Kapitulation
Einen Tag zuvor im Ligusterweg
Sehr geehrter Lord Voldemort,
Hiermit möchte ich Ihnen meine Kapitulation mitteilen.
Ich werde kein weiteres Mal meinen Zauberstab gegen sie richten.
Ich bin es leid zu kämpfen und würde Ihnen gerne Ihren Wunsch, meinen Tod, erfüllen.
So selbstsüchtig, wie ich jedoch bin, bitte ich auch Sie, mir einen Wunsch im Gegenzug zu erfüllen, oder auch zwei, wenn es nicht zu viel verlangt ist.
Einen schnellen Tod ohne Folter und Schmerzen.
Vielleicht ein Avada Kedavra an Ort und Stelle wenn es Ihnen recht ist.
Sie werden mich kommenden Samstag, den 18. Juli um Mitternacht unbewaffnet auf der einzigen Parkbank im Ligusterweg der britischen Kleinstadt Little Whinging, sitzend vorfinden.
Wenn Sie diesen Brief in Händen halten, hat es meine treue Gefährtin geschafft, sie zu finden.
Bitte seien Sie nicht böse auf meine bezaubernde Schneeeulendame. Schutzzauber haben ihr noch nie Probleme bereitet.
Ich habe sie außerdem darum gebeten bei ihnen zu bleiben, da dies hier der letzte Brief sein wird, den Sie von mir überbringen soll.
Ihr Name ist Hedwig. Was mich zu meinem zweiten Wunsch bringt ... bitte kümmern Sie sich um sie.
Sie wird Ihnen eine treue Gefährtin sein.
Hochachtungsvoll
Harry James Potter
Der Grünäugige laß sich in Ruhe noch einmal Zeile für Zeile durch, steckte den Brief anschließend zusammengefaltet in ein Kuvert und versiegelte ihn.
Band ihn vorsichtig an das kleine Beinchen seiner Eulendame, die auf dem Fenstersims seines sogenannten Zimmers saß und seufzte traurig, währenddem er ihr zärtlich über das weiche weiße Gefieder strich.
„Bitte Hedwig ...", es war nur ein leises gebrochenes Flüstern, welches seine Lippen verließ, „... bring diesen Brief dem dunklen Lord. Es ist wichtig. Ich bin müde Hedwig. Und der Lord ist der einzige, der mich erlösen, mir Frieden verschaffen kann. Bevor sie es auch noch schaffen meinen Willen zu brechen.
Er wird sich hoffentlich gut um dich kümmern meine schöne Hedwig."
Eine einzelne Träne rollte über die etwas eingefallene Wange des Schwarzhaarigen und die Eule klackerte traurig mit ihrem Schnabel, was dem Jungen ein kleines liebevolles Lächeln entlockte.
Er wusste, dass seine Gefährtin verstand. Der- Junge- der- lebt strich ihr ein letztes Mal über den Kopf.
Ließ sich von ihr zum Abschied sanft in den Finger zwicken und erhob sich danach unter Schmerzen stöhnend und Augen zusammenkneifend von seinem Platz, um ihr das Fenster zu öffnen. Sah seiner Gefährtin, die draußen im Nebel verschwand noch einige Augenblicke nach, bis er sie nicht mehr ausmachen konnte, und lief dann auf die Matratze zu, die auf dem Boden lag, um sich vorsichtig darauf niederzulassen.
Er hatte noch ein wenig Zeit, bis er anfangen musste das Abendessen für die Dursleys herzurichten.
Ein wenig Zeit, um sich etwas auszuruhen und Kraft zu sammeln. Denn schon die kleinsten Dinge kosteten ihn so unglaublich viel Kraft. Selbst das Atmen war anstrengend geworden.
Die Prügel mit der bloßen Faust oder dem Gürtel, die sein Onkel ihm bisher zuteilwerden ließ, hatte sein Körper immer noch irgendwie wegstecken können. Doch die Eisenstange war zu viel gewesen. Er spürte mit jeder Bewegung, dass sein Körper zerstört war. Knochen gebrochen, Bänder und Sehnen gerissen. Er wusste nicht, wie er die Aufgaben die er erledigen musste, überhaupt noch zustande bringen sollte, nun da einige Bewegungen nicht einmal mehr möglich waren.
Eigentlich konnte er fast schon von Glück reden, dass sein Onkel Vernon hauptsächlich seine linke Seite erwischt hatte. Er hatte keine Ahnung, wie er den Brief an Voldi hätte schreiben sollen, wenn er die Finger der rechten Hand anstatt wie jetzt der linken nicht mehr hätte bewegen können.
Denn vor ein paar Stunden hatten auch die letzten zwei Finger ihren Dienst endgültig eingestellt.
Was dazu führte, dass es tatsächlich eine Träne aus seinem Augenwinkel geschafft hatte. Eigentlich weinte oder schrie er schon lange nicht mehr. Gönnte seinen Versandten den Anblick, der ihnen so zu gefallen schien, nicht.
Egal, was sie ihm bis jetzt angetan hatten. Ob er halbnackt und frierend in seinem kleinen Schrank unter der Treppe liegen musste, oder den Boden im ganzen Haus schrubbte. Kochte, sobald er in der Lage war eine Pfanne zu halten. Bei strömenden Regen oder 30° Hitze den Garten von Unkraut befreien, den Zaun streichen oder Rasenmähen musste, währenddem Hustenanfälle seinen ausgemergelten Körper dank der Lungenentzündung geschüttelt hatten.
