11. Das Blut der Feinde

Das Mädchen sah traurig aus dem Fenster. In der Schule hatten sie über die Pflichten der Henotellos gesprochen. Ein deprimierendes Thema, besonders wenn man wie Nasreen, eine erstegeborene Henotello war. Zögerlich setzte ihr Vater sich neben sie auf die Fensterbank und seufzte schwer. Kein Wort kam über seine Lippen, dafür war er zu stolz und zu gefühllos erzogen worden, doch als er seine zitternde Hand auf ihre Schulter legte, konnte sie seine Trauer, seine Wut und Hilflosigkeit spüren. Dieser Mann liebte sie ohne Worte und in seinen feuchten Augen erkannte sie die Reue und Scham. Nasreen war durchaus bewusst, dass ihre Eltern keine andere Wahl gehabt hatten als sie zu bekommen. Die Armut hatte sie beinahe umgebracht, ein Henotellokind war ihre Rettung gewesen. In ein paar Jahren würden sie den Preis bezahlen, wenn die Regierung ihren Tribut forderte.

KYRIE
Es wurde Zeit umzuziehen. Schweren Herzens stand Kyrie vor ihrer kleinen Hütte, neben sich ihren Hund Katastrophe. Der Hund wartete geduldig während sie sich von ihrem Leben verabschiedete. In den letzten Tagen waren so viele Soldaten vorbei gezogen, das ihr Versteck wohl kaum mehr ein Versteck war. Zu viele kannten ihren Aufenthaltsort und dies wurde langsam gefährlich. Loke würde sie zweifelsohne immer noch suchen, um ihr Leben zu schützten, um ihre Tochter zu schützen musste sie weiterziehen. Schwer seufzend hob sie den großen Rucksack vom Boden und legte ihn an. All ihre Habseligkeiten waren darin verstaut.

"Komm Katastrophe, wir müssen los.", sagte sie zu dem gutmütigen Hund neben sich. Der Vierbeiner wartete winselnd auf ihren ersten Schritt. Ihre Worte waren eher an sich selbst gerichtet. Es kostete sie alle Mühe diese Veränderung anzugehen. Kyrie kamen die Tränen. Sie wollte nicht gehen, sie hatte hier auf dieser kleinen Lichtung in diesem kleinen Haus wieder zu sich selbst gefunden.

Die Furcht sich in den Wirren des Krieges, dem Hass der Menschen und in ihrem eigenen Verstand zu verlieren lähmte jeden ihrer Muskeln. Eine Wahl blieb ihr dennoch nicht. Zittrig atmete sie durch und beschwor vor ihrem inneren Auge Zeus grüne Augen. Trotz allem was geschehen war, blieb sein Anblick ihr Ruhepol. Nichts ließ sie mehr zu sich finden, als das waldgrüne Funkeln seiner lächelnden Augen.

Ohne darauf zu achten wohin sie ging, tat sie den ersten Schritt. Katastrophe folgte ihr schwanzwedelnd durch das Dickicht des Waldes. Es war später Nachmittag und die wärmende Sonne würde ihnen noch einige Stunden das reisen ermöglichen. Kyrie achtete weder auf ihren Weg noch auf ihr Ziel. Irgendwo würde sie schon ankommen und bleiben können.

"Mach dir keine Sorgen, Katastrophe. Wir finden uns schon ein nettes Plätzchen und dann können wir wieder alleine leben.", sprach sie zu dem Hund, der sie geheimnisvoll ansah. Das Wörtchen "alleine" war ihr nicht leicht über die Lippen gekommen. Seit einigen Tagen erschien ihr der Gedanke in Einsamkeit zu Leben beinahe unerträglich. Sie wusste, dies war ihre Strafe für die begangenen Verbrechen, doch erst jetzt war ihr das Gefühl wirklich zuwider.

