epilog

EPILOG

and I still talk to you,
when I'm screaming at the sky.

A M E L I E

winter 2003
(2,5  Jahre nach dem Sturz des Regimes)

Es war ruhig an diesem späten Dezemberabend, nur das sanfte Knistern des Kaminfeuers war zu hören, das sich mit dem leisen Rascheln umblätternder Seiten zu einer entspannten Atmosphäre vereinte.

Mit ausgestreckten Beinen saß ich unter eine Decke gekuschelt in einem der gemütlichen Samtsessel vor dem Kamin im größten Salon des Berkshire Manor und las wieder einmal in Romeo und Julia, die schlummernde Snowball eingerollt auf dem Schoß.

Der eisige Sturm, der bereits seit den frühen Abendstunden hinter den mit Lichterketten und Tannengirlanden geschmückten Fenstern unseres Anwesens tobte, hatte die Scheiben an den Rändern mit malerischen Frostblumen überzogen, sodass die unter einer dichten Schneedecke verborgenen Gärten dahinter kaum noch zu erkennen waren.

Gähnend streckte Snowball ihre samtenen Pfötchen in die Luft und schnupperte mit ihrem rosa Näschen intuitiv nach der zuckersüßen Vanillenuance des frisch aufgebrühten Kaffees, der plötzlich in einer hübschen Porzellantasse auf dem kleinen gläsernen Beistelltisch neben dem Sessel erschienen war.

Koffeinfrei natürlich, da es schon spät war.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen als ich sah, dass unsere Küchenelfe Coco auch einen der herrlich duftenden Zimtkekse auf die Untertasse gelegt hatte, die ich heute mit ihr und Diana gebacken hatte. Es war bereits das dritte Mal in dieser Woche, dass wir den Nachmittag zusammen in der luxuriös eingerichteten Küche des Manor verbracht hatten, denn die Plätzchendosen, die wir mit Lebkuchen, Vanillekipferln oder Zimtgebäck füllten, waren meist nach wenigen Stunden bereits wieder geplündert.

Diana war im sechsten Monat schwanger und absolut verrückt nach allem was süß und zuckrig war. Sie und Enzo würden im Februar ein kleines Mädchen bekommen und ich konnte es kaum erwarten, dass sich unsere Familie wieder vergrößerte.

Mein Herz klopfte jetzt schon vor Aufregung, bei dem Gedanken daran ihr morgen früh zur Bescherung endlich das hübsch verpackte Päckchen mit dem niedlichen Hippogreif Strampler und den Diricawl Söckchen überreichen zu können, die ich Anfang Dezember bei einem Weihnachtsbummel mit Astoria im Covent Garden in London entdeckt hatte.

In Gedanken ging ich noch einmal die Liste durch, doch alle Vorbereitungen für Weihnachten waren getroffen und die Geschenke besorgt. Meine Augen glitten über die mit dunkelgrünen und roten Samtschleifen verzierten Päckchen, die unter dem prachtvoll dekorierten Weihnachtsbaum lagen, bereit noch vor dem Familienfrühstück geöffnet zu werden.

Auch wenn eines der Geschenke, wieder unberührt bleiben würde. So wie die letzten zwei Weihnachtsfeste, die ich ohne ihn verbracht hatte.

Ohne meinen Ehemann.

Ohne meinen Theo.

Jeder Atemzug ohne den Jungen mit den dunklen Locken an meiner Seite schmerzte immer noch genau so wie seit seiner Gefangennahme, auch wenn ich mittlerweile gelernt hatte, mit dem Schmerz zu leben.

Ihn zu akzeptieren, als wäre er ein Teil von mir.

Ihn auszuhalten, zu überleben— bis er endlich wieder bei mir war. Ich warf einen kurzen Blick zu den gläsernen Flügeltüren um sicher zu gehen, dass das Licht im Flur bereits gelöscht war, bevor ich meinen Tränen freien Lauf lies, wie ich es nur noch tat, wenn ich abends ganz allein war. Allein mit meinen Kummer und der Leere, die seine Anwesenheit in meinem mitgenommenen Herzen hinterlassen hatte.

