.:75:. Kaiserin
Anderswelt.
Unzufrieden rupfte Eleasar an seinem Kragen herum. Das Kleidungsstück wollte nicht so recht sitzen. Es passte ihm gar nicht, dass er dort auftauchen musste. Viel lieber hätte er den Abend in Ruhe mit seiner Frau verbracht.
„Warum so brummig?", erklang es hinter ihm im Türrahmen.
Er ließ sich Zeit, ehe er sich umdrehte. Ria lehnte im Rahmen, den Kopf leicht schief gelegt und schien ihn zu mustern. Seine Augenbrauen wanderten skeptisch nach oben, als er ihre Abendgarderobe und die frisierten Haare bemerkte. „Wo willst du denn hin?"
Ein leichtes Lächeln umspielte ihre weichen Lippen. „Ich habe das dringende Bedürfnis, meinen Mann heute Abend zu begleiten. Schließlich will ich dich davor bewahren, mit anderen Frauen tanzen zu müssen."
Andächtig trat er dicht vor sie und strich ihr eine vorwitzige, leicht gelockte Strähne hinters Ohr. „Es würde mich freuen. Wird es dir denn nicht zu viel werden?" Forschend horchte er auf ihr Band. In entspannten Situationen war nicht immer auf ihre Mimik verlass. Zwar wusste sie noch, wie sie sich geben musste, aber in ruhigen Momenten vergaß sie manchmal ihr Mienenspiel zu kontrollieren. So wie jetzt, wo ihre gesamte Aufmerksamkeit ihm galt. Ihr Lächeln vertiefte sich. „Ich bin mir sicher", erklärte sie fest und tastete nach seinem Revers, um ihn zu sich runter zu ziehen und sich einen Kuss zu stehlen. „Und ich bin mir sicher, du siehst umwerfend aus."
Ein leises Lachen rumorte in seiner Brust. Sie mitzunehmen, löste widersprüchliche Gefühle in ihm aus. Einerseits war er froh, sie bei sich haben zu können, andererseits wollte er sie vor der Meute unten beschützen. Letzteres war für Ria jedoch kein Grund, in der Wohnung zu bleiben. Sie würde ihm einfach folgen. Also ließ er seine gute Laune zu und bot ihr seinen Arm an. „Du siehst bezaubernd aus."
Entspannt lachte sie ihn an. „Ich könnte aussehen wie der letzte Schluffi und es würde mich nicht stören. Einer der Vorteile, wenn man nichts mehr sehen kann." Das war eine Sache, die ihr zu gefallen schien, denn sie betonte es beinahe jedes Mal, wenn es um das Thema Kleidung ging. Vorsichtig ließ sie ihre Hand auf seinen Unterarm gleiten. „Na dann, Kaiser, lass uns mal deine Party stürmen."
Kopfschüttelnd führte er sie aus der Wohnung, den langen Flur entlang bis zum Veranstaltungssaal. „Das macht dich zur Kaiserin", erinnerte er sie amüsiert. Obwohl sie nun ihr eigenes Reich hatte, weigerte sie sich noch immer beharrlich, einen Titel anzunehmen. Was für ein störrisches Naturell sie doch hatte. Es freute ihn jedoch insgeheim, dass sie nichts davon eingebüßt zu haben schien. Er hatte es vermisst.
„Ich wünschte, du hättest fähigere Konkurrenten gehabt", brummte sie wenig begeistert. „Du hast ein anderes Leben verdient."
Innerlich schüttelte er fassungslos seinen Kopf. Das war ein Thema, bei dem keiner gewinnen konnte. Sie konnten die Umstände nun einmal nicht ändern, egal wie sehr sie sich ein ruhiges und zurückgezogenes Leben wünschten. Vielleicht, mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit, konnten sie sich diesen Wunsch irgendwann einmal erfüllen.
„Bist du bereit, dich nachher zu einem Tanz durchzuringen?", fragte er stattdessen, um sie beide auf andere Gedanken zu bringen. Er konnte spüren, wie sie ein wenig ins Stocken geriet. In den vergangenen Tagen hatte er zwar einmal kurz mit ihr getanzt, jedoch hatte das mehr von einem kuschelnden Schunkeln gehabt, als von richtigem Tanzen. Kein Vergleich zu dem, was in Gesellschaft von ihr verlangt wurde. Da schon die Nachricht über ihre Rückkehr kein Geheimnis geblieben war, hatte sie ihre Vertrauten dazu beschworen, die Tatsache ihres Blindseins zu verschweigen - weil sie keine Sonderbehandlung wollte. Also musste sie mit den Folgen leben.
