.:73:. Die Katze ist aus dem Sack
Nach diesem überraschend entspannten und gut verlaufenen Frühstück zogen sich die anderen wieder zurück, um ihnen ein wenig Privatsphäre zu gönnen. Eleasar ließ sich seine Schreibarbeit vorbei bringen und nahm den Wohnzimmertisch in Beschlag, während Ria und Eilean auf einem Sofa saßen und letztere die Gelegenheit nutzte, ihre Mutter weiter auszufragen.
Es war noch nicht ganz Mittag, da klopfte es an ihrer Wohnungstür. Angeblicher Besuch für Eilean. Aus Rücksicht vor ihrer Mutter wollte sie ihre Gäste im vorderen Wohnzimmer empfangen. Leider waren ihre Gäste schneller. Jeada, Nina und Linus stürmten durch die Tür.
„Lin, wie geht es dir?"
Prompt verspannte Ria sich und bereitete sich auf einen Kampf vor. Um ihre Mutter wenigstens ein wenig vor den aufgedrehten Personen zu beschützen, trat Eilean zwischen sie und ihre Freundinnen. „Ihr hättet drüben warten sollen", erklärte sie bemüht ruhig. „Ihr könnt hier nicht einfach so einfallen." Sie wollte ihre Mutter für sich haben und mit ihr reden. Was fiel den anderen ein, sie einfach so zu stören? Auch wenn sie ihre Freundinnen waren, so hatten sie doch ihre Privatsphäre zu respektieren. Das hatten sie früher doch auch getan. Niemals zuvor hatten sie diese Wohnung betreten, wenn ihr Vater anwesend war.
„Wir haben uns nun mal um dich gesorgt", erklärte Linus, stellte sich direkt vor Eilean - und machte den Fehler, nach ihrem Arm zu greifen.
Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig. Ria sprang nach vorne, um ihre Kleine vor dem Angreifer zu beschützen und Eleasar, um seine Frau zurückzuhalten. Zu Linus' Glück war er schneller als Ria. Deine Tochter kann sich sehr gut selbst verteidigen. Seiner Frau beruhigend über den Rücken streichend erklärte er ihr, dass er ihrer Tochter an ihrer Statt das Kämpfen beigebracht hatte. Nachdem Ria sich wieder einigermaßen entspannt hatte, sah er auf und musterte den Jungen abschätzend, bevor sein Blick zu den Schulfreundinnen seiner Tochter glitt. „Ihr dürftet nicht hier sein."
Von der Tür her erklang ein ersticktes Luftholen. Prompt war es mit Rias Ruhe vorbei und seine Laune sank rapide. Die drei waren nicht die einzigen Gäste. Offenbar war die gesamte Klasse erschienen.
„Gelehrter Logan, ich hoffe, Sie haben eine gute Erklärung für diese Ruhestörung."
Logan? Ria horchte auf. Etwas in ihrer Erinnerung meldete sich. Diesen Namen hatte sie doch schon einmal gehört.
Kaiserlicher Berater im Bereich Fertigkeitsentwicklung, half ihr Mann ihr auf die Sprünge. Ihn haben wir damals aufgesucht, als du angefangen hast, die Gedanken anderer zu hören.
Der Gelehrte starrte betreten auf den Boden. „Verzeiht die Störung, Eure Majestät. Meine Schüler ließen sich nicht davon abhalten, Eurer Tochter einen Krankenbesuch abzustatten."
„Ihr Fernbleiben hat andere Gründe", erklärte er kalt und bemühte sich, Ria vor den neugierigen Blicken der anderen abzuschirmen.
Professor Logan sah kurz zu ihm auf. Sein Blick blieb an jemandem neben ihm hängen und seine Augen wurden groß. Ehrfurchtsvoll starrte der Gelehrte Ria an. „Grundgütiger." Er verneigte sich tief. „Es ist mir eine Ehre, Euch erneut anzutreffen, Kaiserin." Angesichts dieser Anrede richtete sich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Ria. Viele der Schüler begannen zu murmeln.
Ria versteifte sich weiter, sagte aber nichts. Plötzlich stieg ihre Temperatur an und Eleasar wusste, dass Ragnarök wieder bei ihr war. Er spürte, wie seine Frau sich bemühte, ihre Fassade zu wahren. Es kostete sie eine Menge Selbstbeherrschung. Wenn sich nicht bald etwas änderte, würde sie überfordert sein und etwas tun, was sie später zutiefst bereute.
