19.Kapitel

Liams Sicht:

Fassungslos sah ich auf Sandy und gleichzeitig wuchs meine Wut auf Harry. Da sah man was er angerichtet hatte. Vorsichtig wie um ein scheues Reh nicht zu verscheuchen, trat ich einen schritt näher. "Sandy? Wieso? "

Ich streckte die Hand nach ihr aus. Sie zuckte zurück.

"Nein. Hau ab. Bitte Liam. Ich will nicht das du das siehst.",sagte sie ruhig. Jetzt begriff ich. Sie schämte sich. Sie schämte sich gerade dafür, wieder angefangen zu haben und dabei erwischt zu worden sein.

"Schatz. Das ist nicht schlimm.",meinte ich und setzte mich neben sie. Tränen liefen ihr über die Wangen. Hilflos wischte ich sie mit der Hand weg.

"Das was Harry gesagt hat stimmt nicht. Du bist weder gestört noch würde dich niemand vermissen, wenn du tot wärst. Deine Mutter, dein Vater, deine Freundin Marie sie alle würden dich vermissen. Besonders ich. Ich könnte nicht mehr ohne dich. Das sage ich nicht nur so, es ist auch so. Glaub mir Sandy. ",redete ich auf sie ein. Sie zuckte mit den Schultern.

"Das denkst du jetzt nur gerade. Wenn ich dann tot wäre, würdest du auch am  Anfang so fühlen, aber mit der Zeit würdest du mich immer mehr vergessen. Ich bin nichts Besonderes Liam. Niemand würde sich groß erinnern. Ich bin nur eine Missgeburt der Welt." Ihre Stimme wurde immer lauter, die letzten Worte schrie sie fast. Geschockt über ihren letzen Satz schwieg ich. Nein sie sagte nicht die Wahrheit. Nie würde ich sie vergessen, wenn sie gestorben wäre. Ich musterte sie. Es schien mir, aals wäre die zufriedene,lebensfrohe Sandy der letzen Wochen nur Theater gewesen. Jetzt schien wieder die Alte durch, sie war wieder voller Hass von sich selbst erfüllt und wollte nicht mehr Leben. Nein!  Das durfte nicht sein!

"Du bist keine Missgeburt Sandy. Für mich bist du etwas Besonderes. Hasse dich doch nicht mehr selbst und sehe wie toll du bist.",meinte ich verzweifelt in der Hoffnung, damit etwas zu bewirken.

"Du verstehst das nicht",murmelte sie.

"Zu dir hat das noch nie jemand gesagt."

"Was denn?",fragte ich nichts ahnend. Sie holte tief Luft.  Dann zögerte sie.

"Ich weiss nicht, ob ich dir das anvertrauen kann. Weißt du es gibt Sachen, die erzähle ich vielen.Manche Dinge erzähle ich nur mir nahestehenden Leuten, also Marie oder manchmal meiner Mutter. Und es gibt noch Sachen, das sind meine tiefste Geheimnisse, die ich noch nie geteilt habe. Diese Geheimnisse werde ich nur jemanden erzählen, den ich hundertpro vertrauen kann, von dem ich weiß, das er immer zu mir hält, der mich nie mit diesen Dingen erpressen würde oder sie im Streit ausplaudern würde. Ich muss ihn wirklich lieben und er muss besonders sein. " Nachdenklich fuhr sie  mit dem Finger über ihre Narben.

"Vielleicht bist du diese Person Liam. Aber ich bin mir nicht sicher. Also dränge mich nicht. Bitte."

Ich sagte kein Wort sondern blickte sie nur an. Anderseits  brannte ich drauf, zu erfahren worum es ging und wollte am liebsten nachhaken, einerseits versuchte ich das zu respektieren, was mir nicht leichtfiel.

"Na gut. Aber mach das",ich zeigte auf ihren Arm. "Nie nie wieder." So oft hatte ich sie um das  gebeten aber sie hörte einfach nicht auf mich.

"Klar. Könntest du jetzt bitte gehen?  ",murmelte sie. Nachgebend stand ich auf um sie alleinezulassen.

Sandys Sicht:

Eine Weile saß ich noch mit gesenktem Kopf da und starrte auf meine Schnitte, aus denen das Blut tropfte. Hatte ich Liam jetzt enttäuscht? Wahrscheinlich schon. Aber ich hatte nicht anders gekonnt. Ich hatte es einfach tun müssen und jetzt schämte ich mich dafür.  Wie konnte ich das je wieder zurückgeben dieses Verständnis, die Liebe und Unterstützung die er mir gab?

