49. the final battle
TW: Gewalt, Folter, Mord
Tod von Hauptcharakteren
and in the end
we'll all become stories.
A M E L I E
Mein Bruder hatte sich geweigert, mich loszulassen.
Enzo war die ganze Zeit ruhig geblieben, doch als wir uns alle zusammen im Gemeinschaftsraum versammelt hatten und die Kampfkleidung anlegten, die wir vorher sorgfältig mit Schutzzaubern aller Art präpariert hatten, hatte die Angst um seine kleine Schwester ihn die Beherrschung verlieren lassen.
Erst hatte er versucht Lestrange einen Fluch auf den Hals zu jagen, als er mich mitnehmen wollte— und dann hatte er versucht Mattheo die Nase zu brechen.
Erst als Lucifer ihn sich gepackt hatte und ihm mit bedrohlicher Stimme versichert hatte, dass er vor mir sterben würde, weil er nicht zulassen würde, dass mir etwas geschah, hatte er sich ein wenig beruhigt.
Wir alle waren nervös.
Doch wir waren bereit zu kämpfen.
Theodore, Blaise und Pansy verließen als erste den Gemeinschaftsraum, wobei letztere ihrem Verlobten einen so heißen Kuss gab, bei dem wir alle mit glühenden Wangen wegschauten, bevor sie ihm mit dem Tod drohte, sollte ihm irgendetwas geschehen.
Lestrange erwiderte ihre Morddohung mit einer poetischen Liebeserklärung, die Shakespeares Romeo alt aussehen ließ. Doch mein Herz wurde schwer, als sich ihre Hände voneinander lösten und das entschlossene Funkeln in seinen Augen kurz von einem Ausdruck von Angst wich, sie zu verlieren.
Doch er befahl ihr nicht noch einmal zur Hütte zu gehen, auch wenn sein Unterkiefer zum zerreißen angespannt war, während er ihr hinterher blickte.
Die drei würden im Hof vor der großen Halle Wache stehen, versteckt im Schatten der Schlossmauern.
Daphne, die sich momentan noch auf der Mission befand, auf die der dunkle Lord sie geschickt hatte, würde sobald sie konnte, zu ihnen stoßen.
Enzo, Diana und Madam Pomfrey, die sich vehement geweigert hatte das Schloss zu verlassen, obwohl Diana die ältere Heilerin darum gebeten hatte, hatten in einem verlassenen Klassenzimmer in der Nähe der großen Halle ein provisorisches Krankenlager aufgeschlagen, falls jemand von uns verletzt wurde.
Luna patrouillierte unter dem Tarnumhang, der einmal Harry gehört hatte, durchs Schloss und hielt mit Helena Ravenclaw sowie Sir Nicolas mitsamt der Jagd der Kopflosen Ausschau nach jedem, der nicht den Weg über die steinerne Brücke benutzen würde.
Nach einem lautstarken Streit zwischen Gabrielle und Theodore, in dem sie ihn unter Tränen angeschrien hatte, dass es ihr gutes Recht war so viele Vergewaltiger wie möglich in die Hölle zu schicken, war die Französin beleidigt zu ihren Posten zu den Toren gegangen, von wo aus sie ihrer Schwester Bescheid geben würde, wenn alles vorüber war.
Danach würde alles schnell gehen müssen, denn uns würde vielleicht nur eine stunden bleiben, bis die Auroren, die, wie ich nach einem Blick auf die große Uhr an der Wand gegenüber, in genau fünf Minuten zusammen mit amerikanischen und kanadischen Spezialeinheiten das von Lord Voldemort infiltrierte britische Ministerium für Zauberei stürzen würden, bevor sie sich auf den Weg ins Schloss machten.
Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich an Enzo dachte, denn ich hatte furchtbare Angst um meinen Bruder. Auch wenn wir ein von Kingsley Shacklebolt unterzeichnetes Dokument bekommen hatten, das die Auroren, sowie die MACUSA keine Todesser niederer Ränge hinrichten würden.
Ich betete zu Merlin, dass ich die Gelegenheit bekam, meinen großen Bruder noch einmal zu umarmen und ihm zu sagen, dass ich ihn liebte, auch wenn ich dies heute schon an die hundert Mal getan hatte, bevor wir eine Weile voneinander getrennt sein würden.
Zuletzt blieben nur Mattheo, Luc und ich übrig.
Schweigend verließen wir die Kerker.
Mattheo hielt die ganze Zeit über meine Hand und als wir vor den Flügeltüren der großen Halle stehen blieben, zog er mich in eine innige Umarmung.
Lange Minuten hielten wir einander fest.
Als der Lockenkopf sich langsam zurücklehnte, damit wir einander ansehen konnten, legte ich meine Hände flach auf seine Uniform und blickte durch meinen tränennassen Wimpern flehend zu ihm auf.
»Komm zurück zu mir, Theo.«
Zärtlich strich Mattheo über meine Wange.
»Immer, Sweetie«, hauchte er und küsste mich.
»Ich liebe dich«, flüsterte der Sohn des dunklen Lords mit rauer Stimme gegen meine Lippen. Ich versuchte es zu erwidern, doch meine Kehle war vor Angst wie zugeschnürt, also hob ich das Kinn und küsste ihn noch einmal. Mattheo erwiderte meinen Kuss, der plötzlich mehr wurde, als nur eine zarte Berührung unserer Lippen, bis uns plötzlich ein uns beiden nur allzu vertrautes Räuspern unterbrach.
