Das 14.Kapitel oder das Amulett
Am nächsten Morgen war ich wieder früh auf, glücklicherweise hatte ich diese Nacht schlafen können.
Mit den ersten Sonnenstrahlen machte ich mich auf den Weg in's Dorf, pflegte Myrte und gab den Waisenhauskindern Unterricht.
Verhältnismässig früh wurde ich fertig und ritt wieder zurück nach Trerice.
Schon von weitem konnte ich sehen, dass die ganze Belegschaft in heller Aufruhr war und lächelte verstohlen. Der Plan war also gut leserlich gewesen. Mit Schwung sprang ich von Yin ab und stieg die Treppen zum Haupteingang hinauf.
Kaum hatte ich die oberste Stufe erreicht, wurde die Tür aufgerissen und zwei Hände packten mich mit eisernem Griff um die Oberarme.
Gewaltvoll wurde ich durchgeschüttelt und schaute einer hysterischen Elizabeth verwirrt in's aufgelöste Gesicht.
"Schrecklich, einfach nur schrecklich, ach, nein, das darf man sich gar nicht vorstellen!", rief Liz dramatisch aus, während sie sich in Pose setzte und versuchte, möglichst mitgenommen auszusehen. Sie hatte schon immer eine Vorliebe für Theater und Schauspielern gehabt, aber gut darin war sie nicht wirklich.
"Ähm, Liz, wovon redest du?", fragte ich, obwohl ich schon ein Ahnung hatte, doch es wäre wirklich blöd, wenn es doch eine andere Angelegenheit wäre und ich alles ausplaudern würde. Wo bleibe denn dann der Spass?
"Ausgeraubt! Wir wurden ausgeraubt!", schrie sie mit schriller Stimme und erdrückte mich fast in ihrer Umarmung, während ich wie eine Salzsäule dastand und mich fragte, warum sie wohl ein solches Theater machte.
Um meine Rolle richtig zu spielen, fragte ich sie besorgt:
"Du wurdest ausgeraubt?"
Sie schüttelte wild ihren Kopf und meinte entrüstet:
"Doch nicht ich! Nur die Herrschaften! Oh, was für eine Schande, ausgerechnet hier, bei uns! Wir hatten schon seit Jahrzehnten keine Diebe mehr in der Gegend und gerade jetzt haben wieder welche zugeschlagen!"
Und meine Vermutung war bestätigt. Offenbar hatte alles ohne Komplikationen geklappt. Verstohlen lächelte ich und auch als ich meine Miene wieder ausdruckslos halten wollte, gelang es mir nicht, sodass ich Liz fester umarmte und mein Lächeln in ihrer Schulterbeuge versteckte.
Nach einigen Minuten liess mich Liz wieder los und stürzte sich auf die nächste Person, der sie erzählen konnte, wie schrecklich der Vorfall doch war, sodass ich mich unbemerkt wegstehlen und auf mein Zimmer schleichen konnte.
Dort angekommen schloss ich die Tür ab, etwas, das ich normalerweise nie tat, und schrie triumphierend in mein Kissen. Ein Lachen stieg in mir hoch und ich konnte nicht anders als es rauszulassen und einen Indianertanz aufzuführen. Zugegeben, meine Indianertanzkünste waren ein wenig eingerostet und so sah es wahrscheinlich aus, wie ein betrunkener Affe, der versuchte Salsa zu tanzen.
Völlig ausser Atem leise ich mich wieder auf mein Bett plumpsen und blickte mit einem Megawattlächeln hinauf an die Decke. Die Diebe mussten ganze Arbeit geleistet haben.
Dieser Deal war wirklich eine der besten Ideen, die ich jemals gehabt hatte. Die Diebe und ich hatten nämlich abgemacht, dass sie mich in Ruhe liessen, aber dafür die Lackaffen ausrauben durften, die ich wiederum loswerden wollte. Vermutlich würden sie heute noch abreisen.
