14. Böses Erwachen
Ich weiß, ich sollte es nicht tun. Wenn die Regierung das rausfindet, bringen sie mich um oder sogar meine Familie, aber ich kann nicht anders. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, ein Kind diesem Regime zu überlassen. Das würde mich umbringen. Also tue ich was ich für richtig halte. Ich habe von einem Arzt gehört, der Henotellos gegen einen Preis steril macht. Ich habe das Geld und seine Adresse, nun muss ich mich nur noch aufraffen und dorthin gehen. Ich muss es tun, aber ich ertappe mich immer wieder dabei wie ich in den Spiegel sehe und über meinen leeren Bauch streiche. Nie wird darin ein Leben wachsen. Nie ein Kind meine Gene tragen. Aber genau deswegen muss ich es tun. Ich bin eine zweitgeborene und damit einem üblen Los entkommen, aber mein erstes Kind würde wie mein Bruder entführt werden. Ich muss es tun. Heute.
HONORA
Sie wurde von lautem Poltern und überraschten Schreien geweckt. Mit klopfendem Herzen richtete Honora sich auf und suchte panisch nach ihrem Messer. Plötzlich hellwach rappelte sie sich aus dem Bett und starrte gebannt auf die Tür. Immer wieder knallte etwas gegen ihre Hütte. Da draußen musste die Hölle los sein. Cassandra kletterte ebenfalls schnell aus ihrem Bett und stellte sich neben Honora vor die Tür der engen Hütte.
"Was ist das?", fragte Honora ängstlich und blickte zur Decke. Erneut traf etwas Hartes das Dach ihres Unterschlupfes.
"Finden wirs raus.", brummte Cassandra nervös und öffnete die Tür mit Schwung, bereit für ihr Leben zu kämpfen. Aber da draußen war nichts. Nur die Nacht und der Mond und...seltsame Gebilde auf dem Boden.
"Was ist das?", hauchte Honora und trat vorsichtig vor. Es herrschte Stille, das Poltern hatte aufgehört. Gemeinsam starrten sie auf die Dinger, die vor ihrer Tür lagen und bemerkten gleichzeitig den furchtbaren Gestank. Wieder polterte es und das Projektil landete vor ihren Füßen auf der staubigen Straße.
Leere Augen starrten ihnen entgegen, ein unnatürlich verrenkter Körper versperrte den Weg nach draußen. Sie blieben still, rührten sich nicht. Beide hatten bereits tote gesehen und erkannten den fortgeschrittenen Verwesungsprozess dieser Leiche. Sie war schon vor Tagen, wenn nicht Wochen gestorben. Atemlos blickte Honora zu den anderen Hüten und dem Truppentransporter. Überall lagen Leichen. Und am Horizont verschwand ein schwarzes Flugzeug. Die NKS.
"Sie haben Leichen auf uns abgeworfen.", murmelte Cassandra verwundert, "wieso sollten sie so etwas tun?" In diesem Moment begann einer der jungen Soldaten in der Hütte neben ihnen wie wild zu schreien. Seine Kollegen waren nicht besser. Hohe Schreie wanderten über die Umgebung, schreckten Tiere auf und schienen laut genug um noch die Toten zu wecken. Honora hüpfte über den Toten vor ihrer Tür und lief so schnell wie möglich zu den jungen, panischen Soldaten.
"Ruhe, ihr Dummköpfe!", rief sie ihnen zu und erntete erschrockene Blicke.
"Ich sagte RUHE!", ihr Schrei war deutlich lauter als ihre und zitternd hielten die jungen Männer die Klappe.
"Es ist alles okay. Das sind nur ein paar Leichen."
"Nur ein paar Leichen? Das sind unsere Toten und die sind plötzlich aus dem Nichts aufgetaut."
"Bestimmt kommen sie uns holen!", rief ein andere Soldat dazwischen und Honora seufzte genervt.
"Das sind keine Gespenster. Die NKS haben sie auf uns geworfen um psychologische Kriegsführung zu betreiben. Für nichts anderes, also beruhigt euch wieder." Langsam nur atmeten die Soldaten ein und hörten auf sich aneinander zu klammern. Cassandra trat zu ihr und hielt ihren Rucksack bereit.