Severus Snape war aus den Flügeltüren der großen Halle getreten. Sein Gesicht war aschfahl und sein fettiges schwarzes Haar umrahmte wie immer sein Gesicht wie ein Vorhang. »Die Barriere ist aktiv und der Horkrux an seinem Platz«, sagte der Zaubertrankmeister mit kühler Stimme zu Mattheo.
»Ich denke dir bleibt in etwa eine Viertelstunde, bis er bemerkt, dass er sie nicht mehr heraufbeschwören kann. Viel Glück, Riddle.« Mit diesen Worten rauschte der Zaubertrankmeister und Schulleiter von Hogwarts an uns vorbei, wobei ihm seine dunklen Roben wie Schatten um den Körper wehten.
Mattheo starrte ihm hinterher, doch mein Blick war auf das gerichtet, was ich durch den Spalt der nun angelehnten Flügeltüren erkennen konnte.
Eine Träne lief mir über die Wange, als ich den silbernen Käfig betrachtete, der auf dem Podium, an dem sonst die Lehrertische standen, aufgebahrt war.
»Theo—«, wisperte ich ängstlich und drehte mich zu ihm um, doch aus Mattheos tiefbraunen Augen, die ich so sehr liebte, war nun jegliche Wärme gewichen.
Ich realisierte, dass der Todesser seine Legilimentik dazu verwendet hatte, seine Gefühle zu betäuben, damit er tun konnte, was getan werden musste, um den dunklen Lord wieder sterblich zu machen.
Bevor er auch ihn töten würde.
Sein Blick war auf den Käfig gerichtet und auf das, was sich zwischen den Gitterstäben wie schwarzer Rauch in der Luft schlängelte— betäubt von Snapes Magie. Seine Hand drückte meine ein letztes Mal, bevor er sie losließ und mit entschlossen Schritten in die große Halle trat, das Schwert von Gryffindor auf den Rücken geschnallt. Nur das Schwert konnte einen Horkrux vernichten und nur Mattheo konnte Nagini töten, denn der dunkle Lord hatte ihren Körper durch einen Blutzauber geschützt.
»Nein«, flehte ich heiser, als Lestrange meinen Arm nahm, um mich davon abzuhalten, ihm hinterher zu gehen, doch der Todesser ließ nicht locker. »Nein, bitte Luc. Lass mich bei ihm sein, wenn—«, doch die Flügeltüren schlossen sich bereits hinter ihm.
»Er will das allein tun, Amelie.«
Ich senkte den Blick, bevor ich mich von ihm eine Treppe hinabführen ließ. Niemand von uns sprach ein Wort und als wir einen von Fackeln beleuchteten Flur erreichten, streckte ich eine Hand aus und kitzelte die Birne des Stillebens, das den Eingang zur Küche verbarg, die sich direkt unter der Halle befand.
Kichernd schwang das Portrait zur Seite.
Ich fühlte einen Stich im Herzen, als ich mich daran erinnerte, wie Theo mich einmal Nachts hergebracht hatte, als ich aufgrund meiner Periode ein kaum zu bändigendes Verlangen nach Schokolade verspürt hatte. Kichernd hatten wir in einer Ecke gesessen und massenhaft Kekse in uns hineingestopft, bis uns irgendwann davon schlecht geworden war.
Eine bittersüße Erinnerung.
Die Hauselfen, die sich bereit erklärt hatten, uns mit ihrer Magie zu verbergen, boten mir Tee und Kuchen an und einer von ihnen traute sich sogar Lestrange zu fragen, was seine Lieblingskekse waren. Doch wir beide waren angespannt und lehnten dankend ab.
Meine Beine waren vor Angst ganz wacklig, als ich mich in genau diese eine Ecke zurückzog, auf den Boden kauerte und die Arme um die Knie schlang.
Lestrange setzte sich dazu, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und streckte die Beine aus.
Und nun mussten wir warten.
Ich schloss die Augen und lauschte dem Summen der Schutzzauber, die in meiner eng anliegenden Kampf Kleidung eingearbeitet waren. Meine Finger zitterten, als ich das Drachenleder des Brustpanzers berührte, von dem Mattheo darauf bestanden hatte, dass ich ihn trug, da er allerlei Flüche abwehren konnte.
Ich versuchte nicht an das zu denken, was Mattheo in dieser Sekunde wenige Meter über uns tat, doch die Vorstellung davon, wie er seiner geliebten Schlange den Kopf abschlug, trieb mir Tränen in die Augen.
Mattheo hatte Nagini so sehr geliebt.
Selbst noch, als sich die Schlange nach der Rückkehr des dunklen Lords von ihm abgewandt hatte, um wieder ihrem ursprünglichen Herrn zu dienen.
Einige Minuten sagten wir nichts, doch als ich immer heftiger zitterte, tastete er nach meiner Hand und verschlang seine Finger mit meinen. Der Todesser hatte seinen Lederhandschuh ausgezogen und seine Finger fühlten sich warm und rau in meinen an.
»Wie hast du es eigentlich angestellt?«, fragte er mit leiser Stimme. Ich wusste sofort, wovon er sprach.
Vom Tod seines Onkels, Rabastan Lestrange.
»Er hat sein Gift selbst gewählt«, sagte ich nur und kämpfte gegen das schlechte Gewissen an, das mich unwillkürlich überkam, auch wenn ich diesen Mann genau gesehen, nicht eigenhändig getötet hatte.
Als ich merkte, dass er mich immer noch ansah, seufzte ich. »Ich habe eines der Champagnergläser mit Nachtschatten-Essenz versetzt«, antwortete ich.
