wurde sie unter den Soldaten immer noch verehrt. Geschichten über ihre Kraft und ihren Stolz gingen um wie ein Lauffeuer. Ihre Person verwandelte sich langsam zu einer Göttin, verehrt wie gefürchtet. Zerstörerin und Lebensspenderin zugleich.
Kaum einer glaubte, dass sie wirklich mit ihrem Kind gestorben war. Killian wusste, die höher gestellten Offiziere verbreiteten gerne ihren Tod wie das Schicksal einer Volksheldin, aber die einfachen Soldaten wussten es besser. Viele hatten Nava in Aktion gesehen und Killian musste sich eingestehen, dass auch er ihre immense Kraft bewundert hatte.
Niemand der ihr je begegnet war, würde denken, sie wäre einfach zu töten. Selbst eine Geburt würde die unbezwingbaren Lady Nava nicht in den Tod schicken. Wenn die Soldaten nur wüssten.
Killian war oft versucht gewesen, ihnen die Wahrheit zu sagen. Dass Nava nun Kyrie war und weit weg vom Krieg lebte um niemanden mehr Schaden zuzufügen. Würden sie es glauben? Würden sie glauben, dass es schlussendlich ihre Schuldgefühle waren, die sie ins Exil geschickt hatten? Killian blickte zu Boden. Er konnte es doch selbst kaum glauben.
"Hey, Killian.", begrüßte ihn eine Henotello mit blauen Haaren. Azura. Er kannte sie noch von seiner Zeit in Gefangenschaft. Die junge Frau war Nava sehr zugetan gewesen und hatte sich zur Aufgabe gemacht ihn an ihrer statt zu unterstützen.
"Guten Morgen, Azura. Was gibt's?"
"Einige der Soldaten wollen am Abend ein kleines Fest veranstalten. Margo hat Geburtstag. Kommst du auch?" Lächelnd strahlte sie ihn an. Er kannte keine Margo. Aber Azura würde ihn sicherlich nicht einladen, wenn das Geburtstagskind es nicht gewollt hätte. Das Lächeln erwidernd nickte er.
"Wann geht es los?"
"Um acht." Da Begannen normalerweise die Offizierssitzungen im Verwaltungsgebäude. Bei dieser Party würden also nur einfache Soldaten und Henotellos anwesend sein. Langsam wurde die Sache interessant.
"Soll ich etwas mitbringen? Ich könnte etwas Essen beisteuern." Azura schüttelte den Kopf.
"Nur dich. Alles andere wird schon bereit sein." Also würde sich alles dort aufklären. Killian erkannte, dass diese Party wohlmöglich Azuras Art war ihm zu sagen, dass die anderen Soldaten bereit waren zuzuhören. Wochenlang hatte Killian versucht Kontakte zu knüpfen und Unmut zu sähen.
Schließlich war er nicht nur als Spion in Silny Syn. Er war ein Saboteur. Azura war durch ihre Verbindung längst bereit gewesen die Seiten zu wechseln, aber die anderen würden mehr Überzeugungsarbeit brauchen.
"Ich werde da sein. Bis später."
"Komm nicht zu spät.", rief sie ihm nach als er davon eilte. Loke würde ohne ihn anfangen und Killian konnte es sich nicht leisten etwas zu verpassen. Mit Hoffnung im Herzen betrat er den Konferenzraum und wie erwartet starrten ihn alle befehlshabenden Offiziere und Generelle böse an. Er war vier Minuten zu spät und Lokes Kopf war bereits rot wie eine Tomate.
"Entschuldigung. Ich wurde aufgehalten.", meinte er unbeeindruckt und setzte sich auf den noch leeren Stuhl an dem ovalen Tisch. Die Rollos waren heruntergezogen und das künstliche Licht gedimmt. Ein Projektor stand auf dem Tisch und eine weiße Leinwand offenbarte ein schauerliches Video. Ein ranghoher Offizier stand auf und räusperte sich peinlich berührt.
"Wie ich bereits sagte, sind dies die neuesten Bilder von der Front im mittleren Osten Beerellons. Unsere Soldaten sind mit der ersten Vorhut Ohamas zusammengetroffen und bilden nun eine wie wir hoffen relativ sichere Barriere gegenüber den NKS Truppen."
