16. Eine Liebe für die Ewigkeit

Ich war noch nie an einem anderen Ort als die Akademie. Mit fünfzehn haben meine Eltern mich diesem Ort überlassen und seitdem lebe ich hier. Es ist mein Gefängnis und mein Zuhause. Hier habe ich geweint, gelitten und gelacht. Hier habe ich fünf Kinder zur Welt gebracht um Meister Bärensteins Henotello-Armee zu vergrößern. Meine Gabe ist nichts besonderes, nichts kämpferisches. Ich kann im Dunkeln leuchten wie ein Stern. Hübsch anzusehen, aber sinnlos im Krieg, daher war mein einziger Daseinszweck für die Akademie Kinder zu kriegen. Ich habe mit siebzehn angefangen und eigentlich nicht mehr aufgehört. Gesehen habe ich keines davon.

HONORA
Sie atmete tief durch und reichte das Funkgerät zurück an den Funker, der sie mit verwunderten Augen ansah. Mehr als die Hälfte des Gesprächen würde sicherlich hitzige Diskussionen und Verwirrtheit erzeugen. Es kümmerte sie nicht, ihr Körper und Geist waren von dem intensiven Gebrauch ihrer Gabe ausgezehrt und nichts würde sie lieber tun als sich hinlegen.

Allerdings drängte sie ein inneres Gefühl Cassandra zu suchen. Sie würde ihr nichts von ihrem Gespräch mit Reina erzählen, aber sie wollte sicher gehen, dass Cassandra auch ohne diesen Hoffnungsschimmer keine Dummheiten beging. Erschöpft verließ sie das Funkerzelt und ging die Straßen entlang. Die Sonne stand tief und schmerzte in ihren Augen. Schützend hielt sie die Hand vor ihr Gesicht und stolperte weiter. Ihr Körper fühlte sich so träge an.

Der Verstand Roosevelts war schwieriger gewesen als sie es von einem einfachen Mann erwartete hätte. Strenger Glaube an die Ideologie seines Landes schufen Schutzschichten um seine Erinnerungen. Er kämpfte mit allem was er hatte für sein Vaterland. Es hatte Stunden gedauert, doch schließlich war Honora zu den Informationen gekommen. Alle Sicherheitsdaten über den größten Flughafen der NKS auf Beerellons Land. Ein großer Erfolg, nun mussten sie ihn nur noch zerstören. Die fliegenden Bomben waren die größte Bedrohung für OneSheep und Silny Syn. Es gab bei weitem nicht genügend fliegende Henotellos um dem Bombenregen Herr zu werden und eigene Flugzeuge hatte Beerellon nicht.

Bärenstein hatte den Bau immer verhindert. Jemand rempelte sie an und panisch schreckte sie zurück. Vor ihrem inneren Auge sah sie eine Faust und ein langes Messer, dass ihr Fleisch zerschnitt. Die Schmerzen waren nicht real, doch Honora musste all ihre Willenskraft aufwenden um nicht trotzdem ängstlich zuschreien.

Es waren Roosevelts Erinnerungen die sie quälten. Er hatte begriffen, dass sie durch all seine Erinnerungen waten musste um an die ersehnten Informationen zu kommen und hatte daher ihren Verstand mit seinem Schmerz geflutet.

Um eine ruhige Atmung bemüht kämpfte Honora die fremden Gefühle zurück und konzentrierte sich auf einen Löwenzahn der zufällig neben ihr wuchs. Die hellen Blüten leiteten sie langsam aus der Dunkelheit. Tatsächlich hatten die Übungen zur Selbstkontrolle mit Nasreen damals in Ohama einen Zweck gehabt. Honora war sich so lächerlich vorgekommen, als die ältere Henotello mit ihr meditiert hatte, nun war sie froh darüber.