»Es ist mir in diesem Schuljahr gelungen im Gewächshaus eine Pflanze zu züchten. Wer hätte gedacht, dass Tränen der effektivste Dünger für Gewächse der Nacht sind?«, ergänzte ich bitter.
Lestrange drückte meine Hand, bevor er ein beeindruckendes Pfeifen von sich gab, doch dann stutzte er plötzlich. »Warte, nur ein einziges?«
Ich nickte.
»Aber wie konntest du sicher gehen, dass er genau dieses eine Glas nimmt?«, fragte er. »Da stand doch ein ganzer Brunnen, falls ich mich nicht irre.«
Auch wenn ich es eigentlich nicht beabsichtigte, verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln.
»Es war das einzige, mit einem vergoldeten Rand.«
Der Todesser starrte mich einen langen Augenblick sprachlos an, bevor er mir ein anerkennendes Grinsen schenkte. »Ich bin beeindruckt, kleine Slytherclaw. Dieser verdammte Bastard war schon immer besessen von allem, was vergoldet war.«
»Ich weiß«, murmelte ich.
Nie in meinem Leben würde ich vergessen, wie Rabastan Pansy erklärt hatte, dass er sie dazu zwingen würde ein goldenes Höschen zu tragen, wenn er sie in ihrer Hochzeitsnacht vergewaltigte und schwängerte. Diese Drohung hatte die Slytherin in mir wachgekitzelt und ich hatte die Chance genutzt, die sich mir geboten hatte, auch wenn mich die Vorstellung seines grausigen Todes seither verfolgte.
Rabastan würde Pansy nie wieder weh tun.
Lestranges Grinsen verblasste plötzlich, als würde er sich jetzt ebenfalls an diese Worte erinnern. »Danke, Amelie«, murmelte er und drückte meine Hand.
Ich nickte nur und wir verfielen wieder in Stille.
Doch als ein explosionsartiges Krachen die Mauern des Schlosses erheben ließ, sprang ich auf. Ich wollte gerade zur Tür laufen, als Luc mich zurückhielt.
»Du bleibst verflucht nochmal hier, Amelie«, warnte er mich und öffnete den Mund um etwas hinzuzufügen, doch seine Worte verwandelten sich in ein dunkles Knurren, bevor er sich nach vorn krümmte und keuchend den linken Unterarm hielt.
»Bei Salazar«, fluchte der Todesser und krempelte den Ärmel seiner nachtschwarzen Uniform hoch.
Mit angehaltenem Atem starrte ich auf die Schlange des dunklen Mals, deren Augen wie Blutdiamanten leuchteten, während sie sich unruhig räkelte.
Eine weitere Welle Schmerz, ließ den Todesser zusammenzucken. »Er ist wütend«, keuchte er und presste die Zähne aufeinander. »Verflucht wütend.«
»Denkst du er weiß es?«
»Ich bin nicht sicher—«
Über uns krachte etwas schweres auf den Boden.
Lestrange schrie auf, als die Schlange ihr Maul öffnete und schwarze Tinte auf seine Haut spuckte.
»Jetzt bin ich sicher«, fügte er grimmig lächelnd hinzu. »Er weiß, dass Nagini hier ist und das sie jeden Moment sterben wird. Und seine Laune wird gleich noch beschissener werden, wenn er merkt, dass er nicht mehr ins Schloss apparieren kann.«
Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, während er sich mit zusammengepressten Zähnen den Arm hielt. »Er wird jeden herschicken, den er aus der Schlacht im Ministerium entbehren kann.«
Fieberhaft überlegte ich, was ich tun konnte, um ihn von dem Schmerz des Rufes zu erlösen, den er nicht würde wahrnehmen können. Doch ich wusste, dass es nichts gab. Kein Schmerzmittel und kein Zauber konnten die feurige Dunkelheit des Mals stoppen, die sich nun langsam in seine Knochen brennen würde.
Die Jungs waren darauf vorbereitet gewesen und hatten geschworen, dass sie es aushalten würden, sich dem Ruf zu widersetzen, den sie verspüren würden, sobald Lord Voldemort von dem Sturz des Ministeriums durch die Auroren informiert wurde.
Das perfekte Ablenkungsmanöver, um Mattheo genug Zeit zu verschaffen, Nagini in Todesangst zu versetzen, bevor er sie tötete. Da sie der einzige lebendige Horkrux war, würde Lord Voldemort ihre Angst spüren können, als wäre es seine eigene, bevor er zu dem Ort eilen würde, an dem sie sich aufhielt.
Ein Plan, der es nicht nur den Auroren erleichterte, das Ministerium zu stürzen, sondern den dunklen Lord auch noch wie eine Maus in die Falle lockte.
Denn sobald er einen Fuß in die große Halle gesetzt hatte, wo Mattheo bereits auf ihn wartete, würde er sie nicht mehr verlassen können, dafür hatte ein Bannzauber gesorgt, den Snape gesprochen hatte.
Snape, der immer Teil des Ordens gewesen war.
Doch auch niemand sonst, der sich mit ihm in der Halle aufhielt würde sie wieder verlassen können.
Die Barriere brach erst, wenn Voldemort starb.
Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken.
»Heilige Mutter«, stöhnte der Todesser neben mir, als ihn eine weitere Welle aus Schmerz erfasste, die ihn nun fast in die Knie zwang. Doch als ich meinen Zauberstab zog, um die Haut um das Mal herum zu betäuben, schüttelte er nur grimmig den Kopf.
