50. between heaven and hell

TW: Gewalt, Folter, Mord
Tod eines Hauptcharakters

when my time comes around,
lay me gently in the cold dark earth,
no grave can hold my body down,
I'll crawl home to her.

M A T T H E O

Der Schrei, der aus der Kehle des Mannes drang, der ihn gezeugt hatte, als dieser den Kopf seiner Schlange und somit das Ende seiner Unsterblichkeit erblickte, ließ die Wände der Hogwarts Akademie erzittern.

»Nein, Nagini

Lord Voldemort sank auf die Knie, umfasste ihren Kopf mit seinen Händen, die nun mehr denn je denen eines Skeletts glichen, und strich mit seinen bleichen Fingern nahezu zärtlich über Naginis glatte Haut.

Wie gelbe Halbmonde glommen ihre halb geöffneten Augen in der Dunkelheit— doch es war kein Leben mehr in ihnen, keine Angriffslust, keine Neugier.

Der Maledictus war nicht nur das einzige lebendige Wesen gewesen, das Tom Marvolo Riddle jemals etwas bedeutet hatte, sondern war auch die erste treue Freundin gewesen, die Mattheo gehabt hatte, bevor mit Bellatrix Black's arrangierter Eheschließung mit Rodolphus Lestrange, dessen unehelicher Sohn Lucifer in sein Leben getreten war.

Mattheo teilte die Trauer des dunklen Lords.

Nagini war alles für ihn gewesen, bevor der furchtlose ältere Junge mit den tiefblauen Augen und der langen Fluchnarbe im Gesicht für ihn da gewesen war— auch wenn er in einem anderen Teil Europas zur Schule gegangen war. Bevor er mit elf Jahren im Hogwarts Express auf Lorenzo Berkshire getroffen war— der ihn direkt seinen Freunden vorgestellt— und ab diesem Tag jede Ferien zu sich nach Hause eingeladen hatte, wo Mattheo nicht nur die schönsten Sommer seines Lebens erlebt— sondern auch zum ersten Mal ein Weihnachten gefeiert hatte, an dem sein Geschenk kein Cruciatusfluch gewesen war.

Das Berkshire Manor war sein Zuhause geworden. Ein Ort, an dem er bedingungslos geliebt worden war. Von Enzo's Eltern, die ihn stets behandelt hatten wie ihren eigenen Sohn. Und von ihrer Tochter Amelie, die im Gegensatz zu anderen Kindern nie vor ihm und seiner Dunkelheit zurückgeschreckt war.

Die ihm immer nur mit Liebe begegnet war.

Selbst, als er sie nicht verdient hatte, als Mattheo nichts anderes als den Tod verdient hatte, für all den Kummer, den er der Berkshire Erbin bereitet hatte.

Seiner geliebten kleinen Amelie.

Die ihm trotz allem verziehen hatte.

Die ihm all ihre ersten Male geschenkt hatte.

Sein ein und alles.

Amelie, Enzo, ihre Eltern, Lucifer, Pansy, Blaise, Theodore, Draco, Astoria, Daphne und Diana.

Sie alle waren seine Familie.

Die Menschen, für die er sterben würde, für die er jeden noch so grausamen Tod in Kauf nehmen würde, um sie in Sicherheit zu wissen. Um ihnen das Leben ermöglichen zu können, das sie verdienten.

Ein freies Leben.

Ohne die Gesetze dieses grausamen Regimes, an dessen Aufstieg er maßgeblich beteiligt gewesen war.

Damals mit Sechzehn hatte Mattheo versagt, war zu schwach gewesen— zu verängstigt um sich seinem Vater und dessen Anhängern zu widersetzen.

Doch heute würde er nicht versagen.

Denn Mattheo Marvolo Riddle war nicht mehr schwach, dafür hatte er jeden einzelnen Tag gesorgt, seit er das dunkle Mal auf seinem Unterarm verewigt trug. Und er hatte auch keine Angst mehr vor dem Mann, durch dessen Adern dasselbe mächtige Blut floss wie durch seine. Das Blut Salazar Slytherins.

Und das Blut einer Familie, die schon einmal jemanden hervorgebracht hatte, der sich am Ende gegen die Dunkelheit entschieden hatte— auch wenn Regulus Black dabei sein Leben gelassen hatte.

Mattheo würde für seine Freiheit kämpfen.

Für seine Freunde.

Für seine Familie.

Für seine Frau.

Er atmete tief ein und aus und betrachtete einen Augenblick die verzauberte Decke der großen Halle, in deren Sternenhimmel so viele glückliche Erinnerungen lagen. Doch nun war er pechschwarz, die schwebenden Kerzen schon seit Jahren erloschen.

Den Zauberstab in seiner gesunden Hand umklammert, trat Mattheo aus den Schatten.

Zeitgleich richtete der dunkle Lord sich auf. Der Elderstab war auf ihn gerichtet, noch bevor der Magier den Kopf heben konnte, um ihn anzusehen.

Und als er es tat, stockte Mattheo der Atem.

Es war nichts menschliches mehr an ihm.

Lord Voldemort sah aus wie eine Schlange, die nie zuvor das Sonnenlicht erblickt hatte. Sein Haar war schütter und ließ seinen Kopf fast vollkommen kahl zurück, seine Haut war weiß wie Schnee, durchzogen von schwarzen Adern und seine Augen— bei Salazars Herz, seine Augen leuchteten in blutroter Farbe.

Das war es also, was Amelie gesehen hatte.

Doch bevor er sich fragen konnte, wieso er es nicht hatte sehen können, brach ein leuchtend roter Blitz aus der Spitze des Elderstabs hervor und schoss in seine Richtung. Mattheo erwiderte den unverzeihlichen Fluch des dunklen Lords und in der Mitte der großen Halle, kollidierten ihre Zauber in einer funkensprühenden Explosion aufeinander.

Mattheo konnte den Drachenherzfaser-Kern seines Zauberstabs gefährlich knistern hören, fühlte wie er in seiner Hand vibrierte und mit ganzer Kraft gegen den mächtigsten Zauberstab der Welt ankämpfte. Doch sein eigener hatte ihn nie im Stich gelassen— und er würde es auch heute nicht tun, dass wusste er.

Mit einem geistesgegenwärtigen Sprung rettete Mattheo sich vom Podium und ließ seinen Zauber dabei in die Wand gegenüber krachen, während Voldemorts Magie die Stelle, an der er so eben gestanden hatte, fast vollständig wegsprengte.

Trümmer flogen umher und Mattheo fluchte, denn er hatte sich mit seinem verletzten Arm abgestützt.

»ICH HÄTTE DICH TÖTEN SOLLEN

Die Stimme Lord Voldemorts donnerte wie ein Gewitter durch die große Halle von Hogwarts und ließ die Fensterscheiben zerspringen. Ein Tornado aus spitzen Glasscheiben wirbelte in seine Richtung, doch mit einem Schlenker seines Zauberstabs ließ Mattheo ihn zerfallen, sodass sich die Scherben auf dem Boden wie funkelnde Sternbilder verteilten.

»Nein, ich hätte dich töten sollen«, gab Mattheo zurück und schleuderte den Körper seiner Erzeugerin in seine Richtung. »So wie ich sie getötet habe.«

Lord Voldemorts schlangengleiches Gesicht war eine einzige wutverzerrte Grimasse. Mit einem heiseren Schrei, der aus den Tiefen seiner Kehle drang, als würde er sich vor der Leiche seiner treuesten Anhängerin fürchten, stieß er den leblosen Körper von Bellatrix Lestrange mit dem Fuß von sich.

Doch Mattheo wusste, dass es nicht die Toten waren, vor denen er sich fürchtete. Es war der Tod selbst.

Seine eigene Sterblichkeit, die ihn nun wieder von einer Gottheit zu einem Menschen herabsetzte.

Zu einem Menschen aus Knochen, Fleisch und Blut, mit einem Herz aus purer Kälte, das zu schlagen aufhören könnte, ganz gleich wessen machtvolle Lebensessenz es war, die durch seine Adern floss.

Sein Körper verrottete und spiegelte das klägliche Überbleibsel seiner zersprungenen Seele wider.

Dennoch war seine Magie immer noch mächtig.

Mattheo hob seinen Zauberstab, doch der dunkle Lord blockte mühelos all die Schatten ab, die nun aus der Spitze hervordrangen. Sein Sohn fühlte, wie er schwächer wurde, mit jeder Minute, jeder Sekunde.

Mit jedem Atemzug seines sterblichen Körpers.

»Ich hätte dich töten sollen«, wiederholte Voldemort und revanchierte sich mit einem Fluch, der nur haarscharf an seiner Schulter vorbei schoss. »Ich hätte wissen müssen, dass der Tag kommt, an dem du mich verrätst. Du warst unseres Blutes nie würdig. Warst der Ehre niemals würdig, ein Erbe des großen Salazar zu sein.« Mattheo biss die Zähne zusammen, packte seinen verletzten Arm und wich einem weiteren Fluch aus, der nun in die Wand krachte.

