19. Getrennte Wege
Der General würde sie wieder bitten zu sich zu kommen. Es war so klar in der Art wie er sie ansah. Stella konnte immer sehen wenn ein Mann nach ihr gierte. Alles in ihr wollte sich wehren, aber niemals würde sie zurück zur Akademie gehen. Niemals. Sie wäre eher bereit ihre Augen zu schließen und diesen perversen Arschloch ihren Körper zu geben, als noch einmal durch die Tore der Hölle zu schreiten. Noch einmal ein Kind zu verlieren. Schönheit war eben doch ein Fluch, dachte sie und nahm einen Schluck von dem Opium. Sie hatte keine Wahl als ihm zu gehorchen, aber sie wollte sich später nicht daran erinnern. Zu viele böse Erinnerungen warteten bereits in Form von Alpträumen auf sie.
HONORA
Sie schlug die Augen auf. Was sie sah war Schnauzer...und Riley. Beide Männer saßen in großen Sesseln neben ihr und redeten leise miteinander. Das Zimmer kannte sie nicht. Es hatte eine blaue Wandfarbe und einen großen Schreibtisch und war eigentlich viel zu klein für beides. Sie lag auf einem harten Bett und mit weißem Überzug.
Es war nicht ihr Bett. Dem Privatzimmer nach zu urteil schien es Rileys Zimmer und Rileys Bett zu sein. Vorsichtig versuchte sie sich zubewegen und konnte ihre verkrampften Muskeln spüren. Alles schmerzte und der unbequeme Polster unter ihrem Kopf machte es nicht besser. Schwerfällig begann sie sich zu bewegen und bekam eine sofortige Reaktion ihrer Beobachter.
"Honora! Du bist wach..endlich.", hauchte Schnauzer erleichtert und half ihr sich aufzusetzen. Riley hielt sich zurück, warf ihr lediglich kurze, düstere Blicke zu. Was war passiert? Schnauzer schien ihre Verwirrung ebenso wahrzunehmen und hockte sich langsam vor ihr auf den Boden.
Ihre Augen fanden seine und in seinen Gedanken konnte sie Erinnerungen sehen. Cassandra. Dunkelrotes Rot auf einem weißen Arztkittel. Ihre Ohnmacht. Traurigkeit flutete durch Honoras Adern und mit einem Mal war sie wieder todmüde.
"Kannst du dich daran erinnern was passiert ist?", fragte Schnauzer sanft und drückte ihre Hand. Honora war froh über den Körperkontakt, er beruhigte sie, erdete sie. Schnauzers Gesichtsausdruck barg Mitgefühl und Ruhe. Sie brauchte ihn.
"Ich weiß, dass Cassandra tot ist. Sie wurde erschossen.", brachte sie mühsam hervor und blickte Riley an. Warum sagte er nichts? Hatte er etwa nichts zu sagen? Das sah Honora aber anders. Sie hatte Fragen, jede Menge davon und mit jeder neuen Frage wurde die Trauer durch Wut ersetzt.
"Riley. Wer war der Mann? Wer hat Cassandra...getötet?" Der Offizier rutschte angespannt auf seinem Sessel herum und stützte schließlich seinen Kopf in die Hände. Er konnte sie nicht ansehen.
"Der Schütze hieß Malakai...oder Kai. Er war Schmuggler. Hat uns vor einem halben Jahr noch gute Ware gebracht und dann haben wir eine Weile nichts mehr von ihm gehört."
"Wie konntet ihr ihn hier einfach rein lassen."
"Die Soldaten kannten ihn. Er gehörte nicht zu den NKS und schon gar nicht zu Bärenstein. Ich dachte nicht, dass...ich hätte nie..Er hat immer von seiner Familie gesprochen. Von seiner Frau und seinem Kind." Kopfschüttelnd versuchte Riley seine Tränen in den Griff zu bekommen, aber die paar Tränchen würden Honoras Wut nicht schmälern können.
"Sie ist tot! Cassandra ist tot!", brüllte Honora ihn an und stand sich auf,
"und das nur weil du diesen >Familienvater< nicht fähig gehalten hast, einen Mord zu begehen?!" Riley wich erschrocken zurück und schwieg. Schnauzer stand ebenfalls auf und griff nach ihrer Hand, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihn.
"Riley kann nichts dafür. Keiner der Soldaten konnte rechtzeitig reagieren. Wir sind keine Henotellos. Wir können nicht in die Köpfe von Menschen schauen. Wir können nur nach den Erfahrungen gehen, die wir bereits mit ihnen gemacht haben. Und Kai..ich hätte nie gedacht, dass er das tun würde." Honora konnte dieses Argument nicht hinnehmen.
