Kapitel 8

Nachdem ich noch einen Song gesungen habe, verlasse ich glücklich die Bühne und setze mich wieder auf meinem Platz und bestelle mir ein Glas Wasser. Gerade betritt ein älterer Mann die Bühne, welcher sich jedoch nur das Mikro schnappt und sich nervös an den Bühnenrand stellt.
Ich beiße mir auf die Lippen, als ich merke, wie verloren dieser Mann auf der mittelgroßen Bühne steht. Am liebsten würde ich zu ihm vorgehen und ihm erklären, dass er nie am Rand der Bühne stehen sollte und das Mikro nicht allzu fest umklammern soll. Da ich jedoch weiß, dass ich dies nicht kann, seufze ich leise auf und drücke ihm die Daumen, dass alles klappen wird. Mir ist es sicher bewusst, dass es nur ein Karaokeabend ist, dennoch wünsche ich keinem, der da vorne steht, dass er sich blamiert.

„Danke", lächle ich freundlich, als mir ein Ober mein bestelltes Getränk bringt.
Dieser lächelt zurück, sichtlich froh, mich glücklich gemacht zu haben und verschwindet wieder. Ich trinke einen Schluck, als die ersten Töne von ‚Bohemian Rhapsody' erklingen. Leicht verziehe ich das Gesicht und sehe zur Bühne vor, wo der Mann immer noch steif dasteht. Man sieht deutlich die Schweißperlen auf seiner Stirn. Ohje.

Sein Gesichtsausdruck sagt alles. Er bereut es, dieses Lied ausgewählt zu haben. Schließlich ist dies eins der schwierigsten Lieder, die es gibt. Und um Freddie Mercury gerecht zu werden.... da braucht man sehr viel Talent. Und Übung.

Der Mann öffnet den Mund, um zum Singen anzufangen, schüttelt dann jedoch den Kopf, legt das Mikro weg und verlässt die Bühne. Ein kurzes enttäuschtes Raunen geht durch die Menge, wobei dennoch leichter Applaus ertönt.

Natürlich klatsche ich ebenfalls, schließlich hat er sich ja schonmal auf die Bühne getraut und nur im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Wahrscheinlich wurde es ihm zu viel.
„Nun, gehen kannst du wohl nicht wirklich gut, aber singen schon", reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Leicht zucke ich zusammen und sehe blinzelnd nach rechts. Schwer schlucke ich, als ich den Mann erkenne, welcher mich heute freundlicherweise davon abgehalten hatte, den Boden zu küssen.

Seine tiefblauen Augen sehen in meine Blauen, während sich ein Grinsen auf sein Gesicht schleicht.
„Du erkennst mich", stellt er fest, woraufhin ich nur nicken kann.
Er beugt sich etwas zu mir vor, nimmt eine meiner Haarsträhne zwischen seine Finger, während er meine Lippen mustert.
„Wir sehen uns bestimmt wieder", flüstert er an meinem Ohr, lässt meine Haarsträhne los und verschwindet so schnell, wie er gekommen war.

♪♫

Am nächsten Morgen stehe ich ziemlich müde, da der Karaokeabend länger ging als erwartet, mit allen weiteren Teammitgliedern von Samu in einem Raum. Schnell überfliege ich alle und kann mit mir 16 Mitglieder zählen.

Die ganzen Frauen sehen mich mit verschränkten Armen böse an, was ich mit einem kühlen Blick erwidere. Mir ist schon klar, warum sie mich wohl schon hassen. Wahrscheinlich haben sie schon irgendwie mitbekommen, dass ich sozusagen Samus Liebling bin. Tja, ihr Schlampen. Pech für euch, aber er ist immer noch mein Vater!