Für den Bruchteil einer Sekunde glitt sein Blick aus dem Fenster und in den Nachthimmel dahinter, der immer noch von Lichtblitzen erhellt wurde. Der Sohn des dunklen Lords war kein gläubiger Mensch, denn egal ob Gott oder Merlin— sie alle hatten ihn im Stich gelassen. Und doch schickte er nun ein Stoßgebet nach dem anderen gen Himmel empor, dass niemand seiner Freunde dort draußen auf dem Hof im Kampf gegen die Todesser sein Leben lassen würde.

Und Amelie...

Er konnte sie nicht spüren, konnte ihre Aura nicht zwischen all den anderen in diesem Schloss ausmachen. Es sind die Hauselfen, versuchte er sich einzureden. Die Elfenmagie, die sie verborgen hält.

Sie war in Sicherheit.

In Sicherheit, bis er kommen würde und—

Ein spiralförmiger roter Blitz bohrte sich in seine Schulter und zwang ihn in die Knie. Mattheo keuchte, als der Cruciatusfluch des dunklen Lords gewaltsam durch seinen Körper drang und sein Innerstes zerriss, bis er nur noch aus Schmerz zu bestehen schien.

Er spürte, wie ihm sein Zauberstab aus den Fingern glitt und zu Boden fiel, doch nicht ein einziger Schrei verließ seine Kehle. Mattheo wünschte sich den Tod um diese Qualen nicht mehr spüren zu müssen, doch er bettelte nicht danach, weinte nicht, schrie nicht.

Denn er wusste, dass er es verdiente.

Er verdiente es zu leiden, verdiente jedes bisschen Schmerz, das der dunkle Lord ihm nun hinzufügte.

Und deshalb zerbrach er nicht daran.

Schmerz machte ihm nichts mehr aus.

Als der Fluch verebbte, stand Voldemort direkt vor ihm. Mit einem verschwommenen Blick starrte er auf dessen Stiefel, sog angestrengt Luft in seine Lungen und hustete mehrmals. Seine dunklen Locken waren feucht von Schweiß und klebten ihm im Gesicht.

Sein linker Arm fühlte sich nicht mehr so an, als würde er zu ihm gehören, hing schlaff an seinem Körper hinunter, unbrauchbar. Einen Moment fragte er sich, woran er wohl eher sterben würde. An seinen Verletzungen, an der Magie des dunklen Mals, die sein Blut durch den unbeantworteten Ruf als Strafe nach und nach vergiften würde— oder durch den Avada Kedavra des schwarzen Magiers, dessen Zauberstab nun direkt auf seine Brust gerichtet war.

Auf das Herz, das nur ihr gehörte.

»Sieh mich an, Sohn.«

Mattheo spuckte vor seine Stiefel.

Der dunkle Lord lachte, doch es war ein so grausames Lachen, dass es ihm eiskalt den Rücken hinablief.

Seine Augen suchten nach seinem Zauberstab, doch Voldemort hatte ihn bereits zur Seite getreten.

»Du hast es also geschafft den unverzeihlichen Fluch zu brechen«, sprach der Mann der ihn gezeugt hatte, als sein Lachen endlich abgeklungen war. »Wie?«

Angestrengt rang Mattheo nach Atem, während seine Finger immer wieder unkontrolliert zuckten.

Sein Körper war gebrochen.

Seine Seele war gebrochen.

Doch sein Stolz war es nicht.

Und als er langsam den Lockenkopf hob um seinem Vater ins Gesicht zu sehen, lag ein böses Lächeln auf seinen Lippen. »Ich habe das getan, wovor du dich so sehr fürchtest, Vater«, sagte Mattheo grinsend, während ihm Blut und Schweiß übers Gesicht liefen.

»Ich bin gestorben.«

Der dunkle Lord starrte ihn an.

Mattheo Riddle war ein Meister der Okklumentik.

Und doch brauchte der Mann der ihm das Leben eingehaucht hatte, nur Sekunden um all seine gedanklichen Mauern einzureißen. Die Ränder seines Blickfeldes wurden schwarz und er hatte das Gefühl, sein Hirn würde ihm jeden Moment aus seinen Ohren sickern, während Lord Voldemort seine Erinnerungen zerlegte, wie eine Katze ihre Beute.

Zumindest die, die er ihn sehen ließ.

»Liebe ist eine Schwäche«, sagte er schließlich mit emotionsloser Miene, bevor er sich aus seinem Geist zurückzog, was sich wie eine Erlösung anfühlte.

»Und doch hat sie mich vor dem Tod bewahrt.«

Voldemorts Augen verengten sich zu Schlitzen.

»Du hast meine Horkruxe vernichtet.«

»Jeden einzelnen«, entgegnete Mattheo.

»Du hast Nagini getötet.«

Mattheo schluckte. »Wenn du sie geschätzt und respektiert hättest, dann hättest du sie nicht mit schwarzer Magie besudelt. Sie mag eine Schlange sein, doch sie war einst eine Hexe—«, doch der dunkle Lord ballte seine freie Hand zur Faust und begann ihm nun die Luftröhre abzuquetschen.

»Erzähl mir nichts über Nagini«, schrie er jetzt. »Ich war es, die sie am besten gekannt hat. Ich war es, der sie vertraut hat. Sie ist mir gefolgt. Mir allein

Voldemort verstärkte seine Umklammerung.

»Du wirst mich nicht noch einmal hintergehen«, zischte er und klang dabei mehr nach einer Schlange, als jemals zuvor, bevor er seinen Griff lockerte.

»Du hast also nicht vor mich zu töten?«, keuchte Mattheo überrascht und warf einen flüchtigen Blick zu den geöffneten Flügeltüren der großen Halle, doch konnte nichts als Dunkelheit dahinter erkennen.

Wo in Merlins Namen blieb Lestrange?

»Warum sollte ich das tun?«, entgegnete der dunkle Lord und begann um ihn herum zu stolzieren, als wäre er ein Reptil und Mattheo seine Beute.

»Du bist mein einziger Sohn und Erbe.«

Mattheo schnaubte.

»Zumindest— noch

Bei diesen Worten verkrampfte sich sein Magen und er fühlte die Galle in seinem Hals aufsteigen. Als er versuchte aufzustehen, zwang Voldemort ihn mit einer schnellen Handbewegung wieder in die Knie.

»Wie ich unglücklicherweise aus deinem Geist entnommen habe, hast du alles dafür getan um das Ritual unwirksam zu machen. Was bedeutet, dass wir es wiederholen werden— so oft wie es nötig ist.«

Übelkeit überschwemmte ihn wie eine Welle.

»Du wirst einen Erben für unsere Blutlinie zeugen, Mattheo.« Diabolisch lächelte der dunkle Lord auf seinen Sohn hinab. »Gefolgt von einem zweiten und einem dritten, bis ich sage, dass es genug ist.«

»Eher sterbe ich, als ihr das anzutun«, brachte Mattheo mit zusammengepressten Zähnen hervor.

»Nein, das wirst du nicht.«

Mit dem Elderstab zwang er sein Kinn höher.

»Du wirst am Leben bleiben«, las Voldemort seine Gedanken. »Bis du einen Sohn hervorgebracht hast, der unserer Blutlinie würdig ist. Der Salazar Slytherins Erbe würdig ist, da du es offensichtlich nicht bist. Und erst, wenn du mir nicht mehr von nützen bist, werde ich dich töten für den Verrat, den du an unserem Regime begangen hast, Mattheo.«

Flammen kalten Hasses züngelten in seinen Augen.

»Den du an mir begangen hast.

»Wenn du einen Erben willst, zeuge ihn selbst«, knurrte Mattheo. Das schlangenartige Gesicht des dunklen Lords verzerrte sich vor schäumendem Ekel.

»Unglücklicherweise—«, sagte er kühl und deutete mit einer Handbewegung auf sich. »Ist mein neu erschaffener Körper zu solch primitiven körperlichen Vorgängen wie dem einer Zeugung nicht fähig. Deshalb wirst du unsere Blutlinie fortführen.«

»Eher sterbe ich«, wiederholte Mattheo, dessen Blut nun vor Hass kochte. »Ich fürchte den Tod nicht.«

»Oh, dessen bin ich mir durchaus bewusst«, entgegnete Voldemort und blickte triumphierend auf ihn hinab. »Doch ihren Tod fürchtest du schon.«

Diese Drohung war alles, was es brauchte um das zu entfesseln, dass in ihm schlummerte. Das eine, das Mattheo seit seiner Geburt immer gefürchtet— und doch tagtäglich auf seine Feinde losgelassen hatte.

Dunkelheit.

Wie Tinte sickerte sie aus seiner Seele in den Rest seines Körpers über, umnachtete sein Herz und begann die große Halle mit Schatten zu fluten.