"Vielleicht hat Bärenstein dann doch recht und Henotellos sind besser als Menschen! Ihr seid schwach und nutzlos! Ihr habt Cassandra sterben lassen!", schrie sie die Männer an und stürmte an ihnen vorbei. Es gab nichts mehr zu sagen.
Weder Schnauzer noch Riley konnten ihren Fehler gut machen. Sie würde ihnen niemals verzeihen. Kaum war sie auf der Straße erschlug sie der kalte Wind. Er brauste um ihr leichtes Tshirt und überzog ihre Arme mit Gänsehaut. Stolpernd blieb sie stehen und sah sich um.
Die Sonne schien gerade erst aufgegangen zu sein und erhellte das Lager mit starken Strahlen. Soldaten liefen in umher, es herrschte mehr Aufbruchsstimmung als noch vor ein paar Tagen. Honoras Blick glitt zum Krankenhaus und obwohl sie selbst nicht wusste, was sie erwartet hatte, machte sich Enttäuschung in ihr breit als sie keinen Schrein dort fand. Kein Zeichen von Cassandra.
Als wäre sie nicht vor diesem Gebäude gestorben. Mit wild klopfenden Herzen drehte sie sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Sie wollte weg von hier, wollte dem Schmerz entfliehen.
"Hey Honora. Geht es dir wieder besser?", Vollbart kam mit langen Schritten auf sie zu. Der junge Mann war zu groß für sein eigenes Wohl, er stakste unbeholfen und schien nie zu wissen, was er mit seinen enormen Gliedmaßen anstellen sollte. Blinzelnd taxierte sie ihn von Kopf bis Fuß. Interessant war seine Uniform. Er war vollständig ausgerüstet. Als würde er demnächst auf eine Mission gehen.
"Mir geht es gut. Hast du was Besonderes vor?", fragte sie und zeigte auf seinen Aufzug. Vollbart nickte, blickte sie dennoch skeptisch an.
"Wir sollen den Feind auf der Westseite der Burg zurückdrängen. Aber mal ernsthaft, Honora, ich hab von Cassandra gehört.."
"ich möchte nicht über Cassandra sprechen.", unterbrach sie ihn unwirsch. Vollbart seufzte und blickte kummervoll zu Boden.
"Das dachte ich mir. Eigentlich will ich nur sagen, das ich sie vermissen werde. Sie war immer sehr nett zu mir." Die Trauer und die Wut stritten sich in Honoras Herz um die Vorherrschaft, aber sie wusste würde sie die Trauer gewinnen lassen, wäre sie ein nutzloses Häufchen Elend. Ihre Wut versprach Aktivität und Ablenkung von den seelischen Qualen. Also schnalzte sie mit der Zunge und drängte alles außer ihren Zorn in den hintersten Teil ihres Verstanden.
"Danke, also wann geht die Mission los?" Überrascht blinzelte er sie an.
"Ähm..jetzt. Ich gehe gerade zum Treffpunkt. Warum?"
"Weil ich mitkomme.", entschied sie spontan und harkte sich bei ihm unter. Vollbart zögerte und suchte in seiner Umgebung nach Unterstützung für diese heikle Situation, denn wie ging man mit einem Mädchen in Trauer um?
Zu seinem Glück erkannte er Schnauzer und winkte ihn sofort zu sich. Stöhnend machte Honora sich auf einen Streit gefasst. Schnauzer rannte zu ihnen und betrachtete stirnrunzelnd ihre ineinander verhakten Arme.
"Was geht hier vor?", fragte er zunehmend verwirrt.
"Ich begleite Vollbart auf eine kleine Mission." Schnauzer blickte seinen Freund schockiert an. Dieser zuckte nur hilflos mit den Schultern.
"Ich hab ihr nur von dieser Mission an der Westseite der Burg erzählt. Zu der ich eigentlich schon viel zu spät dran bin.", bemerkte und versuchte sich aus Honoras Griff zu befreien. Vergebens. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und niemand würde sie umstimmen. Schnauzer schien ihre Entschlossenheit ebenso zu erkennen.
"Na gut. Dann sollten wir uns besser beeilen.", meinte er leichthin und zog seine Freunde zum Treffpunkt. Der einzige gut asphaltierte Bereich im ganzen Camp wurde als Parkplatz für diverse Autos und Transporter verwendet. Der erste Treffpunkt für jede kleinere und größere Mission.
"Was?!", entgegneten Honora und Vollbart in dem selben verwirrten Tonfall.