»Es geht schon, Süße«, nuschelte er und zerrte den Ärmel seiner Uniform wieder über die Schlange.
Die Decke zu unseren Köpfen erbebte heftig.
Nagini wehrte sich.
Sie kämpfte.
Unsere Blicke trafen sich. »Wir müssen ihm helfen«, schrie ich Lestrange beinahe an, dessen blaue Augen vor Schmerz ganz glasig waren. Er öffnete den Mund um zu antworten, als er plötzlich inne hielt.
Und dann spürte auch ich es.
Die Auren mehrerer schwarzer Zauberer.
Sie waren hier, auf dem Schlossgelände.
So wie die Jungs es voraus gesagt hatten.
Lestranges Augen bekamen einen düsteren Glanz, bevor er angriffslustig mit den Fingerknöcheln knackte. »Ich hätte wissen müssen, dass er auch ihn her schickt.« Grimmig zog er seinen Zauberstab.
»Wen?«, japste ich panisch.
»Meinen Erzeuger«, knurrte er und legte den Kopf leicht schief, als würde er etwas lauschen, wobei ihm einige seiner dunklen Strähnen in die Augen fielen.
»Bellatrix und Crouch sind auch hier. Und Greyback, verfluchte Scheiße.« Es war das erste Mal, dass ich einen solchen Hass auf seinem Gesicht erblickte, dass es mir das Blut in den Adern zu Eis gefrieren ließ. Er hatte seinen Onkel verabscheut, doch Greyback schien er noch auf einem ganz anderen Level zu hassen.
Mir wurde schlecht.
»Greyback?«, brachte ich mit aufgerissenen Augen und schwindelerregend hohen Puls hervor. »So wie Fenrir Greyback, der Werwolf?« Ich hatte Greyback bisher nur auf Fotos gesehen, doch von früheren Artikeln des Tagespropheten wusste ich, dass dieser Mann nur aus purer Grausamkeit gestrickt war.
Seine bevorzugten Opfer waren jung und weiblich, die der Werwolf meist noch an Ort und Stelle ihres gewaltsamen Todes vergewaltigte, bevor er sie fraß.
Lestrange nickte grimmig. »Und heute ist der Tag, an dem ich diesem hässlichen Mistköter endlich das widerwärtige Drecksfell über die Ohren ziehe.«
Panik überkam mich, als er zum Portrait blickte.
Denn ich wusste, was jetzt kam.
Mattheo hatte zwar eingewilligt, dass ich beim Kampf in seiner Nähe bleiben durfte, doch nur wenn ich mich innerhalb des Schutzzauber der Hauselfen aufhielt, der es jedem, der unbefugt in die Küche eindrang, unmöglich machen würde, mich zu sehen.
Und Luc musste zu den anderen.
Sie brauchten ihn.
»Du hörst mir jetzt genau zu, kleine Riddle«, sagte er, legte seine Hände auf meine Schultern und ging etwas in die Hocke, woraufhin unsere Augen auf demselben Level waren. »Ich weiß, wie schlimm es für dich sein wird, hier auszuharren. Doch du bleibst in diesem Schutzzauber, bis Mattheo oder ich dich holen kommen. Hast du das verstanden, Amelie?«
Schwer atmend sah ich ihn an.
»Zwing mich nicht dazu, dir einen Imperius auf den Hals zu jagen, Mrs Riddle«, drohte er mir.
»Ich warte hier«, versicherte ich ihm.
Lestrange verstärkte seinen Griff.
»Wenn Voldemort oder jemand anderes dich in die Finger bekommt, wird Mattheo sich ergeben und das weißt du. Er wird ihn zwingen, den Schwur erneut abzulegen und wird ihn die anderen wegen Hochverrats hinrichten lassen. Sie werden alle sterben, Amelie. Dein Bruder, Diana, Blaise, Theodore, Draco, Daphne... Pansy«, er schluckte.
Und er selbst.
Doch sein eigener Tod schien ihn nicht zu kümmern.
Ich begann heftig zu zittern.
»Sie werden euch zwingen einen Erben Slytherins nach dem anderen zu bekommen, bis dein Körper irgendwann aufgibt, verstehst du das, Amelie?«
Unter Tränen nickte ich.
»Ich werde hierbleiben«, schluchzte ich und schlang die Arme um seinen Hals, drückte ihn fest an mich.
»Ich komme zurück.«
Lestrange küsste meine Stirn.
Und dann war er fort.
Ein Teil von mir hasste ihn für die furchtbaren Dinge, die er zu mir gesagt hatte, doch ein anderer Teil liebte Lestrange dafür, dass er immer ehrlich war.
Er war der einzige, der mich nie belogen hatte.
Ich kauerte mich wieder in die Ecke und zog meine kleine Tasche hervor. Als ich die Hand hinein steckte, begann eine raue Zunge über meine Finger zu schlecken, die so heftig zitterten, dass sie die Gitterstäbe von Snowballs Gefängnis zum Klirren brachten. Es hatte mir das Herz gebrochen, das Körbchen in die Dunkelheit der Tasche zu stecken, doch der Gedanke daran, nicht mehr genug Zeit zu haben, um sie zu holen, war unerträglich gewesen.
»Ich weiß«, wisperte ich traurig und streichelte das kläglich miauende Fellknäuel unter dem Kinn.
»Ich habe auch Angst, Snow.«
Die Schlossmauern erbebten.