»Nur noch zweieinhalb Jahre«, flüsterte ich, ließ meine Kaffeetasse zurück auf den Beistelltisch schweben und drückte meine tränennassen Wangen in das schneeweiße Fell meines geliebten Kätzchens.

»Dann hab ich ihn endlich wieder bei mir.«

Ich drückte Snowball an mich und wiegte mich langsam hin und her, um mich zu beruhigen. Würde ich mich jetzt meinem Kummer hingeben, würde ich den Rest der Nacht weinend und schlaflos auf diesem Sessel verbringen. »Ich schaffe das«, murmelte ich in Snowballs Fell, die zu Schnurren angefangen hatte.

»Er ist nicht tot und er kommt zurück zu mir.«

Ich lächelte durch meinen Tränen hindurch, als ich Snowballs raue Zunge über meine Finger kratzen spürte, was mein Kätzchen oft tat, wenn es meine Traurigkeit spürte. »Er ist am Leben und er ist gesund«, flüsterte ich mir immer wieder selbst zu, bis das Zittern in meinen Schultern langsam verebbte.

Denn ich wusste, dass es stimmte.

Mattheo lebte und er war gesund.

Körperlich zumindest.

Einmal im Monat bekam ich eine Eule vom Ministerium, die mir einen Brief überbrachte, in dem mir dies vom Leiter der magischen Strafverfolgung höchstpersönlich bestätigt wurde. Es war immer dieselbe majestätische Eule mit dem schneeweißen, gepflegten Gefieder, die beim Rückflug stets eine Pergamentrolle an ihr Füßchen gebunden hatte, in der sich ein Scheck der Gringotts Bank befand.

Es war eine horrende Summe, die ich dem Beamten inoffiziell jeden Monat zukommen ließ, dreimal so hoch wie ein einziger Semesterbeitrag meiner Elite Universität in Cambridge, doch er sorgte dafür, dass Mattheo in Askaban keinen grausamen Tod starb, ein Schicksal das viele Gefangene dort ereilte, entweder durch Kälte, durch Hunger oder puren Wahnsinn.

Durch das Gold bekam er jeden Tag genug zu essen, hatte ein richtiges Bett statt einer schäbigen Matratze auf dem nasskalten Boden, warme Kleidung und Bücher— jede Menge Bücher, die ihm von Flourish und Blotts direkt in seine Zelle geliefert wurden.

Bücher, die ich jeden Monat selbst aussuchte, damit Mattheo in denselben fiktionalen Welten Zuflucht fand wie ich. Der Gedanke, dass wir wenigstens dort zusammen sein konnten, spendete mir etwas Trost.

Anfangs hatte ich mich mithilfe eines Desillusionierungszaubers ins Lager meines liebsten Buchladens in der Winkelgasse geschlichen und Briefe und Fotos zwischen die Seiten gelegt, oft nass von meinen Tränen. Doch nach einigen Wochen hatte mich Amando Flourish zur Seite genommen und mir mit sanfter Stimme mitgeteilt, dass die Pakete von den Wärtern in Askaban durchsucht wurden, bevor er mir einen Umschlag in die Hand gedrückt hatte.

Stunden hatte ich weinend auf einer von rotgoldenem Herbstlaub umsäumten Bank im Hyde Park gesessen, auf die Fotos gestarrt, die er nicht würde sehen können und die Briefe in meinen zitternden Händen festgehalten, die er nicht würde lesen können. Briefe, in denen am Ende immer dieselben Worte standen.

Ich liebe dich.

Bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht ist.