Kurz vor dem Saal hielt er an und wartete auf eine Antwort. Es war wichtig, dass sie ihm sagte, zu was sie bereit war. Sollte sie nicht tanzen wollen, würde er schon einen Weg finden, das zu umgehen. Von ihm wurde ja eigentlich nur erwartet, auf seinem Thron zu sitzen und das bunte Treiben zu beobachten.
Vertrauensvoll drückte sie seinen Arm. „Wenn du mich führst und darauf verzichtest, mich komplett loszulassen, bin ich gerne dazu bereit. Ist mein Kleid dafür überhaupt geeignet?" Fragend sah sie an sich hinunter und strich mit ihrer freien Hand über den hellblauen Rock. Das Kleid war schlicht, ohne diesen ganzen modernen Schnickschnack und schmeichelte ihrer Figur. Wenn sie lief, fiel der Rock ein wenig auseinander, sodass sie genügend Bewegungsfreiheit hatte und gefahrlos laufen konnte.
Sanft hob er ihr Kinn an und küsste sie zärtlich. „Keine Angst, das Kleid ist extra für solche Anlässe geschneidert worden. Du siehst fantastisch aus."
Geschmeichelt vergrub sie ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. „Du Charmeur. Jetzt will ich dich gar nicht mehr teilen."
Erfüllt von Liebe zu seiner Gemahlin, hauchte er ihr einen Kuss auf die Schläfe.
Hinter ihnen räusperte sich jemand. „Majestät, Ihr werdet bereits erwartet."
Schweren Herzens löste Eleasar sich von seiner Frau und wandte sich dem Bediensteten zu. Der starrte betreten zu Boden und wirkte, als sei es ihm peinlich, seinem Herrscher und dessen Frau beim Küssen zuzusehen. Bestimmt legte er Ria eine Hand ins Kreuz und erlöste den armen Mann aus seinem Dilemma, indem er ihm das Okay für die Ankündigung gab.
„Ich finde, wir sollten uns demnächst auf solche Anlässe schleichen", raunte Ria ihm zu.
Eleasar lachte leise. „Dir werden die Blicke nicht auffallen."
„Aber ihre Neugier werde ich spüren. Bitte warne mich vor, wenn sich jemand nähert, den ich ignorieren sollte."
Gerne hätte er etwas erwidert, aber die Tür öffnete sich und das Gerede in der Halle erstarb. Rias Hand fand wieder ihren Weg auf seinen Unterarm, dann führte er sie vorsichtig durch die anwesende Meute. Natürlich starrten sie. Viele Gesichter wirkten verwundert, andere, die Ria vor zwanzig Jahren schon einmal gesehen hatten, sahen überrascht aus. Gemurmel entstand, bis schließlich jemand vor ihnen auf den Weg trat. Es war Nathan, Eleasars früherer Konkurrent.
Nathan verneigte sich tief. „Ria. Es ist lange her. Schön, dass du wieder da bist."
Überrascht neigte sie ihren Kopf. Er kommt mit bekannt vor.
Nathan, erklärte er schnell und erinnerte sie daran, woher sie ihn kannte.
Erkenntnis und Verwunderung huschten durch ihre Verbindung. Was macht er jetzt?
Er ist mit Tilia verheiratet. Gemeinsam herrschen sie über Orlas ehemaliges Reich. Sie stellt sich gerade neben ihn. Eine große kurvige Frau mit elfengleichen Zügen, Smaragdaugen und glatten schwarzen Haaren trat neben Nathan und knickste tief.
„Mein Kaiser."
„Nathan", sagte Ria zeitgleich, unterbrach sich dann aber, als sie Tilias Stimme hörte.
Nathan erhob sich und lächelte Ria freundlich an. „Gut siehst du aus."
„Danke für die Begrüßung", sagte Eleasar, bevor seine Frau in Bedrängnis geriet. Am besten, sie setzten sich erst einmal, damit sie alle Eindrücke in Ruhe in sich aufnehmen konnte.
„Jetzt, da deine Gemahlin wieder anwesend ist, kannst du den heutigen Ball ja eröffnen."