Einige Hauselfen verkrochen sich in Todesangst unter Tischen und Schränken, andere hielten sich im Bereich vor dem Portrait auf, bewaffnet mit Messern oder Bratpfannen, bereit gegen die Todesser zu kämpfen, die auf den Befehl des dunklen Lords hin sicher schon nach mir suchten, da ich das einzige Druckmittel war, das er gegen seinen Sohn verwenden konnte.
Doch niemand kam.
Putz rieselte von der Decke und in mein geflochtenes Haar, als ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte.
Und dann war es plötzlich ganz still.
Ich neigte den Kopf zur Seite und erbrach mich auf den Küchenboden. Als ich nichts mehr im Magen hatte, lehnte ich meinen Hinterkopf gegen die Wand und schloss die Augen, während ich in Gedanken Textpassagen aus meinen Lieblingsbüchern zitierte, um meine Panikattacke irgendwie abzuwenden.
Flashbacks der Nacht der Schlacht fluteten meinen Kopf mit Bildern von Leichen meiner Mitschüler, ihre Körper zerfetzt und ihre Augen ins Leere starrend. Ich hörte die Explosionen und die Schluchzer von Mattheo, als er nach dem brutalen Mord an meinen Freunden zitternd an der Wand gekauert hatte.
Einer der Hauselfen tupfte mir zaghaft mit einem Tuch über den Mund, während ein anderer einen kalten Lappen auf meine fiebrig glühende Stirn presste. Magie tanzte auf meiner Haut wie ein lauer Sommerwind und bereite mich von meiner Übelkeit.
»Danke«, murmelte ich, doch als ich die Augen öffnete, hatten sich die Elfen bereits wieder von mir abgewandt und sich zurück in ihre Verstecke begeben. Ein Glas Wasser stand neben mir, was ich in kleinen Schlückchen leerte. Dann zog ich die Knie an.
Immer noch hallte das herumreisende Schluchzen Mattheos in meinen Ohren, als mir plötzlich klar wurde, dass es nicht aus meinen Erinnerungen stammte. Ich hänge mir meine Tasche wieder um und kroch über den Fußboden, bis das Geräusch immer lauter wurde. Und dann entdeckte ich ein kleines Loch in der Wand und dahinter eine schmale Treppe.
»Nein, Miss muss hier bleiben«, piepste eine Stimme in meiner Nähe. Ich blinzelte und blickte in das bleiche Gesicht einer Elfe, die sich unter einem Schrank verkrochen hatte und mich flehend an sah.
»Mir geschieht nichts«, wisperte ich und zog mich durch das Loch. Mit meinen Einsfünfundsechzig war ich klein genug, um gerade so eben durchzupassen.
Mit größter Anstrengung kroch ich die Stufen hinauf.
Ich erkannte, dass diese Passage von einem Zauber versteckt war, sodass sie optisch von den Mauern der großen Halle verborgen wurde, doch genau wie bei dem Portrait, hinter dem ich mich damals in der Nacht der Schlacht versteckt hatte, konnte ich durch die Steine hindurchsehen.
Und was ich sah, erschütterte mich bis ins Mark.
Ich presste mir eine Hand auf den Mund um ein Schluchzen zu unterdrücken, als ich Mattheo entdeckte, der mit gesenktem Kopf und blutdurchtränkter Uniform auf dem Boden vor dem Käfig kniete, neben ihm das Schwert von Gryffindor.
Seine Schultern zitterten und auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen konnte, so konnte ich doch hören, wie der Lockenkopf weinte. Wie er trauerte.
Immer wieder murmelte er Naginis Namen.
»Es tut mir leid.«
»Es tut mir so leid, Nagini.«
Stumme Tränen liefen mir über die Wangen wie Regen, als ich sah, wie seine blutigen Finger immer wieder zärtlich über den abgetrennten Kopf seiner Schlange streichelten, der auf seinem Schoß lag.
Naginis lebloser Körper, der sich im Todeskampf zusammengerollt hatte, lag wenige Meter entfernt.
Eine Explosion nach der anderen erschütterte die Schlossmauern und ich wusste, dass der Kampf auf dem Hof vor der Halle bereits im vollen Gange war.
Plötzlich sprangen die Flügeltüren auf und aus Reflex richtete ich meinen Zauberstab auf die ganz in schwarz gekleidete Gestalt, die jetzt zum Vorschein kam, doch ich zog ihn wieder zurück, als Bellatrix Lestrange in die Halle stolzierte, ihr schwarzes Haar wie eine Krone aus Filz auf dem Kopf.
Die seelenlosen Augen der Hexe huschten durch den Raum und verengten sich, als sie Mattheo entdeckten. »DU«, schrie sie ihren Sohn erzürnt an.
»Was fällt dir ein den Ruf zu ignorieren? Weißt du nicht was diese verfluchten Drecksauroren im Ministerium—«, doch als Mattheo aufsprang und mit erhobenem Zauberstab in ihre Richtung zielte, verwandelten sich ihre Worte in einen spitzen Schrei.
Mit aufgerissenen Augen starrte sie auf den abgetrennten Kopf Naginis, der ihm dabei vom
Schoß und zu Boden gefallen war. »Aber wie hast du— der unbrechbare Schwur— wie konntest du—«
Mit dem Ärmel wischte Mattheo sich die Tränen von den Wangen, bevor sich seine Lippen zu einem bösen Lächeln verzogen. »Du hast schon immer den Fehler gemacht, mich zu unterschätzen, Mommy.«
Der Lockenkopf spuckte auf den Fußboden.
