15.Kapitel
Liams Sicht :
Es war das erste Mal, dass ich Sandys Mutter traf. Wo? Im Krankenhaus. Auf der Intensivstation. Eine selbstbewusste Frau, mit schwarzem, aufgestecktem Haar, weißer Bluse und schwarzer Bundfaltenhose. Sie sah streng aus und war auch so nicht sympathisch. Man merkte, dass sie sehr wenig von ihrer Tochter wusste. Sie behauptete nämlich, dass Sandy immer sehr glücklich gewirkt hatte und sie verstehe nicht, wieso sie sich geritzt habe und und und...
Wie blind konnte man sein?
Die anderen aus der Band hatten tatsächlich ohne mich die Tour weitergemacht, die bald zu Ende war. Ein Monat war ich schon alleine hier. Jeden Tag verbrachte ich im Krankenhaus, hielt Sandys Hand und hoffte auf ein Lebenszeichen von ihr. Selten war ich auf ihre Mutter getroffen. Manchmal unterhielt ich mich auch mit der freundlichen Krankenschwester. Auch der Arzt sah ab und zu vorbei. Doch er berichtete nichts Positives. Sandys Zustand hatte sich nicht verbessert und es sah nicht so aus, als würde sie irgendwann wieder aufwachen. Doch ich gab die Hoffnung nicht auf.
Ich öffnete die schwere Tür zur Intensivstation.Heute war Sandys vierundreißigster Tag im Koma. Es schien mir wie eine Ewigkeit. Ich schlug den altbekannten Weg durch die weißen,teilweise leere Flure zu ihrem Zimmer und trat ein.
Oh nein!
Ihre Mutter und der unfreundliche Arzt, Mr Brown, standen an ihrem Bett und unterhielten sich. Ich hatte gehofft, ein wenig allein mit Sandy zu sein, doch dass schien nicht möglich zu sein.
"Guten Tag",sagte ich höflich. Die beiden drehten sich um. Mr. Brown nickte mir mit dem Kopf meine Begrüßung erwidernd zu, während sich Sandys Mutter ein
"Guten Tag",abrang.
"Wie geht es ihr? ",fragte ich hoffnungsvoll nach.
"Unverändert, wenn nicht sogar schlechter. Ihr Puls ist heute etwas langsamer, wahrscheinlich ein schlechtes Zeichen.",erklärte Mr.Brown.
Nein! Das durfte nicht sein. Bitte Sandy, geb jetzt nicht auf,flehte ich in meinen Gedanken.
Der Arzt sah Sandys Mutter fragend an.
"Wollen sie es ihm erzählen?"
Verschreckt wanderten meinen Blicke zwischen den beiden hin und her. Was wollten sie sagen? Es klang nicht wie etwas Gutes. Angst überrollte mich.
"Na gut. Wir haben überlegt, dass es wahrscheinlich besser ist, wenn sie die Maschinen abstellen. Es bringt nichts. Sandy wollte sowieso sterben. Dann ist ihr Wunsch erfüllt.Wenn sie in einer Woche nicht aufwacht...",sagte die Mutter.
"Das können sie nicht machen! Das war doch nur ein Monat! Geben sie ihr Zeit! Sie sind so herzlos! ",schrie ich entsetzt auf.
Wie konnte man nur sich für sowas entscheiden, das war ihre Tochter! Ihre Tochter, die sterben würde! Wie konnte sie das so gleichgültig sagen? Wie war sie fähig sowas zu tun? Sandy konnte nicht sterben, sie hatte es verdient zu leben!
Und nicht bei diesem eiskalten, furchtbaren anekelndem Monster!
" Es gibt nicht viel Hoffnung.",sagte sie nur und sah mir in die Augen. In ihren Augen war Trauer, Erschöpfung und Schmerz abzulesen. Ein kurzer Blick hinter der Fassade der eiskalt wirkenden Frau. Jetzt hatte ich ein schlechte Gewissen, weil ich so zu ihr gewesen war. Diese Frau litt genau wie ich und diese Entscheidung war ihr sicher nicht leicht gefallen. Wahrscheinlich hatte sie das nur aus Verzweiflung beschlossen.