In den ersten Monaten nach dem Sturz des Regimes und seiner Gefangennahme hatte ich oft aufgeben wollen— und doch war ich gezwungen gewesen meine Tränen herunterzuschlucken, das Kinn zu heben und all meine gebrochenen Teile zusammenzuhalten.

Stark zu sein für meine Familie.

Und so gingen weitere Monate ins Land.

Jahre.

Und immer noch zähle ich die Tage, zählte die Minuten, zählte die Sekunden, bis es vorüber war.

Die Hälfte der Zeit war geschafft und auch wenn ich anfangs befürchtet hatte, an einem gebrochenen Herzen zu sterben, so hatte ich es doch überlebt.

Und im März des darauffolgenden Jahres hatte ich sogar wieder lächeln können. Auch wenn ich seither ein anderes Leben führte. Ein Leben im Schatten, trotz der Sonne, die wenige Wochen nach dem Tod Lord Voldemorts zusammen mit den Jahreszeiten zurück nach Großbritannien gekehrt war.

Doch der Winter war immer am härtesten für mich, steckte die frostige Jahreszeit doch voller Erinnerungen an unsere gemeinsame Kindheit.

Erinnerungen an grimmig dreinblickende Schneemänner mit Schnurrbärten, die er für mich zwischen den Hecken unserer Gärten gebaut hatte, bevor er sie mit einem Schlenker seines Zauberstabs aufeinander losgelassen hatte. Erinnerungen an die unzähligen Zauberschachpartien, in denen ich ihn geschlagen— und ihm dann zum Trost einen großen Becher Pfefferminzschokolade gekocht hatte.

Erinnerungen, als wir einige Jahre später nebeneinander auf einem der Sofas gesessen- und unter der Decke heimlich Händchen gehalten hatten, damit Enzo nichts mitbekam— oder süße verstohlene Küsse unter einem Mistelzweig ausgetauscht hatten.

Jede Ecke des Berkshire Anwesens steckte voller Erinnerungen an den Lockenkopf, den ich so liebte.

Es hatte ewig gedauert, bis ich es geschafft hatte zu den Ställen unserer geflügelten Pferde zu gehen, ohne an der Stelle in Tränen auszubrechen, an der wir wieder zueinander gefunden hatten. An der wir uns geküsst hatten, im Schnee an Weihnachten, während unser Stern über unseren Köpfen gefunkelt hatte.

Nachdenklich glitten meine Fingerspitzen über meinen Verlobungsring und ich fragte mich, ob er es sehen konnte. Ob er sehen konnte, worum ich seine Magie flüsternd bat, jeden Abend wenn ich meine Lippen vor dem Einschlafen auf den Diamanten drückte, der die Form eines kleinen Sternes hatte.

Ob ich ihm ein Licht in der Dunkelheit war—

so wie er für mich.

Als meine Tränen verblasst waren, hob ich Snowball von meinem Schoß und setzte sie behutsam auf dem Fußboden ab, während ich die leere Porzellantasse mit einem Dreh meines Handgelenkes zurück in die Küche schickte. Suchend drehte ich mich um und fand meinen Zauberstab auf einer verschnörkelten Kommode, gleich neben der Postkarte, die einen weißen Sandstrand und Palmen zeigte und auf dessen Rückseite in Pansys vertrauter Handschrift geschrieben stand, wie wunderschön die Bahamas waren— und wie gottlos heiß der Sex mit Lestrange.

Ich kam nicht umhin zu grinsen, als ich ihre Worte erneut las. Ich konnte es kaum erwarten, die beiden bald endlich wieder in die Arme schließen zu können.

Da sie aufgrund von Lucifers Vergangenheit immer noch auf der Flucht waren und es wahrscheinlich auf ewig bleiben würden, konnten sie es nicht oft riskieren zurück nach England zu kommen, weshalb ich vor Freude so laut geschrien hatte, als ich erfahren hatte, dass sie es zu Theodores und Gabrielles Hochzeit am Silvesterabend schaffen würden, dass Dad und Enzo mit gezückten Zauberstäben herbei gestürmt waren.