Lord Voldemort hob den Elderstab, doch Mattheo streckte die Hand aus und ließ seinen geschwächten Körper durch die Halle fliegen, wo er kurz vor dem Krater zusammensackte, der sich nun an der Stelle befand, an der Albus Dumbledore in seiner Amtszeit als Schulleiter unzählige Reden gehalten hatte.

Ansprachen über Freundschaft, über Zusammenhalt und über Liebe. Etwas, von dem Mattheo Riddle niemals geglaubt hatte, es zu verdienen.

Bis er sie getroffen hatte.

Seine Amelie.

Die Dunkelheit umhüllte seinen Körper wie ein schützender Mantel, betäubte seinen Schmerz und hielt seine gebrochenen Knochen zusammen, als Mattheo Riddle sich erhob und mit begradigten Schultern, sowie erhobenem Kinn durch die große Halle stolzierte, wie er es schon oft getan hatte.

Doch diesmal mit dem Elderstab in den Händen und der süßen Sünde des Todesfluches auf den Lippen, bereit den Schwarzmagier zu töten, der nichts als Schmerz und Unheil über diese Welt gebracht hatte.

Lord Voldemorts Herrschaft würde nun enden.

Hier in Hogwarts, an dem Ort, der ihm immer ein Zufluchtsort gewesen war, bevor er ihn in Dunkelheit gehüllt und ihm sein Zuhause genommen hatte.

So wie er ihm alles genommen hatte.

Der Elderstab fühlte sich mächtiger an, als Mattheo es jemals für möglich gehalten hatte. Er ließ es in seinen Fingerspitzen kribbeln und sang mit seiner Magie im Einklang, als er ihn elegant schwang und aus dem Boden massive Eisenketten heraufbeschwor, die den gefürchtetsten aller Magier in Ketten legten.

Doch in dem Moment, in dem er vor der gefesselten Gestalt des dunklen Lords stehen blieb, verzogen sich dessen dünne Lippen zu einem teuflischen Grinsen.

»Du kannst mich nicht töten, Mattheo.«

»Sieh dich doch nur an«, entgegnete dieser voller Hohn. »Sieh, was aus dir geworden ist. Du stirbst. Dein Körper verrottet, genau wie dein Geist, Tom.«

Bei der Erwähnung seines Muggelnamens, den er so sehr verabscheute, zuckte Voldemort zusammen und seine blutroten Augen verengten sich. Dunkelheit quoll aus ihm hervor, doch die Ketten zwangen sie wieder zurück in seinen skelettartigen Körper.

Für den Bruchteil einer Sekunde war ihm, als hätte Voldemort etwas geflüstert. In Gedanken fragte er den Elderstab, doch dieser erkannte keinen Zauber.

Mattheo trat einen Schritt nach vorn.

»Du wirst meiner Frau kein Leid mehr hinzufügen. Nicht Amelie und niemandem aus meiner Familie. Dein erbärmliches Leben endet heute, Vater.«

Lord Voldemort belächelte ihn angesichts dieser Drohung, was Mattheo nun endgültig die Beherrschung verlieren ließ. Seine Finger schlossen sich enger um den Elderstab und dann schoss ein spiralförmiger roter Blitz aus der Spitze und bohrte sich in den Körper zu seinen Füßen. Voldemort schrie, als sein Cruciatus ihm die Knochen brach.

Ihn zu foltern, war wieder atmen zu können.

Sein Schmerz war seine Erlösung.

Er wollte ihn quälen, ihn leiden sehen.

Doch es blieb keine Zeit. Er musste ihn töten.

Mattheo unterbrach den Folterfluch, doch bevor er die drei Worte aussprechen konnte, die ihm seit der Nacht im Lestrange Manor auf der Seele brannten, in der er ihn auf den Knie um Gnade für seine Familie angefleht hatte, bevor er das dunkle Mal erhalten hatte, ergriff der dunkle Lord erneut das Wort.

»Du kannst meinen geschwächten Körper vielleicht vernichten, mein Sohn. Doch meine Seele ist unsterblich, meine Existenz unvergänglich. Zerstöre meine Hülle und ich erschaffe mir eine neue.«

Mattheo verengte die Augen und blickte mit kalten Hass auf ihn hinab. »All deine Horkruxe sind—«

Voldemort schnalzte mit der Zunge und sah mit einem tadelnden Blick zu ihm auf, als wäre er ein dummer Schuljunge und nicht einer der mächtigsten Todesser des dunklen Regimes. »Ich gebe zu, dass die Vernichtung meiner Horkruxe hinter meinem Rücken ein überaus cleverer Schachzug von dir und deinen verräterischen Freunden gewesen ist.«

Zorn ließ sich seine Züge verhärten. »Die ich für ihren Verrat natürlich hinrichten lasse. Doch ich habe einen anderen, effektiveren Weg eingeschlagen, um meine Seele an diese Erde zu binden«, verkündete er.

Mattheo starrte ihn an.

Töte ihn, flüsterte der Elderstab.

Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn. Töte ihn.

Doch etwas hielt ihn zurück.

Eine dunkle Vorahnung.

Ein furchtbarer Gedanke.

»Glaubst du wirklich, dass—«, doch ihm blieben die Worte im Hals stecken, als der dunkle Lord plötzlich zu lachen begann und seine Ketten dabei rasselten.

»Nein«, brachte Mattheo keuchend hervor.

»Nein, nein, nein, nein—«

Sein Herz zersprang wie die Scherben einer der Spiegel, in die er beim Anblick seines Spiegelbildes so oft die Fäuste geschlagen hatte, als er erst ihre lichtdurchflutete Aura spürte— und dann das Geräusch der Schritte eines zarten Körpers vernahm, der sich schleppend fortbewegte, als wäre er verletzt.

»AMELIE BLEIB STEHEN.«

Mattheo schrie und hob seinen Zauberstab.

Doch es war zu spät.

Amelie hatte die große Halle betreten.

Den mächtigen Bannzauber Severus Snapes, der sich erst aufhob, wenn die Existenz des dunklen Lords ausgelöscht war, um ihn am fliehen zu hindern.

»Nein, Amelie.«

Und da wusste er, dass sie es nie zurück in die Küche geschafft hatte, nie zurück in den Schutzzauber.

Denn sie sah aus, als wäre sie durch die Hölle gegangen. Ihr geflochtenes Haar war nun zerzaust und ihre Kleidung voller Blut. Sie humpelte bei jedem ihrer Schritte und er spürte wie ihm Blut aus Herz und Seele sickerte, als er die Bandage um ihr geschwollenes Knie entdeckte. »Amelie, nein—«

Doch Amelie hielt nicht inne. Mattheo bemerkte, dass sie ihre blutigen Hände zu Fäusten geballt hatte, als versuchte sie sich mit aller Kraft gegen ihren eigenen Körper zu wehren, während sie immer näher kam.

»Finite«, schrie er und richtete seinen Zauberstab auf sie, obwohl er eigentlich genau wusste, dass es nicht der Imperiusfluch war, unter dem sie stand und der sie nun zwang Schritt für Schritt näher zu kommen.

Und dann blickte er seiner Frau ins Gesicht.

Ihr Anblick ließ ihm wie immer den Atem stocken, denn sie war so schön, dass es beinahe weh tat, sie zu anzusehen. Doch ihre Augen— ihre wunderschönen rehbraunen Augen, die er mehr liebte als alles andere auf der Welt, waren nun voller Schwärze.

Ohne Wärme, ohne Licht— ohne Leben.

Sie war verletzt, hatte gekämpft— hatte geweint.

Jemand war gestorben. Mattheo konnte die Trauer auf ihrem Gesicht erkennen, konnte ihr den Verlust von den Lippen ablesen. Sofort dachte er an Enzo.

Wenn Enzo gestorben war—

»Wenn du meinen Körper vernichtest, zerfällt ihrer ebenfalls zu Staub«, schrie Voldemort hinter ihm und ließ ein heiseres Lachen aus seiner Kehle dringen.

»Was hast du getan«, brachte Mattheo keuchend hervor. »WAS HAST DU IHR ANGETAN?«

»Horkruxe sind mächtig, doch sie können zu leicht zerstört werden. Deshalb habe ich eine andere Art von Magie verwendet. Ein Ritual, bei dem mir die liebe Amelie einen großen Dienst erwiesen hat.«

Der dunkle Lord begann wieder zu lachen.

Doch Mattheo sah nur zu Amelie.

Hinter ihr stürzte plötzlich jemand mit erhobenen Zauberstab in die Halle, doch eine Handbewegung von Amelie und der muskulöse Körper von Lucifer prallte mit einem ohrenbetäubenden Krachen gegen die Schlossmauern und riss dabei Steine aus der Wand. Aus dem Zauberstab des Lestrange Erben, der bei dem Aufprall zusammen mit seinen Knochen zersplitterte, schoss ein kläglicher Schwall blutroter Funken, bevor die Magie für immer erlosch.

