.:48:. Nachricht aus einer anderen Welt

Liebevoll strich Eleasar seiner Frau über den Rücken. Sie saß im Schneidersitz auf der breiten Balkonbrüstung und starrte über den Palastpark auf das entfernt funkelnde Meer.

„Warum müssen nur immer wieder Leute nach Macht greifen, mit der sie gar nicht umgehen können?"

Offenbar hatte sie über die Beweggründe dieser sogenannten Vierten Union nachgedacht. Ihr sacht eine Strähne schwarzen Haares hinters Ohr streichend entgegnet er: „Macht ist verlockend. Je mächtiger man ist, desto weniger Feinde hat man, sollte man meinen. Allerdings vergessen viele die Kehrseite. Jedes Quäntchen Macht bringt einen Haufen Verantwortung mit sich. Seine Position zu missbrauchen, zeugt von keinem guten Charakter."

Ria schnaubte. „Kein guter Charakter? Diese Leute sind irre." Sie wandte ihren Blick von der Umgebung ab, um ihn direkt in die Augen sehen zu können. „Ergibt dieser Name, den sie sich da gegeben haben eigentlich Sinn?"

Innerlich aufseufzend schloss er kurzzeitig seine Augen. „Ich sollte dich wieder in die Schule stecken", bemerkte er beinahe resignierend.

Eine Welle der Entrüstung schlug ihm entgegen, dennoch schwieg sie. Sie war wohl wirklich neugierig.

„Die Vierte Union ist eine Anspielung auf die Entstehungsgeschichte dieses Weltgefüges." Er trat dicht hinter sie, um sie in seine Arme schließen zu können. Gemeinsam sahen sie aufs Meer, während er ihr von den uralten Zeiten erzählte, in denen die verschiedenen Wesen untereinander noch Krieg geführt hatten. Einigen Führern war es damals gelungen verschiedene Völker zu einen und Bündnisse zu schließen. Diese Unionen beanspruchten Land für sich und so bildeten die drei größten Bündnisse das ihnen heute bekannte System. Drei Weltenreiche, regiert von je einem Kaiser den und ihm untergeordneten Königen. Er nannte es eine Farce, dass sie sich die Vierte Union nannten, wollten sie doch offensichtlich die Weltherrschaft. Ansonsten hätten sie schon längst begonnen, sich Gebiete anzueignen.

Da konnte sie ihm nur beipflichten. „Eilean hat nächste Woche Geburtstag", murmelte sie nach einer kleinen Pause. Ihre bedrückte Stimmung war beinahe spürbar.

Elaesar hauchte ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel. „Wir werden unser Bestes geben, damit wir gemeinsam feiern können."

Ein Ruck ging durch ihren kleineren Körper bevor sie aufsprang und ihn unternehmungslustig anfunkelte. „Dann lass uns zu Raphael gehen und ihn fragen, ob er neue Fixpunkte für unsere Suche hat. Wir schaffen eh nur um die zwei pro Tag."

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Kaiser, der sich der Befragung von einigen Verrätern und seinen Spionen gewidmet hatte.

.

Menschenwelt.

Ein wenig überfordert saß Suzi vor einem Haufen Broschüren. So viele Möglichkeiten. Aber was sollte sie vorschlagen? Ob die Kleine überhaupt Lust dazu hatte? Seit ihre Eltern verschwunden waren, war sie recht schweigsam. Sie hatte nicht den Eindruck, dass sie oft von den beiden getrennt war.

„Worüber zerbrichst du dir deinen hübschen Kopf?", fragte ihr Mann interessiert und ließ sich neben sie sinken. Mit eindeutig belustigter Miene betrachtete er die Werbezettel. „Warum gehen wir nicht einfach mit ihr Schwimmen? Es muss ja nicht gleich ein Freizeitpark sein."

Seufzend lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter. „Ich möchte ihr aber etwas Spannendes bieten. Meinst du nicht, dass sie bei ihren Eltern oft genug schwimmen kann?"

„Ihr wart doch gestern auf dem Spielplatz und es hat ihr auch gefallen. Hast du nicht gesehen, wie viel Spaß sie hatte?"