"Du möchtest mit, dann komme ich ebenfalls. Ich kenne die Details dieser Mission schon und der Befehlshabende wird nichts dagegen haben." Schnauzer lächelte sie triumphierend an und in seinem Einverständnis verspürte Honora tiefe Enttäuschung.
Sie hatte sich auf einen guten Streit gefreut, etwas um ihre Gedanken fortzutreiben und ihrem Zorn ein Ventil zu geben. Schnauzer hatte offenbar nicht vor dieses Ventil zu sein. Der Befehlshabende war eine Frau namens Humbeline, Humble, für die meisten.
Sie war eine stämmige Frau mit einem lauten Sprechorgan und betonte stets das ihr Name, alt und ehrwürdig war. Honora hätte ihn trotzdem längst geändert. Er hörte sich bescheuert an. Humble betrachtete sie von Kopf bis Fuß, gab ihr eine dunkle Winterjacke und eine Pistole und ließ sie dann einsteigen.
Auch sie schien Honora nicht in die Quere kommen zu wollen. Die ganze Welt hatte sich gegen sie verschworen. Innerlich brodelnd setzte sie sich zwischen Vollbart und Schnauzer und wünschte sich einen Feind.
"Ich hoffe, die Sache wird sich schnell erledigen. Ich hab danach Urlaub und freue mich auf meine Freundin in Ohama.", brummte einer der drei anderen Soldaten in dem großen Auto. Seine Freunde gaben ihm recht und begannen von den schönen Frauen Ohamas zu schwärmen und sie mit den Damen aus Terra Calda zu vergleichen. Honora hörte nicht hin, stattdessen funkelte sie Schnauzer an.
"Was denkst du, das du hier tust?" Schnauzer wirkte nun ebenso verärgert wie sie selbst. Mit zusammengezogenen Augenbrauen stierte er sie an.
"Ich? Wohl eher du! Ich war sowieso für diese Mission eingeteilt und hätte sie wegen dir sausen lassen. Du bist diejenige die sich kopfüber in eine gefährliche Situation wirft." Sie zuckte mit den Schultern und machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Gefährlich? Wenn ihr zwei Papnassen mitmacht kann sie wohl kaum so gefährlich sein."
Vollbart schnappte dramatisch nach Luft und sah demonstrativ weg. Er war eindeutig der dramatischere von den beiden. Die Augen verdrehend konzentrierte sie sich wieder auf Schnauzer.
"Und ich hab dich nicht nach deiner Meinung gefragt!", harkte sie nach und verschränkte die Arme. Schnauzer tat es ihr gleich und verschränkte die Arme in dem engen Auto. Es sah ein wenig merkwürdig aus, als würde ein Riese in einem viel zu kleinen Raum sauer sein.
"Tja und trotzdem wirst du sie hören! Das hier ist die dümmste Aktion die du vermutlich jemals abgezogen hast. Ich meine..ich kenne dich noch nicht so gut, aber ich kann mir vorstellen, dass du normalerweise ein bedachter Mensch bist. Also ist das hier wegen Cassandra und ich kann nicht zulassen, dass du leichtsinnig dein Leben aufs Spiel setzt und damit das riskierst wofür sie gestorben ist. Du kannst wütend sein, du kannst mich anschreien, aber ich werde wie ein Schatten an dir kleben."
Seine Worte wühlten mehr in ihr auf, als sie zugeben wollte und mühselig drängte sie die Gefühle nach unten. Sie wollte einen Feind, keinen Freund. Sie brauchte jemanden den sie für Cassandras Tod bezahlen lassen konnte. Wenn sie diesen Feind nicht fand, musste sie die Schuld unweigerlich bei sich suchen.
REINA
Mit Nasreen und Jack im Schlepptau verließ Reina ihre Stadt. Alle Vorkehrungen waren getroffen worden. Es gab neue Manager für die Technikabteilung und dennoch würde sich kaum etwas ändern. Reina war schon einmal mit Brandon aufgebrochen um einer persönlichen Mission zu folgen und auch damals hatte sich die Welt ohne sie weitergedreht.
Die Wahrheit war, dass Ohama sie nicht brauchte um zu funktionieren und genau darauf zählte sie nun. Jack, der General von Bärensteins Deserteuren war ursprünglich nicht als ihre Reisebegleitung gedacht.
Sie respektierte den jungen Mann hielt ihn allerdings für einen Angeber mit zu viel Testosteron. Nasreen schien davon nichts zu bemerken.