Bellatrix erbleichte. »Was hast du getan?«, schrie sie wie am Spieß. »WAS HAST DU NUR GETAN DU VERRÄTERISCHER—«, doch ein purpurfarbener Blitz traf die Hexe wie ein Pfeil mitten in den Rücken und schmetterte sie gegen einen der Haustische, bevor sie regungslos auf den Boden liegen blieb.
Schritte donnerten über Boden und ich hielt den Atem an, als das bleiche Gesicht Lucius Malfoys zum Vorschein kam. »Wo ist mein Sohn?«, fragte er nur, den Zauberstab in seiner Hand so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel bereits weiß hervortraten.
»Auf dem Hof«, entgegnete Mattheo mit schmerzverzerrtem Gesicht, woraufhin er sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und verschwand.
Mein Innerstes verkrampfte sich, als Mattheo, dessen Atmung immer rasselnder geworden war, sich auf einen der Haustische stützte, seinen linken Arm packte, ihn auf das Holz legte und betrachtete.
Seine Augen verdrehten sich vor Schmerz nach innen und ich hätte beinahe geschrien als ich sah, dass sich sein dunkles Mal so tief in die Haut gebannt hatte, dass die Knochen seines Unterarmes frei lagen. Mit zitternden Fingern holte er den kleinen Samtbeutel hervor, den ich heute an jeden verteilt hatte.
Doch seine Hand zitterte so sehr, dass es ihm nicht gelang einhändig eine der schmerzlindernden Phiolen zu entkorken. Er taumelte und schien der Ohnmacht nah. Panik durchzuckte mich wie ein Blitz, denn wenn er das Bewusstsein verlor— ich ließ mir keine Zeit den Gedanken zu Ende zu denken, kroch aus meinem Versteck und— gefror zu Eis.
»Na wen haben wir denn da—« zischte mir Bellatrix Lestranges mädchenhafte Stimme zuckersüß ins Ohr, bevor ich etwas kühles und hartes an meinem Hals spürte, von dem ich genau wusste, dass es ihr Zauberstab war. »Das frisch angetraute Weib meines verräterischen Sohnes. Hallo Schwiegertochter.«
Ich schrie, als sie mich an den Haaren in die Mitte der Halle schleifte, wo Mattheo bereits mit dem Zauberstab auf die filzhaarige Hexe zielte.
Er war leichenblass und der Schmerz seines verletzten Arms hatte tiefe Schatten unter seine Augen gezeichnet, die voller Hass auf die Frau blickten, die mich in ihrer Gewalt hielt. »Nimm deine dreckigen Finger von meiner Frau«, brachte er mit zusammengepressten Zähnen hervor.
Bellatrix fauchte wie eine wildgewordene Katze und drückte ihren Zauberstab enger gegen meine Kehle.
Nur eine Bewegung oder gar ein Flüstern von ihr, würde ausreichen, um meine Kehle zu durchtrennen und mein Leben zu beenden. Die Hexe gab ein kichern von sich. »Ich wusste vom Tag deiner Geburt an, dass du der Bestimmung deiner Blutlinie nicht würdig bist, Mattheo.« Sie spuckte vor ihm auf den Boden. »Ich schäme mich deine Mutter zu sein.«
Mattheo lachte.
»Du hast mich vielleicht geboren, aber eine Mutter warst du mir nie. Mattheos Blick fand meinen. »Ich habe andere Eltern«, sagte er etwas sanfter, was mir trotz meiner Angst warm ums Herz werden ließ.
Doch als er wieder zu Bellatrix sah, loderte nichts als Hass in der Dunkelheit seiner Augen. »Und jetzt nimm deine Hände von meiner Frau, oder—«
»Oder was?«, zischte sie. »Denkst du der dunkle Lord wird es zulassen, dass du den nächsten Erben Salazar Slytherins aus dem Land bringst, nachdem du ihn hintergangen hast?«, unterbrach sie ihn zischend und platzierte ihre Hand auf meinen Unterleib, was mich panisch zusammenzucken ließ. Übelkeit stieg in mir auf, als ich ihre verdreckten Nägel betrachtete.
»Bist du schon schwanger, meine Süße?«
Ich zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub.
Mattheo ließ ein Knurren aus seiner Kehle dringen.
»Keine Sorge, wir werden uns gut um das Baby—«, doch in dieser Sekunde nickte Mattheo mir kaum merklich zu, woraufhin ich mich mit dem Rücken nach hinten fallen ließ und sie ins straucheln geriet.
Statt in meinen Hals, schnitt ihr Zauberstab in das Drachenleder meines Oberteiles, dann erleuchtete ein smaragdgrüner Lichtblitz die große Halle und sie sackte zu Boden, getroffen von Mattheos präzise ausgeführtem Todesfluch zwischen die Augen.
Wenige Sekunden später war er bei mir.
Zitternd fiel ich ihm um den Hals.
»Bist du okay?«, keuchte er, lehnte sich zurück und suchte mich auf Verletzungen ab. »Mir geht es gut«, entgegnete ich. »Lass mich deinen Arm—«
»Nein—«, schrie Mattheo mich fast an, während er verzweifelt nach dem Loch in der Wand suchte. Doch es war zwecklos. »Du musst zurück. Sofort.«
Und dann fühlte ich es.
Eine Dunkelheit, die mir nur allzu vertraut war. Doch nicht, weil sie der des Jungen ähnelte, dessen Ring ich am Finger trug, sondern weil es dieselbe war, die jetzt in meinem Kopf wütete, wie ein Gewitter.
Er war hier.
Lord Voldemort war in Hogwarts.