Lucifer Lestrange regte sich nicht mehr.

Amelie begann zu schreien angesichts dessen, was sie getan hatte und versuchte zu ihm zu gelangen, doch blieb dann abrupt stehen und griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Stirn.

Es war als hätte sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper, denn im nächsten Augenblick drehte sie sich wie in Trance herum und kam wieder auf sie zu.

Mattheo machte einen Schritt nach vorn, doch Amelie streckte ihre zitternde Hand aus und er blieb sofort stehen. »Nicht, Theo—«, keuchte sie.

»Ich kann es nicht kontrollieren es ist— er ist in meinem Kopf.« Plötzlich riss sie überrascht die Augen auf und keuchte, als konnte sie es nicht glauben, dass diese Worte ihre Lippen verlassen hatten. Tränen liefen ihr über die Wangen, als ihr Blick zu Lestranges regungslosem Körper glitt.

»Luc— was habe ich nur getan?«

»Er atmet noch«, beruhigte Mattheo sie, nach einem Blick zu seinem engsten Todesser, dessen Brustkorb sich jedoch nur schwach hob und senkte. Wieder machte er einen Schritt auf sie zu, als sie sich plötzlich den eigenen Zauberstab an die Kehle hielt. Ein einzelner Blutstropfen quoll aus oberflächlichen Schnitt, den sie sich dabei hinzugefügt hatte.

Mattheo blieb sofort stehen. Sein Puls raste und seine Magie schrie ihn an etwas zu unternehmen, doch er konnte es nicht. Das Risiko war zu groß. »Bitte«, schluchzte Amelie. Ihre Stimme war nichts als ein heiseres Flüstern, als hätte sie stundenlang geweint und geschrien. »Bitte komm nicht näher, Theo«

Mit vor Zorn bebenden Schultern wirbelte Mattheo herum und richtete den Elderstab wieder auf Lord Voldemort. »Was. Hast. Du. Ihr. Angetan?«

»Angetan?« Spöttisch lächelnd sah er zu ihm auf.

»Sie kam freiwillig zu mir, in der Nacht deiner Verlobung und flehte um das Leben der Greengrass Erbin und des ungeborenen Malfoy Erben. Und großzügig wie ich nunmal bin, bin ich ihrer Bitte nachgekommen und habe dem jungen Malfoy erlaubt das Land zu verlassen, um einen Heiler zu suchen.«

»Was war der Preis?« Seine Stimme zitterte, als er diese Frage stellte, auch wenn er die Antwort darauf eigentlich längst kannte. Doch er musste es hören.

»Ihre Seele.«

Er hätte es wissen müssen.

Mattheo hätte wissen müssen, dass er sie damals nicht nur aneinander gebunden hatte, um ein Druckmittel gegen ihn in der Hand zu haben. Er hätte es wissen müssen, hätte sie beschützen müssen.

Doch er hatte versagt.

Mattheo hatte versagt.

Er hasste sich selbst, verabscheute sich, dass er die Zeichen nicht erkannt hatte. Der Abend an dem sie Dolohov mit einem unverzeihlichen Fluch getötet hatte, obwohl sie sich vor einer solchen Art von Magie so sehr fürchtete. Ihre Schreie, als der Heiler im St Mungo nicht in ihre Erinnerungen hatte eindringen können— der Giftmord an seinem Onkel.

Er hätte es erkennen müssen, hätte merken müssen, dass sie eine Dunkelheit in sich trug, die sie nicht unter Kontrolle hatte. Die sie zu grausamen Dingen anstachelte, sie führte— wie durch unsichtbare Strippen, die Lord Voldemort in den Händen hielt.

Er hatte Amelie zu seiner Marionette gemacht.

Ihren Geist mit seinem Hass infiziert.

Amelie, die nie einer Seele etwas hatte zuleide tun können, ganz gleich wie sehr sie es auch verdiente.

Direkt vor seinen Augen.

Hass durchströmte Mattheo, wie er ihn nie zuvor gespürt hatte. Goldene Funken schossen aus dem Elderstab hervor, während sein Zorn den Boden der Halle zum beben brachte. Staub rieselte von der Decke und die Fensterscheiben klirrten, als er den Zauberstab in seiner Hand auf Voldemort richtete.

»Mach es rückgängig«, verlangte er.

»MACH ES RÜCKGÄNGIG.«

»Sei nicht dumm, Mattheo. Eine solche Art von Magie kann nicht rückgängig gemacht werden. Amelie ist nun bis zu ihren Tod an mich gebunden. Doch ich werde sie überleben, so wie ich euch alle überleben werde.«

Und dann realisierte Mattheo es.

All die Dunkelheit, die er in den letzten Monaten seinen Unterarm hinaufkriechen gespürt hatte.

Das Gefühl, als würde sie sich von ihm nähren.

Es war nie Voldemorts Zorn gewesen, den er und seine Freunde in den letzten Jahren durch das Mal gespürt hatten— sondern Hunger.

Seinen Hunger nach Macht, nach Unsterblichkeit.

Das Mal vergiftete die Todesser nicht.

Es war der dunkle Lord selbst.

In dem er seinen Anhängern ihrer Magie beraubte.

Ihrer Lebensenergie.

»Das dunkle Mal— du kanalisierst es.«

Voldemort hob eine Braue. »Vielleicht bist du doch nicht so dumm wie ich annahm, Sohn. Du hast mich schließlich selbst auf die Idee gebracht, denn du warst der erste von uns, der das Mal kanalisiert hat.«

Die Wahrheit schlug ihm ins Gesicht, wie eine eiserne Faust. Es war seine Schuld, alles nur seine Schuld.

Denn er hatte dem dunklen Lord damals berichtet, dass es möglich war länderübergreifend zu apparieren, wenn man dafür des Mals kanalisierte.

Die Magie anderer Todesser.

Voldemort lachte wieder sein grausames Lachen, was seine Ketten unheilvoll zum Rasseln brachte, hob einen skelettartigen Finger und richtete ihn auf Mattheo, woraufhin er einen heißen Schmerz in seinem verletzten Arm spürte, der Sterne vor seinen Augen tanzen ließ. Lautlos zischend wandte sich die Schlange seines Mals auf der verbrannten Haut, bevor sie ihre Zähne in seine Knochen schlug.

Mattheo keuchte und fiel auf die Knie.

Er hörte wie Amelie seinen Namen rief und dann einen Schrei, als der dunkle Lord sie mittels Schmerz davon abhielt, zu ihm zu gelangen. Sie kämpfte, doch fiel nur eine Minute später ebenfalls auf die Knie.

Sie wimmerte seinen Namen.

»Ist schon gut, Sweetie«, keuchte er, während die große Halle langsam zu kippen begann. Schwindel erschwerte ihm das Denken und ihm wurde immer elender, je mehr Magie Voldemort ihm aussaugte.

Nur vage sah er, wie sich die schweren Eisenketten die um den Körper Voldemorts geschlungen waren langsam lockerten, bevor sie zu Staub zerfielen.

Der Elderstab flog ihm aus der Hand und nun war er es, der in Staub und Dreck vor seinem Vater kniete, war er es, der seinen Cruciatus zu spüren bekam.

»Crucio«, schrie Voldemort. »Crucio. Crucio

Doch der Folterfluch war es nicht, der ihm jetzt sein Innerstes zerriss, es waren die Tränen auf Amelies Wangen, die sie um ihn weinte, als er mit dem Kopf voran auf die Steine stürzte und sich eine Platzwunde zuzog, die ihm Blut über das Gesicht strömen ließ.

Amelie schrie den dunklen Lord an, doch Mattheo hörte ihre Worte nicht, hörte nichts als das Knacken seiner Knochen, die wie Streichhölzer brachen und das Rauschen seines eigenen Blutes in seinen Ohren.

Mattheo wollte sterben.

Doch nicht, um die Schmerzen des unverzeihlichen Fluches nicht mehr ertragen zu müssen, sondern um Amelie die Qualen zu ersparen, als sein Vater nicht nur seine Seele, sondern auch seinen Körper brach.

Amelie schluchzte, rollte sich auf dem Fußboden zu einer kleinen Kugel zusammen und streckte eine zitternde Hand nach ihm aus. Mattheo versuchte näher an sie heranzukommen, doch als er die Hand ausstreckte um ihre zu ergreifen, brach ihm der Cruciatusfluch nacheinander die Finger.

»Es tut mir leid«, hauchte Mattheo und fühlte Blut auf seinen Lippen, als er hustete. »Es tut mir so leid.«

Amelie schüttelte nur schluchzend den Kopf. Ihre Lippen formten die Worte »Ich liebe dich«, was das einzige war, was Mattheo die nächsten Minuten überstehen ließ, ohne den Verstand zu verlieren.

Und dann endlich, spürte er, wie die dunkle Magie seines Vaters seinen Körper allmählich verließ.