Finster starrte Eleasar zu Nathan, der ihn herausfordernd ansah. „Deine Frau tanzt doch so gerne."
Er wollte ihm gerade mitteilen, dass es nicht seine Aufgabe war, diese Veranstaltung zu eröffnen, da meldete sich Ria zu Wort. Ist schon okay. Von mir aus können wir gerne tanzen. Ich vertraue dir. Freudige Aufregung erreichte ihn über ihre Verbindung. Nathan hatte recht. Ria hatte schon immer gerne mit ihm getanzt.
Da er dem nichts entgegenzusetzen hatte, gab er sich geschlagen. Wenn es dich glücklich macht.
Ria strahlte ihn an. Das tut es. Achte bitte nur darauf, dass ich nicht aus Versehen diversen Leuten über die Füße trample.
Lächelnd führte er sie auf die leergefegte Tanzfläche und zog sie an sich. „Gewährst du mir einen Tanz?"
Verliebt lächelte sie zu ihm auf. „Ich würde dir auch hundert gewähren, mein Liebster."
„Mutierst du jetzt zur Charmeurin?"
„Na, wenn du heute Abend den Stock verschluckt hast, bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig", entgegnete sie schmunzelnd.
Lachend stupste er sie am Kinn an. „Ich soll also vor meinen regionalen Vertretern dieser Welt offen mit meiner Frau flirten?"
„Du kannst ruhig zugeben, dass du in mich vernarrt bist", erklärte sie munter und zwinkerte ihm zu. Wann immer sie sich so natürlich gab, fiel es ihm schwer zu glauben, dass sie blind war. Aber so war es ja auch beabsichtigt. So wenig wie möglich sollten von ihrer Behinderung erfahren.
Die Musik begann ganz zart und leise zu spielen. Ihre Hand mit der seinen sicher umschließend und die andere Hand fest auf ihrem Rücken liegend, führte er sie die ersten Schritte. Zunächst schien sie ein wenig mit sich zu hadern, gab aber recht schnell die Anspannung in ihren Armen auf und ließ sich von ihm Führen. Es war unbeschreiblich, sie wieder über die Tanzfläche führen zu können und zu spüren, wie sie sich ihm bedingungslos hingab. Während sie tanzten, dachte er darüber nach, ob es nicht langsam an der Zeit war, ihre Beziehung wieder auf eine tiefere Ebene zu verlagern. Seit ihrer Rückkehr hatten sie zwar ihre alte Beziehung wiederaufgenommen, soweit es eben möglich war, den entscheidenden letzten Schritt aber noch nicht gewagt. Vorerst war es ihm genug gewesen, sie nachts wieder in seinen Armen halten zu können. Nun war jedoch der Punkt erreicht, an dem er mehr wollte. Ria spürte die in ihm vorgehende Veränderung und zog sich ein Stück enger an ihn heran.
Eleasar war froh, als das Stück endete. Wenn seine Frau sich weiterhin so an ihn schmiegte, würden sie nicht lange hier bleiben. Als er sie zu ihrem Platz führte, zog er ihren Kopf ein wenig zu sich. „Übertreibe es nicht."
Unschuldig klimperte sie mit den Wimpern. Sie wusste ganz genau, was er meinte. Allerdings machte es ihr gerade zu viel Spaß so zu tun, als habe sie ihn nicht recht verstanden.
Er überging ihre gespielte Unschuldsmiene und bedeutete ihr anzuhalten. „Dreh dich um, vor dir steht deine Sitzgelegenheit." Behutsam half er ihr dabei Platz zu nehmen, ehe er sich neben ihr niederließ. Auf mögliche Gefahren und Bedrohungen für sie achtend, ließ er seinen Blick durch den vollen Saal schweifen. Er sah, dass Nathan zu Ria sah und offenbar erneut das Gespräch suchen wollte. Mit einem bösen Blick hinderte er ihn daran. Sie war nachwievor seine Frau und er duldete es nicht, wenn andere Männer übermäßiges Interesse an ihr zeigten.