Ich lehnte die Postkarte neben ein gerahmtes Foto von Astoria und Draco, die einen platinblonden Jungen zwischen sich hielten, der mir fröhlich zuwinkte und dabei stolz seine Zahnlücke zeigte.

Mit Liebe im Herzen betrachtete ich den kleinen Scorpius, für den ich nach seiner Geburt zusammen mit Enzo die Patenschaft übernommen hatte. Neben dem Foto lagen zwei Kastanien, die von dem Baum stammten, unter dem wir Blaise und Daphne nebeneinander beerdigt hatten. Es war der schönste Platz auf dem verwunschenen kleinen Friedhof in Yorkshire, den wir uns hätten aussuchen können.

Im Frühling und Sommer wuchs dort eine Blumenwiese, im Herbst war goldenes Laub zu sehen und für die Wintermonate hatte ich eigenhändig magische Christrosen vor ihre Gräber gepflanzt, die nun jedes Jahr in einer anderen Farbe erblühten.

Es hätte ihnen gefallen, da war ich ganz sicher.

Mit einer plötzlichen Schwere im Herzen hob ich einen kleinen Stoff Hippogreif vom Boden auf und setzte ihn auf die Kommode. Doch als ich mich umdrehte um die Kerzen zu löschen, fiel mein Blick auf Snowball, die aufmerksam vor den bodentiefen Fenstern saß und hinaus in die Gärten starrte.

»Snow«, rief ich nach dem Kätzchen, das mich jeden Abend ins Schlafzimmer begleitete. »Na komm.«

Doch Snowball rührte sich nicht.

Mit kugelrunden blauen Augen starrte sie aus dem Fenster, während ihr Schnurren immer lauter wurde.

Seufzend ging ich zu ihr herüber, doch in dem Moment als ich mich bücken wollte um sie in meine Arme zu heben, bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen Schatten. Doch als ich genauer hinsah, konnte ich nichts außer dem Glanz der Lichterketten erkennen, der in dem Glas reflektierte. Plötzlich miaute Snowball, flitzte durchs Zimmer, quetschte sich durch den Türspalt und war verschwunden.

Seufzend folgte ich ihr hinaus auf den Flur, der durch all die warmen Weihnachtslichter und verzauberten Kerzen in ein sanftes goldenes Licht getaucht war.

Das Anwesen roch nach Zimt, frisch gebackenen Plätzchen, Orangenschalen und den Tannennadeln der Weihnachtsbäume, die Dad und Enzo in jedem größeren Raum des Manor aufgestellt hatten und die Mum und ich wie jedes Jahr mit smaragdgrünen und kobaltblauen Christbaumkugeln geschmückt hatten.

Sämtliche Kaminfeuer waren entzündet worden und doch lief mir plötzlich ein eisiger Schauer über den Rücken. Mit den Händen rieb ich mir über die Arme und wünschte mir, ich hätte einen Morgenmantel über meinem tiefschwarzen Satinpyjama gezogen.

»Verdammt, Snow«, fluchte ich leise, während ich dem Fellknäuel auf Zehenspitzen hinterher lief, um bloß niemanden aufzuwecken. Als der Flur in der Eingangshalle mündete, sah ich schließlich, wie das Kätzchen auf den Schachbrettfliesen saß und laut schnurrend zur geschmückten Haustür starrte.

»Snowball, komm her.«

Doch die Katze ignorierte mich und fixierte die Tür weiter mit einem so gebannten Blick, als rechnete sie fest damit, dass sie sich jeden Augenblick öffnete.

Was unmöglich war, denn die Schutzzauber des Anwesens ließen nur Mitglieder unserer Familie sowie ausgewählte Freunde nach Belieben die gusseisernen Tore passieren— alle anderen Besucher mussten davor warten und den magischen Türklopfer der die Form eines steinern Adlers hatte, betätigen, der sie erst hineinließ, wenn wir dem zustimmten.