Wenig später lief ich die  Treppe hinunter und gesellte mich zu ihm ins Wohnzimmer. Ich hatte mein Top gegen ein langärmeliges Sweatshirt eingetauscht, ich wollte meine Wunden nicht sehen. Schweigend setzte ich mich neben ihn auf die Couch.  Sofort schaltete er den Fernseher aus und legte mir die  Hand aufs Knie.

"Alles in Ordnung? "

"Ja ",ich schluckte. "Ich habe mir nur etwas überlegt..."

"Was denn? " Erwartungsvoll sah er mich an.

"Ich habe beschlossen es dir zu erzählen.", erklärte ich. Kerzengerade setzte er sich auf. " Wirklich  ? Jetzt?  "

"Ja. Ich vertraue dir. ",sagte ich.

"Danke." ,murmelte er und lächelte mich abwartend an. Mein Hirn ratterte. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

" Ich hatte mal Streit mit meiner Mutter. Es war kein  sinnloser Streit wegen irgendwelchen Kleinigkeiten, sondern ein richtig schlimer Kleinkrieg. Es war kurz bevor meine Eltern sich scheiden lassen haben. Ich war damals einfach nur unglaublich wütend, traurig und enttäuscht, das unsere kleine perfekte Familie zerbrach. Ich wollte nicht alleine mit meiner Mutter zusammen leben. Sie war arbeiten. Zumindest hatte sie es behauptet. Ich habe es einfach nicht mehr in der Wohnung ausgehalten und bin spazieren gegangen. Und da habe ich sie gesehen. Sie hat mit einem fremden Mann herumgeknutscht. Ich bin schockiert nach Hause gelaufen un sie hat mich dort weinend vorgefunden. Natürlich hat sie sofort gefragt, was ist. Ich habe sie angeschrien das sie das doch selber weiß. 'Nein',hat sie verwirrt gesagt. 'Du betrügst meinen Vater. Du knutschst mit irgendeinem fremden Mann rum.',hab Ich geantwortet. Sie hat zu mir gesagt, das sie ja nicht mehr mit meinem Vater zusammen war und sie den Mann auch seit ein paar Tagen kannte. Doch ich war so wütend und verletzt. Irgendwie hatte ich gehofft, das sie noch mit meinem Vater zusammenkommen würde, das unsere Familie weiterbestehen würde."

Ich schloss die Augen. Die  vielen Gefühle von damals krochen in mir hoch.

" Wenn ich wütend bin habe ich mich nicht unter Kontrolle. Ich bin ausgerastet und habe sie als Schlampe und andere Schimpfwörter bezeichnet. Darauf hat sie mich  fassungslos angestarrt und mir eine Ohrfeige verpasst.  Sie war wahrscheinlich einfach so schockiert. Deshalb habe ich sie noch mehr beleidigt und sie mich auch. Der Streit ist aus dem Ruder geraten.  'Du gehörst in die Psychatrie',hat sie gemeint. 'Du bist gestört. ' Das allerselbe, was  Harry zu mir gesagt hat . "Ich bring mich um.',hab ich zu ihr gesagt. Ich wollte sie einfach dazu zwingen mich zu verstehen. Aber sie hat nur geantwortet :'Dann mach das doch. Dich wird niemand vermissen. Du bist eine Missgeburt.Ich wünschte ich hätte dich nie auf die Welt gebracht."

Ich schluchzte auf.

"Ich weiß, das ich falsche Sachen gesagt habe. Doch das war einfach nur verletzend. Wir haben drei Wochen kein Wort mehr gesprochen und ich glaubte immer mehr, das sie recht hatte. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Am  Tag der Scheidung hat sie den Mann mit nach Hause gebracht. Ich bin in mein Zimmer. Ich konnte einfach nicht mehr. Mein Hirn war  wie ausgesetzt. Also habe ich mir die Adern aufgeschnitten. Sie würde mich ja nicht vermissen. Leider hat sie mich gefunden. Aber eine Sache hat diese Aktion gebracht. Der Mann hat sich von ihr getrennt. Mit so einer mit einer gestörten Tochter wollte er nicht zusammen sein."

Verbittert lachte ich auf und bemerkte, das Liam mich ensetzt ansah. Seine Hände waren zu Fäuste geballt.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top