"Hey Honora. Hier, ich glaub du hast das Mittagessen verpasst.", Schnauzer lächelte sie aufmunternd an. Erschrocken erwiderte sie das Lächeln. Der junge Soldat hatte wohl auch einen anderen Namen, aber weil er diesen lächerlichen Schnauzer im Gesicht trug, merkte sich niemand wie er wirklich hieß.

Der Schnauzer war einfach zu markant. Dankbar nahm sie ihm die Tasse mit Kartoffelgulasch ab und löffelte vorsichtig kleine Bissen in ihren Mund. Sie aß langsam, da während der langen Befragung keine Zeit für eine Mahlzeit gewesen war und sie ihren schmerzhaft leeren Magen nicht überfordern wollte.

"Vollbart und ein paar andere Soldaten wollen heute einen Spieleabend machen. Nichts besonders. Vielleicht hast du Lust zu kommen?" Schnauzer blickte ihr hoffnungsvoll entgegen und unter dem Schnauzer und den beachtlichen Muskeln bemerkte Honora das erste Mal wie jung dieser Mann war. Verwirrt runzelte sie die Stirn.

"Soll das eine Verabredung werden?" Achselzuckend lächelte Schnauzer schief. Honora lachte, sie konnte nicht glauben, das nach diesem beschissenen Tag tatsächlich etwas so triviales wie eine Verabredung auf sie wartete. Schnauzer bezog das Lachen auf sich selbst und ließ die Schultern hängen.

"Du musst mich nicht gleich auslachen. Hab schon verstanden, du hast besseres zu tun." Er drehte sich um und wollte gehen, doch Honora packte ihn bei der Schulter und hielt ihn auf.

"Nein, warte. Das war nicht so gemeint. Natürlich würde ich gerne mit dir zu diesem Spieleabend gehen. Ich muss vorher nur Cassandra Bescheid geben und danach komm ich zu deinem Zelt, okay?"

Honora hätte nie gedacht, dass ein Mann im Krieg zu solch einem Grinsen imstande war. Weniger hätte sie vermutet, dass dieser Schnauzer noch dämlicher aussehen könnte. Falls sie wirklich mehr als Freunde würden, musste sie dringend mit ihm über diese Gesichtsbehaarung sprechen.

"Ich hab Cassandra gerade noch vor dem Krankenhaus gesehen.", meinte er und zeigte in die Richtung. Honora nickte und bedankte sich. So schnell sie in ihrem müden Zustand konnte ging sie zum Krankenhaus. Vielleicht wäre ein Spieleabend in ihrer geschwächten Form keine gute Idee, aber die Aussicht auf einen geselligen Abend und ein wenig Freude würde möglicherweise die schrecklichen Erinnerungen Roosevelts in Schach halten.

Sie alle rumorten in ihrem Verstand und wirbelten ihre Gefühle durcheinander. Als sie die nächste Biegung nahm, kollidierte sie mit Riley. Geschickt packte dieser sie an den Schultern und verhinderte damit einen Sturz.

"Honora. Was machst du hier? Ich dachte du legst dich hin?" Verwirrt starrte er sie an. In seinen Augen glimmte weiterhin das schlechte Gewissen. Während der Befragen hatte er mehrmals aufhören wollen, doch Honora war niemand der aufgab und schon gar nicht wenn es sich um einen Mistkerl wie Roosevelt handelte. Dies änderte jedoch nichts an den Qualen die sie in Rileys Augen wegen ihm durch litt.

"Ich...ich wollte noch kurz mit Cassandra sprechen. Und dann treffe ich mich mit...Schnauzer." Sie war sich nicht sicher ob Riley ihn vielleicht unter einem anderen Namen kannte, doch er nickte nur.

"Ah, guter Mann, aber du solltest dich nicht überanstrengen. Womöglich werden deine Fähigkeiten noch gebraucht." Honora nickte und wünschte sich sehnlichst das er sich irrte.

"Hast du die Informationen schon weitergegeben?" Riley ließ die Schultern hängen.