Eine besondere Schutzmaßnahme, die Dad nicht allein nur wegen unseres Reichtums ergriffen hatte.

Dort draußen konnte niemand sein. Und ausserdem war es fast Mitternacht und über dem gesamten Landkreis tobte ein eisiger Schneesturm. Selbst jemand mit magischem Blut würde es sichtlich schwer haben, bei dieser Kälte nicht zu erfrieren.

»Snow komm jetzt, da ist niemand«, sagte ich im Flüsterton zu dem Kätzchen und trotzdem umklammerte ich den Zauberstab in meinen Händen fester, während ich mich der Eingangstür näherte.

Snowball gab ein klägliches Miauen von sich und wich mir geschickt aus, als ich sie hochheben wollte.

»Du kleiner Sturkopf«, seufzte ich und drehte mich um, um allein zu Bett zu gehen, als ich kurz vor den elegant geschwungenen Zwillingstreppen aus weißem Marmor, die in die oberen Stockwerke führten, wie vom Donner gerührt stehen blieb.

Magie kribbelte auf meiner Haut wie die ersten Sonnenstrahlen im Frühling nach einem sich endlos anfühlenden Winter, als ich mich langsam wieder umdrehte und dann mit angehaltenem Atem zur Eingangstür starrte, während mein Herz so wild gegen meine Rippen pochte, dass ich befürchtete, es würde mir jeden Augenblick aus der Brust springen.

Das Feuer der schwebenden Kerzen flackerte kurz auf, bevor sie umso heller leuchteten. Obwohl die Dunkelheit in der Eingangshalle zugenommen hatte.

Eine Dunkelheit, die mir nur allzu vertraut war.

Mit wild klopfendem Herzen rannte ich durch die Halle, stolperte beinahe in meinen Pantoffeln und verlor meinen Zauberstab, doch es war mir egal.

Mit einem Ruck riss ich die Haustür auf.

Askaban hatte ihn nicht gebrochen.

Sein Haar war ein Chaos aus purer Dunkelheit, dekoriert mit glitzernden Eiskristallen. Seine Locken waren ein klein wenig gewachsen und fielen ihm umso rebellischer in die Stirn, die durch das fehlende Sonnenlicht etwas blass war. Er war älter und seine Züge härter, doch selbst zweieinhalb Jahre an diesem grausamen Ort hatten ihm nicht einen Funken seiner beeindruckend dunklen Schönheit beraubt.

Er trug den eleganten tiefschwarzen Mantel, den ich im Oktober für ihn ausgesucht hatte und in seiner Hand hielt er einen der rotkarierten Kaffebecher, die man zur Weihnachtszeit bei Starbucks bekam.

»Hi Sweetie«, flüsterte mein Ehemann mit rauer Stimme und sie nach all den Jahren endlich wieder zu vernehmen, war wie Engel zu mir singen zu hören.

»Ich habe dir Pfefferminzschokolade mitgebracht.«

In seinen tiefbraunen Augen, die ich so sehr liebte, glitzerten Tränen, während er mich ansah. »Ich habe noch keinen Zauberstab und meine Magie hat nur ausgereicht, um mich selbst warm zu halten, also entschuldige, wenn sie etwas kalt geworden ist.«

Ich starrte auf den Becher, den er mir entgegen hielt.

Snowball huschte miauend um unsere Beine herum und verlangte verzweifelt nach Aufmerksamkeit, doch keiner von uns beiden beachtete das Kätzchen.

Am ganzen Körper heftig zitternd sah ich ihn an.

Als ich nichts sagte und den Becher auch nicht entgegen nahm, mischte sich ein Hauch von Sorge in seinen Blick und er ließ ihn in der Luft schweben.