"Ich denke wir sollten den Fahrer wecken und weiter ziehen."
"Nicht nötig. Ich bin schon wach. Alles einsteigen und es wäre super wenn ihr die Kinder ruhig halten könntet.", brummte der Fahrer, zog sich seine dicke Jacke über und nahm einen letzten Zug aus seiner Zigarette.
"Hey, wenn nennst du hier Kinder!?", versuchte einer der jungen Soldaten seine Ehre zu retten, doch der Fahrer interessierte sich nicht für diese Spielchen. Honora nahm Cassandra ihren Rucksack ab und stieg mit dem Rest ein. Müde blickte sie auf die Uhr. Etwa zwei Stunden Schlaf war ihnen vergönnt gewesen, bis die NKS sie mit ihrem Leichenregnen geweckt hatte.
"Sollten wir sie nicht begraben?", flüsterte ein Soldat und Cassandra lächelte leicht.
"Als hätten wir dafür Zeit. Wir müssen weiter. An der Front warten lebendige Menschen, die unsere Hilfe noch benötigen könnten." Darauf wagten die jungen Burschen nicht eine Antwort zu formulieren. Sie sahen sich weiterhin misstrauisch um während Honora sich zurücklehnte. Die Fahrt war nach dem Schreck der fliegenden Leichen nicht mehr so heiter. Die Soldaten schienen den Ernst der Lage langsam zu begreifen und waren keine so gute Unterhaltung mehr. Honora kümmerte das nicht.
Sie döste ein wenig und kuschelte sich dabei an Cassandra. Diese protestierte nicht, im Gegenteil schien sie Honoras Nähe genauso zu brauchen. Es dauerte noch Stunden bis sie schließlich anhielten. Die Sonne ging am Horizont auf und färbte das Land hellblau und lila. Es hatte etwas sehr Schönes und tröstliches. Egal wie schlimm die Welt werden würde, jeder Tag brachte neue Chancen. Die Umgebung veränderte sich, wurde trocken und spröde, Honora erkannte die wärmere Luft. Genauso warm und angenehm wie in Terra Calda. Der Gedanke machte sie traurig.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie Terra Calda Zuhause genannt. Nun war alles weg. Zerstört und tot. Wandernde Flüchtige sahen ihnen mitleidig nach, ihre unterernährten Gestalten und die Verletzungen sprachen Bände. Soldatencamps tauchten auf und verschwanden wieder. Hier und da lagen Leichenberge und verströmten den typischen Geruch des Krieges.
"Glaubt ihr, dass wir bald da sind?", fragte einer der Jungen neugierig.
"Ich glaube schon. Die Front soll bei Terra Calda sein. Ziemlich heftige Kämpfe zwischen Bodentruppen.", murmelte ein weiterer. Cassandra nickte.
"Stimmt. Terra Calda ist zwar verschwunden, aber die Umgebung ist immer noch stark umkämpft. Allerdings nicht so sehr wie das Land bei der Akademie."
"Wirklich? Ich dachte es wären einige Henotellos zurückgeblieben, als Brandon..na du weißt schon. Verteidigen die Henotellos ihr Heim nicht?", flüsterte Honora unsicher.
"Sie tun was sie können, aber die NKS fährt dort draußen all ihre Geschütze aus, ohne Rücksicht auf Verluste.", Cassandra runzelte die Stirn.
"Ich glaube gerade deshalb will die NKS die Akademie und das umliegende Land unbedingt in ihre Hände kriegen. Sie verabscheuen Henotellos, halten sie für Teufel in Menschengestalt. Die Akademie ist in deren Augen die Hochburg des Bösen."
"Verrückte Idioten.", schnaubte Honora und verschränkte die Arme. Sie mochte es gar nicht als böse betitelt zu werden. Cassandra zuckte verachtend mit den Schultern.
"Idioten, die unser Land in Schutt und Asche bomben." Daraufhin verstummten die jungen Soldaten wieder. Der Krieg schien ihnen wohl nicht mehr so heldenhaft. Die Ansammlungen der Soldaten wurden mehr und Honora erkannte ein Lager. Zelte und Holzunterschlüpfe zwischen beschossenen alten Ziegelhäusern. Die Veteranen blickten ihnen neugierig nach. Der Truppentransporter blieb umringt von Häusern und Zelten stehen und zögerlich stiegen alle aus. Sofort trat ein Offizier ihnen entgegen. Honora erkannte ihn.