„Papa?" Auf einmal kam Eilean ins Wohnzimmer gerannt, wobei sie sich suchend umsah.

Suzi und Aleix tauschten verwunderte Blicke, ehe sie sich ihrer Nichte zuwandten. „Was ist mit deinem Papa?", fragte Aleix vorsichtig.

Mit großen Augen sah Eilean ihren Onkel an. In ihren kleinen Fingern hielt sie krampfhaft etwas aus Papier fest. Zögernd, als würde sie sich nicht recht trauen, hielt sie ihm ihren leicht zerknitterten Schatz hin. „Das ist von Papa."

„Darf ich?"

Auf ihr unsicheres Nicken hin nahm er ihr das eigenartige Papier aus der Hand. Unterdessen lud seine Frau die Kleine ein, es sich bei ihnen auf dem Sofa bequem zu machen. Sie ließ sich nicht zweimal bitten und beobachtete gespannt, wie ihr Onkel das Schreiben auseinander faltete.

„Du hast recht, das ist von deinem Papa", stellte er erstaunt fest.

Eilean nickte entschieden. „Papa lässt mich nie lange alleine. Wenn er weg muss, dann schreibt er immer." Ihre niedliche Miene trübte sich. „Aber ich kann nicht alles lesen." Voller Bedauern starrte sie auf das Schreiben.

Er konnte es nicht ertragen, sie so traurig zu erleben. Zwar kannte er seine jüngste Nichte erst wenige Tage, doch wusste er mittlerweile, dass ihr Trauer nicht stand. Sie war eine Frohnatur, wie sie im Buche stand. „Das lässt sich einrichten. Soll ich dir vorlesen, was dein Papa dir geschrieben hat?"

Bevor er anfangen konnte vorzulesen, bat seine Frau ihn zu warten und verschwand in der Küche. Nach wenigen Augenblicken kehrte sie mit einem mit Bechern und Keksen beladenen Tablett zurück. „Machen wir es uns doch bequem", schlug sie vor und reichte ihrer Nichte einen Becher mit Kakao. „Die Kekse schmecken ganz lecker, wenn du sie in den Kakao tunkst."

Eilean kicherte leise. „Das macht Mama auch oft und dann sieht Papa sie immer an, als hätte sie Blödsinn gemacht."

Lächelnd strich Suzi ihr über den Kopf. „Probier doch einfach aus, ob es dir schmeckt. Dein Papa wird dir bestimmt nicht böse sein."

Ein Strahlen erhellte die dunkelblauen Augen, die denen ihres Vaters so ähnelten. „Papa ist nie böse auf mich. Das sind nur die Wesen, die auf mich aufpassen sollen. Böse Frauen, die mich zwingen wollen zu lernen." Zum Schluss hin verdüsterte sich ihre Miene ein wenig, ehe sie sich wieder an etwas Erheiterndes zu erinnern schien. „Wenn Papa das merkt, können die nach Hause gehen."

Aleix ahnte, dass die Kleine es vermutlich sehr oft darauf anlegte. Wer hätte gedacht, dass der Prinz sich jemals von seiner Tochter an der Nase herumführen ließ. „Wie viele Wesen haben denn schon auf dich aufgepasst?"

Jetzt grinste sie verschlagen. „Viele. Keine war so toll wie Ragna oder Mama. Papa hat mir immer viele Geschichten erzählt, aber er muss auch viel arbeiten." Betrübt starrte sie auf ihren Kakao. Dann, als hätte sie sich einen inneren Ruck gegeben, griff sie nach einem Keks und versenkte ihn zur Hälfte im Kakao.

Lachend knuddelte Suzi Eilean, nachdem sie ihren Keks verspeist hatte. „Du hast es faustdick hinter den Ohren. Wie deine Mama."

Die Kleine grinste. „Macht ihr auch Kampfkuscheln?"

„Was?" Ratlos sah Suzi zu Aleix, der ahnungslos mit den Schultern zuckte.

„Wie sieht Kampfkuscheln denn aus?", erkundigte er sich vorsichtig. Bei Ria konnte man nie wissen, was sie der Kleinen erzählt hatte.