Ria wandte ihren Kopf auf einmal leicht nach rechts. Er folgte ihrer Aufmerksamkeit und sah Maisie. Sie war eine der neuen Königinnen und Könige, die sein Reich stellvertretend für ihn verwalteten. Sie trug ein pompöses, stark verziertes Kleid mit weitem Rock, ihr Oberkleid hingegen war dermaßen eng geschnürt, dass er sich fragte, wie sie noch atmen konnte. Jetzt bereute er, dass er Ria nicht eher über die Veränderungen des Reiches aufgeklärt hatte. Dieses Versäumnis musste er schleunigst nachholen. Hastig klärte er sie darüber auf, dass diese Frau Sems Nachfolgerin war und schilderte ihr ihre Kleidung. Als die Mundwinkel seiner Frau verräterisch zu zucken begannen, legte er mahnend eine Hand auf ihre.
Eingeschnürter Pinguin? Sie schien sich nur schwer zusammenreißen zu können. Hast du einen Clown gefrühstückt? Es war ungewöhnlich für ihn, sie mit derartigen Beschreibungen zum Lachen zu bringen. Normalerweise war das früher ihr Part gewesen. Allerdings hatte sie sich damals dafür eher einen mahnenden Blick eingefangen als ein müdes Lächeln. Die Aura Maisies veränderte sich auf einmal und wurde missgünstig.
Eleasar spürte, dass Ria sich verspannte. Es war eine abwehrende und zugleich drohende Anspannung.
Sie ist eifersüchtig auf mich, knurrte seine Gemahlin böse.
Wieder drückte er ihre Hand. Du musst dein Terrain nicht abstecken. Ich weiß, wem mein Herz gehört.
Ria wandte ihm ihren stumpfen Blick zu. Er war sich sicher, dass sie ihm sagen wollte, er habe einen an der Waffel.
„Kaiser", erklang Maisies rauchig-schwere Stimme.
Die verputz ich zum Frühstück!
Er hatte Mühe, Ria nicht gleich wieder in ihre Wohnung zu schleppen. Würdevoll nickte er der Königin zu. Normalerweise hätte er sie jetzt mit seiner Gemahlin bekannt gemacht, allerdings hatte er den Eindruck, dass das nicht allzu gut verlaufen würde. Wie hatte sie bloß mit dieser Manier zur Herrscherin aufsteigen können? Das was wohl nur möglich, weil die Welt dort anders strukturiert war.
„Wir sind alle überrascht, Eure Gemahlin auf einmal wieder an Eurer Seite vorzufinden." Die Königin verneigte sich tief. Dabei fixierte sie Ria mit ihren stahlgrauen Augen.
Ich könnt kotzen.
Hastig winkte er einen der Kellner zu sich, nahm ihm eines der Gläser ab und drückte es nach kurzem Nippen seiner Frau in die Hand. „Warum trinkst du nicht etwas, Liebling? Du siehst durstig aus."
Hast du gerade probiert, ob das Getränk vergiftet ist? Sie klang amüsiert und gerührt zugleich. Gift hat seine eigene Signatur. Das kann ich wahrnehmen.
Beeindruckt strich er ihr über den Handrücken. Das hatte er nicht gewusst. Du solltest mich auf Dauer einmal darüber aufklären, was du alles besser wahrnehmen kannst als ich.
Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. „Möchtest du nicht langsam die versteckte Frage beantworten?", fragte sie zuckersüß.
Sein Blick wanderte zurück zu Maisie. Ihm stand nicht im Geringsten der Sinn nach Smalltalk. Und schon gar nicht, wenn seine Frau jede Aussage der anderen kommentierte. „Gibt es einen Grund, weshalb Sie mit mir reden möchten?"
Die Königin wirkte überrascht. Gleichzeitig verschluckte Ria sich an ihrem Getränk. Wie es aussieht, hat sie deine Gleichgültigkeit mit Interesse verwechselt. Wie verzweifelt muss sie sein, wenn...
Eleasar erhob sich und Maisie wirkte auf einmal freudig überrascht. Neben ihm knurrte Ria leise. Er drehte sich seiner Frau zu und verdrehte die Augen. Er hatte nicht erwartet, dass sie jemals so eifersüchtig sein würde. Wobei eifersüchtig wohl das falsche Wort war. Sie unterstellte ihm ja nichts, sondern wollte Maisie nur aus ihrem Revier vertreiben. „Tanz mit mir."
