Kapitel 3
Zurück in meinem Hotelzimmer ziehe ich mein Handy heraus, um zu sehen, was ich alles verpasst habe. Ich habe es vor meinem Auftritt ausgeschaltet, um einfach ungestört zu sein. Es hätte mich einfach irgendwie abgelenkt, wenn ich gewusst hätte, dass das Handy nur auf stumm gestellt wäre. Nach meinem Auftritt habe ich es einfach vergessen, da ich so verdammt aufgeregt war, da Samu mich ja sehen wollte. – Ich wusste zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht, ob das Treffen im Guten oder schlechten Sinn enden würde.
Seufzend gebe ich meinen Pin ein und lasse mich rückwärts auf das Bett fallen, während mein Handy startet. Nachdenklich starre ich die weiße Zimmerdecke an, wobei ich dann doch grinsen muss. Nie hätte ich mir gedacht, dass Samu mich wirklich erkennen würde. Schließlich sind 19 Jahre vergangen, dass er mich gesehen hatte. Ich war damals noch recht klein und jetzt bin ich für ihn – auf einmal – erwachsen.
Natürlich bin ich froh, dass er mich erkannt hat und der Fakt, wer mein Vater ist, mal keine Lüge von meiner Mutter war. – Sonst wäre dieser Trip so gut wie umsonst gewesen. Klar, ich habe Thore gesagt, dass ich mich hier angemeldet habe, da ich wissen wollte, was Stars zu meiner Stimme sagen, was auch irgendwie stimmt, aber der Hauptgrund war einfach Samu zu sehen und kennenzulernen.
Mein Handy gibt ein paar Mal hintereinander ein Piepen von sich, was mir ankündigt, dass ich mehrere verpasste Anrufe und Nachrichten habe. Zum Glück ist die Zeitverschiebung zwischen Finnland und Deutschland nicht so groß. Mein Heimatland liegt nur eine Stunde vor der Deutschen Zeit.
Wir haben hier gerade 20 Uhr, somit ist es in Finnland 21 Uhr.
Deswegen rufe ich die Person zurück, welche verzweifelt versucht hatte, mich zu erreichen. Mit etwas schlechten Gewissen halte ich mir das Gerät ans Ohr und warte darauf, dass die junge, schwarzhaarige Frau mit den blauen Augen, welche mich seit Kindheitstagen in meinem Leben begleitet, abhebt.
„Na sie mal einer an. Sie lebt!", begrüßt sie mich etwas angefressen, weswegen ich schuldbewusst auf meiner Unterlippe herumkaue.
Anja ist meine beste Freundin, seit ich denken kann. Schon immer konnte ich der jungen, finnischen Frau alles anvertrauen, da ich wusste, dass sie dichthalten würde. Dennoch habe ich ihr nicht erzählt, warum ich wirklich nach Deutschland geflogen bin. Ob sie mir verzeihen wird, wenn sie die Wahrheit irgendwann erfährt?
„Ja, ich lebe. Wie geht es dir, Anja?"
Ich setze mich auf und starre den dunklen Bildschirm des Fernsehers an.
„Ach, um mich geht es nicht. Wie ist es in Deutschland? Bestimmt nicht so toll wie in Helsinki, oder?"
Ich kann mir jetzt genau vorstellen, wie sie grinst. Innerlich seufzend stehe ich auf und gehe zum Fenster. Es wird wirklich schwer, ihr die Wahrheit, warum ich hier bin, zu verheimlichen. Schließlich weiß keiner, dass ich hier bin, um meinen Vater zu treffen. Alle denken einfach immer noch, dass ich hier bin, um Wohnungen anzusehen. Aber wie lange werde ich es wohl geheim halten können? Ich habe ihr nämlich immer noch nicht gesagt, wer mein Vater ist. Zwar habe ich erwähnt, dass meine Mutter mit der Sprache rausrückte, aber nie, wessen Name in meiner Geburtsurkunde steht.
Und es wird bald herauskommen, dass Samu eine 22-jährige Tochter hat... Dann werden sich die Medien darum reißen, wer als Erstes diese Neuigkeit der Welt berichten darf.