Das Eremitentum nagte an ihr und immer wieder ertappte sie sich dabei an eine Rückkehr zu denken. Aber das war unmöglich. Niemand würde sie aufnehmen wollen und Vergebung war etwas, dass sie nicht verdiente. Niemals. In düsteren Gedanken versunken streifte sie durch die Gegend bis plötzlich Geschrei und Kampfgeräusche ihren Weg zu ihr fanden. Erschrocken blieb sie stehen. Selbst ohne ihr perfektes Gehör konnte sie heraushören woher die Boten des Todes kamen.

Katastrophe knurrte neben ihr, wartete jedoch auf eine Entscheidung. Würde sie nachsehen was dort geschah? Oder würde sie verschwinden? Klüger wäre es zweifelsohne zu gehen, einfach in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Kyrie spürte ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. Zum Glück war Intelligenz keine ihrer Gaben.

So schnell sie konnte lief sie dem Kampfgeschehen entgegen. Ihr Hund rannte neben ihr, stark und bereit sie zu unterstützen. Kyries Herz pumpte Adrenalin durch ihren Körper und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühlte sie sich lebendig. Die Geräusche kamen aus einem kleinen Dorf, kaum mehr als eine Ansammlung zwei Dutzend Häuser. Vorsichtig versteckte Kyrie sich hinter einer Hauswand und beobachtete das Geschehen.

Soldaten mit den Uniformen der NKS trieben die Dorfbewohner zusammen, vergewaltigen, mordeten und lachten dabei wie die Teufel, die sie waren. Kinder weinten, Eltern versuchten zu kämpfen oder zu betteln. Katastrophe knurrte wieder wütend und beinahe hätte Kyrie es dem Hund gleichgetan.

"Wir müssen ihnen helfen.", flüsterte sie und spürte doch die nagende Angst sich im Kampf zu verlieren und wieder zu Nava zu werden. Welche Verbrechen würde sie dann begehen? War es das Risiko wert? Zweifel ließen sie zögern, der Körper starr durch diese furchtbare Entscheidung.

"Halt still, du kleines Miststück!", schrie einer der Soldaten als er ein junges Mädchen auf den Boden drückte und ihren Rock hochschob. Seine Kameraden lachte über die verzweifelten Versuche des Mädchens sich zu wehren. Es hätte keinen Zweck.

Der Soldat war stärker und durch das Adrenalin aufgeputscht. Was er wollte, würde er auch bekommen. Die Angst machte das Mädchen unsicher und schwach. Sie würde nicht die Kraft haben zu kämpfen. Genauso hatte Kyrie sich damals mit Loke auch gefühlt. Seine Gier und der Wille sich zu nehmen was immer er wollte, hatten sie zu einer Sklavin gemacht.

Ihr Körper ein Gefängnis für ihren Verstand. Kyrie spürte die Wut in sich zusammenballen. Der Soldat trug nun mehr Lokes Gesicht und in Kyries Ohren hörte sie seine Stimme.

"Du bist nichts ohne mich." Ihr Herz setzte aus. Bevor sie wusste was sie tat, stürmte sie aus ihrem Versteck, nutzte Telekinese um den Soldaten von dem Mädchen runter zu zehren und ihm mit Leichtigkeit das Genick zu brechen. Seine Kameraden eröffneten das Feuer aber ein Blick aus ihren braunen Augen und ihre Körper fingen Feuer.

Die Dorfbewohner krochen verängstigt weg während Kyrie sich mit den restlichen Soldaten des Bataillons prügelte und all ihre Gaben einsetzte um das geschehene Unrecht wieder gut zu machen.

Kyrie spürte die Macht durch ihre Adern rauschen. Ihre Fähigkeiten, ihr Kampfgeist arbeitete ohne ihr Zutun. Sie war unbezwingbar. Von weitem hörte sie sich selbst lachen, während sie das Gesicht eines Mannes wegbrannte und sich noch im Blutrausch zu den Dorfbewohnern umdrehte. Das Mädchen, dass sie gerettet hatte schrie angsterfüllt, doch das hielt sie nicht auf.