Zuckend und zitternd lag er auf dem Boden der großen Halle und sah voller Hass zu Voldemort, der triumphierend auf ihn hinabblickte, das Gesicht immer noch schlangenhaft, doch nun wieder mit deutlich mehr Leben in den rot funkelnden Augen.

»Warum Amelie?«, krächzte Mattheo, während ihm Blut aus Nase und Ohren sickerte.

»Warum meine Frau?«

»Nun zum einem—«, entgegnete Voldemort, als hätte er nur darauf gewartet diese Frage zu beantworten.

»Braucht ein so machtvoller Zauber ein Gefäß, vorzugsweise ein lebendiges, wie eben eine Seele, die Amelie mir in einem fairen Tausch geboten hat, was die Erschaffung dessen um einiges erleichtert hat.«

Mordlust pulsierte in seinen Adern, während Mattheo seine gebrochenen Finger zu Fäusten ballte.

»Und zum anderen—«, er lächelte ein grausames Lächeln, was seinen Magen sich verkrampfen ließ.

»Wo wäre eine solch wertvolle Art von Magie besser aufgehoben gewesen, als in dem Mädchen, von dessen Wohlergehen sowie Sicherheit mein Sohn und Erbe seit Jahren nahezu krankhaft besessen ist?«

Mattheo spuckte vor ihm auf den Boden, doch Voldemort lachte nur. »Ich muss zugeben, die Schwäche meines Sohnes zu meinem Vorteil zu nutzen, war eine meiner brillantesten Ideen.«

Er trat an ihm vorbei auf Amelie zu.

Mattheo versuchte sich aufzurappeln, doch der Cruciatus hatte ihn zu sehr geschwächt.

Er musste sich ausruhen, nur ein paar Minuten.

»Sie ist nun ein Gefäß«, fuhr Voldemort fort. »Und jeder Erbe, den sie mir durch deinen Samen gebären wird, wird ein weiteres Gefäß sein«, erklärte er und blickte mit einem nahezu zärtlichen Ausdruck auf Amelie hinab, die auf dem Boden kauerte, die blutigen Hände um ihr verletztes Knie geschlungen.

»Eine Quelle nie endender Macht, die wir hätten teilen können, mein Sohn, hättest du dich nicht gegen mich gewendet.« Nichts als Hass und Enttäuschung lagen auf seinem Gesicht. »Wir hätten zusammen herrschen können. Über die Muggel, über die magische Welt, über die gesamte Welt

Amelie neigte den Kopf zur Seite und erbrach sich auf den Fußboden. »Amelie—«, flehend wisperte er ihren Namen. Er wollte zu ihr, wollte sie halten, wollte sie trösten, sie beschützen, auch wenn er wusste, dass er es nicht konnte. Weil er es nie gekonnt hatte.

Verbissen stemmte er sich vom Boden, doch als es ihm wieder und wieder nicht gelang, begann er schließlich in ihre Richtung zu kriechen.

Mattheo kroch zu seinem Mädchen.

Er kroch und kroch— und schrie dann auf, als Voldemort ihm auf die gebrochenen Finger trat.

»Du wirst mich nie wieder hintergehen«, zischte er mit purer Boshaftigkeit in der Stimme. »Und nun, steh auf. Du wirst den Schwur nun erneut ablegen.«

»Ich werde den Teufel tun—«, brüllte Mattheo, hob seine Hand und rief seinen Zauberstab zu sich, auch wenn er wusste, dass er zu schwer verletzt war, um lange gegen ihn zu kämpfen. Und doch tat er es, tat alles um Amelie mehr Zeit zu verschaffen, die, wie er aus dem Augenwinkel gesehen hatte, immer noch eingerollt auf dem Boden lag, doch nun mit ihrem Zauberstab in der Hand, der heimlich Bewegungen ausführe, passend zu einer Vielzahl an Heilzaubern.

Direkt in Lestranges Richtung.

Doch der Todesser rührte sich nicht.

Mattheo gelang es, Voldemort mit einem Stolperfluch ins Wanken zu bringen— doch nur für einen kurzen Moment. Und im nächsten flog ihm sein Zauberstab aus den Fingern und eine erneute Welle an Schmerz prasselte über ihn hinein, bis er kurz davor war, das Bewusstsein zu verlieren. Verbissen kämpfte er gegen die Dunkelheit, die ihn jeden Augenblick zu umnachten drohte und gerade als er dachte, diesen Kampf zu verlieren, ließ der Folterfluch wieder nach.

Dann zerrte ihn eine unsichtbare Kraft auf die Beine und hielt ihn dort. Auch Amelie wurde gewaltsam in eine aufrechte Position gezwungen.

Blut, Staub und Erbrochenes klebten in ihrem Haar und ihre Augen waren in Todesangst aufgerissen.

»Wenn du so freundlich wärst, meine Liebe«, sagte er kühl. »Hebe deinen Zauberstab und besiegele den Schwur, damit ich mich wieder wichtigeren Dingen zuwenden kann. Die Lage im Ministerium wird mittlerweile sicher unter Kontrolle sein, nichtsdestotrotz werde ich vorbei schauen.«

Gelangweilt sah er sie an. »Ich nehme an, du weißt, wie das Ritual des Schwures von statten geht?«

Amelie schluchzte, dann nickte sie.

»Wenn du versuchst mich anzugreifen, werde ich meinem Sohn für weitere Minuten in den Genuss des Cruciatusfluches bringen, hast du das verstanden?

Wieder nickte sie.

Ihr zierlicher Körper zitterte so heftig, dass Mattheo ihre Zähne klappern hören konnte, als sie ihren Zauberstab hob. Als würde er ihn an einer unsichtbaren Schnur zu sich ziehen, streckte Voldemort zwei Finger aus und zwang ihn näher.

Mattheo wehrte sich mit aller Kraft gegen die Magie, die jetzt seinen Arm anhob, doch es war zwecklos. Die Hand Voldemorts fühlte sich an wie die eines Toten, als sie sich um seine schlang. »Schwöre mir—«, doch plötzlich stockte er mitten im Satz und packte sich an den Hals, als würde etwas seine Luftröhre blockieren.

»Bei Salazars verrottetem Herz— diese Scheiße lasse ich sicher nicht noch ein zweites Mal zu«, sagte Lestrange kühl, der plötzlich wie aus dem Nichts vor ihnen stand, Flammen aus purem Höllenfeuer in seinen blauen Augen flackernd und seinen Ersatzzauberstab in den blutbefleckten Händen.

Dann schleuderte er den dunklen Lord durch die Luft und ließ ihn gegen einen der Haustische krachen. Mattheo taumelte, doch er schaffte es sich auf den Füßen zu halten, rief seinen Zauberstab zu sich und packte Lestrange am Arm, dem er den Avada Kedavra schon von den Lippen ablesen konnte.

»Nein, du darfst ihn nicht töten.«

Luc sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

»Sie sind verbunden«, keuchte er, als sie nun Rücken an Rücken die Flüche abwehrten, die im Sekundentakt aus dem Zauberstab Voldemorts geschossen kamen, der sich mit von Zorn verzerrtem Gesicht wieder erhoben hatte.

»Was?«, rief Luc entsetzt.

»Er kanalisiert das Mal, er tut es schon seit Jahren— Amelie ist das Gefäß für diesen Zauber«, erklärte er, während seine Augen die Ruinen der Halle nach ihr absuchten. Und dann hörte er sie schreien.

»Schalt ihn aus«, rief Mattheo, während er mit einem Flüstern die Schlangen zurückdrängte, die aus dem Zauberstab des dunklen Lords gekrochen kamen.

»Aber töte ihn nicht.«

Lestrange stürzte sich mit fiebriger Entschlossenheit nach vorn, während Mattheo den Geräuschen folgte, die aus Amelies Kehle drangen und die nun mehr heisere Schluchzer als Schreie waren.

Und dann sah er sie.

Amelie kroch über den Boden, ihre Hände zerschnitten von Scherben einer Phiole, die zersprungen neben ihr lag. Plötzlich hielt sie inne und griff sich ins Haar, zerrte an den Wurzeln, um den Schmerz in ihrem Kopf erträglich zu machen.

Den Schmerz in ihrer Seele, mit dem er sie quälte. Dunkelheit quoll aus ihrer Brust hervor und verteilte sich wie schattenhafter Nebel über den Fußboden.

»Aufhören«, schrie Mattheo und schoss einen Fluch in Voldemorts Richtung, woraufhin dieser nur ein dunkles Lachen von sich gab. Dann schleuderte er Lestrange zur Seite, als wäre er eine Puppe. Sein Körper krachte am anderen Ende gegen die Wand.

»AMELIE.«

Doch es war nicht Mattheos Stimme, die jetzt durch Qualm, Rauch und Schatten drang. Es war die von Enzo, der jetzt vor den zersprengten Flügeltüren der großen Halle stand und erneut nach seiner Schwester schrie, sein Gesicht totenblass und voller Angst.