Logan betrachtete seine Herrscherin eingehend, bevor er vor ihr auf die Knie sank. „Ihr habt sämtliche Erwartungen übertroffen. Ich bin froh, dass Ihr nach all der Zeit zurückgekehrt seid."
„Wer sagt denn, dass sie überhaupt weg war?", warf plötzlich einer der Schüler ein.
„Halt die Klappe, du Idiot", fauchte Eilean. Wenn es nach ihr ginge, würde sie ihrem Mitschüler jetzt den Kopf abreißen. Eine solche Anschuldigung zu äußern stand ihm nicht zu! „Ihr alle habt hier nichts zu suchen und geht jetzt besser." Bevor ihrem Vater der Kragen platzte. Seine schlechte Laune und Anspannung waren nicht zu übersehen. Es fehlte nicht mehr viel und er würde ihren Mitschülern einen Denkzettel verpassen. Nicht, dass sie etwas dagegen hätte.
„Cole." Der Gelehrte funkelte den Schüler böse an. „Ihre Majestät, die Kaiserin war abwesend. Hättest du in meinem Unterricht einmal aufgepasst..."
Ria hatte genug gehört. Sie wollte einfach nur weg. Die Unterstellung, sie könnte nur so getan haben, machte sie fertig.
„Ria." Eleasar versuchte sie zu fassen, doch sie nutzte einfach ihre Welt, um ihm zu entkommen. Sie wollte alleine sein.
Als ihre Mutter verschwand, erstarrte alles in Eilean und die Temperatur im Raum sank rapide ab. Sie konnte sehen, wie ihr Vater sich nur noch mühsam im Griff hatte.
Sag ihm, dass deine Mutter im Schlafzimmer ist, meldete sich Ceres zu Wort. Sie verlässt euch nicht freiwillig.
„Papa."
Sofort hatte sie seine Aufmerksamkeit. Mit einem leichten Kopfnicken deutete sie in Richtung Schlafzimmer. Er verstand sofort und ging, ohne den ungebetenen Gästen Beachtung zu schenken, weg. Kaum war er zur Tür hinaus, funkelte Eilean die anderen wütend an. „Ihr alle, werdet jetzt gehen. Es geht euch nichts an, was in meiner Familie los ist." Mit ihren Blicken erdolchte sie Cole. „Meine Mutter ist gerade erst wieder da und da kommst du Idiot und sagst so etwas in ihrer Gegenwart!" Am liebsten hätte sie ihn zusammengeschlagen. „Weißt du eigentlich, wie kurz mein Vater davor war, dir den Kopf abzureißen? Und nicht nur er."
„Lin", begann Jeada und hob beschwichtigend die Hände.
„Nicht Lin", fauchte sie wütend. „Ihr alle habt absolut keine Ahnung! Ihr solltet drüben warten und nicht einfach die Wohnung stürmen. Das stand euch nicht zu!"
„Aber wir sind doch deine Freundinnen", warf Nina verständnislos ein.
Eilean schnaubte. „Und das gibt euch also das Recht, die Privatsphäre meiner Eltern zu stören und meiner Mutter wüste Anschuldigungen an den Kopf zu werfen?"
Die Wohnungstür wurde geöffnet und Aram kam herein. Als er den Auflauf sah, verfinsterte sich seine Miene. „Lin, dein Vater möchte, dass du dir heute mit Cian einen schönen Tag machst."
Erleichterung durchflutete sie. Wenn ihr Vater noch in der Lage war, ihren Onkel her zu bitten, konnte es nicht allzu schlimm sein. „Er hat dich gebeten her zu kommen?"
Ihr Onkel schüttelte leicht seinen Kopf. „Nein, es geht um etwas anderes." Sein Blick wanderte über ihre versammelte Klasse. „Jetzt bin ich aber froh, dass ich gleich hergekommen bin." Mit seinen blassgrünen Augen fixierte er den Gelehrten. „Sie sind dafür verantwortlich, dass diese jungen Leute sich benehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kaiser euch vorgelassen hat."
Logan wirkte auf einmal betreten. „Nun, Eilean hat gefehlt und diese Gerüchte..."
Entrüstet schnappte Eilean nach Luft. Sie hatten ihre Existenz ausgenutzt, um als erste an Informationen zu kommen? Das war das letzte. Enttäuscht sah sie zu ihren Freundinnen. „Von euch hätte ich mehr erwartet."