Sie wollte töten, sie wollte ihrem Zorn endlich Ausdruck verleihen und all ihre Zweifel, die Einsamkeit und die Schuld vergessen. Sie wollte wieder in glückseliger Gefühlslosigkeit versinken. Erst als Katastrophe wild bellend vor ihr auftauchte hielt Kyrie inne. Langsam beruhigte sich ihr wild schlagendes Herz, ihre Atmung wurde ruhig. Der Verstand setzte wieder ein und mit wachsendem Entsetzten erkannte sie das angerichtete Massaker. Leichen pflasterten die Straße, Wärme stieg aus ihren aufgerissenen Körpern.

Das Blut der Soldaten klebte auf ihrer Haut, färbte ihr Haar dunkel. Pansich blickte sie sich um und fand ihr Spiegelbild in einem der Hausfenster. Lady Nava blickte ihr grinsend entgegen. Fassungslos versuchte sie das Geschehene zu verstehen.

"Es tut mir leid, so leid.", hauchte sie außer sich und rannte davon. Ein Ziel hatte sie nicht, sie wollte nur fort, wollte ihrer Schuld entfliehen, auch wenn dies niemals möglich sein würde. Sie hinterließ verstörte Dorfbewohner und unzählige Tote, die von ihrer Macht sprachen.

KILLIAN
Die Party war...interessant. Bärensteins Soldaten wussten offensichtlich nicht wie man feiert. Es gab keinen Alkohol, die Musik war sehr schlecht und das Gefühl von angespannter Besorgnis schwebte in der Luft wie ein schlechtes Parfüm. Killian hatte mehr erwartete und dann auch wieder nicht. Diese Soldaten lebten unter ständiger Angst und keiner von ihnen war bereit wegen einer Party zu sterben.

Nichts desto trotz hatten sich sehr viele Soldaten wie Henotellos in dem Verließ eingefunden. Es war derselbe Kerker in dem er so viele Monate verbracht und seine Liebe zu Kyrie gefunden hatte. Azura stand neben ihm und sippte nervös an ihrem Wasser.

Als Henotello hätte sie sowieso nichts getrunken, aber Killian hätte nichts gegen ein Gläschen Sekt gehabt oder zumindest guten Snacks. Besonders wenn dieser Abend weiterhin so langweilig und anstrengend wurde.

"Wahnsinns Party, Azura.", meinte er sarkastisch und bekam ein großes Grinsen entgegengeworfen. Anscheinend hatte Azura seinen Sarkasmus nicht bemerkt und war tatsächlich stolz auf dieses Monstrum, das den Namen Party gar nicht verdiente.

"Wir haben uns wirklich große Mühe gegeben."

"Das sehe ich. Ähm, aber ich hatte einen harten Tag hinter mir und werde dann bald gehen."

"Du kannst nicht gehen.", stieß Azura zischend hervor und griff nach seinem Arm. Überrascht wartete er ab. Azura blickte sich nervös um und lächelte gespielt.

"Die Party hat doch erst angefangen."

"Aber sie ist vor einer Stunde gestorben. Mein Beileid."

"DU KANNST NICHT GEHEN.", widerholte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Etwas ging hier vor, darüber war er sich schon bei der Einladung im klaren gewesen, dennoch wartete er seit zwei Stunden in diesem Verließ darauf, dass etwas geschah und die Müdigkeit zehrte immer mehr an seinen Nerven. Niedergeschlagen blickte er in Azuras aufgewühltes Gesicht. Seufzend ließ er die Schultern hängen.

"Okay, aber ich werde mich ein bisschen hinsetzten. Mein Tag war zu lang. Bin Hundemüde." Azura lächelte verkrampft.

"Das ist nicht was man auf einer Party macht. Wir sollten tanzen und.... lachen und so."

Zögerlich sah Killian sich um. Alle verhielten sich wie Azura. Angespannt und Ängstlich. Kein Nährboden für eine heitere Party. Worauf warteten sie bloß?

"Na gut. Möchtest du mit mir tanzen?", fragte er Azura in der Hoffnung, dass ihn die Bewegung wach halten möge. Erschrocken blickte sie ihn an.