Und so hatte ich einen Plan gezeichnet, die entsprechenden Zimmer angekreuzt und sichergestellt, dass die Diebe das Haus betreten konnten. Irgendwann in der Nacht mussten sie eingestiegen sein, doch ich hatte nichts gehört, sie waren wirklich gut. Und heute morgen waren die Herrschaften dann aufgewacht und hatten bemerkt, dass sie ausgeraubt worden waren.
Ich musste grinsen. Zu gern hätte ich die Schreie der Damen gehört. Und wenn sie dann heute abreisen würden, dann würde sie am Wegesrand eine Überraschung erwarten. Dies hatte ich ebenfalls mit den Dieben ausgemacht. Ich hatte ihnen mein ganzes Vermögen, das ich hier in Trerice irgendwie zusammengekratzt hatte, gegeben, doch dafür sollten sie sämtliche Gegenstände der Lackaffen wieder neben dem Weg deponieren, allerdings genug weit von Trerice entfernt, sodass sie nicht auf die Idee kamen, noch einmal umzukehren.
Als meine Wangen wieder eine normale Farbe angenommen hatten und nicht mehr länger einer Tomate glichen, schloss ich meine Tür wieder auf und ging gut gelaunt den Flur hinab zur Treppe, die ich, immer drei Stufen auf einmal nehmend, hinuntersprang. Glücklicherweise hatte ich heute ein leichtes Kleid an, sodass ich nur eine Lage Stoff anheben musste, um nicht auf den Saum zu treten.
Mit Schwung öffnete ich die Türe zum Salon und wieder einmal lagen sämtliche Augenpaare auf mir. Schnell versuchte ich meine gute Laune zu verbergen und zu meiner Überraschung gelang es auch. Nur Miss Ilie, die sich ebenfalls unter den Anwesenden befand, kniff misstrauisch die Augen zusammen und richtete sich auf.
"Helene, ein Gespräch unter vier Augen. Jetzt.", sagte sie mit strenger Stimme und ich ahnte nichts gutes.
Ergeben schlupfte ich ihr hinterher in ihr Büro und setzte mich unaufgefordert in den Besucherstuhl.
Sobald sie die Tür hinter mir geschlossen hatte, fing Miss Ilie, zu Recht, an zu zettern.
"Helene, das ging jetzt wirklich zu weit. Ich weiss, dass du sie nicht magst, aber du kannst sie doch nicht einfach ausrauben lassen! Was denkst du, was wirft das für ein Licht auf mich und auf trerice, ganz zu schweigen von den Mädchen?"
Geknickt senkte ich den Kopf. Daran hatte ich wirklich nicht gedacht, mir war es nur darum gegangen, sie so schnell wie möglich loszuwerden.
Nach einigen Entschuldigungen und einer Erklärung, dass die Herrschaften jedoch die gestohlenen Gegenstände wieder zurück bekämen, war sie einigermassen beruhigt und atmete einmal tief durch.
"Du bringst mich noch in's Grab, Helene, schau mal, wie viel graue Haare ich wegen dir schon auf meinem Kopf habe!", rief sie anklagend aus und der Bann war gebrochen.
Wir lachten beide auf und schnappten vergeblich nach Luft, während uns die Lachtränen über die Wangen rollten.
"Ich erwarte aber trotzdem, dass du dich entschuldigst, hast du verstanden, Helene?", sagte sie streng und ich nickte seufzend. Wenigstens musste ich nicht heiraten, sonst wäre meine Chancen spätestens nach dieser Aktion null. Ich meine, wer raubt schon einen Duke aus?
Ich wollte schon wieder auf mein Zimmer gehen, da packte mich Miss Ilie bei der Hand und schüttelte den Kopf:
"Du wirst dich jetzt entschuldigen."
Mit diesen Worten zog sie mich in Richtung Salon und platzte hinein. Sofort verstummten wieder alle Gespräche und alle Augen lagen auf uns.
"Helene hat euch etwas zu sagen.", verkündete Miss Ilie und schaute mich auffordernd an.