»Nagini.«
Ich konnte nicht unterscheiden, ob seine Stimme nur in meinem Kopf war, oder ob sie durchs Schloss hallte, wie dasselbe geisterhaftes Echo, dass sie auch in der Nacht der Schlacht gewesen war.
»Nagini, wo bist du?«
Benommen taumelte ich gegen Mattheo.
»Geh zurück in die Küche«, flehte Mattheo mich an, der jetzt angefangen hatte meine Schultern zu schütteln, weil ich nicht reagierte. »Dort bist du sicher.« Wieder küsste er mich, diesmal inniger. »Sie dürfen dich nicht kriegen, verstehst du Amelie?«
Unter Tränen nickte ich, denn wenn sie mich schnappten, würde Mattheo sich ergeben.
Und alle würden sterben, nur meinetwegen.
»Ich töte ihn und dann komme ich dich holen.«
Ich wollte nicht gehen.
Ich wollte ihn nicht allein lassen.
Doch das Flehen in seinen Augen...
»AMELIE, LAUF.«
Ich küsste ihn ein letztes Mal, dann stürzte ich aus der großen Halle, rannte zu den Treppen in Richtung Küche, nur um zu sehen, wie Luna sich auf den untersten Stufen mit drei Todessern duellierte.
Ich konnte nicht zurück in die Küche.
Panik überschwemmte meine Gedanken.
Ich musste aus dem Schloss.
Ich drehte herum und lief in die andere Richtung, doch die Schule hatte sich selbst zu schützen begonnen und keine der bewegten Treppen war mehr zu erreichen. Panik stieg in mir auf, denn nun blieb nur noch ein einziger Weg aus dem Schloss hinaus.
Und der führte direkt über den Hof.
Die Dunkelheit hatte sich bereits über die Ländereien der Hogwarts Akademie gelegt und die Fackeln, die sich überall auf dem Aussengelände befanden, hatten sich entzündet und tauchten das Schlachtfeld vor mir in eine blutrote Kulisse, die aus einem Werk Shakespeares hätte entsprungen sein können.
Voldemort hatte nahezu seinen gesamten engen Kreis an den Ort geschickt, an dem er seine Schlange vermutete. Eine Welle aus Übelkeit durchströmte mich und machte mir so weiche Knie, dass ich mich an einer Wand abstützen musste. Der Gedanke daran, wie er reagieren würde, wenn er realisierte, dass er zu spät gekommen— und sein letzter Horkrux bereits vernichtet war, war kaum zu ertragen.
Mattheo war stark genug.
Er würde ihn töten und dann würden wir fliehen.
Alles würde nach Plan laufen.
Ich zwang mich tief durchzuatmen, dann huschte ich unbemerkt hinaus auf den Hof und hätte beinahe geschluchzt als ich sah, dass sie alle noch lebten.
Draco und Lucius kämpften auf Leben und Tod gegen Avery und Nott Senior, der immer wieder Ausschau nach seinem Sohn hielt, das Gesicht wutverzerrt.
Lestrange duellierte sich mit Barty Crouch, Augustus Rookwood und Walden McNair gleichzeitig, während sie ihm immer wieder das Wort Verräter entgegen brüllten, was den Lestrange Erben nur noch mehr anzustacheln schien, sie alle umzubringen. Der unbeantwortete Ruf seines Herrn hatte seinen gesamten linken Arm schwer verbrannt, doch ein gesunder rechter Arm schien ihm vollkommen auszureichen, denn Luc kämpfte wie der Teufel.
Feuer schien sein Element zu sein.
Schwarze Flammen schossen aus der Spitze seines Zauberstabs hervor, bildeten einen Ring um Mulciber und McNair, der sich immer enger zog und die Todesser samt Knochen zu Staub pulverisierte.
Nicht weit von ihm kämpften Blaise und Theodore gegen seinen Vater Rodolphus und den Todesser Amycus Carrow. Ich beobachtete wie Pansy Alecto Carrow einen violetten Fluch entgegen jagte, doch es war ein smaragdgrüner, der die Hogwarts Professorin niederstreckte und von dem ich mir sicher war, ihn aus Yaxleys Zauberstab hervorbrechen gesehen zu haben, der sich in den Schatten des Hofes aufhielt und aus dem Verborgenen heraus agierte.
Enzo hatte mir erzählt, dass er eine Tochter mit seiner verstorbenen Frau hatte, die er, als der Krieg ausgebrochen war, zu Verwandten in die USA geschickt hatte, um Zara eine arrangierte Ehe zu ersparen, in der sie gezwungen war, ein reinblütiges Baby nach dem anderen zu bekommen, bis ihr Körper irgendwann aufgab— auch wenn er durch das Mal auf seinem Arm hatte zurückbleiben müssen.
Nicht alle Todesser des Regimes waren grausam und ich fühlte tiefe Dankbarkeit für Corban Yaxley.
Amycus Carrow schrie als seine Schwester fiel, doch bevor er Pansy dafür hinrichten konnte, schleuderte Lestrange ihn mit zauberstabloser Magie zur Seite und spießte ihn an der Lanze einer Ritterstatue auf.
Pansy warf ihm einen Kussmund zu.
Von Snape war keine Spur zu sehen.
Wir eingefroren beobachtete ich den Kampf, als ich plötzlich am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam.
Und dann sah ich ihn.
Tom Riddle war am Ende des Hofes erschienen.
