.:41:. Angespannte Stimmung

Am nächsten Morgen betrat Ria in aller Frühe den kaiserlichen Audienzsaal. Raphael saß auf seinem Thron, den Kopf auf seine Hand gestützt, die Stirn leicht gerunzelt. Seine kurzen dunkelgrünen Haare standen in alle erdenklichen Richtungen ab. Das Wort Sturmfrisur beschrieb den Zustand des Durcheinanders nur unzureichend.

„Schon zurück?"

Milde lächelnd ließ sie sich neben ihm auf die Stufen sinken. „Eleasar steht ziemlich neben der Spur." Nur zu deutlich erinnerte sie sich an die vergangene Nacht, in der ihr Mann ihr keine Sekunde lang von der Seite weichen konnte. Sobald kein Körperkontakt mehr bestanden hatte, hatte sie diese überwältigende Unruhe gespürt, die dann jedes Mal von ihm Besitz ergriffen hatte.

Raphaels Stirnrunzeln vertiefte sich. „Ist er in der Lage, die Suche mit dir durchzuführen?"

Da konnte sie nur entschieden nicken. „Er wird mich keine Minute unbeobachtet lassen."

Jetzt hatte sie die volle Aufmerksamkeit des Kaisers. „Seit wann ist das so?"

Nachdenklich legte sie den Kopf leicht schief. „Eigentlich..." Wenn sie genau nachdachte, war das schon der Fall seit sie ihm eröffnet hatte, dass Ragna und sie Spuren nachgingen. Verschlimmert hatte sich das erst seit sie aus der Menschenwelt wieder da waren. „Seit klar wird, was in etwa auf uns zukommt."

Aufmerksam musterte Raphael die Prinzessin. Ria war eine Kriegerin, das sah man ihr dieser Tage nur allzu deutlich an. Sie hielt ihren Kopf hoch erhoben und stand aufrecht da, als wollte sie die Feinde dazu auffordern, zu ihr zu kommen. Diese junge Frau war kein zahmes, schmückendes Beiwerk. Nein, sie wusste was sie tat und fürchtete sich nicht vor einer Konfrontation. Sollten sich seine Vermutungen bewahrheiten, würde sie diejenige sein, die als Galionsfigur agierte und ihr Mann derjenige, der aus dem Hintergrund heraus alles regelte. Dafür musste Eleasar allerdings lernen, loszulassen. Wieder kam ihm das eigenartige und kurze Gespräch mit dem Altkaiser in den Sinn. Wenn Ria wirklich eine so zentrale Rolle in diesem uralten Plan einnahm, bangte der Prinz zurecht um seine Frau. Ihr Leben stand wohl nicht auf dem Spiel, aber das bedeutete nicht, dass sie unversehrt aus dieser Sache herauskommen würde. Spürte sein möglicher Nachfolger, dass sich etwas anbahnte, das sie ihm nehmen konnte?

„Tu ihm den Gefallen und mach es ihm nicht noch schwerer. Eleasar ist kein Kämpfer, sondern Stratege. Diese Situation ist für keinen von uns leicht."

Die Saaltür schwang auf und ein Bote eilte herein. Als er Ria auf den Stufen neben dem Thron sitzen sah, verharrte er unwillkürlich. Erst Raphaels leicht genervte Aufforderung brachte den Kerl zur Besinnung. Flüchtig überflog der Kaiser das ihm dargereichte Schreiben und schickte den Bediensteten mit einer entlassenden Handbewegung fort.

Kaum waren sie wieder alleine, legte er das Blatt beiseite und seufzte leise. „Fühlt ihr euch bereit, die Suche fortzuführen?"

Ihr entrüstetes Schnauben war Antwort genug. „Diese Suche findet auf jeden Fall statt." Sie machte eine kurze Pause, ehe sie ein trauriges, leicht verschmitztes Lächeln zur Schau trug. „Sofern Elea sich gleich abgeregt hat."

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, da erschien ihr Gemahl auch schon im Saal. Der Blick, den er Ria zuwarf, war beinahe mörderisch. Raphael konnte sich nur zu gut vorstellen, wie der Streit der lautlose Streit zwischen den beiden ablief. Rias Augenrollen nach zu urteilen machte er ihr grade einige Vorwürfe, weil sie das Haus ohne sein Wissen verlassen hatte. Andernfalls wäre sie wohl nicht alleine aufgetaucht. Ehe dieser Streit in etwas ausarten konnte, was unbeteiligte Zuschauer missverstehen konnten, lud er die beiden kurzerhand zum Frühstück ein.

Eigentlich hatte er gehofft, die Situation würde sich ein wenig entspannen, wenn die beiden mit ihnen zusammen aßen, doch seine Hoffnungen wurden schwer enttäuscht. Es war nahezu unmöglich, Eleasar für länger als einen Augenblick von seiner Frau zu lösen. Bei ihrer Suche musste etwas vorgefallen sein, dass ihn noch stärker aus der Bahn geworfen hatte als die aktuelle Situation. Dass er sich davon recht wenig anmerken ließ, sprach nur für ihn. Nicht einmal Rias genervte Reaktionen auf sein plötzliches Bedürfnis nach ihrer Nähe hielten ihn davon ab, ebendiese zu suchen.

Nachdem die beiden gegangen waren, war er froh, dieser Situation nicht länger ausgesetzt zu sein. Kein Wunder, dass Ria die Zeit, in der Eleasar schlief genutzt hatte, um ein wenig nach draußen zu kommen. Über kurz oder lang würde es darüber einen richtigen Streit geben. Kein stimmungsabhängiges Kabbeln, wie das, was sie zuvor an den Tag gelegt hatten.

„Jetzt machst du dir aber unbegründet Sorgen", bemerkte seine Gemahlin belustigt und schlang ihre zarten Arme um ihn. „Die beiden werden ihren Weg gehen. Wir müssen sie nur lassen."

„Die beiden als Paar machen mir keine Sorgen", entgegnete er sicherer als er sich fühlte. „Eleasar gibt mir zu denken."

Ihr leises Lachen wehte durch seine Gedanken. „Du hast damals auch ein paar Tage gebraucht, um die Nachricht zu verarbeiten, dass ich schwanger bin. Das hier muss für Eleasar noch viel schlimmer sein. Und darf ich dich daran erinnern, dass du mich zuerst in unserer Wohnung eingesperrt hast?"

„Das hatte andere Gründe", behauptete er stur.

Isla lächelte ihn mit geheucheltem Mitgefühl an. „Das muss für dich sehr schwer gewesen sein."

Mit leichtem Kopfschütteln zog er sie an seine Brust. „Machst du dich etwa über mich lustig?"

Die gespielt strenge Miene kaufte sie ihm keine Sekunde lang ab. „Das würde ich nie wagen."

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