Er hatte früher bei der Stadtwache gedient und war für seine gute Arbeit mit mehr Verantwortung belohnt worden. Riley lächelte sie an. Auch er erkannte die beiden. Nicht verwunderlich bei ihrer berüchtigten Berühmtheit.
"Cassandra, Honora. Es ist schön euch wiederzusehen. Willkommen an der Front von Terra Calda. Ich führe euch herum." "Was ist mit uns?", fragte einer der neuen Rekruten und zog eine beleidigte Grimasse. Honora kam der Junge so unreif vor auch wenn sie selbst viel jünger war. Riley seufzte genervt.
"Jonas! Gib den Neuen Arbeit. Sie betteln darum." Ein Unteroffizier kam heran gelaufen und führte die fünf Soldaten weg.
"Tut mir leid, aber die Neuen sind immer furchtbar anstrengend und leider kommen sie nicht alle auf einmal, sondern in Kleingruppen mit den Autos oder zu Fuß. Ich muss jeden zweiten Tag eine Rundführung machen und die Regeln erklären. Macht mich etwas gereizt und hält mich von der wichtigen Arbeit ab."
"Wir wollen nicht stören, wenn du andere Sachen zu tun hast.", meinte Cassandra schnell und erntete ein erfreutes Lächeln Riley.
"Bei euch ist das etwas anderes. Besonders du, Cassandra, wirst sehnlichst erwartet. Aber zuerst zeige ich euch eure Schlafplätze. Ihr müsst von der Reise vollkommen fertig sein."
"Eigentlich würde ich lieber gleich mit der Arbeit anfangen. Dafür bin ich schließlich hier.", unterbrach Cassandra. Riley stutzte und warf Honora einen Blick zu. Diese lächelte entschuldigend.
"In Ordnung. Dann zeig ich euch unser Lazarett." Der Weg zur Krankenstation war ein Trauerspiel. Überall lagen oder saßen verwundete oder erschöpfte Soldaten. Der Boden war nur festgetretener Lehm und von Einschusslöchern überseht. Hier und dort wurde über einem Feuer gegrillt, aber die allgemeine Kühle blieb.
Die Umgebung von Terra Calda war zwar wärmer als Ohama aber immer noch frisch. Der Frühling war nicht so warm wie sich manche wünschten. Es herrschte eine furchtbar verzweifelte Atmosphäre. Honora sah müde Augen und traurige Gesichter. So viel Grauen lag in ihren Zügen. Ihr Herz brach. Vor ihnen erschien ein großes, heruntergekommenes Gebäude mit dem universellen roten Kreis-zeichen für Krankenhäuser. Riley führte sie ohne Umwege hinein und wartete im Erdgeschoss auf ihre Reaktion.
Dort gab es nur ein großes Patientenzimmer und eine steile Treppe führte in ein weiteres Geschoss. Von diesem konnte Honora hektisches Treiben und Schreie hören. Die Patienten im Erdgeschoss lagen stöhnend in knarrenden Betten während Krankenpfleger umher huschten und blutige Verbände weg trugen. Viele versuchten die verstörten Soldaten zu beruhigen und jeder bemühte sich um einen sanften Ton.
Der Geruch war penetrant, zu viele Exkremente und Verwesung. Zu wenig frische Luft. Die Fenster waren zum großen Teil zugenagelt um die Kälte draußen zu halten. Riley blickte sie entschuldigend an.
"Dies hier ist das größte Krankenhaus in der Umgebung. Die bedrohlichsten Verletzungen werden hier untergebracht. Wie ihr seht, gibt es aber auch hier Personal- und Materialmangel. Die Ärzte und Krankenpfleger tun ihr bestes, aber...der Feind ist erbarmungslos.", Riley atmete tief durch und blickte sich dann suchend im Raum um. Schließlich fand er was er gesucht hatte.