Er spürte Rias bodenlose Fassungslosigkeit, ehe sie verstand, dass er sie meinte und nicht die Königin. Ein wenig unbeholfen stellte sie ihr Glas zur Seite und ließ sich aufhelfen. Mit für ihn offensichtlich gespieltem Ernst fragte sie: „Bist du dir sicher? Nicht, dass das Volk noch auf die Idee kommt, du hättest Spaß am Tanzen. Und das sogar mit deiner Frau. Skandalös." Soweit ihre erblindeten Augen es noch konnten, strahlten sie ihn verschlagen an. Für die anderen trug sie die Illusion, die sie auch bei ihrer Rückkehr getragen hatte. Wer nicht wie er in ihr Geheimnis eingeweiht war, konnte den eigentlichen bleichen Schimmer hinter dem strahlenden Orange ihrer Augen nicht erkennen.
„Warte." Sanft hielt er sie davon ab, die Stufe zu nehmen und dabei über den Saum ihres Kleides zu stolpern. „Der Stoff ist verrutscht." Achtsam richtete er ihren Rock wieder her, ihre neckende Bemerkung einfach übergehend.
Als sie endlich neben ihm stand, legte er ihr eine Hand ins Kreuz und zog sie unauffällig an sich. „Ich hatte ganz vergessen, wie eifersüchtig du sein kannst", raunte er ihr mäßig belustigt zu.
„Mein Lieber, da bin ich nicht die einzige", entgegnete sie spitz und ruckte mit dem Kopf leicht in Richtung Meute.
„Touché", lachte er leise. Sein Blick streifte Maisie, die jetzt neben ihnen stand und ihn merkwürdig anstarrte. Zeitgleich spürte er, wie seine Frau sich in seine Gedanken einklinkte. Sie ist verletzt, erklärte sie ihm tonlos. Hat sich Hoffnungen gemacht, ich würde nie mehr auftauchen.
Ich hätte mir niemals eine andere Frau gesucht, empörte er sich pikiert.
Ria kicherte geschmeichelt. Ich fühle mich geehrt. Auf einmal wurde sie ernst. Du weißt, wie man eine Verbindung lösen kann. Sollte mir etwas zustoßen, will ich, dass du genau das tust. Dein Leben sollte nicht mit mir enden.
Schlagartig war es um seine recht entspannte Stimmung geschehen. Seine Hand in ihrem Kreuz verspannte sich und sein Griff um ihr Handgelenk wurde merklich fester. Betont sanft umfasste er ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, eine neutrale Miene zu bewahren. Sag so etwas nie wieder, fuhr er sie ungehalten an. Das konnte sie unmöglich ernst gemeint haben. Sie plante doch nicht etwa...
Versteh' mich nicht falsch, ruderte sie hastig zurück. Ich möchte nur nicht, dass dein Leben so endgültig an meins gekettet ist.
Unter ihren Worten löste sich ein Teil seiner körperlichen Anspannung auf. Das ist allein meine Entscheidung, knurrte er verstimmt und strich ihr sacht mit dem Handrücken über die Wange. Dabei malte sich ein leichtes Lächeln auf seinen sonst so ernsten Zügen ab. Außerdem geht das nicht.
Sie wollte ihm gerade mitteilen, dass er es angeblich schon einmal vor Jahrzehnten fertiggebracht haben sollte, da fügte er finster hinzu: Den Preis zu zahlen bin ich nicht bereit.
Innerlich seufzte Ria schwer auf. Anscheinend war mit ihm nicht darüber zu diskutieren.
„Es ist wundervoll, Euch wieder lächeln zu sehen, Eure Majestät", sagte Maisie und verneigte sich vor Eleasar.
Ria, die ihre Gegenwart völlig ausgeblendet hatte, zuckte kaum merklich zusammen. Sie war froh, dass diese Frau eingesehen zu haben schien, dass sie bei ihrem Elea keine Chance hatte.
Die kurvige Königin war keine Minute fort, da hielten schon andere Personen auf das Kaiserpaar zu und nahmen es in Beschlag. Ein wenig hilflos klammerte Ria sich an ihren Mann und hoffte, diese Farce möge bald ein Ende haben. Sie konnte nur zu gut spüren, dass die meisten sich mit ihr und Elea gut stellen wollten. Sie bekam einige Komplimente, die sie mit einem schwachen Lächeln quittierte. Schlimm waren vor allem die oberflächlichen Frauen in Begleitung der vielen Männer, die angeblich wichtige Dinge mit ihrem Kaiser zu besprechen hatten. Keines der Püppchen verfügte über einen Funken Intelligenz. Stattdessen ließen sie sich über die Kleider der einen oder anderen Person aus und tratschten. Schon nach wenigen Minuten war ihr schrecklich langweilig. Wenn doch bloß Adele und ihre Familie oder wenigstens Eilean da wären. Aber Cian hatte sie sich geschnappt und sie auf einen spontanen Kurzurlaub entführt, nachdem sie vor zwei Tagen aus der Menschenwelt zurückgekehrt war.