"Ja, aber ich habe keine guten Nachrichten. Der Flughafen ist etwas außerhalb von Willhelmsburg. Die Stadt ist fest in den Händen der NKS. Wir müssten eine große Offensive starten und das ist sinnlos solange der Krieg bei der Akademie so stark wütet."

"Bedeutet dass wir ganz schön am Arsch sind."

"Genau, und jetzt muss ich die schlechte Nachricht verbreiten. Hast du Gute für mich?" Honora überlegte kurz und beschloss schließlich Riley von Elodie zu erzählen. Sie benutzte viele Adjektive um die betrügerische Botschafterin zu beschreiben. Noch kreativer beschrieb sie wie Brandon und Reina diese Schlange loswerden würden. Der Offizier begann zu lächeln.

"Damit kriegen wir Bärenstein dran!"

"Der wird bald Geschichte sein und dann knöpfen wir uns die NKS vor. Wir dürfen nur nicht den Mut verlieren." Riley umarmte sie kurz und verabschiedete sich dann. In seinem Lächeln sah sie Hoffnung und wie schön war es doch diese zu verbreiten. Mit guten wie schlechten Nachrichten gerüstet machte sie ihren Weg zum Krankenhaus und fand Cassandra vor dem Gebäude.

Tief durchatmend stand die junge Frau in ihren dreckigen Operationskittel in der letzten Sonne des Tages und genoss sie. Ihre Augen waren geschlossen, doch Honora konnte auch so ihre Müdigkeit wahrnehmen. Cassandra schien ein Spiegelbild ihrer eigenen Erschöpfung zu sein.

"Cassie.", murmelte Honora und warf sich in ihre Arme. Erschrocken öffnete Cassandra die Augen.

"Honora. Woher kommst du denn jetzt plötzlich." Ihre Stimme war so schwach wie Cassandra selbst, trotzdem war ihre Umarmung fest. Zitternd drückte Honora sich an ihre Freundin, sie brauchte die Wärme eines lieben Menschen, von Familie. Die Welt war heute so grausam gewesen. Liebevoll strich Cassandra Honora über den Kopf.

"Harter Tag? Ich auch. Wir haben wieder jemanden verloren."

"Das tut mir leid.", hauchte Honora an ihrer Brust und konnte sich das Leid, das Cassandra tagtäglich sah sehr gut vorstellen. Vielleicht sollte sie ihr doch von Elodie und Nate erzählen? Nein, es war besser zu warten und sicher zu gehen. Falsche Hoffnungen waren das schlimmste, das man einem anderen Menschen antun konnte. Und natürlich Folter. Bilder von Roosevelts zerstörter Gestalt geisterten durch ihre Gedanken.

"Warum bist du hier? Nicht, dass ich mich nicht freue, aber..?" Honora löste die Umarmung und lächelte ihr Gegenüber an.

"Einfach nur so. Ich hab dich vermisst." Cassandra erwiderte das Lächeln. Die orangefarbene Sonne ließ Cassandras Gesicht strahlen. Sie war so schön. Honora wollte auch einmal so schön sein.

"Er hat eine Waffe!" Geschrei ließ sie zusammen zucken. Verwirrt drehte sie sich um als Cassandra sie hinter sich schob.

Überall liefen Menschen. Es wurde geschossen. Blut floss und Tod kam. Da stand ein Mann in der Mitte der Straße, keine zwei Meter von ihnen entfernt und zielte mit einer Waffe. Worauf zielte er?, fragte sich Honora und folgte dem Lauf seiner Waffe zu Cassandra.

Sie war sein Ziel. Entsetzt riss Honora die Augen auf und wollte sich vor sie schieben oder den Mann attakieren. Sie musste nur irgendetwas tun um Cassandra zu retten, doch Cassandras eiserner Griff hielt sie hinter sich. Honoras Herz raste.

