.:6:. Kampfkuscheln
Kurz nachdem das Herrscherpaar gegangen war, saßen sie gemeinsam im Wohnzimmer. Ria hatte sich an ihn geschmiegt und blätterte durch ein paar Aufzeichnungen. Eleasar hatte einen Arm um seine Frau gelegt, nippte gelegentlich an seinem Getränk und beobachtete sie dabei, wie sie ihren Überlegungen bezüglich Eileans voreiliger Entwicklung nachging.
Schließlich legte sie die Blätter beiseite. „Ich kann nichts finden. Ich müsste runter zu der Ahnenhöhle, wenn ich zuverlässigere Antworten haben will."
Liebevoll strich er ihr durch ihr weiches, hüftlanges Haar. Es war so schwarz, dass selbst die Nacht ihr die Reinheit der Farbe neidete. „Ich werde dich begleiten."
„Nein." Entschieden schüttelte sie ihren Dickkopf. „Ich muss alleine mit ihm sprechen. Am besten zu einer Zeit, an der kaum jemand dort ist."
„Das wäre dann nachts", bemerkte er trocken. „Ich begleite dich." Sein Tonfall machte deutlich, dass die Diskussion beendet war. Er war nicht bereit, über ihre Sicherheit zu verhandeln.
„Du übertreibst", schalt sie ihn mit verstimmt gerunzelter Stirn. „Innerhalb dieser Stadt bin ich sicher."
„Weil dir niemand an den Kragen will", entgegnete er sarkastisch.
Genervt verdrehte sie die Augen. „Elea, ich bin nie hundertprozentig sicher."
„Entweder mit mir oder gar nicht."
Sie schnaubte. „Ich bin lange genug alleine dorthin gegangen."
„Immer mit Geleitschutz", erinnerte er sie ernst. „Du warst zu lange fort, als dass ich dich jetzt schon wieder gehen lassen könnte."
Einerseits rührte es sie ja, dass er so besorgt um sie war, andererseits nervte sie die meiste Zeit der Umstand, dass es bedeutete, sich nicht frei bewegen zu können. Als wäre sie unfähig, sich selbst zu schützen. „Du tust ja so, als wäre ich ein Baby."
„Ria." Mahnend legte er ihr eine Hand in den Nacken. „Übertreib es nicht."
Tief durchatmend schloss sie kurz ihre Augen. Es hatte keinen Sinn, mit ihm darüber zu diskutieren. „Und Eilean?", fragte sie ergeben.
„Isla wird sich freuen, für einen Abend Oma sein zu dürfen."
Sprachlos lehnte sie sich an ihn. Nach einer Weile schüttelte sie resignierend ihren Kopf. „Manchmal bist du einfach unmöglich."
Sein Lachen vibrierte in ihren Körper. „Du treibst mich auch regelmäßig in den Wahnsinn."
„Freut mich, dass du auch leidest."
Zufrieden etwas Unverständliches vor sich hin brummend drückte Eleasar sie an sich. „Also, wann möchtest du gehen?"
Manchmal hatte sie das Gefühl, er würde sie nicht wirklich kennen. Ansonsten hätte sich diese Frage nämlich erübrigt. „Du sagst, dass ihr Geist innerhalb von zwei Tagen weiter abgebaut hat. Das erscheint mir erschreckend schnell, meinst du nicht auch? Sofern du kein zweites Du kennst, dass sich an sie bindet" - bei diesen Worten knurrte er böse - „müssen wir wohl in Betracht ziehen, ihr demnächst einen Gefährten zu beschaffen." Diese Option gefiel ihm schon wesentlich besser, auch wenn ihm nicht wirklich danach war, seine Tochter irgendeiner Gefahr auszusetzen. Und außerhalb seiner eigenen vier Wände warteten massenhaft davon auf seine Kleine.
Andächtig ließ er seine Finger unter ihr Shirt wandern. In all den Jahren, die sie nun schon hier lebte, hatte sie ihre Abneigung Kleidern gegenüber nie ganz abgelegt. Er konnte nur hoffen, dass sein Sprössling das ein wenig anders sah.
