.:43:. Beschlossene Sache
Kaum begann die Energie des Anderen unter ihren Händen zu schwinden, stand sie vor einem ernsthaften Problem. Sie brauchte etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Das letzte Mal hatte die Erschöpfung sie zurück gebracht, jetzt hing sie hier fest. Ein wenig hilflos versuchte sie, ihrem Mann ihr Problem zu erklären. Ich stecke fest.
Angesichts ihres kläglichen Tonfalls musste Eleasar unwillkürlich lächeln. Seine Frau hatte so viel Potenzial und Kraft in sich, die sie in Notsituationen problemlos abrufen konnte. Wenn sie dann wieder bei sich war, setzte die Ernüchterung ein. Leider konnte er ihr in diesem Aspekt nicht beistehen. Das war nicht sein Gebiet. Tut mir leid, aber ich fürchte, du wirst alleine einen Weg finden müssen.
Rias Antwort bestand aus einem frustrierten Brummen.
Sehr zu seinem Entsetzen färbte sich der Boden vor ihm auf einmal blutrot. Hinter ihm erklangen erstickte Aufschreie von Adele und seiner Mutter. „Bringt die Kinder rein", wies er sie schroff an. Dieser Anblick war nun wirklich nichts für die Kleinen. Etwas schloss sich sehr sanft um seine Hand. Irritiert starrte er sie an. Was war das? Elea, bitte drück meine Hand. Erkennen zeichnete sich kurzzeitig auf seinem Gesicht ab. Ria suchte wohl wieder nach einem Weg, physisch zu ihm zu gelangen. Diesen Wunsch konnte und wollte er ihr nicht abschlagen. Ihre Hand fest in seiner haltend betrachtete er die Luft neben sich, die zu flimmern begann, ehe sich die Konturen seiner Frau aus dem Nichts schälten. Gemeinsam blickten sie auf die Blutrückstände am Boden. Langsam aber sicher wurde aus den anfänglichen Flecken eine Lache, in der ein ziemlich in Mitleidenschaft gezogener Körper auftauchte. In Anbetracht des Opfers seiner Frau fehlten selbst ihm die Worte. Vorsichtig holte er sie zu sich. Ria klammerte sich zuerst an ihn, dann fiel ihr Blick auf den übel zugerichteten Körper. „Der hätte nicht so glimpflich davonkommen sollen", knurrte sie mit einem untypisch wilden Ausdruck in ihren Augen. Ein kleiner roter Ring zeichnete sich um ihre Pupillen ab. Unwillkürlich fragte er sich, was wohl vorgefallen sein musste, dass sie sich wieder so stark verändert hatte.
„Nun, ich glaube nicht, dass er einen so leichtenAbgang hatte wie sein Kumpan." Sein Blick wanderte zu dem anderen Verräter, dereinfach nur tot auf dem Boden lag. Abgesehen von der Schwertwunde, die seineFrau dem Feigling verpasst hatte, war der unversehrt.
„Sie wollten unser Baby", entgegnete sie kalt, ehe sie ihn besorgt musterte. „Ich würde mir gerne noch die Umgebung ansehen. Nur falls die beiden nicht alleine unterwegs waren. Kannst du schon einmal nach Eilean sehen?"
Einzig und allein ihre gemeinsame Sorge um ihre Tochter brachte ihn dazu, seine Frau alleine nach dieser möglichen Verstärkung suchen zu lassen. Nachdem er gesehen hatte, was sie mit dem Verräter angestellt hatte, hatte er keinerlei Zweifel daran, dass sie mit weiteren Gegnern fertig werden würde. Er gab ihr einen kurzen aber gefühlvollen Kuss und folgte anschließend den Frauen und Kindern nach drinnen.
Er fand seine Mutter gemeinsam mit Aram, Adele und den Kindern im Thronsaal. Sein Vater stand ein wenig abseits und unterhielt sich gerade mit einem General. Als er eintrat, wurde der Soldat entlassen.
„Lea!" Sara kam auf ihn zugerannt und schloss ihn fest in ihre Arme. „Bin ich froh, dass dir nichts passiert ist. Wo ist Ria?" Besorgt versuchte sie, ihre Schwiegertochter hinter ihrem Sohn auszumachen.
„Vergewissert sich, dass niemand mehr da ist." Beruhigend tätschelte er seiner Mutter den Rücken. „Lässt du mich nach meinem Mädchen sehen?"
„Natürlich." Unauffällig wischte Sara sich ein paar Tränen aus den Augen und schob ihn auf Eilean zu, die ängstlich auf dem Boden kauerte. Neben ihr saß die Cait Sith, die ihn mit Argusaugen musterte, als er sich seiner Tochter näherte.
Behutsam streckte er seinen Geist nach seiner Kleinen aus. Er musste wissen, wie es ihr ging. Schließlich wollte er sie nicht weiter verschrecken, sondern bestmöglich für sie da sein. Als er bei ihr ankam, zog er sie erleichtert in seine Arme. Sie war unverletzt und hatte auch von dem Massaker, das ihre Mutter angerichtet hatte, nichts mitbekommen. „Engel."