"Es tut mir leid! Aber nur so kann ich meine Familie retten!", schrie der Mann und.... drückte ab. Ein Schuss hallte und Cassandra krümmte sich vor ihr. Ein weiterer Schuss fiel und der Schütze stürzte zu Boden.

Honora hielt den Atem an und blickte von dem Schützen zu ihrer Freundin. Panisch bemerkte sie wie sich ein roter Fleck auf Cassandras Kleidung ausbreitete.

Die Ärztin hatte Schwierigkeiten zu atmen. Ihre Beine gaben nach, hölzern stürzte sie zu Boden und blieb auf dem Rücken liegen. Angstverzehrt kniete Honora sich neben Cassandra und entdeckte ein Einschussloch in deren Brust. Da war doch das Herz, oder? Hastig drückte sie ihre Hand auf die stark blutende Wunde.

"Es wird alles gut. Es wird alles wieder gut.", murmelte sie immer wieder, aber tief drinnen wusste sie, dass eine solche Wunde nicht heilen würde. Nicht hier und nicht mit den Mitteln die sie hätten. Es gab keine Hoffnung. Cassandra würde sterben. Tränen flossen über Honoras Wangen und tropfen auf die blutdurchtränkte Erde. In Cassandras traurigen Augen sah sie dieselbe Erkenntnis zu der auch sie selbst schon gekommen war.

"Sei...stark.", stotterte Cassandra schwach.

"Du darfst nicht sterben. Bitte, Cassandra. Lass mich nicht alleine!"

"Du..bist nicht alleine. Vergiss das niemals. Wir sind..Familie." Honora hielt den Atem an. Familie, dennoch hatte sie Cassandra Informationen vorenthalten. Cassandra durfte nicht sterben ohne von Nates Liebe zu wissen. Drängend schüttelte Honora ihre Freundin, zwang sie die Augen offen zu halten.

"Du musst noch durchhalten. Ich muss dir von Nate und Elodie erzählen. Es gibt wichtige Nachrichten aus Ohama! Bitte hör mich zu!", schrie sie Cassandra an und spürte doch wie ihre Freundin langsam davon glitt.

Von Angst und Trauer geführt ließ sie sich mit ihrer Gabe in Cassandras Verstand gleiten. Ein Wirbelwind der Erinnerungen und Gedanken erwartete sie. Cassandras Verstand war in heller Aufregung, jede Nervenfaser registrierte den kommenden Tod. Sie sah sich selbst durch Cassandras Augen, sah den Schützen, aber es waren nicht Cassandras Erinnerungen nach denen sie strebte. Honora baute eine Brücke zwischen sich und Cassandra und suchte dann in ihrem eigenen Verstand nach der Erinnerung an das Gespräch mit Reina und drängte es mit aller Kraft in Cassandras Gedanken.

"Siehst du! Er wollte dich nicht verlassen. Er liebt dich. Er liebt dich von ganzen Herzen.", rief sie in Cassandras Verstand und wartete. Zunächst passierte nichts und Honoras Hoffnungen schwanden. War sie nicht stark genug gewesen oder war Cassandra vielleicht schon zu schwach um ihre Worte zu verstehen? Honora versank in tiefer Verzweiflung ebenso wie Cassandras Verstand langsam dunkel wurde.

Alles schien verloren. Ein Licht ließ Honora verwirrt die Stirn runzeln. Es breitete sich gemächlich in Cassandras Geist aus und erfüllt Honora mit wohliger Wärme. Cassandras Gedankenwelt veränderten sich. Honora sah Nate an seinem Hochzeitstag.

Sie sah die Liebe in seinen Augen und spürte die Zuneigung in Cassandras Herz. Ihre erste Begegnung im Bunker, ihre zahllosen Kämpfe und der Krieg. Der Moment ihres ersten Kusses und die erste gemeinsame Nacht. Honora sah die Augenblicke einer unglaublichen Liebe mit Zärtlichkeit und Verständnis, mit Leidenschaft und Begeisterung. Eine Liebe für die Ewigkeit und Cassandra hatte sie nie aufgeben.