„Deine Gedanken nehmen eine Richtung, die deiner Tochter nicht helfen wird", hauchte sie verführerisch.
Äußerst widerstrebend ließ er von ihr ab und richtete ihre Kleidung. „Deine Schuld, wenn du dich so anziehst."
Prompt fand er sich unter einem, von einem Prusten begleiteten Nieselregen wieder. Ria hatte ihm sein Getränk ab und gerade einen Schluck zu sich genommen, als er das gesagt hatte. Ungläubig starrte sie ihn an. „Das ist nicht aufreizend."
Milde lächelnd wischte er sich die Flüssigkeit aus dem Gesicht. Er würde gleich noch einmal duschen müssen, bevor er seiner Arbeit nachging und diverse Leute empfing. „Ich fordere Satisfaktion", erklärte er leichthin.
Rias Augen begannen zu funkeln. „Draußen ist der Boden so matschig. Meinst du, die Einrichtung überlebt uns?" Ohne auf seine Antwort zu warten, begann sie die Möbel an die Wand zu rücken.
*****
Müde rieb Eilean sich den Schlaf aus den Augen. Wie war sie denn ins Bett gekommen? Sie erinnerte sich vage daran, auf Papas Schoß gesessen zu haben.
Guten Morgen, kleiner Sonnenschein.
„Ragna!" Begeistert sah sie sich im Raum um. Er war nirgends zu sehen. Enttäuscht ließ sie sich aufs Bett sinken.
Na, nur weil du mich nicht sehen kannst, bedeutet das nicht, dass ich nicht da bin.
Erneut sah sie sich verwundert um. „Wo bist du?"
Wenn ich mich dir zeige, bekomme ich Ärger mit deiner Mama. Ich bleibe eine Weile bei dir, verkündete der unsichtbare Schattedrache liebevoll. Eilean war für ihn fast wie eine eigene Tochter.
„Mama schimpft dann mit dir? Mit mir schimpft sie nie. Papa auch nicht." Verwundert schnappte sie sich ihr Stofftier. Ein Teddy, das hatte ihre Mama ihr gesagt. Teddys gab es in dieser Welt nicht, deshalb war ihr Kuscheltier etwas ganz Besonderes.
Deine Eltern sind viel zu vernarrt in dich, um dir böse zu sein. Belustigung schwang in seiner rauchigen tiefen Stimme mit.
„Wo sind Mama und Papa?" Auf müden Beinen stakste sie zur Tür.
Im Wohnzimmer, kam die prompte Antwort.
Sich langsam an der Wand und am Geländer die Treppe hinunter tastend, machte sie sich auf den Weg, ihre Eltern zu suchen. Ihr Papa war bestimmt arbeiten. Er arbeitete immer, wenn er nicht bei ihr war. Aus dem Wohnzimmer drangen komische Geräusche. Neugierig schielte sie durch den Türspalt. Was machten Mama und Papa da? Mit schiefliegendem Kopf beobachtete sie, wie ihr Papa ihre Mama auf den Boden legte. Er hielt ihre Hände fest. Und was machte ihre Mama? Sie pustete Luft aus und drehte sich um.
Ein schwarzes Band legte sich über ihre Augen. Irritiert rieb sie sie. Warum ging das nicht weg?
Das ist nichts für kleine Mädchen wie dich, meinte Ragnarök. Erfolglos versuchte er sie davon zu überzeugen, ihre Eltern alleine zu lassen.
Jetzt wollte sie erst recht wissen, was los war. Langsam öffnete sie die Tür ein Stück weiter und schielte verstohlen durch den immer breiter werdenden Spalt. Fragend sah sie ihrer Mama dabei zu, wie sie ihrem Papa das Hemd auszog.
Bitte, Eilean, das ist nichts für dich, flehte Ragnarök verzweifelt. Warum holen wir uns nicht etwas zu essen?
Sehr zu seinem Leidwesen hatte sie gerade keinen Appetit.