Er für jeden noch so kleinen Fehler aufs schlimmste bestraft und nicht selten danach halbtot in den Schrank unter der Treppe geworfen wurde und dort alleine um sein Überleben kämpfte, halb verhungert und verdurstet.
Er hatte nie laut geweint oder geschrien. Nur wenn er alleine war, hatte er seinem Kummer freien Lauf gelassen. Hatte seinen Verwandten nie widersprochen oder ihnen absichtlich Ärger bereitet. Hatte seinen ganzen physischen und psychischen Schmerz irgendwie ertragen und keinen anderen damit belastet oder sich darüber beschwert. Hatte Jahr um Jahr, obwohl mit seinem Alter auch die Bestrafungen und Verletzungen immer entsetzlicher wurden, nicht aufgegeben, versucht, nicht zu zerbrechen und für die anderen da zu sein. Selbstlos wie er nun mal ist ohne jemanden mit seinen Sorgen zu belasten. Doch nun forderte sein Verhalten ihren Tribut.
Sein Körper und seine Psyche hatten ihr Limit an Aushaltbarem erreicht.
Denn jetzt gingen nicht nur seine körperlichen Schmerzen ins Unermessliche, auch seine Seele schrie nach Erlösung.
Denn dank einem zufällig belauschten Gespräch am letzten Schultag zwischen dem Schulleiter und seinen sogenannten besten Freunden, wusste er jetzt mit Sicherheit, dass er nicht nur seinen Paten, Sirius Black, verloren hatte, sondern es auch nie ein goldenes Trio gab. Oder ein Albus Dumbledore der zu ihm hielt und nur sein Bestes im Sinn hatte.
Sie hatten ihn alle betrogen und belogen. Ihm etwas vorgespielt. Er war allein, ohne Kraft und Motivation auch nur einen Versuch zu starten, das alles doch irgendwie zu überleben.
Er fühlte sich alt und so unglaublich müde. Er war nur eine Marionette für die weiße Seite. Jemand, der egal wie es weitergeht, den Kürzeren zieht. Doch diesen Sieg würde er ihnen nicht gönnen. Sie würden ihren Helden verlieren. Zwar konnte er sich selber nichts antun, da der alte Bastard dies, wie er aus erster Hand schmerzlich feststellen musste, verhinderte, doch das er sich an Voldi wenden würde, damit hatten sie mit Sicherheit nicht gerechnet.
Jetzt musste der dunkle Lord nur noch die Gelegenheit beim Schopf packen und er es irgendwie schaffen bis morgen Nacht zu überleben und sich auf seinen Beinen zu halten.
Was gar nicht so einfach werden würde, da mit jeder Stunde, die verging, etwas mehr seiner Kraftreserven aufgebraucht wurden. Seine Magie kämpfte unermüdlich gegen die inneren Verletzungen. Hoffentlich würde seine Kraft noch bis morgen reichen.
„Du Missgeburt! Warum bist du nicht in der Küche und kümmerst dich um das Abendessen?! Willst du, dass ich komme und dich hole?"
Harry konnte nur mit Mühe ein Schaudern unterdrücken, als die Stimme seines Onkels von unten die Treppe hinauf und an seine Ohren drang. Er kämpfte sich schwer atmend und wimmernd in eine aufrechte Position.
Es war Zeit, sich um das Abendessen seiner lieben Verwandten zu kümmern.
Gegenwart Riddle Manor
Der dunkle Lord laß jetzt mit Sicherheit schon zum fünften Mal jede Zeile des Briefes, welchen er in Händen hielt.
Kam so etwas doch recht unerwartet und ließ ein Gefühl der Sorge in ihm aufkommen.
Vorsichtig streckte er eine Hand aus und fuhr der Eule sanft über ihr Gefieder. Sie war wirklich ein schönes Tier. Allerdings hoffte Tom ehrlich gesagt, dem Jungen seine zweite Bitte nicht erfüllen zu müssen. Nicht, weil er die Eule nicht bei sich behalten wollte, sondern weil sich für ihn durch Harrys Brief jetzt eine Möglichkeit ergab, vollkommen unspektakulär an den Jungen zu kommen.
Der dunkle Lord war so in Gedanken, dass er die plötzliche Stille im Raum gar nicht realisierte.
Zumindest nicht bis ein leises Räuspern an seine Ohren drang.
„Mylord ... Tom ...? Was steht denn in dem Brief, wenn mir diese anmaßende Frage gestattet ist?", Lucius sah wie jeder andere auch gespannt zu seinem Herrn und wartete auf eine Erklärung.
Nun jedoch etwas nervös, in der Hoffnung, nicht zu weit gegangen zu sein. Schließlich sah der dunkle Lord alles andere als erfreut aus. Und bei diesem Gesichtsausdruck musste man mit allem rechnen.
Lord Voldemort runzelte nach ein paar weiteren verstrichenen Sekunden die Stirn und ließ die Luft aus seinen Lungen geräuschvoll entweichen. Im nächsten Moment vervielfältigte er den Brief und ließ eine Kopie zur jedem seiner Todesser des inneren Kreises schweben.
„Es hat sich, so wie es aussieht, schneller wie gedacht eine Möglichkeit ergeben an den Jungen zu kommen!"
Severus Snape war der Erste, der das Gelesene zumindest einigermaßen verdaut hatte und nun fragend zu Tom sah. „Was hast du jetzt vor?"
Der dunkle Lord schnaubte und verdrehte leicht die Augen. „Na was denkst du, was ich machen werde Severus! Heute Nacht in den Ligusterweg apparieren natürlich."
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