"Was? Nein! Ich kann nicht...wir..." Ohne den Satz zu beenden blickte sie auf ihre Uhr. Neugierig folgte Killian ihrem Blick und schnalzte dann mit der Zunge um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Erleichterung zeigte sich auf ihrem Gesicht.

"Wir sollten noch ein bisschen Wasser trinken. Das ist gesund." Völlig verwirrt hob Killian die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern. Solange er noch stehen konnte, würde er wohl diese Scharade mitmachen. Plötzlich ging das Licht aus, alle holten erschrocken Luft und begannen beinahe wie aufs Stichwort hektisch miteinander zu sprechen. Irritiert runzelte Killian die Stirn.

Er konnte absolut nichts in der Dunkelheit sehen und diese Tatsache ließ ihn mehr als alles andere nervös werden. Warum versuchte niemand das Licht wieder anzuschalten? Vorsichtig griff er nach seinem Messer und machte sich auf einen Kampf gefasst. Er fühlte jemanden hinter sich und griff seine Waffe fester, bereit für sein Leben zu kämpfen. Die Person hinter ihm lachte leise amüsiert.

"Nicht doch, du willst doch einen Verbündeten nicht abstechen?", hauchte eine männliche Stimme.

"Margo?", fragte er verwundert. Seit dem Beginn der Party hatte er nach dem Offizier Ausschau gehalten. Schließlich war diese Veranstaltung als seine Geburtstagsfeier ausgeschrieben worden, doch bis zu diesem Moment hatte Killian ihn vergeblich gesucht.

"Du kennst meinen Namen, gut. Dann erübrigt sich die Vorstellrunde."

"Interessanter Name und interessante Party. Ist die Frage wofür?" Margo veränderte seine Position so, dass er Killian gegenüber stand.

"Du bist klug, bestimmt hast du so einige Ideen. OneSheep und dein Boss Wolf haben da etwas losgetreten, dass Bärenstein nicht mehr beenden kann. Viele von uns sind bereit diese Veränderung zu unterstützen." Skeptisch runzelte Killian die Augenbrauen und überlegte sich seine Worte gut. Dank der Dunkelheit musste er zumindest nicht auf seine Mimik achten, jedoch hatten seine Worte dadurch mehr Gewicht.

"Bist du dir sicher?" Er hörte Margo leise lachen.

"Ich war mir schon vor unzähligen Jahren sicher, allerdings ist Handeln sehr viel schwieriger. Es muss der richtige Augenblick sein."

"Sehen das deine Leute genauso?"

"Ja.", mischte Azura sich ein. Ihre hohe stimme war kaum mehr als ein flüstern.

"Wir wollen ein eigenes Leben. Nicht für jemanden sterben, der uns nie Freiheit gegeben hat und es auch nie tun würde." Killian nickte. Dies war die Gelegenheit auf die er gewartet hatte, dennoch war Vorsicht anzuraten. Er musste Margo vertrauen können.

"Warum trägst du einen Frauennamen, Margo?" Der Mann vor ihm seufzte angespannt. Killian musste einen Nerv getroffen haben.

"Ist es Neugierde oder verfolgst du einen Zweck mit dieser Frage?"

"Ich muss wissen ob ich dir trauen kann. Ich habe das Gefühl, deine Entscheidung für diesen Namen war nicht grundlos. Wirst du meine Frage beantworten?" Für ein paar Minuten herrschte Stille zwischen ihnen. Erwartung hing in der Luft und beinahe glaubte Killian Margo würde einen Rückzieher machen.

"Ich habe wohl keine andere Wahl. Margo...dieser Name gehört zu mir. Er...ist wer ich bin. Eine Frau."

Killian hatte davon gehört, einer seiner ehemaligen Kameraden war genauso gewesen. Im falschen Körper geboren, hatte es sein Freund genannt. Niemals würde Bärenstein jemanden wie Margo leben lassen. Toleranz und Akzeptanz waren keine Wörter die dem großen Meister Bärenstein geläufig waren.