Eine weitere Gruppe trat an sie heran. Anscheinend eine Horde Frauen, denn alles, was Ria wahrnehmen konnte, war das aufgeregte Geschnatter eines ganzen Frauengeschwaders.
Eleasar spürte, wie ihr langsam alles zu viel wurde. Seiner Meinung nach hatten sie schon genug Zeit hier unten verbracht und konnten sich getrost zurückziehen. Er war unheimlich stolz auf sie, dass sie sich überhaupt mit ihm nach unten und in die Menge getraut hatte. Ganz zu schweigen davon, dass sie die bislang brenzligen Situationen immer hervorragend gemeistert hatte. Zwar nicht ohne auf ihre Fähigkeiten wie das Lesen von Gedanken und Emotionen zurückzugreifen, doch war es beeindruckend, wie sie sich zu helfen wusste. Sie stumm um Erlaubnis bittend, drückte er leicht ihre Hand.
Augenblicklich lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. Es war ihm egal, dass einige Leute fragend zu ihnen hinüber sahen oder gar ihre Gespräche einstellten. Unfähig, seiner hinreißenden Frau zu widerstehen, zog er sie an sich und strich ihr liebevoll über ihre zartrosa Wange. Ria wurde müde, das sah man ihr langsam an.
„Meine Gemahlin und ich gedenken uns zurückzuziehen", teilte er seinen Gesprächspartnern mit.
Die anderen wirkten verwundert, sagten jedoch nichts. Das hätten sie auch mal versuchen sollen. Wenn es um Ria ging, war ihm nichts heilig. Wozu war er denn sonst Kaiser?
Er wollte sich gerade umdrehen, da gefror Ria. Fragend sah er zu ihr hinunter und musste feststellen, dass sie etwas in der Saalecke hinter ihm fixierte. Er folge ihrem Blick und erstarrte. Da stand jemand, eine Frau, der blaugrauen Kleidung zufolge aus Maisies Gefolge, und schien den Bewegungen nach eine Beschwörung durchzuführen. Ein Geist schien in diese Ebene wechseln zu wollen.
Ria schnaubte abfällig. „Das willst du nicht wirklich", erklärte sie der Nekromantin mit eiskalter Stimme.
Die Frau sah auf und starrte sie auf eigenartige Art und Weise an, dann begann sie ihren Kopf zu schütteln. „Ich habe meine Befehle."
Ria lehnte sich an Eleasar, verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter und verband sich teilweise mit ihrer zweiten Welt. Dort befahl sie dem Geist, den die Nekromantin soeben beschwören wollte, zu verschwinden und entband ihn von dem Ruf. Es kostete sie mehrere Versuche, da ihre Gegnerin erschreckend geschickt in dem war, was sie tat. Nachdem das erledigt war, kehrte sie mit ihrem Bewusstsein wieder in die Anderswelt zurück. Dort wurde sie von der Vielzahl Anwesender fast erschlagen. Erschrocken schnappte sie nach Luft.
Eleasar reagierte schnell und stützte Ria, bevor sie vor allen zusammenbrechen konnte. Die Palastwache war bereits bei der Nekromantin eingetroffen und nahm sie soeben fest. Das war erledigt. Zunächst wartete er, bis Ria wieder von sich aus stehen konnte, dann wandte er sich an Maisie. Die Königin sah sehr bleich aus.
„Möchtest du deinen Verrat gleich eingestehen oder muss ich nachhelfen?", fragte er leise und kalt. Im Saal wurde es schlagartig still.
Auf dem Gesicht seiner Untergebenen breitete sich eine Unschuldsmiene aus. „Ich wüsste nicht, welchen Verrates ich mich schuldig gemacht habe."
Er antwortete nicht, zog lediglich eine Augenbraue hoch.
Maisie beteuerte ihre Unschuld.
Eleasar war kurz dafür, ihr wehzutun. Er hatte genug von diesem Possenspiel und wollte einfach nur mit seiner Frau zusammen sein.