Sandys Sicht:
Alles um mich war grau. Kein dunkelgrau, nah am Schwarzen, sondern ein richtig helles, fast schon an weiß grenzend.
Ich schwebte nicht, ich stand nicht, ich lag nicht. Ich konnte meinen Zustand nicht beschreiben. Ich fühlte mich komplett geborgen. So konnte mir nichts passieren. Ein Geräusch drang an meine Ohren. Es hörte sich an wie... Stimmen. Was hatte in diesem Nichts Stimmen zu suchen? Sonst war es immer leise gewesen, abgesehen von einem leisen Brummen. Doch diese Stimmen kamen mir bekannt vor. Ich versuchte krampfhaft mich zu erinnern. Bei der einen stieg eine Mischung aus Hass und Liebe auf, bei der anderen... Was war das? Es war tiefe Liebe. Diese Person wollte ich auf keinen Fall verlieren. Plötzlich wusste ich, wer sie waren! Es war meine Mutter. Und Liam. Mein Freund. Aber wieso war ich nicht bei.ihnen? Wieso war ich alleine hier in diesem Nichts? Wo war ich und wieso? Was war das letzte, an was ich mich erinnern konnte? Wieder strengte Ich mich an, versuchte Bilder hinaufzubeschwören. Doch es gelang mir nicht.
"Maschinen abstellen... wenn in einer Woche nicht aufwacht."
Drangen plötzlich klare Worte zu mir durch. Welche Maschinen abstellen? Woraus sollte ich aufwachen? Wieso konnte ich mich an nichts erinnern? Ich wollte wissen, was geschehen war! Ich konzentrierte mich. Plötzlich wurde alles inmer klarer... ein kleiner Film ohne Ton spieltw vor meinen Augen ab.
Ich wie ich auf einem Dach stand und einen Brief schrieb
Eine SMS absendete
Wie ich den Brief hinlegte und tief Luft holte.
Über die Brüstung stieg.
Die Augen schloss und sprang.
Ich war frei, war der letzte Gedanke, der durch meine Kopf schoss, bevor ich mich wieder in dem grauen Nichts befand.
Erkenntnis durchschoss mich.
Ich war im Koma!
Und sie wollten die Maschinen abstellen, die mich am Leben hielten.
Dann würde ich sterben.
Das hatte ich ja eigentlich gewollt. Wieso, konnte ich mich nicht erinnern. Auf jedenfall wollte ich es jetzt nicht mehr!
Ich wollte zurück zu Liam!
Ins Leben!
Doch wie?
Ich versuchte, meinen Körper zu spüren. Aber es ging nicht. Ich war gefangen. Panik stieg in mir auf. Was wenn ich nicht in einer Woche aufwachte?
Ich würde sterben. Ich würde Liam das Herz brechen. Ich musste zurück!
Wieder hörte ich Worte zu mir durchdringen.
"Sandy. Bitte wach auf. Sie können doch nicht einfach die Maschinen abstellen! Du wirst sterben! Aber das darfst du nicht! Du musst bei mir bleiben."
Diese Worte brachen mir das Herz. Wenn er wüsste, wie gerne ich zu ihm wollte!
"Bitte Sandy.",seine Stimme klang immer verzweifelter.
"Ich liebe dich."
Auf einmal war es da. Ich konnte meinen Körper wieder spüren. Meine Finger. Von den Haarspitzen bis zu den Zehen. Es war so einfach . Diese Worte gaben mir Kraft.
Mit dieser Kraft aktivierte ich meinen ganzen Körper. Jetzt musste ich nur noch zeigen. Dass ich da war. Das Nichts wurde immer dunkler und langsam wurde es schwarz vor meinen Augen. Licht drang durch meine Augendeckel und bildete farbige Flecken vor meinen Augen.Ich war wach.
Ich konnte mein Glück nicht fassen!
Ich konnte zurück zu Liam und neu anfangen. Energie durchströmte meinen Körper.
Endlich....
Ich schlug meine Augen auf.
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