»Sie haben mir einen Deal angeboten«, erklärte er mir mit ruhiger Stimme. »Ich denke sie sind ziemlich verzweifelt, wenn sie ausgerechnet meine Hilfe beim Verfolgen schwarzer Magier brauchen und ich weiß du hasst es, wenn ich auf solche Deals mit dem Ministerium eingehe, aber ich dachte im Tausch gegen meine Freiheit wäre es vielleicht— Amelie

Ein herzzerreißendes Geräusch mischte sich zu dem Heulen des Dezemberwindes und ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass es mein Schluchzen war. Heiße Tränen begannen mir über die Wangen zu kullern und gefroren beinahe auf dem Weg hinab, während ich immer noch im Türrahmen stand und am ganzen Körper zitternd meinen Mann anstarrte.

Er war zurückgekommen.

Mattheo war zu mir zurückgekommen.

Theo.

Mein Theo.

Zögerlich machte er einen Schritt nach vorn.

»Wie ich es dir versprochen habe«, sagte er leise.

Meine Knie wurden weich, als er jetzt dicht vor mir stand und nach meiner linken Hand griff. Zärtlich strich sein Daumen über meine Fingerknöchel, bevor er meine Hand an seine Lippen hob und jeden einzelnen von ihnen küsste, was den sternförmigen Diamanten meines Verlobungsringes erstrahlen ließ.

»Ich habe es gesehen«, murmelte der Lockenkopf mit rau klingender Stimme und hauchte mir einen weiteren Kuss auf die Hand. »Jede Nacht, Amelie.«

Seine Hand hielt immer noch meine, während er mir mit der anderen zärtlich die Tränen von den Wangen strich. »Du bist noch schöner geworden«, hauchte er mit gebrochener Stimme und schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Ich weiß es ist zweieinhalb Jahre her und—«, er zögerte und schluckte schwer.

»Wenn du jemand anderen gefunden hast, dann würde ich es verstehen.« Die Hand, die jetzt an meiner Wange lag, zitterte und ich bemerkte, dass er den Atem anhielt. »Ich wusste nur nicht, wohin—«

»Halt die Klappe, Theo«, brachte ich schluchzend hervor, was seine Mundwinkel zucken ließ. »Du bist mein Ehemann und das hier ist—«, meine Schultern zitterten jetzt so heftig, dass ich kaum noch aufrecht stehen konnte. »Dein Zuhause

Die letzten Worte waren nichts als ein heiseres Flüstern gewesen, fortgetragen von dem eisigen Dezemberwind, der unser Haar und unsere Gesichter mit Schneeflocken küsste. Ich konnte hören, wie er erleichtert ausatmete. Seine Lippen bewegten sich, doch bevor er etwas sagen konnte, warf ich mich weinend in seine Arme und klammerte mich an ihn.

Mattheo, der ebenso sehr zitterte wie ich, zögerte keine Sekunde, schlang die Arme um meine Taille und hielt mich fest. »Oh Theo«, wisperte ich gebrochen, als er sich zurücklehnte und seine Stirn an meine lehnte.

»Ich liebe dich«, sagte der Sohn des einst gefürchtetsten Zauberers unserer Zeit unter Tränen, bevor er mein Kinn hob und mich küsste.

Mir wurde schwindelig vor Glücksgefühlen.

»Ich liebe dich auch.«

Ich schmeckte das Salz meiner eigenen und dann auch seiner Tränen auf meinen Lippen, während wir einen langen Augenblick in der eisigen Kälte standen und einander innig küssten, einander festhielten.

Von jetzt an — auf ewig, bis auch der letzte Stern am Nachthimmel verglüht war.

Ohne meine Lippen von seinen zu lösen, zog ich ihn über die Türschwelle aus der Kälte hinein in die Wärme des Hauses, als plötzlich das Geräusch von Schritten, die ein wenig unbeholfen über den Marmorboden tapsten dafür sorgte, dass wir uns voneinander lösten. Immer noch liefen mir Tränen über die Wangen, die nur noch verstärkt wurden, als ich sah, wie Mattheo den Blick von mir löste und ihn auf die Stelle neben mir richtete, an der sich jetzt kleine Kinderhände in meine Pyjamahose krallten.