„Hallo? Erde an Amanda?", reißt mich Anjas Stimme aus meinen Gedanken, weswegen ich verwirrt blinzle und meinem Blick von dem Punkt, welchen ich bis dato angestarrt habe, losreiße.
„Hier. Ich bin hier."
„Du hast mir einfach nicht mehr geantwortet, als ich dir von meinen Erlebnissen die letzten Tage erzählt habe. Du hörst eigentlich immer zu, außer.... Warte. Ist da ein Mann im Spiel?", kreischt sie auf einmal in den Hörer, weswegen ich das Handy ein wenig von meinem Ohr weghalte, um keinen Gehörsturz zu bekommen.
„Wer ist es? Es muss ein Mann sein! Sonst bist du nie so abgelenkt, außer es ist jemand vom anderen Geschlecht! Wer ist es? Komm schon, Amanda! Sag es mir? Sieht er gut aus?"
Anja redet wie ein Wasserfall, sodass ich keine Möglichkeit habe, zu Wort zu kommen.
Das ist einfach eine schlechte Eigenschaft von ihr. Sie kann stundenlang ohne Punkt und Komma reden, wobei sie zwischendurch immer wieder zwischen Finnisch und Deutsch hin und herwechselt, so aufgeregt ist sie gerade.
„Anja!", bremse ich sie genervt nach fünf Minuten ein. Auch sie muss mal Luft holen und dafür danke ich Gott gerade sehr.
„Was ist denn, Amanda? Ich will es wissen! Sofort!"
Auf einmal klingt sie wie ein kleines Mädchen, welches unbedingt diese eine Barbiepuppe haben möchte. Nur das die Puppe in diesem Fall die Identität des Mannes zu erfahren ist.
Ich seufze auf und beschließe, ihr mal einen Teil der Wahrheit zu sagen.
„Es ist mein Vater", fange ich an, werde jedoch unterbrochen, da meine beste Freundin aufkreischt und sofort anfängt, zu reden.
„Ich wusste es! Ich wusste, dass ein Mann dahintersteckt! Warte mal... sagtest du gerade Vater?!"
Erneut seufze ich auf und nicke, obwohl sie es nicht sieht.
„Kyllä", bestätige ich.
„Er ist in Deutschland? Der Typ, der deine Mutter alleine gelassen hat, als du drei Jahre halt warst? Wo ist dieser scheiß Kerl gerade? Ich steige sofort in den nächsten Flieger und schlage ihn krankenhausreif, diesen Mistkerl!"
Anja klingt wütend. Sie hatte noch nie viel für Väter im Allgemeinen übrig, da ihrer nicht einmal weiß, dass es sie gibt. Seit Jahren sagt sie mir, dass sie meinem Vater schlagen wird, falls er sich melden würde. Sie glaubt einfach, dass er mich verlassen hätte. Sie glaubt die Geschichte meiner Mutter.
„Anja, bleibe in Helsinki. Mir geht es gut. Ich will seine Sicht der Dinge hören. Es ist damals etwas zwischen meinen Eltern vorgefallen und ich werde herausfinden, was."
„Schwachsinn! Er hat euch einfach verlassen, weil er nicht damit klargekommen ist, dass mit er mit 18 schon Vater geworden ist! Aber ich habe kein Mitleid mit ihm, er hätte dann wohl besser aufpassen sollen, dass beim Vögeln nichts schiefgeht!"
„Anja!", rufe ich entsetzt aus, da ich einfach nicht glauben kann, was sie gerade von sich gibt. So kenne ich sie gar nicht.
„Du redest hier immer noch von meinem Vater! Reiß dich etwas zusammen!"
Meine beste Freundin am anderen Ende schnaubt nur genervt auf. Bestimmt sieht sie jetzt richtig wütend drein. Ein Blick, welcher töten würde, wenn Blicke es könnten.
„Nehme ihn doch nicht in den Schutz! Er hat deine Mutter und dich verlassen! Wie kannst du dich auf seine Seite schlagen?!"
„Ich schlage mich auf keine Seite, Anja. Noch nicht. Nur er hat es verdient, dass ich auch seine Version der Geschichte höre. Schließlich hat meine Mutter schon immer gerne gelogen. Was ist, wenn sie auch dabei gelogen hat? Was ist, wenn mein Vater nicht freiwillig aus meinem Leben verschwunden ist?"
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