„Papa." Schutzsuchend schmiegte seine Kleine sich an ihn. „Da waren so komische Energien und Ceres hatte schreckliche Angst", schluchzte sie zitternd. „Und dann ist Mama verschwunden."
Geduldig hörte er ihr zu und strich ihr immer wieder beruhigend über den Rücken. „Deiner Mama geht es gut. Sie sieht nur nach, ob draußen noch mehr böse Wesen sind."
Erstaunlich gefasst und wesentlich ruhiger nickte sie auf einmal. „Ja, Mama kann den Bösen den Popo verhauen."
Das Vertrauen, das seine Tochter in ihre Mutter hegte, war rührend. „Da hast du recht, mein Engel. Deine Mama ist stark."
„Papa auch", ergänzte sie bestimmt. „Was ist mit dem Mann, den du schlafen geschickt hast?"
Einen Moment lang geriet er aus der Fassung. Wie sollte er der Kleinen erklären, dass er vorhin vor ihren Augen getötet hatte?
Die Antwort nahm ihm seine Frau ab, die mit grimmiger Miene den Raum betrat und sich neben sie kniete. „Der schläft jetzt den Schlaf der Gerechten." Liebevoll strich sie Eilean über die braune Lockenpracht. „Er wird niemals wieder jemandem etwas Böses antun können."
Neben ihnen erhob sich die Cait Sith und stupste Ria sacht mit ihrer Nase an. Es schien, als kommunizierten sie, denn nach einer kleinen Weile strich Ria ihr sacht übers Fell und erhob sich. Sie übernahm es auch, Marjan leise über das Geschehene aufzuklären. Wie sich herausstellte, hatte sie noch zwei weitere Wesen ins Jenseits geschickt. Blieb nur zu hoffen, dass diese Leichen besser aussahen als die eine im Innenhof.
Eleasar reichte ein Blick in Arams versteinerte Miene um zu wissen, dass dieser Vorfall ein ernstes Gespräch nach sich ziehen würde. Leider sah es nicht so aus, als wollte seine Tochter in den nächsten Minuten von seiner Seite weichen. Es war ihm nur recht.
Nachdem die Frauen - mit Ausnahme von Ria - sich in die Privaträume zurückgezogen hatten, mischte er sich sachte in den Geist seiner Tochter ein und schickte sie schlafen.
Sie war keine Minute weg, da begann Aram zu sprechen. „Was war das?"
„Ein Angriff", erklärte Marjan sachlich und trat gemeinsam mit Ria auf sie zu. „Diese Wesen waren stark genug meine Geisterbarriere zu durchdringen." Der Vampir war unverkennbar zornig. Wann immer etwas in seinem Schloss passierte, das nicht seinem Willen entsprach, nahm er es persönlich - und ein Angriff auf seine Enkelin war etwas sehr Persönliches.
Langsam erhob Eleasar sich, wobei er seine Tochter behutsam an sich drückte. „Übermorgen früh ist Sems Hinrichtung." Sollten sie jetzt schon in den Palast zurückkehren? Die Sicherheitsmaßnahmen seines Vaters waren eigentlich noch besser als die dortigen. Was für ein Dilemma.
Aram ergriff als nächster das Wort. „Wenn niemand vor diesem Feind sicher ist, will ich meine Frau und mein Kind nicht hier wissen." Der gehetzte Blick seiner grünen Augen richtete sich auf Ria. „Ich hoffe, sie sind drüben sicherer."
Eleasar verstand die Welt nicht mehr. Ria und Aram hatten sich bereits darüber unterhalten? Bevor er etwas sagen konnte, deutete sein Vater mit einem leichten Kopfnicken auf Eilean. „Wenn sie hier nicht sicher ist, ist sie es nirgendwo in dieser Welt."
Sprachlos musterte er die drei der Reihe nach. Anscheinend war das alles längst beschlossene Sache. Sein Blick fiel auf seine Gemahlin, die ihn traurig und zugleich schuldbewusst ansah. Natürlich. Er hätte es wissen müssen. „Das wäre Verrat. Raphael hat ausdrücklich verboten in die Menschenwelt zu reisen."
Sein Vater wirkte wenig beeindruckt. „Wir sind angehalten, diese Reisen auf ein Minimum zu reduzieren."
Verärgert zog er Eilean enger an sich. „Meine Tochter gehört in diese Welt."
Ria schnaubte verärgert. „Jetzt stell dich mal nicht an. Das ist doch nur für die Dauer der Hinrichtung", fuhr sie ihn gereizt an. „Obwohl es mir lieber wäre, sie würde dort bleiben, bis der Konflikt vorbei ist."
Das jedoch war inakzeptabel. Widerstrebend stimmte er zu. „Für die Dauer der Hinrichtung." Die drei hatten recht, wenn sie behaupteten, dass während der Hinrichtung ein Sicherheitsrisiko für die Kleine bestand. Und dennoch missfiel es ihm, seine Tochter in die Obhut dieses Mannes zu geben.
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