Ohne Vorwarnung trat Ria einen Schritt vor. Er war geneigt, nach ihrem Arm zu greifen, doch sie winkte leicht mit ihrer Hand ab. Dennoch blieb er in ihrer Nähe. Kurz vor Maisie kam sie zum Stehen, lächelte die Königin unverbindlich an und beugte sich leicht vor, als hätte sie ein Geheimnis zu teilen. „Es ist nicht ratsam, ihn zu belügen. Oder mich."
Die in die Ecke gedrängte Königin sah an Ria vorbei, direkt zu Eleasar. „Mein Kaiser, ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ich bin ebenso erfreut, wie alle anderen auch, dass Eure Gemahlin wohlbehalten wieder zu Euch zurückkehren konnte. Natürlich frage auch ich mich, wo sie all die Jahre war."
Eleasars Miene verfinsterte sich. „Meine Gemahlin ist anwesend und durchaus ansprechbar. Sie ist eure Kaiserin und als solche habt ihr sie auch zu behandeln." Seine Stimme hallte klar und deutlich durch die Halle. Der mahnende Unterton ließ viele der Anwesenden betreten zu Boden starren. Wesentlich sanfter sagte er dann: „Komm Ria, ich regle das morgen."
Er erwartete, dass sie ihm widersprechen und die Angelegenheit sofort klären wollte, doch überraschenderweise zuckte sie mit den Schultern und drehte sich zu ihm um. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Als er es sah, wusste er, dass sie ihm ausnahmsweise das Feld überließ. Untypisch für seine Frau. Aber vielleicht hatte sie auch einfach ihre Einstellung dazu geändert, immerhin waren einige Jahre ins Land gegangen und sie herrschte jetzt über ihre eigene Welt. Und das anscheinend gut, schließlich hatte sie gerade den Geist daran gehindert, beschworen zu werden. Dass die Rückkehr in diese Welt sie kurzzeitig aus der Bahn geworfen hatte, war nicht anders zu erwarten gewesen. Und doch hatte sie sich erstaunlich schnell wieder an die Umgebung gewöhnt. Wesentlich schneller als noch vor wenigen Wochen. Ungläubig schüttelte er seinen Kopf. Da war diese unglaubliche Frau gerade mal seit vier Wochen zurück und schon hatte sie vieles wieder fest im Griff - am allermeisten ihn.
Kurz vor ihm blieb sie stehen und neigte ihren Kopf leicht schief. Er mochte diese Geste, gepaart mit diesem leichten koketten Lächeln. Liebste, du treibst mich noch in den Wahnsinn.
Jetzt lächelte sie ihn offen an. Na, dann scheine ich meinen Job als deine Frau ja richtig zu machen.
Da musste er auch lächeln. Nun komm, bevor ich vor unserem Volk über dich herfalle.
Rias Kopf zuckte in eine aufrechte Position und er könnte schwören, dass sie gerade leicht errötet war. Andächtig griff er nach ihrer Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Ohne seinen Untergebenen weiter Beachtung zu schenken, führte er sie aus dem Raum. Vor der Tür ordnete er die Wachen an, Maisie zu beobachten und notfalls festzunehmen.
Kaum waren sie oben in ihren Räumen angelangt, hob er Ria hoch und trug sie ins Schlafzimmer, wo er sie behutsam neben dem Bett absetzte. Unter seinem wachsamen Blick begann sie, die Verschlüsse ihres Kleides zu lösen. „Soll ich dir helfen?", erkundigte er sich belustigt, als sie anfing, abenteuerliche Verrenkungen durchzuführen.
Frustriert ächzte sie und ließ ihre Hände sinken. „Das ist einer der großen Nachteile dieser Welt oder des Blindseins, nimm es wie du willst. Vielleicht sollte ich doch dazu übergehen, nur noch schwarz..."
„Vergiss es", unterbrach er sie und trat dich an sie heran, um die geschickt unter dem Stoff verborgene Schnürung zu öffnen. Automatisch hielt Ria die Luft an und versuchte, ihm so viel Spielraum wie möglich zu geben. Es half alles nichts. Irgendwann hatte er die Nase gestrichen voll davon und zerriss die Schnüre einfach.