"Was bedeutet >relativ sicher<?", unterbrach Mayer und lehnte sich angespannt nach vorne. Killian hatte Mayer nicht oft reden hören, er war normalerweise der Zuhörer bei diesen Meetings, aber viele Offiziere erzählten sich, dass er die Vernunft hinter Lokes Entscheidungen war. Ein wichtiger Berater Bärensteins.
Wenn er ihn auf seiner Seite hätte, wäre Bärenstein so gut wie erledigt, doch Killian wusste es besser. Im Lager war es ein offenes Geheimnis, dass Loke Mayers Töchter regelmäßig in sein Quartier bringen ließ. Gegen ihren Willen. Wie Lämmer folgten sie ihren Bewachern zum Schlachtblock. Es war offensichtlich, dass ein Mann, der bereit war seine eigenen Töchter Bärenstein zu opfern, nicht bereit sein würde ihn zu hintergehen. Der Offizier räusperte sich und antwortete Mayer mit einem nervösen Seitenblick zu Loke.
"Nun..die Truppen der NKS zentrieren sich in den Städten im Westen Beerellons. Seit ihrer ersten Landnahme im Herbst haben sie ihre Grenzen nicht weiter ausgedehnt. Wir werden abwarten müssen wie sie auf eine Offensive unsererseits reagieren und wie gut unsere Truppen mit Ohamas Soldaten kooperieren. Die Berichte diesbezüglich sind widersprüchlich."
Mayer nickte zufrieden und schrieb etwas in sein Notizheft. Killian war beeindruckt. Bärensteins Leute waren doch sehr viel realistischer als er selbst. Sie erkannten die Probleme mit einem fremden Feind und fehlender Information durchaus an.
"Eine gute Nachricht ist zumindest, dass in letzter Zeit keine neuen Kriegsmaschinen der NKSler an Beerellons Küsten gelandet sind. Unsere Spione in den Häfen berichten von Menschenmassen. Anscheinend Siedler."
"Na das wird Washington nicht helfen diesen Krieg zu gewinnen.", brummte einer der Offiziere und andere pflichteten ihm bei. Killian ebenso. Washington musste sehr dumm sein um eine solch törichte Entscheidung zu treffen. Und von allen Adjektiven die Killian über diesen Mann gehört hatte, war dumm keines davon gewesen. Also musste es etwas anderes sein. Vielleicht etwas das sie zu ihrem Vorteil nutzen konnten.
"Weiß man wieso Siedler geschickt werden?", fragte er in die Runde und sofort lagen alle Augen wieder auf ihm, als hätten sie vergessen, dass er noch da war.
"Nein, so gut sind unsere Spione auch nicht. Washingtons Leute sind extrem paranoid. Niemand weiß irgendwas.", seufzte der berichtende Offizier.
"Wir sollten sie töten. Um ihnen klar zu machen, wessen Land sie unbefugter weise betreten haben.", warf Loke zornig dazwischen und wurde von vielen seiner Untergebenen unterstützt. Obwohl Killian es nicht gerne zugab, hatte Loke nicht ganz unrecht. Allerdings wäre ihm Einschüchterung lieber.
Die Siedler würden keineswegs in einem Land bleiben wollen, dass so aggressiv auf deren Anwesenheit reagierte. Zusätzlich würde dies Washington unter Druck setzten. Nur das undifferenzierte Morden würde Killian nicht unterstützen. Gerade wollte er seine Argumente hervorbringen, als ein Offizier hinter ihm unter dem Tisch seine Hand berührte. Verwirrte drehte er sich um und blickte in ernste blaue Augen. Eine Sekunde lang sah er in das Gesicht des Fremden als dieser mit seinen Augen eine offensichtliche Nachricht weitergab.
Der Offizier blickte zu Mayer und dann zurück zu ihm und Kilian verstand. General Mayer würde die Vernunft sein während Killian sein Gesicht und seine Haltung wahrte. Offenbar nutzten einige der Anwesenden Mayer um sich selbst anders dazustellen und Bärenstein seinen unsinnigen Stolz zu lassen. Seufzend nickte Killian und lehnte sich zurück.
Der blauäugige Offizier lächelte knapp und mental notierte Killian jede Kleinigkeit. Er war ein ranghoher Soldat und trug einige Orden an seiner stolzen Brust. Ein Namensschild trug er leider nicht. Allerdings würde Azura ihm sicherlich gerne auf die Sprünge helfen.