„Na, Mama und Papa machen das manchmal." An dieser Stelle prustete Suzi ihren Schluck Kaffee, den sie gerade nehmen wollte, zurück in ihre Tasse. Ungerührt fuhr Eilean fort. „Ragna sagt, dass das harmlos ist und die das tun, weil die sich lieb haben."

„Weil die sich lieb haben", wiederholte Aleix ungläubig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie vor ihrer Tochter... Paaraktivitäten ausübten.

Seine Nichte nickte fleißig. „Ja. Wenn die sich nicht lieb haben, kann einer sich nachher nicht mehr bewegen. Mama hat mir gezeigt, wie das geht."

Suzi bekam einen solchen Hustenanfall, dass sie den Raum verlassen musste. Unterdessen dämmerte Aleix, was Eilean wirklich meinte. „Magst du mir nachher einmal zeigen, was deine Mama dir gezeigt hat?"

Begeistert strahlte sie ihn an. „Au ja."

„Wollen wir zuerst deinen Brief lesen?" Sie bejahte und er griff nach dem Schreiben. Anerkennend stellte er fest, dass die Schrift ihres Vaters sehr leserlich war.

Mein kleiner Engel,

ich hoffe, du hast eine schöne Zeit bei deiner Tante und deinem Onkel. Was du noch nicht weißt ist, dass deine Mutter in der Welt, in der du gerade bist, aufgewachsen ist. Ich schlage dir also vor, dass du ganz viel mit den beiden unternimmst, damit du uns nachher viel zu erzählen hast. Deine Mama freut sich bestimmt, wenn du ihr viele Geschichten aus ihrer alten Heimat erzählst.

Leider braucht Raphael noch ein wenig unsere Hilfe. Wir arbeiten so viel wir können, um an deinem Geburtstag bei dir sein zu können. Isla hat mir erzählt, dass Mama eine Überraschung für dich hat. Leider verrät sie mir nicht, was es sein soll.

An dieser Stelle schnaubt Eilean grimmig. „Papa kriegt das schon noch raus und dann schreibt er es mir."

„Meinst du, dass das der Sinn einer Überraschung ist?"

„Ich kann ja so tun, als wäre ich überrascht. Das macht Papa auch manchmal, wenn Mama ihm etwas sagt, was er schon weiß."

Ohje, da hatte sie sich ja genau das richtige Vorbild ausgesucht. Eleasar beherrschte die Kunst, seine Emotionen zu verbergen meisterlich. „Meinst du nicht, dass deine Mama das merken wird?"

Jetzt wirkte sie endlich ertappt. „Ja", gestand sie kleinlaut. „Mama durchschaut Papa auch manchmal."

Lächelnd wandte er sich wieder dem Schreiben zu.

Deine Großeltern lassen dich grüßen und können es kaum erwarten, dich wiederzusehen. Ebenso wie Mama und ich. Leider müssen wir jetzt schon wieder los und jemanden für Raphael suchen. Du weißt ja, niemand findet böse Wesen schneller und besser als Mama.

In Liebe, Papa

Aleix kam nicht umhin zu bemerken, dass es ihn rührte, wie sehr sich der Prinz um seine Tochter sorgte. Er wusste, dass Ria in guten Händen war, hatte aber bislang nur erahnen können, wie es ihr in ihrer Beziehung ging. Jetzt hatte er eine recht genaue Vorstellung davon.

Unsicher, wie die Kleine nun reagieren würde, warten die beiden Erwachsenen stumm ab. Was sollten sie auch sagen? Schließlich grinste Eilean sie herausfordernd an. „Kampfkuscheln?"

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Hinter seiner Nichte machte seine Frau ein nahezu entsetztes Gesicht. Es war einfach köstlich. Zwinkernd nickte er der Kleinen zu, die kurz in das von ihr in Beschlag genommene Gästezimmer verschwand, um den Brief wegzubringen. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck kam sie zurück und baute sich in festem Stand vor ihm auf. Die Art, wie sie sich hielt und der herausfordernde Ausdruck ihrer funkelnden blauen Augen erinnerte ihn sehr an ihre Mutter. Ihr Aussehen und die ruhige Art mochte sie von ihrem Vater haben, aber wenn ihre Lebenslust Oberhand gewann, war unverkennbar wessen Tochter sie war.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top