»Ich bin nicht müde, Mommy«, jammerte die Stimme des kleinen Jungen, den ich mehr liebte, als alle Sterne, Monde und Planeten im Universum und dessen kleine Finger mir ein Buch entgegen streckten, dessen Seiten schon zerfleddert waren, so oft wie ich ihm schon daraus vorgelesen hatte.

»Können wir wieder das Märchen vom Babbel Häs-chen lesen?« Ein Anflug von Stolz mischte sich in das Meer von Emotionen, das mich durchflutete, denn es war das erste Mal, dass er es geschafft hatte das schwierige Wort Häschen richtig auszusprechen.

Mit dem Ärmel meines Satin Pyjamas wischte ich mir die Tränen von den Wangen und wandte mich dem kleinen Lockenkopf zu. »Aber es ist doch schon so spät, Atti«, sagte ich mit sanfter Stimme und blickte auf seine nackten Füßchen. »Wo sind denn deine Pantoffeln, mein Schatz?« Doch der kleine Junge in dem niedlichen Slytherin Schlafanzug hörte mir überhaupt nicht zu, denn seine großen braunen Augen, die umrahmt von langen dichten Wimpern waren, hatten Mattheo entdeckt und starrten ihn an.

Und Mattheo starrte den Jungen an.

Ich wagte es kaum zu atmen, als ich sah, wie sein Blick über die Locken des Jungen glitt, die genau so dunkel und verwuschelt waren wie seine eigenen, zu seinen Augen, dessen Farbe eine Mischung aus seinen und meinen waren, zu der Nase, die er definitiv von seinem Vater geerbt hatte, bis hin zu seinen geschwungenen Lippen, wobei die Unterlippe ein wenig ausgeprägter war als die Oberlippe— ein Merkmal, das unser Sohn von mir bekommen hatte.

Mattheo sank auf die Knie.

Tränen liefen ihm über die von der Kälte leicht rosig angehauchten Wangen, während er seinen Sohn betrachtete, der sich jetzt ein wenig eingeschüchtert an mich schmiegte. »Bist du wieder traurig, Mommy?«, fragte der Lockenkopf mich und zog ein benutztes Taschentuch aus seiner Schlafanzughose, das er mir mit unsicherer Miene entgegen streckte.

Ich kniete mich ebenfalls auf den Fußboden, nahm unter Tränen lächelnd das Taschentuch, tupfte mir die Tränen ab und schüttelte dann den Kopf. »Nein, Atti. Ich bin nicht traurig, ich bin sehr glücklich.«

Atticus Riddle sah mich misstrauisch an, bevor er Mattheo einen ebenso misstrauischen Blick zuwarf.

Einen Moment befürchtete ich, er würde einen furchtbaren Wutanfall bekommen, so wie es oft der Fall war, wenn er sich vor etwas ängstigte, doch dann
hellte sich das Gesicht des zweijährigen plötzlich auf und mir wurde klar, dass er seinen Vater nun von den gerahmten Fotos wieder erkannt hatte, die ich überall im Manor aufgestellt oder aufgehangen hatte.

Selbst auf dem Nachttisch neben seinem Bett hatte ich eines platziert, damit er seinem Dad jeden Abend gute Nacht sagen konnte.

»Daddy?«

In seinen Kinderaugen glitzerten Tränen.

Tränen wie Sterne, kleine funkelnde Sterne.

Atticus sah nach Bestätigung suchend zu mir und ich nickte nur, brachte kein einziges Wort heraus.