"Alexej, hast du kurz Zeit?", rief Riley einem jungen Mann in weißem Kittel zu. Dieser blickte sofort auf als er seinen Namen hörte und trat zu ihnen. Honora glaubte nicht, je einen erschöpfter Mann gesehen zu haben. Tiefblaue Augenringe zeichneten sich unter den schräggestellten Augen ab und die blasse Haut ließ ihn fast mit der Wand verschmelzen.
Seine große, hagere Gestalt stand gebückt und das dünne Lächeln auf seinen Lippen konnte nicht über den Arbeitsstress hinwegtäuschen. Alexej öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch Cassandra war schneller und streckte ihm die Hand entgegen.
"Hallo, ich bin Cassandra. Leiterin des Krankenhauses in Ohama. Es freut mich dich kennenzulernen. Ich arbeite ab heute in diesem Krankenhaus."
"Ich kenne dich, habe unter dir gelernt. War immer ein großer Fan."
"Dann bist du mir nicht böse wenn ich dir sage wie beschissen du aussiehst. Leg dich hin. Mach eine Pause. Ich übernehme die nächste Schicht für dich."
Perplex blinzelnd starrte Alexej seine neue Kollegin an und begann dann zu lachen.
"Passt, dann hau ich mich hin. Der Papierkram ist aktuell, also durchaus lesbar. Ich bin da streng mit den Pflegern. Im Obergeschoss ist die Intensivstation und die Operationsräume. Ein Krankenpfleger wird sich sicherlich gerne rumführen. Gute Nacht." Alexej verzog sich und verblüfft starrte Riley ihm nach.
"Okay, dann ist ja alles geklärt. Falls du nachher dein Quartier suchst, komm zu dem Haus mit dem blauen Kreis. Da arbeite ich momentan und führ dich dann hin."
Cassandra nickte und zog ihre Jacke aus und einen weißen Arbeitskittel an. Mit dem Kittel sah sie tatsächlich mehr wie sie selbst aus. Honora machte sich daran ebenfalls ihre Jacke auszuziehen, als Riley sie aufhielt. Die nächsten Worte schienen ihm sehr unangenehm.
"Ich würde deine Hilfe für eine andere Aufgabe benötigen, Honora."
"In Ordnung. Was kann ich tun?" Riley konnte ihr nicht in die Augen sehen. Er sah verbissen auf den Boden.
"Es ist besser wenn ich es dir zeige." Honora blickte fragend zu Cassandra, doch diese war bereits ellenbogentief in ihrer Arbeit verloren. Rileys Verhalten war zwar durchaus mysteriös. aber er war vertrauenswürdig und Honora würde ihm diesen Vertrauensbonus zugestehen.
"Ich folge dir.", meinte sie verhalten und ließ sich aus dem Krankenhaus führen. Rileys gesamter Körper war angespannt, als er sie durch die Straßen ihres kleinen Camps führte. Aus der Ferne konnte sie Kugelhagel und Granaten hören. Der Krieg war im vollen Gange. Jenseits ihres Lagers lagen Schützengräben und dahinter wartete der Feind.
Überall in den Wäldern, Bergen und nahen Dörfern wurde gekämpft. Zumeist in Kleingruppen töteten Menschen sich gegenseitig für ein Stück Land und eine Ideologie. Honora wusste wofür sie kämpfte. Ihr Recht auf Freiheit und Leben, aber wofür die NKS kämpften war ihr nicht klar. Alles was sie hörte schien verkehrt. Die Fremden töteten unschuldige Zivilisten in Lagern, basierend auf ihrer Herkunft, Genetik und Hautfarbe.
Welchen Sinn hatte das? Wieso sollte die Hautfarbe und andere Kleinigkeiten den Wert eines menschlichen Lebens bestimmen. Mensch war Mensch. Honora folgte Riley zu einem alten, zerschossenen Haus. Die Fassade war beinahe vollkommen herab gebröckelt und auch an diesem Haus waren die Fenster zugenagelt worden.
Ein blauer Kreis markierte es als etwas Besonders. Nach dem Eintreten führte er sie durch einen Eingangsbereich in das Wohnzimmer des Hauses. Mehrere Menschen arbeiteten darin an Gruppenformationen und Feindbewegung. Auf einem großen Tisch lagen unzählige Funkgeräte und Karten verteilt.