Seufzend trat ich ein paar Schritte vor und begann:
"Your Graces, es tut mir aufrichtig leid..."
Bevor ich meinen Satz zu Ende führen konnte, wurde die Tür aufgestossen und eine der Dienstmädchen stand darin.
"Mary, was ist los?", fragte Miss Ilie verwundert und blickte sie auffordernd an.
"Ein Brief, ma'am, gerade angekommen, hat aber weder Absender noch Empfänger darauf."
Miss Ilie runzelte die Stirn und streckte die Hand nach dem Brief aus. Als ich sah, was sie für einen Brief in der Hand hielt, weiteten sich meine Augen.
Bevor sie auch nur reagieren konnte, riss ich ihr den Umschlag aus den Händen und betrachtete ihn.
"Helene, was soll das?", fragte diese mich überrascht, doch ich gab ihr keine Antwort.
Stattdessen riss ich den Umschlag eilig auf und mein Atem stockte. Mit zitternden Händen zog ich das Amulett heraus und schaute es genauer an. Es gab keinen Zweifel: Das war Myrte's Kette, die sie Tag und Nacht um den Hals trug. Eine böse Vorahnung beschlich mich und ich schluckte schwer. Dann gab ich mir einen Ruck und zog langsam das Papier, das sich ebenfalls im Umschlag befunden hatte, heraus.
Als ich das Zeichen darauf sah, blieb ich für einige Sekunden wie erstarrt stehen und bewegte mich nicht , dann krampfte mich meine Hand um das Amulett und ich schloss die Augen in der Hoffnung, das Zeichen auf dem Brief möge sich ändern, doch als ich meine Augen wieder öffnete, war es noch immer das gleiche. Eine Lilie.
"Nein....Nein,nein,NEIN!", flüsterte ich zunächst, bis ich am Ende schrie. Angst hielt mein Herz fest umklammert und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Myrte.
Voller Wut zerknüllte ich den Brief und warf ihn auf den Boden, während meine Augen sich mit Tränen füllten, die ich fuchsteufelswild wegblinzelte.
"Helene, was ist los?", fragte Miss Ilie mit mehr Nachdruck, sie betonte jedes Wort, doch ich konnte ihr nicht antworten, dafür war der Kloss in meinem Hals zu gross. Deswegen schüttelte ich nur wild den Kopf, hängte mir das Amulett um meinen Hals und versenkte es in meinem Ausschnitt.
Für einige Augenblicke stand ich bewegungslos da, doch dann machte ich auf dem Absatz kehrte und stürmte aus dem Salon, die Treppen hinab, direkt in den Stall. Die überraschten Ausrufe hinter mir blendete ich aus, es war mir alles egal.
Ohne mir die Mühe zu machen, Yin zu satteln, führte ich sie auf den Vorplatz und sass auf, ein Bein auf jeder Seite, sodass mein Kleid mir bis zu den Knien hochrutschte. Alle Lackaffen, aber auch die Mädchen und Miss Ilie standen entsetzt am Eingang und schrien mir Dinge zu, doch die Worte vermischten sich zu einem unverständlichen Durcheinander, das ich nicht verstand. Eigentlich hätte ich ihnen eine Erklärung liefern müssen und den Herrschaften war ich sogar eine Entschuldigung schuldig, doch das alles zählte nicht mehr.
Stattdessen stiess ich Yin meine Fersen in die Flanken und raste in vollem Galopp auf das Dorf zu.
Oh je, was ist denn jetzt schon wieder los?
Was denkt ihr eigentlich über die Ausraubaktion? Flop oder Top? Also ich find's spitze, schade, dass es bei uns in der Gegend keine Räuberbanden gibt, die man mal schnell jemandem auf den Hals hetzten könnte.
Ok,ich merke schon, ich komme schon wieder auf dumme Ideen, deshalb höre ich lieber hier auf.
Wieder mal sorry, ihr wisst schon, wie immer...
lg Lou
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