Kapitel 14

Leicht zitternd halte ich mich an der Wand fest. Das darf doch jetzt nicht wahr sein!
Da ringe ich mich doch mal dazu durch, meine Mutter zu besuchen, habe auch noch meinen Vater dabei und dieser Kerl ist bei ihr.
Ich schließe meine Augen, atme ruhig ein und aus. Ich muss mich schnell beruhigen, bevor ich mit ihr reden werde. Oder aber ich bringe diesen Daniel gleich um. Nur dank ihm habe ich erst jetzt meinen Vater kennengelernt und das auch nur, weil meine Mutter auf dem Sterbebett zum Reden angefangen hatte.

Langsam öffne ich meine Augen wieder und beruhige mich leise auf Finnisch.
Ruhig bleiben, am besten keine Gefühle zeigen. Zeit beschaffen, bevor ich die Bombe platzen lasse, dass Samu ebenfalls hier ist und wartet.

Erschrocken zucke ich zusammen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spüre. Langsam drehe ich mich um und sehe in die grünen Augen einer Krankenschwester, welche mich besorgt fragt, ob mit mir alles in Ordnung sei. Leicht lächelnd nicke ich und sie verschwindet sichtlich zufrieden, mir doch nicht helfen zu müssen.

Angespannt fahre ich mir durch die Haare und starre die Zimmertür an, als würde sie mich jeden Moment anspringen, was sie logischerweise jedoch nicht tut. Ich seufze und gehe vorsichtig darauf wieder zu. Im Zimmer ist es still, weswegen ich daraus schließe, dass die beiden nicht mehr wissen, was sie reden sollen.
Ich hebe meine Hand, um zum Klopfen, entscheide mich jedoch anders und trete einfach ins Zimmer. Meine Mutter und dieser Daniel zucken auseinander, da sie sich ihr Bett teilen, statt dass er auf dem Stuhl sitzt. Auf irgendeinen Grund spüre ich Eifersucht in meinen Herzen, da ich mir insgeheim wünsche, dass Samu neben ihr liegen und ihr Kraft geben würde. Das wäre einfach... richtiger. 

„Äiti", begrüße ich sie feierlich mit dem finnischen Wort für ‚Mutter' und lasse mir nicht anmerken, wie ich mich innerlich freue, die beiden überrascht zu haben.
Meine Mutter läuft rot an, als wäre sie ein Teenie, welcher gerade beim Knutschen erwischt wurde, während Daniel sich dran macht, das Bett zu verlassen und aufzustehen. Jetzt ist es auch schon zu spät, Arschloch.

„Amanda... was...?", fängt sie an, jedoch lasse ich sie nicht ausreden.
„Mutter, bitte. Wir sind hier in Finnland. Dann können wir auch Finnisch reden, findest du nicht? Oh, ich vergaß. Dann kann ja der verehrte Herr nichts mehr verstehen. Tut mir leid", meine ich kühl auf Deutsch und sehe sie auch so an.

Mir ist es nicht entgangen, wie sie zusammengezuckt ist, als ich sie mit 'Mutter' und nicht mit 'Mom' angesprochen habe. Langsam habe ich das Gefühl, dass sie mir auch ihre Krankheit – Lungenkrebs – vorspielt. Wobei man schon sieht, wie es ihr schlechter geht, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe.
Ihre schulterlangen dunkelblonden Haare wirken matt, ihr Gesicht ist leicht eingefallen, da sie abgenommen hat, die Wangenknochen sind deutlich zu erkennen. Jedoch lasse ich mir nichts anmerken, wie ich mir auch Sorgen um sie mache, da die Wut nun die Oberhand hat.

„Willst du mir ihn nicht mal vorstellen, Mutter? Schließlich habe ich ihn schon einmal gesehen, als ich elf war. Erinnerst du dich? Du hast damals mit ihm über meinen Vater geredet. Tja, tut mir leid, aber ich habe es damals mitbekommen."
Sie sieht mich mit Tränen in den Augen an.
„Amanda... ich kann es erklären", schluchzt sie halb, weswegen ich die Arme verschränke und sie wütend ansehe.

„Dann fang mal an. Denn da draußen im Wartebereich sitzt Samu Haber. Erinnerst du dich? Den Mann wolltest du heiraten, mit dem hast du ein Kind. Mich."
Entsetzt sieht sie mich an, als hätte ich sie gebeten, sie soll mir bitte den Mond vom Himmel holen. Innerlich grinse ich zufrieden. Ich habe das erreicht, was ich wollte. – Fassungslosigkeit bei ihr.
„Du hast ihn hierher gebracht?"

Ich lache.
„Ich bitte dich. Isä und ich wollen endlich Klarheit, was damals passiert ist! Schließlich hast du mich immer angelogen! DU hast ihn verlassen, nicht ER! DU hast ihn als schlechten Menschen dastehen lassen, obwohl das DU bist! Du hast mir lauter Lügen erzählt, obwohl nichts davon der Wahrheit entsprach!"

Ich schreie mittlerweile, doch das interessiert mich nicht im Geringsten. Tränen brennen in meinen Augen, jedoch halte ich sie krampfhaft zurück. Ich werde nicht vor ihr und vor Daniel weinen. Oh nein. Das wird nicht passieren! Unauffällig lehne ich mich an die Wand hinter mir, wende jedoch den Blick nicht von ihr ab. Sie seufzt.

„Es stimmt. Ich habe ihn verlassen und nicht er uns", gibt sie leise zu, weswegen ich eine Augenbraue nach oben ziehe.
„Und ich habe ihn wegen Daniel verlassen. Daniel... Daniel war meine erste große Liebe. Ich kam mit ihm zusammen, als ich 14 war und ich... wir... also wir trennten uns. Dann zog ich mit meinen Eltern hierher und lernte Samu kennen und verliebte mich auch in ihn. Aber ich konnte Daniel nie vergessen. Er war immer in meinen Hinterkopf... Aber als du kamst und Samu mich heiraten wollte, wusste ich, dass ich über ihn hinweg war."

„Sieht ganz danach aus", unterbreche ich sie bissig.
Sie seufzt.
„Daniel kam nach Finnland und wollte mich zurückgewinnen... Meine Gefühle für ihn waren stärker als für Samu, weswegen..."
„Du ihn einfach verlassen und beleidigt hast, dass er dein Leben zerstört hat, weil du mit 18 schwanger geworden bist und mich einfach mitgenommen hast", beende ich ihre Story.

„Das kenne ich schon. Aber das ist trotzdem kein Grund vom einem Tag zum anderen ihn einfach zu verlassen. Du hättest auch mit ihm reden können! Und warum hat er mich... uns nie gefunden? Er hat alles Mögliche getan. Privatdetektiv, Polizei. Keiner wusste, wo wir waren!"

Sie öffnet den Mund, um was zu sagen, schließt ihn jedoch wieder und sieht hinter sich. Verwirrt drehe ich mich um und sehe ein circa 16 Jahre altes Mädchen mit langen dunkelbraunen Haaren und braunen Augen. Diese sieht mich total komisch an, dann sieht sie zu meiner Mutter. Der nächste Satz verschlägt mir wirklich die Sprache.
„Mom, wer ist die Frau?"

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