Ihr verliebter Blick sah nur männliche Perfektion. Aus diesem Grund waren die beiden frisch verliebten auch nicht zu trennen und schweren Herzens hatte sie zugestimmt. Es würde eine lange Reise werden.
Brandon stand am Stadttor und betrachtete sie schweigsam als sie die letzten Vorräte in das schwarze Auto stopften. Die Mittagssonne strahlte über ihm, die Strahlen ließen das Rot seiner Narben heller wirken.
Sein Blick war verschlossen, die Arme verschränkt.
Tausend trübselige Gedanken lagen in seinen Zügen.
"Ich fahre.", bestimmte Jack und setzte sich bereits vors Lenkrad. Reina seufzte, es würde eine verdammt lange Reise werden. Langsam kam Brandon auf sie zu und zog sie in seine Arme. Mit seinem rhythmisch schlagenden Herzen in den Ohren, küsste sie seinen Hals. Er war so warm. Ihr Zuhause.
"Bitte komm zu mir zurück.", flüsterte er in ihr Haar. Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn liebevoll an.
"Immer. Ich liebe dich...so sehr." Brandon erwiderte das Lächeln zärtlich und küsste sie auf die Lippen. Sie konnte salzige Tränen schmecken, ob es ihre eigenen waren oder seine, wusste sie nicht. Sie schenkte ihm noch ein letztes Lächeln und stieg hinter Nasreen ein.
"Ein schwerer Abschied.", meinte diese und drückte Reinas Hand leicht. Reina nickte und begrüßte den Körperkontakt.
"Los geht die wilde Fahrt.", kommentierte Jack und fuhr los. Er gab viel zu viel Gas und schien sich keine Gedanken um Sicherheit zu machen. Mehr als einmal musste sie ihn abbremsen lassen um die Wegbeschreibungen lesen zu können. Ohamas Siedlungen versuchten ihr Möglichstes um die Umgebung befahrbar zu machen und verständlich zu schildern, doch schlussendlich war Krieg und die NKS Soldaten machten sich immer einen Spaß daraus ihre Beschilderungen abzureißen.
"Was denkst du wie es in der Akademie sein wird?", fragte Reina ihre Kollegin. Nasreen war in ständigem Kontakt zu Lenka und Zack. Beide ehemalige Rekruten und enge Freunde von Nasreen. Sie leiteten den Widerstand in der Akademie. Nasreen seufzte schwer.
"Ich wünschte ich hätte mehr Hoffnung, aber Zack berichtet nur Schlechtes. Sie haben die Wälder der Akademie vor ein paar Wochen verloren und kämpfen nun um die Gebäude selbst. Wir werden sehr vorsichtig sein müssen um unerkannt zu bleiben."
"Das kriegen wir hin. Die NKS sind kein intelligenter Haufen. Mit den Uniformen, die wir ihnen gestohlen haben, werden wir keine Probleme haben.", prophezeite Jack selbstsicher. Nun er hatte recht. Die NKS Soldaten schienen wirklich...eher Befehle entgegenzunehmen als sie zu hinterfragen, dennoch bezweifelte Reina, das es so einfach werden würde. Nasreen seufzte.
"Wie es aussieht, sind die meisten NKS Soldaten dort und ihnen gehen die Vorräte aus. Wenn wir keinen Weg finden ihnen zu helfen...."
"Dann werden wir evakuieren. Wir geben diese Menschen nicht auf!", Entschlossenheit färbte Reinas Stimme. Dankbar nickte Nasreen ihr zu. Eine Zeitlang fuhren sie die unebenen Straßen im Territorium von OneSheep entlang, bis Jack plötzlich seine Geschwindigkeit drosselte.
"Ab jetzt sind wir auf Kriegsgebiet.", murmelte er und starrte angespannt auf die Umgebung. Auch Nasreen und Reina beobachteten die Wälder und Straßen. Es schien alles ruhig, nichts deutete auf eine drohende Gefahr hin. Aber was sagte das schon aus?
Sie fuhren weiter, angespannt und unruhig. Jeder von ihnen in Ängsten vergraben. Reina mochte diese Ruhe nicht. Viel lieber würde sie Kugelhagel hören oder Kampfgeschrei. Ihre Hände schwitzten und die Angst kroch langsam ihren Rücken herauf.
"Es wird alles gut. Wir haben noch etwa eine Stunde, dann sollten wir das Auto abstellen und zu Fuß durch die Wälder. Ich habe Zack eine Nachricht geschickt. Er wird einen seiner Leute schicken um uns abzuholen. Der Erkennungsname lautet Kasimir."
"Warum dieser Name?", fragte Reina ihre Begleiterin verwundert. Nasreen lächelte leicht.