„Mach dir nichts draus. Sie sind auf alle und jeden eifersüchtig, der hier ist. Also zumindest auf alle Frauen, welche sich zu nah an Samu herantrauen."
Erschrocken zucke ich zusammen, als ich die vertraute Stimme wahrnehme. Vorsichtig sehe ich nach links, mein Herz setzt einen Schlag aus und mir bleibt der Mund offen stehen. Das darf doch nicht wahr sein!

Er lacht leicht und legt seine Finger an mein Kinn. Mit großen Augen starre ich ihn an, da ich immer noch nicht glauben kann, dass er hier ist. Schließlich steht der Mann vor mir, in dessen Armen ich gestern lag. Ungewollt, wohlgemerkt.
„Fängst du Fliegen?", fragt er leise und schließt sanft meinen Mund.
Ich blinzle, als mir klar wird, dass ich ihn angestarrt habe. Verdammt! Wie peinlich!
Als ich merke, wie ich rot werde, sehe ich hastig nach vorne. Ich darf nicht nochmal zu ihm sehen. Nicht ansehen. Nicht...

„Ich bin Michael. Und du?"
Fuck, natürlich muss er mich jetzt auch noch ansprechen.
„Amanda", antworte ich leise und sehe immer noch krampfhaft nach vorne.
Dennoch kann ich im Augenwinkel erkennen, wie er leicht lächelt.
„Ah, Amanda. Du bist doch die, die Samu 'Sonnenschein' auf Finnisch nennt? Die auch aus Helsinki kommt?"

Oh man, das ist schon herumgegangen? Kein Wunder, dass mich alle Mädchen so böse anstarren. Natürlich müssen sie denken, dass ich Vorteile bei Samu habe, weil ich auch aus Finnland komme. Innerlich schüttle ich den Kopf. Nein, so wäre er nicht. Er wird mich auch so wie die anderen bewerten. Und wenn nicht, dann werde ich es ihm sagen. Ich will keine Vorteile, nur weil ich seine Tochter bin.
Als die Tür aufgeht und mein Vater den Raum betritt, werden alle Mädchen hektisch und richten noch kurz ihre Kleidung und ihre Haare, was ich nur mit einem Augenverdrehen kommentiere.

„Du bist anders. Gefällt mir", raunt mir Michael ins Ohr, als er wohl bemerkt hat, dass ich als einzige nicht meine Kleidung gerichtet habe.
Ich bekomme eine leichte Gänsehaut. Anders? Warum sollte ich anders? Ich drehe mich zu ihm, doch der Platz ist leer, wo er gerade noch stand. Ich seufze und sehe wieder nach vorne, wo mein Vater gerade ein paar Worte sagt. Jedoch höre ich nicht hin, da ich gerade versuche, meinen Körper wieder zur Vernunft zu bringen. Verdammt nochmal! Es ist nur ein gutaussehender, deutscher Kerl. Nichts für dich, Amanda. Nope. Gar nicht.

Samu erzählt, dass er sich viel Gedanken darüber gemacht hätte, wer zusammen gegeneinander in den Battles antreten sollte. Er meint auch, dass es ihm bei vielen nicht leichtgefallen wäre. Aber bevor er weiter um den heißen Brei redet, liest er auch schon die Teams vor.
Ich versuche mir die Namen mit dem jeweiligen Gesicht zu merken, jedoch gestaltet es sich als schwieriger als gedacht. Seufzend gebe ich es auf. Dann kenne ich halt nicht alle meine Gegner.

„Amanda Ha...Walsh", verplappert sich mein Vater fast, weswegen ich ihn entsetzt ansehe.
Er sieht mich kurz entschuldigend an, bis er den Namen sagt, mit dem ich zusammen den Battle-Song singen darf.

„Und Michael Müller."
Sofort sehe ich mich um, doch dann bleibt mir das Blut in den Adern gefrieren. Es ist der Michael von vorhin. Und der, der mich gestern davor bewahrt hatte, einen peinlichen Stunt in der Lobby aufzuführen. Und er?
Er sieht nur schmunzelnd zu mir. Na toll, das kann was werden.

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