Neugierig streckte sie ihren kleinen Körper. Warum drückte Papa Mama gegen die Wand? Und warum war Mama so außer Atem?
„Papa?", fragte sie zaghaft.
Sofort ließ er von ihrer Mama ab und kam zur Tür. Freundlich lächelte er sie an, während er sich die zerzausten Haare ordnete. „Engel. Du bist ja wieder wach."
Verschüchtert nickte sie. „Was habt ihr gemacht?"
Gekuschelt, murrte Ragna.
Mit großen Augen wiederholte sie das Wort des Schattendrachens. „Gekuschelt?"
„Kampfkuscheln", erklärte Mama und hockte sich neben sie. „Na du süße Maus. Was hältst du davon, heute Abend was mit Oma Isla zu unternehmen?"
Begeistert fiel sie ihrer Mama um den Hals. Sie mochte Oma Isla. Sie las ihr immer ganz viele tolle Geschichten vor und erzählte von Mama und Papa.
„Dann bringen wir dich nachher zu ihr."
Sie ließ ihre Mama los, um ihren Papa zu fragen, ob er mit ihr spielte. Doch Papa stand bei einem Sofa und schob es durch den Raum. Wollte er umstellen? Neugierig sah sie sich um. Die neue Einrichtung gefiel ihr nicht sonderlich. Die Sofas standen viel zu weit auseinander. Neben ihr stand Mama auf und lief ganz schnell auf Papa zu. Sie wollte ihn warnen, da drehte er sich um und fing Mama mit seinen Armen auf. Beide fielen zu Boden, wo sie komische Dinge anstellten und sich hin und her rollten.
Tja, meine Kleine, du wolltest ja nicht auf mich hören.
„Das ist Kampfkuscheln?", fragte sie Ragnarök leise, der das alles sehr lustig zu finden schien.
Ja. So machen das andere, wenn die sich lieb haben. Wenn die sich nicht lieb haben, kann einer sich nachher nicht mehr bewegen.
„Machen Mama und Papa das oft?", fragte sie atemlos. Vor ihren Augen standen sich ihre Eltern jetzt gegenüber. Mama sprang Papa gerade an, da wurde sie von der Antwort des Schattendrachens abgelenkt.
Ja. Die haben sich ganz doll lieb, wie du weißt.
Verwundert schüttelte sie ihren Kopf. „Warum sagt Papa das nicht Mama? Mir sagt er das auch ohne Kampfkuscheln."
Ragnarök lachte vergnügt. Weil dein Papa dich anders mag als deine Mama.
Diese Antwort reichte ihr nicht als Erklärung. Sie nahm all ihren Mut zusammen, drückte ihren Teddy an sich und sagte: „Ich will auch Kampfkuscheln lernen."
Augenblicklich hielten ihre Eltern inne. „Kampfkuscheln?", fragte Papa irritiert.
Mama verstand schneller. „Wirklich?" Erfreut setzte sie sich vor Eilean. „Okay."
„Ria." Papa klang streng. Als hätte sie etwas falsch gemacht. Betroffen senkte sie den Blick.
„Hey, Engelchen. Du warst nicht gemeint." Ihr Papa setzte sich neben sie auf den Boden und zog sie auf seinen Schoß. Er war gar nicht mehr böse. „Meinst du nicht, dass es ein wenig zu früh ist?"
Sie wollte gerade antworten, da klopfte jemand an die Tür. Schon wieder ein blöder Angestellter. Die störten immer dann, wenn sie mit Papa alleine sein wollte. Das waren ganz gemeine Leute. Sie sah sich in ihrer Meinung bestärkt, als ihr Papa sie bei ihrer Mama auf den Schoß setzte und verschwand. Traurig kuschelte sie sich an ihre Mama. „Papa muss immer weg."
Tröstend strich Mama ihr übers Haar. „Das ist leider so. Papa ist ein wichtiger Mann." Ein ansteckendes Lächeln breitete sich auf dem hübschen Gesicht ihrer Mama aus. „Weißt du was? Wenn Papa arbeitet, können wir zwei etwas Kampfkuscheln üben."
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