Und da war Draco.

Theodore.

Diana und Pansy.

Sie alle standen dort, denn alle Todesser draußen auf dem Hof waren tot. Ihr Kampf war vorüber.

Doch nicht der gegen Voldemort.

Und als Mattheo zu Amelie sah und sich ihre Blicke trafen, war es, als würde die Zeit stillstehen. »Daphne und Blaise sind tot«, sagte sie mit Tränen in den Augen zu ihm und umklammerte den Gegenstand, den sie in ihrer Hand hielt noch ein wenig fester. »Sie sind gestorben und ich kann nicht—«, sie schluckte. »Ich kann nicht zulassen, dass noch jemand stirbt.«

Mattheo hörte Enzo wieder den Namen seiner Schwester schreien, sah aus dem Augenwinkel, wie er mit den Fäusten auf die Barriere einschlug. Die Barriere, die Snape so konstruiert hatte, dass nur er und Luc sie durchdringen konnten, damit niemand beim Kampf gegen Voldemort verletzt wurde.

Und Amelie.

Seine geliebte kleine Amelie, die einen Teil seiner Dunkelheit in sich trug, schon seit Monaten.

»Nein«, flehte Mattheo und begann zu rennen, doch seine Verletzungen verlangsamten seine Schritte.

»AMELIE, NEIN.«

»Ich liebe dich, Theo«, flüsterte die Liebe seines Lebens und schenkte ihm ein tränenerfülltes Lächeln.

»Ich habe dich immer geliebt.«

»Nein—«

»Ich finde dich—«, sie hob das Schwert von Gryffindor, das sie in den Händen hielt und dessen Klinge immer noch mit Naginis Blut verschmiert war.

»Im nächsten Leben und in jedem danach«, wiederholte sie seine Worte aus ihrer Hochzeitsnacht und stach sich das Schwert in den Bauch, direkt unterhalb des linken Rippenbogens, von der die Heilerin genau wusste, dass die Klinge dort am meisten Schaden verursachen würde.

Denn es war die Stelle, an der ihr Herz lag.

Ihr sanftmütiges, viel zu großes Herz.

Das Herz, das doch ihm gehörte.

Nur ihm allein.

Und dann hörte er ihre Stimme wie ein sanfter Sommerwind durch seine Gedanken streifen.

Ein letztes Mal.

»Bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht ist

Lord Voldemort schrie und fiel auf die Knie, als tiefschwarze Rauchschwaden aus Amelies zierlichen Körper hervorquollen. Wirres Stimmengeflüster erfüllte die Halle, mischte sich mit den Schreien seiner Freunde zu einer Symphonie puren Grauens.

Dann verschwand das Schwert plötzlich. Und als eine Druckwelle sie alle von den Füßen riss, wusste er, dass die dunkle Magie in ihrem Geist vernichtet war.

Denn Amelie Riddle war tot.

Alle viere von sich gestreckt lag sie auf dem Boden der großen Halle, die Augen geöffnet, doch leblos. Die Hand mit dem Verlobungsring lag auf ihrem Bauch, aus dem immer noch Blut sickerte. Doch es war nicht das funkelnde Sternenlicht des Ringes, das die Dunkelheit um sie herum zum weichen brachte, sondern das Lächeln auf ihren aufgerissenen Lippen, dass den Erben Slytherins bis ins Mark erschütterte, als er neben der Leiche seiner Frau auf die Knie fiel.

Denn als Mattheo dem Blick ihrer leblosen Augen folgte, sah er, dass an der verzauberten Decke der großen Halle ein einzelner Stern erstrahlt war.

Ihr Stern.

»Nein«, schluchzte er und nahm ihre Hand in seine. Aus dem Augenwinkel sah er Voldemort auf sich zu kommen, oder das was von ihm übrig war, doch es war ihm egal. »Tu es«, schrie Lestrange, der sich ächzend wieder vom Boden zu erheben versuchte.

»TÖTE IHN, MATTHEO.«

Ohne Amelies Hand loszulassen, hob Mattheo seinen Zauberstab und richtete ihn auf das schlangenartige Monster, das jetzt in seine Richtung gekrochen kam, während es zuckte und abgehackte Wörter zischte, nicht einmal mehr fähig Sätze auf Parsel zu bilden.

Das Monster, das einst der mächtigste Zauberer dieses Jahrhunderts gewesen war.

»Avada Kedavra

Er sah nicht zu, wie Voldemort fiel.

Sah nicht hin, als sich der klägliche Rest von ihm in Asche auflöste. Bemerkte nicht einmal, wie sich die Dunkelheit hinter den Fenstern auflöste und goldene Sternbilder die Nacht zu bestäuben begannen.

Eine Kälte wie er sie nie zuvor gespürt hatte, war in seinen Knochen gesickert und hatte sich zwischen seinen Wirbeln festgesetzt, während er den leblosen Körper seiner Ehefrau in seinen Armen hielt.

Seine Amelie.

Seine geliebte kleine Amelie.

Für immer fort.

Mattheo wollte nur noch sterben.

Wollte nicht leben, in einer Welt ohne sie.

Lestrange war als erstes bei ihm. Seine Hand legte sich auf seine Schulter, doch Mattheo schüttelte sie ab, während er Amelie zärtlich in seinen Armen wog, ihre Stirn küsste, ihr Haar zur Seite schob und ihr zuflüsterte, dass sie auf ihn warten sollte.

Und dann war Enzo neben ihm.

Seine Schreie waren das schlimmste, was Mattheo jemals gehört hatte. Enzo schrie und schrie und schrie und die Welt war zu Ende und doch atmeten sie weiter, atmeten sie weiter obwohl sie das wichtigste in ihrem Leben verloren hatten.

Gemeinsam klammerten sie sich an Amelies regungslosen Körper, hielten sie in ihren Armen, betrauerten sie, bis Mattheo es nicht mehr aushielt.

Er hatte lang genug gelebt.

Er hob den Kopf und sah zu Lestrange, der jetzt die weinende Pansy in seinen Armen hielt. Und auch Theodore weinte, weinte bittere Tränen um Amelie, um Blaise und Daphne, um all ihre Freunde, die in dieser Nacht den Tod gefunden hatten. Sie hatten gesiegt und doch hatten sie einander verloren.

Das hier war das Ende.

Er sah zu Diana, die Enzo tröstend durchs Haar streichelte, der jetzt auf dem Boden kauerte, genau wie Mattheo, Amelies Leiche in ihrer Mitte. Dann hob er plötzlich den Kopf und begann sie anzuschreien, ließ Amelie los und packte Dianas Schultern, flehte die Heilerin an seine Schwester zurückzuholen.

Amelie war Enzos ein und alles gewesen.

Ein Teil von ihm, ein Teil seiner Seele.

Schluchzend schüttelte Diana nur den Kopf, legte die Arme um ihn und zog ihn an sich, woraufhin Enzo in ihren Armen nun endgültig zusammenbrach.

Auch Mattheo weinte stumme Tränen, während er Amelie an sich drückte, sein Gesicht in ihrem kastanienbraunen Haar verbarg und ihren vertrauten Duft von Zimt und Vanille einatmete. Dann lehnte er sich zurück. »Ich liebe dich auch, Sweetie«, flüsterte er, küsste ihre Stirn und zählte die Sommersprossen auf ihrer Nase, wie er es schon so oft getan hatte.

»Bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht ist.«

Zärtlich legte er die Hand auf die Stelle an ihrem Bauch, an der das Schwert von Gryffindor sie durchbohrt hatte. »Jetzt tut es nicht mehr weh.«

Er nahm ihre Hand in seine und küsste ihre Fingerknöchel, doch gerade als er Lestrange darum bitten wollte, ihn mit einem schnellen Avada zu erlösen, damit er wieder bei ihr sein konnte, spürte er es in seinen Fingern kribbeln, beinahe so als würde etwas an ihm zupfen. Ohne darüber nachzudenken, schickte er einen Schwall Magie in ihren Körper.

Und seine Magie antwortete ihm.

Geistesgegenwärtig legte er ihren Körper vor sich auf den Boden der Halle und zog seinen Zauberstab.

»Was tust du«, murmelte Enzo verstört.

»Sie zurückholen«, antwortete er wie ferngesteuert und hob seinen Zauberstab. »Theo, sie ist gegangen«, sagte Diana mit sanfter Stimme neben ihm.

»Das war ich auch«, wisperte er und schoss einen weißen Lichtblitz mitten in ihre leblose Brust. Ihr Körper hob sich vom Boden ab, doch sie blieb still.

Regungslos.

Enzo schluchzte.

»Hör auf—«, schrie Pansy, als Mattheo den Zauber wiederholte. Wieder und wieder und wieder, bis ihm jemand seinen Zauberstab aus der Hand nahm.