"Danke.", flüsterte es sanft über die telepathische Brücke.

"Du hast es verstanden.", schluchzte Honora glücklich und fiel mit Cassandras Geist in Dunkelheit.

Sie erwachte in Rileys Armen liegend. Ihr Kopf ruhte auf seinem Schoss und für einen Moment starrte sie einfach nur in den Himmel und betrachtete die Vögel am Firmament.

Die wärmenden letzten Strahlen der Sonne verschwanden und hinterließen den traurigen Beginn der Nacht. Riley redete mit ihr, aber sie hörte nicht zu. Verdrängte seine Worte wie sie auch ihre Gedanken verdrängte.

Ihre gesamte Aufmerksamkeit lag auf den Vögeln am Himmel und dem warmen Gefühl von Cassandras Dankbarkeit. Honora wusste, was sie sehen würde, wenn sie sich aufsetzte und die Realität hineinließ. Cassandra, ihre Freundin, eine Frau mit der sie im Bunker aufgewachsen war würde neben ihr auf dem Boden liegen.

Ihr Blut würde den Boden rot färben, ebenso wie Honoras Kleidung. Ihre tote Kälte wäre der Beweis eines schrecklichen Verbrechen.

"Honora, geht es dir gut? Bitte, sag doch etwas?", Rileys Stimme wurde immer verzweifelter und ein Teil von Honora wollte ihm mitteilen, dass sie lebte und unverletzt war. Allerdings würde dies viel Kraft erfordern und die hatte sie momentan einfach nicht.

"Ich glaube sie hat einen Schock.", meinte Schnauzer neben ihm und berührte leicht ihre Wange. Seine Finger waren warm. Seine Augen traurig. Honora drehte ihren Kopf leicht in seine Richtung. Der Schnauzer sah immer noch lächerlich aus. Vollkommen bescheuert. Bei Cassandras erster Begegnung mit dem jungen Soldaten hatte sie so laut gelacht.

Honora natürlich nicht, sie wollte nicht unhöflich sein, aber Cassandra...ihr Lachen war noch viele Straßen weiter zu hören gewesen. Honora würde diesen Klang niemals wieder hören. Wer schluchzte da so hilflos? Es dauerte einige Sekunden bis Honora begriff, dass sie selbst diesen herzzerreisenden Ton von sich gab.

Einem Instinkt folgend warf sie sich in Schnauzers Arme und begrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Er war so warm, so lebendig. Und in Honora gab es nur Kälte. Sie drängte sich an ihn und bemerkte nur am Rande wie er sie aufhob und wegtrug.

Cassandra blieb hinter ihr zurück.

REINA
Sie hatte schon viele schlimme Nächte in ihrem Leben durchgestanden. Da war die Nacht als sie ihre Eltern verlor und die Nacht als der Bunker zerstört worden war. Aber diese Nacht steckte voller furchtbarer Nachrichten. Zunächst wurde ihr mitgeteilt, dass ihr Liebster im Krankenhaus lag und sie darum kämpften sein Auge zu retten.

Danach wurde sie darüber informiert das Diana tot war und Zosia sich in Elodies Gewalt befand. Das alleine hätte sie in unendliche Trauer werfen können, doch die Nachricht, die sie um genau elf Uhr erreichte war die Schlimmste. Riley war so vorsichtig gewesen, aber an den Tatsachen führte kein Weg herum. Cassandra war tot. Ihre beste Freundin, ihre Schwester im Geiste war tot.

Wütend hatte sie das Funkgerät an die Wand geworfen und war zum Krankenhaus gelaufen. Brandon lag in einem gesonderten Raum, das Gesicht bandagiert wie bei einer Mumie. Reina stand weinend vor seinem Bett. Wie konnte das alles geschehen? Wie konnte ein Tag ihnen so viele Lieben nehmen. Sie versuchte leise zu sein um Brandon nicht zu wecken, doch ihr Herz zerbröselte gerade in ihrer Brust und nichts schien etwas daran ändern zu können.