Mattheos Lippen zitterten, als er stumme Tränen weinend die Arme nach seinem Sohn ausstreckte, der jetzt ohne zu zögern auf seinen Schoß kletterte und seine kleinen Hände in seinen Mantel krallte, auf dessen Stoff immer noch Schneeflocken glitzerten, die er nun eifrig aufzusammeln versuchte.

Die Tür hinter uns schloss sich von selbst und Mattheos tränenverschleierter Blick fand meinen, während seine zitternden Arme den kleinen Jungen an sich drückten, ihn festhielten— ihn beschützten.

»Einige Tage nachdem sie dich weggebracht hatten, habe ich herausgefunden, dass ich schwanger war«, brachte ich weinend hervor und kroch näher, als Mattheo nun auch eine Hand nach mir ausstreckte.

»Ich glaube, dass du mich damals nur wegen ihm zurückholen konntest«, flüsterte ich unter Tränen.

»Weil er bereits unter meinem Herzen war und weil seine Magie deine erkannt und ihr vertraut hat.«

Seine Atmung wurde schwerer.

»Du warst fort und ich—« Seine Lippen küssten meine Schläfe, was mir trotz meines Kummers Schmetterlinge bereitete. »Ich konnte es dir nicht mehr sagen, Theo«, weinte ich. »Ich habe versucht dir zu schreiben, aber sie haben es mir nicht erlaubt.«

Von der Nacht von Attis Geburt, in der Lestrange kurz davor gewesen war Askaban aufzusprengen, um ihn herauszuholen, würde ich ihm später erzählen.

Mattheo zog mich an sich und hielt seine kleine Familie ganz fest in seinen beschützenden Armen.

»Ist schon gut, Sweetie.« Der ehemalige Todesser verbarg das Gesicht in meinem dunkelbraunen Haar und sog meinen Duft ein. »Es tut mir leid, Amelie«, wisperte Mattheo mit gebrochener Stimme in mein Haar. »Es tut mir so leid, dass ich nicht da war.«

»Aber jetzt bist du wieder zuhause, Daddy«, schniefte Atticus und wischte sich am Ärmel seines Schlafanzugs die Rotznase ab. »Also wirst du jetzt nicht mehr weinen, oder Mommy?« Hoffnungsvoll blickte der kleine Lockenkopf zwischen uns hin und her, woraufhin ich ihm mit einem tränenerfüllten Lächeln liebevoll durch sein rebellisches Haar wuschelte, das egal wie oft ich es auch kämmte, immer ein Chaos aus Nacht und Dunkelheit blieb.

»Ja, mein Schatz. Mommy braucht jetzt nicht mehr zu weinen«, sagte ich und blickte kurz zu dem dunkelhaarigen jungen Mann hinter ihm. Es war Enzo, der Atticus gefolgt war und nun auf den Treppenstufen saß, die Wangen nass von Tränen.

Mattheo streichelte mir beruhigend über den unteren Rücken und staunte dann mit großen Augen über den kleinen Plüsch Hippogreif, den Atticus plötzlich in den Händen hielt und seinem Dad stolz präsentierte.

Bereits im Alter von gerade mal einem Jahr hatte unser Sohn herausgefunden, wie er seine Spielzeuge von überall heraufbeschwören— oder sogar auf eine monströse Größe heranwachsen lassen konnte, sodass es nicht selten vorkam, dass ich morgens Schwierigkeiten hatte seine Tür zu öffnen, da all seine Kuscheltiere plötzlich überlebensgroß waren.

Ich wischte mir die Tränen von den Wangen und kuschelte mich an Mattheos Brust, während er fasziniert dabei zusah, wie Atti den Hippogreif mit einer Handbewegung in der Luft schweben ließ.

Und dann fühlte ich, wie nun auch der letzte Riss meines gebrochenen Herzens langsam zu heilen begann und sich die Leere darin mit Liebe füllte.

Mattheo war endlich zuhause.

Zuhause bei seiner Familie.

☾ ⁺₊

the story of
amelie & mattheo.

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