Just let them Talk
"Clarissa bitte, der Song ist nervig." murrte Mark auf dem Fahrersitz im Wagen, als bestimmt zum tausendsten mal 4'o Clock im Radio lief und ich es so laut aufdrehte wie es nur ging. Dieser Song hatte es mir seit vorgestern angetan. Ich dachte eigentlich er würde Mark auch gefallen, aber zu meiner Überraschung hasste er ihn einfach nur, wenn ich ihn nach einem Grund fragte zuckte er einfach nur mit den Schultern.
Ich ließ das Radio dennoch laut und sang leise mit, während in meinem Kopf das Video mitlief und mein neben mir es still schweigend ertrug, dass ich einen neuen Lieblingssong gefunden hatte. Seine Musik musste ich auch immer ertragen, egal wie dämlich ich sie fand, als musste er jetzt auch mal meine aushalten. Apprupt bremste Mark auf einem Parkplatz und stellte das Radio sofort aus. Seufzend rollte ich mit den Augen und stieg aus. "Deine Musik muss ich auch immer hören und jetzt finde ich einmal einen Song, der mit gefällt und du lässt ihn mich nicht hören." wetterte ich und schlug seine Hand weg, als er nach ihr greifen wollte.
Er lachte nur auf. "Ich habe nichts gegen diesen Song, ich habe was gegen den, der ihn geschrieben hat." ließ er mich wissen. "Dann roll das nicht auf den Song ab. Er kann nichts dafür das er von diesem Kibimbap Wasweißich geschrieben wurde." lachte ich und harkte mich bei ihm ein. Mein Mann lachte ebenfalls. "Ändert auch nichts daran, dass dieser Kerl die Definition von einem arroganten Arschloch ist." hielt er wieder dagegen. Ich zuckte mit den Schultern. "Da kann ich nicht mit reden, hab kein Bild von ihm vor Augen." tat ich ab. "Solltest du wohl auch besser nicht." murmelte Mark und hielt mir die Tür zum Friseur Salon auf.
Sofort wurde ich von zwei Frauen empfangen, die mich zu einem der Frisierstühle brachten. Mark versuchte den beiden irgendwie auf deutsch zu schildern, was für eine Frisur ich haben wollte, als eine der beiden aufeinmal anfing einfach Englisch zu reden. Jetzt versuchte ich ihr meine Frisur zu erklären und sie nickte. "Also nur Schneiden?" fragte sie nach. "Und färben." hängte ich an. "Clari vergiss es, dass ist nicht gut für die Kleine." mischte sich Mark ein. "Oh das ist überhaupt kein Problem. Unsere Haarfarben sind rein natürlich, keinerlei Chemikalien oder ähnliches. Sie werden jedes Jahr mehrfach getestet und alle fallen positiv aus." erklärte die blonde Friseuse freundlich. Mark rang kurz mit sich, stimmte dann aber zu, meinen Haaren einen neuen Ton zukommen zu lassen, da ich mich mit dem dunklen blond nicht mehr wirklich wohl fühlte.
Meine wahl fiel auf ein dunkles Lila, was nur im Licht so schimmerte und sonst schwarz wirkte. Meine Haare wollte ich abgeschnitten haben, bis kurz über die Schultern, sodass ich sie noch zu einem kleinen Zopf zusammen binden konnte. Bestimmt bald zwei Stunden später war das Ergebnis fertig und ich war wirklich zufrieden. Ich sah anders aus, komplett anders, aber ich fühlte mich wohler, jetzt da ich das letzte überbleibsel von dem Ich vor dem verhängnisvollem Unfall auch noch verloren hatte, als wäre ich nun ein völlig neuer Mensch.
Während Mark zahlte wartete ich auf einem der Stühle, der für wartende Kunden gedacht war. Ein kleines Mädchen saß zusammen mit ihrer Mutter auf einem Stuhl und unterhielt sich mit ihr. Völlig in den Gedanken daran versunken, dass ich in ein paar Monaten selber Mutter wurde, bekam ich nicht mit, wie sich meine Prothese in einen unmenschlichen Winkel drehte und ein Teil von ihr sichtbar wurde. Erst als das kleine Mädchen etwas verängstigt auf mein Bein zeigte bekam ich es selber mit. Die Mutter der kleinen starrte auf meine halb versteckte Prothese und musterte mich herablassend, während sie dem Kind etwas erklärte und sich mit der kleinen auf den am weit entferntesten Stuhl von mir setzte, den sie finden konnte.