"Reina?", fragte der Mann vor ihr im Krankenbett und setzte sich vorsichtig auf, suchte sie in der Dunkelheit des Zimmers.

"Tut mir...tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe...aber..", schluchzte sie und fuhr sich über das tränennasse Gesicht. Ihr Körper zitterte und tausend Erinnerungen wollten sich gleichzeitig Gehör verschaffen. Bestürzt streckte Brandon die Arme nach ihr aus und zog sie auf sein Bett. Mit seinem guten Auge blickte er sie an und Reina konnte sich nur vorstellen was er sehen mochte.

"Wen haben wir verloren?", hauchte er sanft und drückte sie enger an seine Brust. Reina wollte ihm nicht antworten, sie wollte schweigen und ihm wenigstens ein bisschen Kummer ersparen, aber sie konnte ihre Trauer nicht alleine bewältigen. Brandon strich über ihre wirren Haare und küsste ihre Stirn.

"Bitte sag es mir..", flüsterte er an ihrem Haar und Reina weinte stumm.

"Cassandra. Sie...sie wurde vom Feind erschossen." Brandons Atmung stockte und obwohl Reina ihren Blick auf seine Brust hielt, wusste sie doch genau was sie in seinem Gesicht lesen würde. Auch er hatte Cassandra seit ihrer ersten Begegnung im Bunker lieb gewonnen. Sie hatten viel Zeit miteinander verbracht und ihr Verlust würde ihn schmerzen. Räuspernd blickte er zur Decke, als könnte diese Nackenposition die Tränen in seinen Augen bewahren.

"Was ist mit Honora...ist sie...", er konnte den Satz nicht beenden. Nur eines würde diese Nachricht noch schlimmer machen. Reina schüttelte ihren Kopf an seiner Brust.

"Nein. Sie lebt. Riley meint sie hat einen Schock aber ist unverletzt." Erleichtert atmete Brandon aus.

"Wie konnte das passieren?"

"Wir haben Krieg.", erwiderte sie tonlos.

"Ich weiß! Aber Cassandra sollte sicher sein in diesem Krankenhaus. Ihr sollte nichts passieren!", donnerte Brandon und zischte schmerzhaft. Die Schnittwunde in seinem Gesicht vertrug sie nicht mit starken Emotionen. Besorgt blickte Reina ihn an. Unter den weißen Bandagen konnte sie hellrotes Blut erkennen, er hatte seine Nähte aufgerissen. Vorsichtig strich sie über seine rechte Gesichtshälfte. Dort hatte Elodie ihm die tiefste Wunde beigebracht und sein Auge erwischt.

"Kriegen die Ärzte dein Auge wieder hin?", fragte sie geistesabwesend.

"Nein, der Schnitt war zu tief.", murmelte Brandon und legte seine Stirn an ihre. Was würden sie nun tun?, fragte sich Reina. Was würde sie tun? Mit all diesem Schmerz in ihren Herzen und einem fast verlorenen Krieg. Welche Möglichkeiten zu überleben gab es noch?

"Ich werde sie so sehr vermissen.", Brandons zittrige Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und Reina musste sich ebenfalls anstrengen nicht wieder loszuheulen. Dabei war alles was sie tun wollte, weinen.

"Und ich konnte ihr nicht mal von Nate erzählen. Sie weiß nichts...wusste nichts von Elodie als...als." Reina konnte nicht weitersprechen.

Der Schmerz war zu gewaltig. Brandon weinte mit ihr, hielt sie und während die Nacht voranschritt, dachten sie an all die Menschen, die sie verloren hatten.

Anmerkung der Autorin: Ich kann hier wirklich nichts anderes schreiben als; es tut mir leid.

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