"Du verstehst nun warum ich diesen Weg gehe.", hauchte der Mann vor ihm und Killian wusste das er ihm vertrauen konnte.

"Dann bin ich bereit ihn mit dir zu gehen." Erleichterung war in Margos Stimme zu hören.

"Womit fangen wir an?" Killian verzog das Gesicht. Da begann der schwere Teil.

"OneSheep kann diese Einrichtung nicht verlieren. Sie ist zu wertvoll und kann den NKS nicht in die Hände fallen. Wir müssen sie übernehmen und Bärenstein raushauen."

"Das wird schwerer als du dir vorstellen kannst. Die Furcht sitzt sehr tief und das Misstrauen zwischen den Soldaten ist ein gedeihendes Übel. Bärenstein hat den Zweifel schon vor Jahren gesät." Kopfschüttelnd verschränkte Killian die Arme.

"Es muss einen Weg geben. Wir müssen unsere Leute vorbereiten. Vertrauen aufbauen, Bande stärken. Und dann, wenn wir soweit sind, gemeinsam angreifen. Aber da muss der Stützpunkt schon so gut wie auf unserer Seite sein."

"Verstehe. Ich gebe die Nachricht weiter. Warst du schon am Schießübungsstand von Silny Syn? Dort tauschen wir Nachrichten aus. Wenn du Informationen in Umlauf bringen willst, geh dorthin."

"Die Lichter gehen gleich an.", warnte Azura und wie ein Schatten war Margo verschwunden. Sekunden später kehrte das Licht zurück und ließ alle Anwesenden unangenehm blinzeln. Killian atmete beruhigt aus und lächelte Azura an. Diese erwiderte das Lächeln nur leicht und sah sich weiterhin nervös um.

"Du solltest noch eine halbe Stunde bleiben. Damit niemand Verdacht schöpft." Die Augenbrauen hochziehend schmunzelte er.

"Ich glaube, dafür war dieser Stromausfall zu präzise geplant, aber solange niemand Namen verrät, sollten wir im reinen sein. Kennst du Margo schon lange?", fragte er um Azura abzulenken und seine Neugierde zu befriedigen. Azura nickte leicht.

"Ich habe unter ihm gedient. Er hat mir das Leben gerettet." Killian erkannte bedingungslose Loyalität in Azuras Augen. Vielleicht gab es doch einen Weg diesen Ort zu befreien.

LOKE
Wutentbrannt schlug er die junge Frau mitten ins Gesicht.

"Wie kannst du es wagen! Das hätte nie passieren dürfen."

"Aber es ist passiert.", erhob Mayer besänftigend seine Stimme. Seine älteste Tochter schrumpfte hinter seinen breiten Schultern zu einem zitternden Häufchen Elend. Lokes hochroter Schädel wollte jeden Moment explodieren und erzürnt zeigte er mit dem Zeigefinger auf sie.

"Das ist alles ihre Schuld." Colleen wimmerte leise. General Mayer zog die Schultern zurück und begrub seine eigenen Gefühle hinter einer dicken Mauer.

"Wichtiger ist jetzt wie wir damit umgehen. Was wollen Sie tun, Meister Bärenstein?" Lokes Gedanken drehten sich im Kreis. Die Frau vor ihm war schwanger. Mit seinem Kind. Ein Bastard von einer gewöhnlichen Hure. Er war wahrlich nicht besser als sein Vater. Aber er würde nicht denselben Fehler begehen. Angewidert blickte er auf Mayer und dessen Tochter.

"Der Embryo muss weg." Erschrocken zeigte Mayer das erste Mal seine Gefühle und Loke mochte es diesen alten Trottel fassungslos zu sehen.

"Es gibt in Silny Syn keinen Arzt mehr, der eine solche Prozedur durchführen könnte. Sie haben alle töten lassen." Loke verdrehte genervt die Augen.