Aram trat neben sie und nahm sie tröstend in den Arm. „Geh zu Cian. Der geht seiner Mutter gerade auf die Nerven und kann eine Abreibung vertragen", raunte er ihr zu und schob sie sanft in Richtung Tür. „Ich werde mich um deinen Vater und diese Meute hier kümmern."
Dankbar schickte Eilean sich an die Wohnung zu verlassen. Es tat weh, dass ihre Freundinnen sie missbraucht hatten. Sie konnte jetzt eine starke Schulter zum Anlehnen gebrauchen, aber ihr Vater war gerade nicht verfügbar. Es war ein erneuter Stich in ihrem Herzen. Ihr Vater war jetzt nicht mehr nur für sie da.
„Eilean, Aram." Kaum hatte sie das gedacht, erschien das Objekt ihrer Grübeleien im Türrahmen und wirkte merkwürdig verschlossen.
Während Eilean sich noch fragte, was er zu tun gedachte, reagierte Aram und zog sie mit sich ein wenig zurück. Ihr Vater schritt auf die ungebetenen Gäste zu und faltete sie ordentlich zusammen. Noch nie zuvor hatte sie ihn so kalt und abweisend erlebt. Nachdem er geendet hatte, erschienen Palastwachen und führten ihre Klasse mitsamt Gelehrten ab. Ihr Vater hatte sie des Palastes verwiesen.
„Alles okay?" Besorgt wandte er sich zu ihr um - ein Blick in ihr Gesicht genügte und er zog sie tröstend an sich. „Es tut weh, ich weiß."
„Soll ich nach Ria sehen?", erkundigte Aram sich hilfsbereit.
„Sie schläft."
Der Vampir seufzte resignierend. „Du kannst sie nicht immer schlafen schicken, wenn es ernst oder stressig wird." Das hatte Eleasar früher schon gerne gemacht.
Ungläubig hob er eine Augenbraue. „Und meine blinde Frau auf sich allein gestellt zurücklassen? Sie ist heute Morgen schon gegen die Wand gelaufen."
Aram konnte nicht anders, als zu lachen. „Das sieht ihr ähnlich." Dann wurde seine Miene wieder ernst. „Die Leute rennen dir den Audienzsaal ein."
Eleasar seufzte schwer. Das hatte er schon befürchtet. Er drückte seine Tochter ein letztes Mal an sich, ehe er wieder in die Rolle des Kaisers schlüpfte. „Lass bitte die Wachen verstärken und alle, die keinen offiziellen Termin haben entfernen. Ich werde keine Fragen zu meinem Privatleben beantworten. Sollte Ria in der Verfassung sein, sich dem Volk zu zeigen, wird sie es tun." Mit einem letzten Blick auf seine Schlafzimmertür verließ er die Wohnung.
„Dein Vater wird sich schon wieder einkriegen. Er macht sich fürchterliche Sorgen und denkt, deine Mutter kann mit der Situation nicht umgehen." Aufmunternd drückte Aram Eilean an sich. Die Kleine tat ihm schon ein wenig leid. „Er mag es vielleicht nicht zugeben, aber Rias Zustand nimmt ihn ziemlich mit."
Für sie war das alles ein bisschen viel. „Papa regelt doch immer alles."
Ihr Onkel schüttelte leicht seinen Kopf. Eleasar hatte rein gar nichts im Griff. Und das brachte ihn dieser Tage um den Verstand, seine Gefühle fuhren Achterbahn. „Warte, bis deine Mutter nicht mehr ganz so hilflos ist, dann wird auch er sich wieder fangen." Aufmunternd stupste er ihr in die Seite. „Na komm, Cian hat wirklich nichts zu tun."
„Meinst du, das legt sich wieder?" Das ganze Theater vorhin hatte auch sie aus der Bahn geworfen. Es war das erste Mal, dass ihr Vater nicht ausschließlich für sie da war.
„Natürlich. Warts ab, morgen wird die Welt schon anders aussehen. So, wie ich Ria kenne, wird sie sich spätestens in einem Monat an alles gewöhnt haben und nur noch wenig Hilfe brauchen. Halt dich bis dahin einfach an meinen Jungen."
Wie gut, dass sie ihren Onkel hatte, der immer für sie da war, wenn ihr Vater es gerade nicht konnte. Erleichtert schlang sie ihre Arme um ihn. „Danke."
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