Mattheo schrie und wehrte sich, als seine Freunde ihn festhielten. Als sie ihn wieder losließen, brach er zusammen und kauerte sich neben Amelie. Er umarmte sie und küsste ihre Stirn, während Diana seine gebrochenen Knochen richtete. »Wir müssen los«, hörte er Pansy sagen, woraufhin Theodore etwas erwiderte, was er nicht verstand. Der Körper taub von Trauer und Schmerz kuschelte Mattheo sich an die Leiche von Amelie und wartete darauf, dass ihn endlich jemand von seinem Leben erlöste.

Und dann erbarmte sich jemand von seinen Freunden und brachte ihn zu seinem Mädchen.

Der Himmel war genau so, wie er ihn sich vorgestellt hatte, auch wenn er nie damit gerechnet hätte, ihn zu verdienen.

Zarte Hände fanden in sein Haar und kraulten seine Locken, bis seine Glieder zu zittern aufhörten, und seine Tränen allmählich zu trocknen begannen. Ihr zierlicher Körper schmiegte sich an seinen und als Mattheo den Kopf hob, sah er sie lächeln.

Seine Amelie.

Mattheo sah sie an und lächelte ebenfalls.

Ihr hübsches Gesicht war immer noch blutverschmiert, ihre Wangen voller Staub und Schmutz, doch es kümmerte ihn nicht. Er lehnte seine Stirn an ihre und sah sie an, würde nie genug davon bekommen sie zu betrachten. Seine Amelie.

Sein Himmel.

Und dann schrie plötzlich jemand auf.

Verstört blinzelte Mattheo zu Enzo, der auf den Knie neben ihnen kauerte und mit blutrot unterlaufenen Augen zu dem Mädchen in Mattheos Armen blickte.

Zu Amelie.

Amelie, die vor ihren Augen gestorben war.

Die sich geopfert hatte um zu zerstören, was in ihr war, damit die Herrschaft Voldemorts enden konnte.

Amelie, die sich jetzt in seinen Armen regte.

Schwach und erschöpft— doch lebendig.

Und dann begriff Mattheo.

Er war weder im Himmel, noch in der Hölle.

Er war in Hogwarts.

In den Ruinen der einst so glanzvollen großen Halle des magischen Internates, umgeben von seinen Freunden und mit seiner Frau in den Armen.

Und dort hinten, wenige Meter entfernt— lag ein Häufchen Asche. Ein kläglicher Haufen schwarzer stinkender Asche war nun alles, was von dem gefürchteten Lord Voldemort übrig geblieben war.

»Du hast mich zurückgeholt«, flüsterte Amelies Stimme ganz nah an seinem Ohr, woraufhin er nur nickte. Er konnte nicht sprechen, hatte keine Worte für das, was er fühlte. Immer noch zupfte die Magie in ihr an ihm, als hätte selbst der Tod das unsichtbare Band ihrer Seelen nicht zerreißen können.

Als könnte nichts sie jemals wieder trennen.

Einen langen Moment hielt er sie noch fest, brachte es kaum über sich, sie loszulassen, damit ihr Bruder sie in die Arme schließen konnte. Schluchzend klammerten sich die beiden Geschwister aneinander.

Seine Familie.

Seine ganze Welt.

Lestrange, der die weinende Pansy in seinen Armen hielt, schien der Ohnmacht nahe, durch die Platzwunde, die er am Hinterkopf erlitten hatte, als Voldemort ihn durch die Halle geschleudert hatte.

Diana hatte sie versorgt, doch Mattheo wusste von Amelie, das eine Gehirnerschütterung Zeit brauchte.

Dann trafen ihre Blicke aufeinander.

Lestrange öffnete den Mund, doch dann klappte er ihn wieder zu, zog seinen Zauberstab und zog Pansy mit sich auf die Beine. Mattheo, der ebenfalls Schritte gehört hatte, rappelte sich auf und zog seinen Zauberstab, so wie Theodore, der ihn jedoch gleich wieder sinken ließ, als Gabrielle durch die weggesprengten Flügeltüren stolperte. Ihr sonst so perfekt frisiertes blondes Haar war zerzaust, ihre Kleidung zerrissen. Auch sie hatte gekämpft.

»Sie sind 'ier«, rief sie in ihrem schweren französischen Akzent, während sie sich keuchend die Seite hielt. »Die Auroren sind im Schloss.«

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A M E L I E

Mein Herz raste und mir war furchtbar schlecht.

Der Tod steckte mir immer noch in den Knochen, ganz gleich wie viele Tränke ich auch schluckte, die Diana mir in den letzten Minuten an die Lippen gedrückt hatte. Immer wieder murmelte sie, dass es ein Wunder war, dass Mattheo mich hatte zurückholen können, während sie paranoid meine Werte überprüfte, als hätte sie Sorge, dass sie sich jede Sekunde wieder verschlechtern könnten.

Und auch ich verstand es nicht, da ich, als ich aufgewacht war, in einer Lache meines gesamten Blutes gelegen hatte. Doch Heilmagie war zu teilen noch unerforscht und selbst Madam Pomfrey hatte in ihrer langen Zeit als Heilerin einige wenige Patienten zurückholen können, die der Tod sich eigentlich schon längst zu eigen gemacht hatte.

Mein Kreislauf war schwach, doch ich lebte.

Mein Körper kribbelte und ich fühlte wie sich das Blut in meinen Venen durch die Heiltränke neu bildete. Ich lehnte an Enzos Schulter, während Diana sich um mein Knie kümmerte und fühlte die ganze Zeit Mattheos Blick in meinem Nacken brennen.

Es war die Hölle, nicht bei ihm zu sein.

Und so wie er mich ansah, ging es ihm genau so.

»Cara mia«, rief Theodore, der sofort bei ihr war und sie stützte, während er ihre Verletzungen beäugte. »Es geht mir gut, mon amour«, wimmelte sie ihn ab.

Mit dem Finger deutete sie nacheinander auf Lestrange und Mattheo. »Ihr müsst verschwinden. Sie werden euch töten, gleich hier. Sie werden Kommandanten der dunklen Armee keine Gnade erweisen.« Suchend blickte sie sich um.

»Wo ist Daphne? Und wo ist Blaise?«

Die Stille die darauf folgte, war unerträglich laut.

»Sie sind tot«, sagte Theodore dann, das Saphirblau seiner Augen getrübt von Kummer und Schmerz.

Ein Teil von ihm, war heute mit ihnen gestorben.

Gabrielle schluchzte und zerrte an seinem Ärmel.

»Sie müssen fliehen— sie sind bereits auf dem Gelände, Lucius und Yaxley 'alten sie auf, aber sind allein und werden nicht lang gegen sie—«

Draco stürzte los, doch Lestrange packte ihn am Arm und zerrte ihn zurück. »Das ist sein Kampf, Malfoy. Du hast bald selbst einen Sohn und ich werde den Teufel tun ihn ohne seinen Vater aufwachsen zu lassen. Dein Vater hat dafür gesorgt, dass dein Arsch aus der Scheiße hier heil raus kommt, wenn Lucy lieber im Kampf sterben will, statt in Askaban zu versauern, ist das seine Sache und nicht deine. Riddle und ich werden gehen und sie eine Weile ablenken.«

Draco, Pansy und ich öffneten gleichzeitig den Mund, als das Schloss plötzlich erbebte. Sofort zog Enzo mich auf die Beine— und dann war Mattheo bei mir. »Enzo bringt dich zur Hütte, wir sehen uns dort.«

Er küsste meine Stirn.

»Nein, Theo—«

»Wir lenken sie nur ab«, versuchte er mich zu beruhigen, was jedoch ganz und gar nicht funktionierte. Mit einer Hand drückte ich mein Täschchen, in dem Snowball immer noch kläglich miaute enger an mich, während ich mich mit der anderen in seiner Uniform fest klammerte.

Ich weigerte mich ihn loszulassen.

Wollte ihn nie wieder loslassen.

»Theo—«

»Ich werde zu dir zurückkommen, Amelie.«

Ein letzter Kuss auf die Stirn, dann nahm er meine Hand in seine und hauchte Küsse auf jeden meiner Fingerknöchel, bevor er meine Hand wieder losließ.

»Ich verspreche es«, fügte er flüsternd hinzu.

»Beeilung«, rief Theodore. Der Slytherin half Diana über die Trümmer und Gesteinsbrocken, die vor den völlig zerstören Flügeltüren lagen, nur um vor der Schwelle mit dem Rücken gegen etwas zu stoßen.

Etwas hartes, unnachgiebiges.

Abrupt blieben wir stehen.

Eine Barriere blockierte den Ausgang.

Wir waren gefangen.

Und dahinter—

Dahinter stand Yaxley. Sein Gesicht war blass und zeigte wie so oft nicht den Hauch einer Emotion.

»Sie haben das Schloss umstellt. Es gibt keinen Weg hinaus. Sie warten auf dich, Riddle«, sagte er ruhig.