Wenn dieser höher gestellte Offizier bereit war ihn in diesem Meeting zu helfen, wäre er wohlmöglich auch bereit über Bärensteins anspruch auf die Regierung Beerellons zu sprechen. Der Rest des Meetings war das übliche langweilige Geschwafel.
Viele Offiziere priesen ihre Truppen und ihre Strategien an. Es war nichts, dass Killian nicht schon in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch gelesen hatte. Generell schienen diese Besprechungen nur für Loke zu sein. Um vor ihm gut dazu stehen. Es war eine unglaubliche Zeitverschwendung und Killian wünschte sich oft zurück zu den Treffen in Ohama.
So selten diese Besprechungen auch seine Anwesenheit erfordert hatten, konnte er doch mit reinem Gewissen behaupten, dass sie vollkommen anders aufgebaut waren. Besser seiner Meinung nach.
Brandon hatte immer versucht, die Treffen so kurz und prägnant wie möglich zu halten. Jede Meinung, jede Information war wichtig gewesen und niemanden wurde das Sprechen verboten. Selbst dumme Fragen hatten ihren Platz in der Runde. Killian kannte natürlich den Grund für die Unterschiede. Loke Bärenstein war ein gefürchteter Tyrann, der die Töchter seiner Berater ohne zögern vergewaltigte. Auch ohne ein Vergehen dieser Berater.
Er herrschte durch Furcht. Brandon war vieles, doch furchterregend war er bei weitem nicht. Killian glaubte sogar das Reina die tatsächlich furchterregende in Ohama war. Er hatte sie einmal schreien und Drohen gehört und auf keinen Fall würde Brandon diese Lautstärke oder Intensität hinbekommen. Es war seine ruhige, besonnene Art die ihn zum Liebling der Massen machte. Allerdings hatte Killian vor seiner Abreise eine andere Seite des Mannes kennengelernt. Seit seiner Ankunft mit Zosia in Ohama war Brandon langsam ein anderer Mensch geworden.
Auch Reina war die Veränderung aufgefallen und insgeheim hatte sie Killian gebeten Brandon Freiraum zu geben und keine Beziehung zwischen ihm und Zosia zu erzwingen. Killian hatte nichts dergleichen versucht, er hatte nur eine Familie für das Mädchen aufbauen wollen. Doch dies änderte anscheinend nichts an Brandons Schuldgefühlen und an seinem langsamen Rückzug.
Nun gab es nichts mehr, was Killian noch für Brandon tun konnte. Er war hier oben im Norden eingesperrt mit Loke. Der Mann, dem all sein Hass gehörte.
"Gut, das wars für heute. Wir sehen einander morgen wieder. Wegtreten.", meinte Loke abschließend und etwas verwundert sah Killian sich um. Er war so in Gedanken versunken gewesen, ihm war das Ende des Meetings gar nicht aufgefallen. Zügig packte er seine Sachen zusammen und folgte seinem blauäugigen Offizier aus dem Raum. Bestrebt ihn nicht aus den Augen zu verlieren, verließ er mit den anderen Offizieren das Verwaltungsgebäude und wurde von einem Schwall kühler Luft begrüßt. Schnell zog er seine Jacke an, behielt seinen Blick aber weiterhin auf seinem Ziel.
Blaues Haar ließ ihn abschweifen. Azura kam mit einem weiteren Soldaten den Weg entlang, tief in einem Gespräch verwickelt. Killian beschloss zu handeln.
"Hey Azura,", rief er sie zu sich und winkte. Sofort trat die junge Frau zu ihm, verabschiedete sich von ihrem Kollegen und lächelte Killian freundlich an.
"Ist das Meeting schon zu Ende? Gab es was spannendes." Killians Blick war immer noch auf Blauauge gerichtet als er seine dringende Bitte aussprach.
"Ja, super spannend, Weißt du wer dieser Offizier ist?"
"Wer?", fragte Azura verwundert und folgte seinem Blick unauffällig. Erkennen blitzte in ihren Augen auf und erleichtert stieß Killian die Luft aus. Azuras Stimme wurde leiser, als sie sich wieder ihm zuwandte.
"Das ist Margo. Er hat heute Geburtstag."
Anmerkung der Authorin: Langsam geht es voran. Hab noch ein bissi geduld mit mir, dann bin ich wieder im Fluss und die Kapitel kommen wieder etwas regelmäßiger. Frohes neue Jahr und alles Glück der Welt. Liebe Grüße Lisa-Marie
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top