"Dann töte einfach beide. Ist mir egal, aber dieses Kind wird nicht leben! Verstanden?!" Mayers Gesicht verlor jegliche Farbe und wie bei einem Fisch öffnete und schloss sich sein Mund ohne einen Ton hervorzubringen. Die junge Frau hinter ihm sank kraftlos zu Boden. Der Anblick gefiel Loke, vielleicht wäre sie noch für einen Nacht gut. Schief lächelnd blickte er Mayer entgegen.

"Aber erst morgen Früh. Heute Nacht können wir noch ein bisschen Spaß haben." Colleen begann zu weinen.

"Nein, Vater bitte. Bitte lass das nicht zu." Mayer beugte sich zittrig zu seiner Tochter, die wässrigen Augen schienen sie nicht zu sehen. Liebevoll küsste er sie auf die Stirn.

"Es tut mir leid." Ohne weitere Worte oder Taten hastete der ältere Mann aus dem Zimmer.

"Nein, Papa, nein! Verlass mich nicht!", schrie Collen ihm hinterher, doch es nutzte nichts. Ihr Vater verschwand und überließ sie einem grausamen Monster.

WASHINGTON

Seine Pläne waren erfolgreich gewesen. Immer mehr dieses zerrütteten Landes brach unter seiner eisernen Faust zusammen. Die Bewohner waren Tyrannei gewohnt und ergaben sich relativ schnell der neuen Gewalt. Nur mit den Henotellos gestaltete es sich weiterhin schwierig.

"Sie fliehen?" Roosevelt nickte verärgert. Der junge Mann trug sonst eine solch ruhige Maske, doch an diesem Morgen konnte Washington ihm die Frustration deutlich ansehen.

"Sie fliehen nicht nur. Sie versuchen sich durch zu schummeln. Immer mehr Henotellostest fallen positiv aus. Es ist als hätten diese Monster keine Scham mehr."

"Nun Junge, dass passiert wenn man Kakerlaken die Fluchtmöglichkeit nimmt. Sie versuchen sich in den kleinsten Ritzen zu verstecken.", brummte Jefferson und zog an seiner Zigarette. Washington konnte dem nur zustimmen.

"Schwieriger wird es bei den minderjährigen Henotellos. Bei ihnen ist der Bluttest nicht immer eindeutig.", fügte er hinzu. Auch ihn bereitete dieses Thema große Schwierigkeiten, allerdings war es nichts im Vergleich mit der schwindenden Unterstützung seines Vaterlandes. Das alte Volk hatte erneut einen Krieg mit den NKS begonnen und ihre militärischen Ressourcen streckten sich nun über zwei Fronten. Etwas das Washington um jeden Preis verhindern hatte wollen.

Es würde den Krieg nur unnötig in die Länge ziehen und er war die Gewalt leid. Die Nutzung ihrer Kriegsgefangenen hatte nur zum Teil Abhilfe geschaffen. Wenn er diesen Krieg gewinnen wollte, musste er hart und schnell arbeiten. OneSheep und Bärenstein keine Chance geben sich zu formieren. Bei den meisten ihrer Städte war das kein Problem, hier und da stießen Washingtons Truppen jedoch auf hartnäckigen Widerstand.

"Wir müssen den Kampfgeist dieser Bastarde vernichten.", meinte er in den Raum und hatte sofort die Aufmerksamkeit seiner beiden Berater. Interessiert warteten sie in ihren Sesseln vor seinem großen Schreibtisch auf eine spannende Idee. Washington sah aus dem Fenster in die trübseligen Wolken.

"Die Leichen aus unseren Lagern, was passiert mit ihnen?"

"Verbrennung oder sie schaufeln sich selbst ein Grab in den Wäldern. Warum?", meinte Jefferson und beugte sich aufgeregt vor. Der ältere Mann war ein blutlüsternes Monster und Washington liebte ihn dafür.

"Bringt sie an die Front. Verteil sie im Land. Stell sicher unsere Feinde wissen was wir tun. Ertränken wir sie im Blut ihrer Familien, ihrer Kinder." Jefferson lachte rau.