Außer einer grauen, verwahrlosten Coach gab es nichts zum sitzen. Die Menschen liefen im Raum umher, verglichen Papiere oder gaben Informationen über Funk weiter. Es war sehr geschäftig und laut. Die Wände waren mit Papieren beklebt. Sie alle beinhalteten wichtige Informationen zum Krieg. Fasziniert sah Honora sich um, doch keiner der Arbeiter ließ sich davon stören.
Offenbar fanden zu diesem Zeitpunkt einige wichtige Missionen statt und niemand hatte Zeit sich um einen Besucher zu kümmern. Riley seufzte und führte sie weiter, vorbei an den Menschen und in den hinteren Teil des Gebäudes. Vor einer verschlossenen Tür, blieb er stehen. Ihm schien in dieser Situation sehr unbehaglich zu Mute zu sein. Schwitzend vermied er Augenkontakt.
"Ich weiß von deiner Gabe. Du kannst in Menschen hineinsehen. Ihre Geheimnisse offenlegen." Abwartend blickte Honora von ihm zur Tür.
"Und?" Sie hatte ein schlechtes Gefühl dabei.
"Wir fangen immer wieder NKSler und fragen nach Informationen. In den meisten Fällen haben sie nicht viel zu erzählen, aber dieser hier. Er ist wichtig. Eine Spionin unsererseits hat ihn aus Sankt Sandrina herausgeholt, aber wir kriegen ihn nicht zum reden. Ich dachte,...vielleicht...vielleicht könntest du...Ich weiß es ist viel verlangt. Und ich würde nicht fragen wenn es nicht essentiell für unsere Sache wäre." Riley wollte einem Kind keiner Gefahr aussetzen und tatsächlich war sie ihm dankbar für die Fürsorge. Nicht viele wussten, was sie für Fred im Bunker getan hatte und noch weniger würden es je erfahren. Für die meisten war sie ein Kind, das zu viel gesehen, sich aber selbst nie die Hände schmutzig gemacht hatte. Nickend lächelte sie um ihr Gegenüber zu beruhigen.
"Ist schon gut. Ich kriege das hin."
"Es ist nur. Wir..wir haben ihn gefoltert. Wir dachten, wir würden ihn so zum sprechen kriegen. Der Anblick wird nicht schön sein."
Und seine Gedankenwelt noch viel weniger, dachte Honora. Sie würde auch durch die Erinnerung der Folter sehen müssen, anders würde sie nicht an frühere Erinnerungen kommen.
"Ich bin bereit.", meinte sie und stählte ihre Nerven gegen die kommende Herausforderung.
BRANDON
Unsicher saß Brandon in Dianas Wohnung und strich über den zarten Kopf seiner kleinen Nichte. Diana hatte andere Dinge zu tun und er und Reina hatten besprochen, dass er mehr Zeit mit Zosia verbringen musste. Die kleine schien zu merken, dass seine Gedanken bei Nate waren. Immer wieder spürte er einen mitleidigen Blick von dem Kind.
Natürlich war das Schwachsinn, das bildete er sich vermutlich alles nur ein, aber er könnte schwören, dass sie denselben mitfühlenden Blick wie Kyrie hatte. Außer ihm und Zosia war niemand im Raum, sogar Erik war anderwärtig beschäftigt. Es war das erste Mal, dass Brandon wirklich alleine mit Zosia war. Killian hatte sie zuvor niemals aus seinen Augen gelassen, zu ängstlich sein Kind zu verlieren.
Neugierig sah es sich um. Diana hatte die Wohnung schön gestaltet, heimelig und kindgerecht. Überall lagen Kuscheltiere und Spielsachen.
Es gab eine große Freifläche vor der dunkelgrünen Coach, die mit einem Teppich ausgelegt war. Es war der perfekte Spielplatz für ein Kleinkind. Brandon war froh, dass sie Coach so gut in die Wohnung passte, er selbst hatte sie ausgesucht. Eigentlich hätte Reina mit ihm auf dieser Coach sitzen sollen, aber seine Freundin hatte wichtigere Dinge zu erledigen und nach kurzen Zögern war er ohne sie gegangen.