Seine Frau kicherte wie ein kleines, aufgedrehtes Mädchen. Anscheinend war sie in verspielter Stimmung. Behutsam streifte er ihr den Stoff von den Schultern und streich dann zärtlich über ihre nackte Haut. Sie war warm und weich. Ihr Kichern erstarb und sie verharrte in leicht angespannter, abwartender Haltung - wie immer, wenn sie unsicher war oder sich vorerst leicht überfordert fühlte.
„Ich könnte die Beherrschung verlieren und mich... nun ja, ein wenig verwandeln", gestand sie mit rauer Stimme und strich sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht.
Anspannung, von der er gar nicht gewusst hatte, sie zu haben, wich enormer Erleichterung darüber, dass sie nicht ihr Zusammensein fürchtete. Gleichzeitig beschwor ihre Angst und Unsicherheit einen Kloß in seiner Kehle. Äußerst vorsichtig und bedacht begann er, ihren herrlich zarten Nacken ganz leicht zu massieren. Er trat noch ein wenig dichter an sie heran, damit sie seine Körperwärme spürte. Auf diese Weise wollte er seine folgenden, emotionsschwanger vorgebrachten Worte unterstreichen. „Für mich bist du alles, mein kleiner Wirbelwind. Meine Gemahlin, meine Freundin und Geliebte, meine Existenz. Seit ich dich kenne, verstehe ich durchaus, warum Menschen so perfekte Wesen wie diese Engel anbeten." Ein zärtlich gehauchter Kuss in ihren Nacken. „Nenn mich ruhig verblendet und voreingenommen, aber für mich bist du das schönste Wesen dieser Welten, egal welche Farbe deine Haut hat. Meine Liebe zu dir kennt keine Äußerlichkeiten. In meiner Welt existieren nur drei wichtige Frauen. Lassen wir meine Mutter und unsere Tochter außen vor, so bleibt nur noch das überaus bezaubernde Wesen vor mir, das mich schon den ganzen Abend fast um den Verstand bringt." Quälend langsam ließ er seine Hände über ihre Schultern wandern, bis zur Mitte ihrer Oberarme und wieder zurück. Sie musste ihm das Okay geben, eher würde er sie nicht anrühren. Da konnte er noch so sehr vor Verlangen nach ihr vergehen.
Ein Zittern durchfuhr ihren Körper, bevor sie sich mit einem resigniert klingenden Seufzen an ihn schmiegte. „Aber langsam, ja?" Ihre zittrige Hand fand die seine.
Liebevoll hauchte er einen Kuss auf ihre leicht kalten Finger. „Natürlich. Sag mir, wenn es dir zu schnell geht."
Sie lachte nervös und kehlig. „Hm, du könntest dich ausziehen. Dann wäre ich nicht so im Nachteil."
Vorsichtig führte er sie zum Bett und wartete, bis sie sicher saß, dann entledigte er sich seiner lästigen Kleidung, stellte sich vor sie und legte ihre Hände sanft auf seinen Oberkörper, damit sie ihn neu entdecken konnte.
Andächtig erkundete sie seine Brust und seinen Bauch. „Wo nimmst du bloß die ganzen Muskeln her?", brummte sie verständnislos. „Du machst den ganzen Tag doch nichts anderes als faul rumzusitzen."
„Ein bisschen anspruchsvoller ist mein Amt schon", bemerkte er entrüstet hüstelnd.
Ein Lächeln huschte über ihre Züge. „Du bist mir schon einer, Elea."
Der Klang seines Spitznamens, den sie ihm aufgezwungen hatte, brachte ihn dazu, ihre Erkundungstour auf später zu vertagen. Darauf achtend, dass sie sich nicht verletzen würde, warf er sie zurück aufs Bett. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie ihn so ansprach, doch kam es für seinen Geschmack noch viel zu selten vor. Zuerst mochte er sich gegen diese eigenartige Abkürzung gewehrt haben, doch musste er zugeben, dass es ihn glücklich gemacht hatte, so von ihr genannt zu werden. Es war ihre eigene, unverwechselbare Art, ihn anzusprechen. Sie brauchten keine Koseworte, um einander zu zeigen, wie innig ihre Beziehung war. Das wussten sie selbst am besten. Andächtig machte er sich daran, ihren weichen Körper zu erkunden. Ihre Haut wies bereits jetzt einige dunkle Stellen auf. Der Anblick mochte vielleicht auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig sein, doch stimmte, was er gesagt hatte. Es störte ihn nicht im Geringsten.
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