"Wird gemacht." Die Tür zu Washingtons Büro wurde geöffnet und eine Dienerin trat ein. Sie trug eine Kanne Kaffee und mehrere Tassen.

"Ihre Bestellung, Sir.", flüsterte die junge Frau ohne den Blick zu heben. Washington achtete sehr genau auf Roosevelts Reaktion. Er hatte ein gefährliches Gerücht gehört. Sein junger Berater soll sich mit diesem Dienstmädchen eingelassen haben und unter keinen Umständen wollte er zulassen, dass Roosevelt seine Karriere für einen schnellen Fick aufs Spiel setzte.

Sie mussten alle sehr vorsichtig sein und durften nicht zulassen, dass ihr Vaterland ihnen moralische Verfehlungen vorwerfen konnte. Noch ließ Roosevelt sich nichts anmerken, schenkte der Frau keine Beachtung.

"Wünschen Sie sonst noch etwas, Sir?", ihre zittrige Stimme machte deutlich wie unangenehm diese Situation für sie war.

"Schenk uns ein und dann geh.", befahl Washington harsch und taxierte seine Berater. Roosevelt war in einigen Papieren vertieft während Jefferson wohl über die unzähligen Tötungsmöglichkeiten seiner Gefangenen nachdachte. Er war bei solchen Dingen immer sehr kreativ. Die Hände der Dienerin zitterten als sie die Tassen hochhob und einzeln gefüllt.

Sie reichte Jefferson über Roosevelt hinweg eine volle Tasse als der junge Mann aufsah und ihre Blicke sich trafen.

Die Dienerin erschrak und verschüttete den Inhalt der Tasse über Roosevelts wertvolle Papiere. Erzürnt sprang er auf und verpasste dem Hausmädchen eine strenge Ohrfeige. Entsetzt hielt sie sich die schmerzende Wange, als Tränen aus ihren Augen schossen. Zufrieden nickte Washington. Wie es aussah, war diese Affäre wohl doch nur ein Gerücht. Sicherlich hätte Roosevelt gezögert, wenn es zwischen ihnen tatsächlich eine Liebesbeziehung gegeben hätte.

"Geh und mach das sauber.", herrschte Roosevelt sie an und nach kurzem Zögern rannte die Dienerin davon.

"Verdammte beerellische Huren! Können nichts richtig machen!", zetterte Roosevelt und strich vorsichtig mit einem Taschentuch über die Papiere.

"Reg dich nicht so auf. Sie wird es sauber machen und danach kannst du sie bestrafen. Aber jetzt haben wir wichtigeres zu erledigen.", meinte Washington unbeeindruckt. Roosevelt ließ sich seufzend wieder auf seinem Platz nieder.

ADRIANA
Weinend und die schmerzende Wange haltend rannte sie zurück durch die modernen Flure des Hochhauses in die Küche des Stockes. Ihr Atem ging stoßweise und das panische Herz wollte aus ihrer Brust springen. Er hatte sie geschlagen! Der Mann, der ihr noch letzte Nacht Liebe versprochen hatte.

Wie konnte er nur? Oder besser wie hatte sie nur so dumm sein können? Als würde er sie wirklich lieben, als würde er sie beschützen. Diese Teufel hatten andere Pläne für Menschen wie sie und Roosevelt war nicht der Schutzengel für den sie ihn gehalten hatte.

Die Angst und Scham verwandelte sich langsam in etwas anderes. Da war eine Wut hinter all dem. Wut auf sich selbst, aber auch Wut auf diesen Mann. Roosevelt würde nie wieder die Hand gegen sie erheben.

Nie wieder. Dafür würde sie sorgen.

Anmerkung der Authorin: Ich hab da einige ziemlich krasse Themen in meiner Geschichte. Ich recherchiere viel, aber wenn jemand Anmerkungen oder Erfahrungen hat, bitte lasst es mich wissen. Ich möchte keinen Blödsinn in meinem Buch stehen haben.

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