Mattheo, der Enzo und mir den Rücken zugewandt hatte, sog einmal kräftig Luft in seine Lungen, als müsse er sich auf etwas vorbereiten, bevor er einfach durch den magischen Bannzauber neben Yaxley trat.

»Was geht hier vor, Theo?«, keuchte Enzo.

Theodore warf sich gegen die Barriere.

Auch Draco versuchte es.

»Theo?«, rief ich verängstigt.

Mattheo drehte sich um und zog einen kleinen vergoldeten Gegenstand aus seiner Tasche, den er Pansy zuwarf. Geistesgegenwärtig fing sie ihn auf und starrte auf den vergoldeten Löffel in ihrer Hand.

»Bring ihn so weit weg wie du kannst«, sagte Mattheo mit ruhiger Stimme zu ihr. »Die anderen sind sicher, aber er ist es nicht. Ich habe alles versucht, aber sie haben sich geweigert, ihn zu begnadigen.«

Pansy schien sofort verstanden zu haben.

»Das wirst du nicht tun—«

Lestranges Fluch schmetterte gegen die Barriere, bevor es seine Fäuste taten. »Heb die Barriere auf. Du bist mein Bruder, Mattheo und ich werde nicht zulassen, dass du das tust.« Wieder schlug er mit den Fäusten auf die Barriere ein, doch Mattheo rührte sich nicht. »HEB SIE AUF ODER ICH WERDE DIESES VERDAMMTE SCHLOSS IN DIE LUFT—«

Eine Hand mit dunkelrot lackierten Nägeln packte seinen Arm. Funken sprühten und Magie rauschte.

Und dann waren Pansy und Lestrange fort.

In Sicherheit gebracht, durch den Portschlüssel, den Mattheo ihr zugeworfen hatte.

Enzo, Theodore und Draco schrien Mattheo an, doch die tiefbraunen Augen des Lockenkopfes, waren nur auf mich gerichtet. Und von allen Emotionen, die sich nun darin spiegelten, sah ich doch nur eine einzige.

Schuld.

Er hatte gelogen.

Mein Ehemann hatte mich belogen.

Theo.

Mein Theo.

»Sie haben mir einen Deal angeboten«, sagte er mit ruhiger Stimme. Tränen liefen mir bei diesen Worten über die Wangen, während ich weinend den Kopf schüttelte. »Schon vor einer ganzen Weile«, fuhr er fort. »Ich wollte ihn nicht annehmen, doch jetzt—«

Er schluckte schwer.

»Du verdienst dieses Leben nicht, Amelie.«

Eine Träne lief dem Erben Slytherins über die Wange, vermischte sich mit Blut, Schmutz und all dem Grauen, das uns heute Nacht widerfahren war.

»Aber du bist mein Leben, Mattheo«, weinte ich.

»Ich kann das nicht zulassen«, seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Wenn wir fliehen, wirst du immer in Gefahr sein und ich kann nicht zulassen, dass du verletzt wirst, oder—«, er rang nach Atem. »Du warst tot, Amelie.« Ich bemerkte, dass er seinen Ehering berührte, dass er sich an ihn klammerte, als hätte er Angst, jemand könnte ihm ihn entreißen.

»Aber jetzt geht es mir wieder—«

»Du hast dir ein Schwert in den Bauch gerammt, Amelie«, schrie er fast, zitterte jetzt am ganzen Körper. »Du hast ein Opfer gebracht, das ich hätte bringen sollen. Alles schlechte was dir in deinem Leben widerfahren ist, ist nur meine Schuld. Jede Narbe auf deinem Körper hast du nur wegen mir.«

Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Und was ich dir in unserer Hochzeitsnacht angetan habe—«

»Hör auf«, unterbrach ich ihn schluchzend.

»Lass mich das für dich tun, Sweetie«, hauchte er, die Stimme schwer von Schuldgefühlen. »Lass mich dir das Leben geben, das du verdienst. Wenn ich mich ihnen stelle, sind dein Dad und Enzo frei. Du wirst nach Hause gehen. Nach Hause zu deiner Familie.«

Ich hörte meinen Bruder scharf Luft holen.

Meine Lippen bewegten sich, um meinem Mann zu sagen, dass er mein Zuhause war, dass er es immer gewesen war, als wir plötzlich Schritte vernahmen.

Männer in nachtblauen Umhängen tauchen am Eingang zum Gebäude auf, die Zauberstäbe erhoben. Ich stürzte nach vorn, doch Enzo hielt mich zurück.

»Lass mich los«, schrie ich und wehrte mich.

»Achte auf sie«, sagte Mattheo zu Enzo, der ihn mit tränennassen Wangen ansah. »Das tue ich immer.«

Mattheo trat einen Schritt zurück.

»Nein, Theo—«

»Es sind nur fünf Jahre«, sagte Mattheo mit sanfter Stimme, ließ seinen Zauberstab fallen und breitete die Arme aus, um den Auroren zu verstehen zu geben, dass er sich ergab. »Dann lassen sie mich gehen. Sie brauchen Informationen, die nur ich ihnen liefern kann. Der dunkle Lord hat in den letzten—«

Er stoppte mitten im Satz, als ein grüner Lichtblitz die Dunkelheit erhellte, bevor Yaxleys Leiche zu Boden sackte. Ich schrie auf und befreite mich aus den Armen meines Bruders, stolperte auf die Barriere zu und schlug meine Fäuste dagegen, als sie Mattheo von hinten mit einem Fluch niederstreckten.

Er keuchte und fiel auf die Knie, während sich unsichtbare Fesseln um seinen Körper schlangen.

»Keine Hinrichtung. Riddle ist auf den Deal eingegangen«, bellte einer der Auroren seine Männer an, der mich nicht einmal eines Blickes würdigte, während ich hinter der Barriere schrie, weinte und ihn anflehte, meinem Mann nicht weh zu tun.

Sie töteten ihn nicht.

Doch sie schlugen ihm ins Gesicht.

Traten ihn in den Bauch.

Und dann zerrten sie ihn fort.

Ich rollte mich auf den Boden zu einer kleinen Kugel zusammen, nahm kaum wahr wie mein Bruder mich nur Augenblicke später in seine Arme hob und durchs Schloss trug, als die Barriere fiel. Die Welt verschwamm in einem Schleier aus Grautönen.

Schlaf war das einzige, das mich diesen endlosen Schmerz in meiner Seele ertragen ließ. Ich schlief tagelang, mein kleines Kätzchen immer bei mir.

Manchmal wachte ich auf und sah geliebte Menschen an meinem Bett im Krankenflügel sitzen. Enzo, der mir das Haar streichelte, Diana, die regelmäßig nach meinen Verletzungen schaute, Mum, die stundenlang meine Hand hielt. Und meinen Dad, der genau wie mein Bruder nicht festgenommen worden war.

Ein paar mal sah ich Draco. Und eines Nachmittags kam Theodore, der meine Stirn küsste und mir ins Ohr flüsterte, dass er für eine Weile das Anwesen seines Vaters nicht verlassen würde können und dass ich ihn besuchen solle, wenn es mir besser ging.

Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft die Nacht über das Schloss hereingebrochen war, als Enzo mich wie so oft weckte, um mir beim trinken zu helfen. »Ist er tot?«, wisperte ich, woraufhin er vor Schreck beinahe das Wasserglas fallen gelassen hätte, denn ich hatte tagelang mit niemandem ein Wort gesprochen.

»Mattheo ist am Leben«, antwortete er dann mit sanfter Stimme und stellte das Glas wieder auf den Nachttisch. »Sein Prozess war gestern, Dad und ich waren dort, um ihn zu unterstützen. Er hat fünf Jahre bekommen, wie sie ihm zugesichert hatten.«

Fünf Jahre in Askaban.

Ich schluckte und nickte.

Eine Weile betrachtete mein Bruder mich mit einem besorgten Blick. »Ich muss mit dir über etwas reden, Amelie.« Zärtlich streichelte er durch mein Haar.

Ich antwortete nicht, sondern drehte den Kopf zur Seite und blickte durch das Fenster in den Nachthimmel hinaus und suchte unseren Stern.

Und dort strahlte er.

Heller als all die anderen am Firmament.

Ich legte die Hand mit dem Verlobungsring auf meinen Bauch, schloss die Augen und versuchte mir vorzustellen, in seinen beschützenden Armen zu liegen, seinen Duft zu riechen, sein Haar zu kraulen.

Mattheo war nicht tot, er war nur fort.

Und er würde zu mir zurückkommen.

So wie er es versprochen hatte.

Und ich würde auf ihn warten, bis auch der letzte Stern dort oben am Nachthimmel verglüht war.

Und zu wissen, dass wir den Rest unseres Lebens miteinander verbringen durften, doch vorher erst fünf Jahre ohne einander überstehen mussten—

war Himmel und Hölle zugleich.

E N D E

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