Getroffen sah ich von den Beiden weg und hörte eine weitere, die auf den Stühlen saß missbiligend auflachen. Ob es an mich der an die andere Frau und ihre Tochter gerichtet wurde, wusste ich nicht. Jedoch begann die die lachte mit reden und sah die mit dem Kind nicht grade begeistert an, also musste ihr laut wohl der Mutter gegolten haben.
Mark tauchte bei mir auf und zusammen verließen wir den Friseur wieder. Das Szenario und der Blick des Kindes von eben ließen mich nicht mehr los. War wenn Lola mich genauso ansehen würde, genauso verängstig wie die kleine eben. Meine Tochter würde sich vor mir fürchten. Ohne dass ich es wollte lief mir eine Träne bei diesem Gedanken aus den Augen. Ich wollte nicht, dass mein Kind sich später mal vor mir fürchten würde, nur weil ich eine Prothese hab, die mir das laufen ermöglicht. Ich weinte, dieses Bild zeriss mich innerlich. Mein Mann schien meinen Stimmungswechsel mitbekommen zu haben und blieb auf dem Weg zum Maserati stehen. "Schatz was ist denn?" fragte er vorsichtig und umarmte mich, bevor er mich mit einer Hand an der Schulter hielt und mit der anderen eine Strähne meiner neuen Frisur um einen Finger wickelte.
Ich schluchzte und sah von ihm weg. "Nichts." murmelte ich. "Wenn nichts wäre, würdest du jetzt nicht weinen." Er blieb hartnäckig. Ich atmete tief durch, bevor ich meinen Gedanken aussprach. "Ich will nicht, dass unsere Tochter vor mir Angst hat." brachte ich tränenerstickt hervor und wurde wieder, so gut es mit meinem Bauch ging, in eine Umarmung gezogen. "Wieso sollte Lola vor dir angst haben? Du wirst eine wundervolle Mutter." versprach er mir. "D...Die Prothese... Mein Bein." Ich schniefte. "Wenn sie alt genug ist erklären wir ihr alles. Sie wird sich nicht vor dir fürchten. Wie kommst du nur auf sowas?" Mark lachte leise und strich über meinen Rücken. "Ich denke sie wird es später sogar cool finden, dass sie einen Cyborg als Mutter hat." deutlich war das Grinsen in seiner Stimme zu hören. "Idiot." schniefte ich, musste aber grinsen und haute meinem Mann auf den Rücken.
"Aber jetzt erzähl mir mal wie du auf solch einen schlimmen Gedanken kommst." Mark ließ den Wagen starten und ich legte mir meine Worte zurecht, bevor ich sprach. "Im Friseursalon saß eine Mutter mit ihrem Kind. Ich hab die beiden beobachtet und währenddessen hat sich die Prothese verdreht, sodass der Fuß total unmenschlich da stand. Die kleine hat das mitbekommen und ganz verängstigt auf mein Bein gezeigt, dass hat sich die Mutter weiter von mir weg gesetzt. Eine andere Frau hat sie, ich denke mal, auf ihr Verhalten mir gegenüber angesprochen." ich endete und sah aus dem Fenster.
Spottend lachte Mark auf. "Das ist typisch deutsch, lass dich von keinem so begaffen, ignoriere diese Blicke und Handlungen einfach. Die Deutschen belästern und begaffen alles, was nicht in ihr optimales Bild passt." ließ er mich wissen. "Eine der Sachen, die ich an diesem Land so sehr hasse." er schüttelte den Kopf und hielt an einer Ampel. "Es gibt gibt da so ein richtig cooles deutsches Lied, das heißt Lasse Redn ein paar Künstler haben ihn mir mal Übersetzt, als wir zusammen gesessen haben und der Song im Radio lief. In dem Song geht es um das voreingenommene und urteilende Deutschland." erzählte er mir. Ich nickte nur und hatte mich von meinem plötzlichen emotionalen Überschwapper wieder erholt.
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