Zosia war ein ruhiges Kind, ausgeglichen. Sie spielte alleine oder grinste ihn an. Brandon wusste nicht so recht, was er tun sollte. Seine Gedanken wanderten immer wieder zu seinen Freunden, zum Krieg und den Menschen in seiner Stadt. Die Sorge war allgegenwärtig.
"Ich habe meinen besten Freund gerade ins Gefängnis werfen lassen." Zosia runzelte die Stirn und nahm einen großen hölzernen Baustein in den Mund. Daran leckend wartete sie auf seine nächsten Worte. Brandon lehnte sich zurück.
"Es musste sein. Für sein eigenes Wohl. Aber du hättest seine Schreie hören sollen. Er leidet wirklich. Ich wünschte ich könnte ihm irgendwie helfen."
Zosia spuckte den Baustein aus und kuschelte sich an seine Brust. Sie war so klein und zart. Hatte sogar noch den typischen Babygeruch. Brandon fühlte seine Sorgen in ihrer Umarmung langsam verschwinden. Vielleicht war es die Nähe von Familie oder Zosias besondere Gabe, die Antwort kümmerte ihn nicht.
Brabbelnd richtete sich die Kleine wieder auf und erzählte ihm ihre Sicht der Dinge. Brandon kicherte, da es sich tatsächlich so anhörte als würde sie ihm Ratschläge erteilen wollen. Noch waren es unzusammenhängende Laute, aber Brandon war sicher Zosia hätte eine Menge zu erzählen.
"Ich wünschte auch ich wüsste wie es deiner Mutter geht....und deinem Vater." Sofort verstummte seine Nichte, als hätte er etwas Falsches gesagt.
"Es tut mir leid. Falls du das verstehst, aber es gab für mich keine andere Wahl. Manchmal muss ich Dinge tun auf die ich nicht stolz bin. Bitte versteh das." Zosia nickte und versuchte wieder den viel zu großen Baustein zu essen. Brandon seufzte.
"Na ob du mich wirklich verstehst? Wahrscheinlicher ist, dass ich langsam verrückt werde.", er hob Zosia hoch und setzte sich mit ihr auf den Boden, "aber wer kann es mir verdenken. Ich habe mit siebzehn meine gesamte Familie verloren. Mein Vater wurde vor meinen Augen ermordet, meine Mutter verschleppt, meine kleine Schwester ist in meinen Armen gestorben und Kyrie...sie ist zu dem Monster geworden, das sie niemals sein wollte. Wir waren uns so nahe, deine Mutter und ich. Als Kinder haben wir jeden Tag miteinander gespielt und selbst als wir älter wurden, haben wir einander vertraut. Ich kannte alle ihre Geheimnisse und sie meine. Als ich sie verloren habe, ist etwas in mir gestorben. Versteh mich nicht falsch, auch der Rest meiner Familie war wichtig und hat Löcher in mein Herz gerissen, aber Kyrie...sie hat ein Stück meiner Seele mitgenommen. Ich weiß, dass es umgekehrt genauso war."
Zosia reichte ihm den Baustein und wartete auf seine Reaktion. Brandon tat so als würde er abbeißen und reichte ihn zurück. Die Kleine lachte laut und brabbelte weiter. Brandon strich lächelnd über ihre blonden Strähnen.
"Weißt du was ich mir für dich wünsche?", er kam näher und sah in ihre eisblauen Augen, die Augen ihres biologischen Vaters, "ich möchte, dass du geliebt und behütet aufwächst und niemals Angst oder Einsamkeit kennenlernst. Ich wünsche mir Familie für dich. Genauso wie für mich. Aber bis dahin, bleiben nur wir zwei. Wir halten zusammen, versprochen?"
Zosia lächelte ihn an und krabbelte in seinen Schoss. Sanft schloss er die Arme um seine Nichte und spürte wie eine einsame Träne seine Wange hinunterlief.
Anmerkung der Autorin: Also..mal wieder krank..Argh (innerlich schreiend), das kommt davon wenn man die ganze Zeit mit Kindern arbeitet. Egal, ich liebe die kleinen Teufel trotzdem! Was sagt ihr zum neuen Kapitel? Meine kleine Honora wird langsam erwachsen...
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