"Er war ein alter Kamerad von uns. Ist während der Ausbildung getötet worden. Wir konnten ihn nie vergessen, er war einer von den Guten."
"Wer hat ihn getötet?" Nasreen blickte hinter sich, suchte Reinas Augen. In ihrem Gesicht lag Kummer.
"Na.." Eine Explosion. Feuer. Metall. Schmerz.
Die Welt drehte sich. Reina schrie, etwas Spitzes bohrte sich in ihre Seite. Sie konnte Nasreen rufen hören. Der Wagen lag auf dem Dach, rauch breitete sich langsam aus. Hustend versuchte sie sich zu bewegen.
"Wir müssen hier weg!", schrie Jack panisch und trat gegen die zersplitterte Windschutzscheibe. Reina spürte ihr T-Shirt nass werden und sah an sich herab. Da ragte ein Stück Metall aus ihrer Seite und färbte ihre Kleidung rot. Der Schmerz überrollte sie schnell und hart. Hektisch kämpfte sie mit ihrer Atmung. Jack hatte endlich die Scheibe zerstört und zog eine bewusstlose Nasreen aus den Trümmern des Autos.
Verzweifelt sah er sich um und entdeckte schließlich Reina im Auto. Sie konnte es an seinen Augen sehen. Er hatte bereits Nasreen in den Armen und würde sie tragen müssen.
Da war kein Platz für sie. Ihr kamen die Tränen und obwohl sie es besser wusste, streckte sie den Arm nach ihm aus. Jack biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Mit einer flüssigen Bewegung hob er Nasreen hoch und rannte davon. Er blickte nicht zurück. In Reina tobte ein Sturm aus Wut und Verzweiflung. Die Schmerzen wurden immer stärker und der beißende Geruch der Flammen kam näher.
Mit ihrer letzten Kraft zog sie sich aus dem Autowrack und stemmte sich auf die Beine. Sie waren wacklig und unsicher. Der Blutverlust ließ sie schwindelig werden. Aber sie hatte keine Wahl. Sie wollte leben und begann zu laufen. Es war mehr ein kontrolliertes Stolpern, aber es brachte sie voran. Jeder Schritt war ein Erfolg.
Sie lief so lange sie konnte, soweit ihre müden Beine sie tragen konnten. Im Delirium der Qualen dachte sie nicht nach. Ihre Energie verflüchtigte sich und japsend brach sie zusammen. Unter einem großen Baum blieb sie sitzen. Ihr Blut sickerte langsam in die Erde. Kälte kroch über ihre Extremitäten.
Schluchzend blickte sie in das Blätterdach ihres Baumes. Das war das Ende. Sie würde hier unter diesem Baum sterben. Weit weg von Brandon und Honora. Weit weg von den Menschen, die sie liebte. Zitternd presste sie ihre Hände in die weiche Erde. Dieser Baum würde ihr Grab werden.
Reina hätte alles dafür gegeben stärker zu sein, aber das war sie nicht. Sie war alleine und hatte Angst. Todesangst. Tränen liefen ihre bleichen Wangen hinunter und verzweifelt spürte sie wie sich ihre Augenlieder schließen wollten. Sie waren so schwer und sie war so müde.
Nur für eine Sekunde die Augen schließen. Nur für eine Sekunde. Etwas kaltes und nasses berührte ihre Nase. Es bewegte sich und machte seltsame Geräusche. Dann bellte es und mühsam öffnete Reina die Augen einen Spaltbreit. Ein Hund, wanderte es durch ihren erschöpften Verstand. Woher kam denn der Hund?
"Was hast du da gefunden, Katastrophe?" Eine junge Frau trat in ihr Blickfeld. Blondes Haar, braune Augen. Reinas Gedanken waren zähflüssig wie Honig und nur langsam erkannte sie die mitfühlenden Augen. Es waren Brandons Augen.
"Das sieht nicht gut aus.", flüsterte die Frau und strich vorsichtig über Reinas Wunde, "ich weiß nicht ob ich dir helfen kann. Aber ich will es probieren."
Ihre Worte waren zögerlich, vorsichtig. Als wäre sie unsicher, ob Reina nicht besser im Wald aufgehoben wäre. Reina hatte keine Kraft zu antworten, sich zu erklären. Die Frau stand auf und hob gleichzeitig Reina vom Boden. Sie schwebte mit dem Blick zum Blätterdach. Brandons Schwester schwieg als sie Reina davon trug.
Anmerkung der Autorin: Und noch ein kapitel. Die Zeit vergeht so schnell.
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