Sein Anblick versetzte mich in Todesangst, denn von dem mächtigen dunklen Zauberer, dessen einst so verstörend schönes Gesicht jede Litfaßsäule Londons zierte, war nun nichts mehr übrig. Sein schwarzes Haar war licht. Seine Haut eingefallen und spannte sich wie fleckiges Pergament über seine skelettierten Gesichtsknochen. Seine Augen waren umringt von dunklen Schatten und hatten jeglichen Marineton verloren. Seine Iridien waren nun Scharlachrot, leuchteten wie Blutdiamanten und schienen im goldenen Licht der Fackeln nahezu zu brennen.
Es war ein Bild des Grauens.
Er erinnerte nun mehr an einen Inferi, als an den dunklen Herrscher, zu dem er sich gekrönt hatte.
Genau an diesem Ort, neben der geschändeten Leiche Harry James Potters, dessen Totenschädel immer noch über dem Eingang zur großen Halle fixiert war, um jeden Hogwarts Schüler daran zu erinnern, was geschah, wenn man sich Voldemort nicht beugte.
Dieser Gedanke ließ mich aus meiner Starre ausbrechen. Ich nutzte den Schutz der Dunkelheit, um mich an der Aussenmauer entlang zu drücken, so weit entfernt von den tödlichen Duellen wie möglich, den Zauberstab in meiner Hand fest umklammert.
Ich schaffte es mich vom Hof zu schleichen, doch am Ende der Treppen, nur wenige Meter entfernt vor der Brücke die ins Hauptgebäude führte, lief ich direkt in die Arme einer Gruppe Todesser, die so eben am Ort des Geschehens eingetroffen waren. Meine Knie zitterten, als ich einen von ihnen gleich erkannte.
Es war Fenrir Greyback, der Werwolf.
Sein Anblick versetzte mich in eine Art Schockstarre, denn kein einziges der Fotos, die ich im Tagespropheten gesehen hatte, wurde ihm gerecht.
Sein Haar war schmutzig grau und zottelig und ich konnte den Gestank, der von ihm ausging, nahezu gewaltsam in meine Lungen dringen spüren. »Wohin denn so eilig, meine Kleine?«, begrüßte er mich mit kratziger Stimme und bleckte seine gelben Zähne, die unnatürlich lang und spitz waren. Wolfszähne.
Ich stolperte einen Schritt zurück und schob meine Zauberstabhand unauffällig hinter den Rücken.
»Ey, das is' sie«, rief ein zahnloser Todesser hinter ihm, den ich nicht kannte. »Ich erkenne sie. Das is' Charles kleine Tochter. Das is' Mattheos Frau.«
Greyback musterte mich gierig, dann gab er ein bellendes Lachen von sich. »Na wer hätte gedacht, dass uns das Täubchen bereitwillig in die Arme läuft. Der dunkle Lord wird mich reich belohnen.«
»Dich?«, sagte ein anderer entrüstet. »Du meinst doch sicher, er wird uns reich—«, doch er verstummte, als Greyback die Zähne fletschte.
»Komm her, Täubchen.«
Hilflos blickte ich mich um, als der Wolf plötzlich versuchte, mich zu packen. Doch einer der anderen hielt ihn zurück. »Der Befehl lautete, dass niemand sie anrührt. Sie ist schwanger mit dem Erben des dunklen Lords. Dem Erben Salazar Slytherins.«
Greyback ließ ein Knurren aus seiner Kehle dringen und schnupperte. »Sie riecht nicht schwanger und glaub mir, ich weiß wie Schwangere riechen, die habe ich am liebsten.« Seine Atmung rasselte jetzt.
Mir drehte sich der Magen um.
»Falls sie nicht schwanger ist, könnte man das ganz schnell ändern«, sagte ein anderer grinsend, den ich im Licht der Fackeln als Travers erkannte. »Was würd ich nicht geben um einmal eine so reinblütige Fotze zu probieren. Sie haben mich nur mit einem Halbblut verheiratet, könnt ihr euch das vorstellen?«
»Der dunkle Lord wird dich wie die stinkende Kakerlake zerquetschen die du bist, wenn du die Frau seines Sohnes fickst, Travers«, knurrte Greyback ihn an. »Ach komm schon«, stichelte Travers. »Als wäre dein Schwanz nicht hart geworden, wenn du sie beim Ritual gehört hättest. Die Kleine hier hat so süß gestöhnt. Aber du warst ja wieder mal nicht eingeladen, stimmts? Was ein Jammer.«
Greybacks Augen verengten sich.
»Komm schon«, drängte Travers. »Gib mir einen Fick mit ihr, bin mir sicher bei mir wird sie schon beim ersten Mal schwanger, ganz ohne Ritual.«
Mehrere der Todesser lachten.
Wut stieg in mir auf und ließ rote Funken aus der Spitze meines Zauberstabs empor schießen, denn ich wusste, dass dieser Typ genau der Todesser war, der meinen Bruder in seiner Ausbildungszeit bereits mehrere Male mit dem Cruciatus gefoltert hatte.
»Entwaffnet sie«, schrie einer der Todesser, doch ich war schneller. Mit einem geübten Schlenker meines Zauberstabs jagte ich ihnen eine Druckwelle entgegen, die sie allesamt von den Füßen riss.
Und dann rannte ich.
»Hinterher«, brüllte der Wolf, der sich als erstes wieder aufgerappelt hatte. Jemand schoss einen Fluch in meine Richtung, doch das Leder des Brustpanzers saugte die Magie auf wie ein Schwamm.
Ein weiterer Fluch streifte nur knapp mein Ohr und ich feuerte ohne hinzusehen zurück. Jemand schrie. »Er hat dieses verdammte Miststück trainiert«, brüllte der Todesser den ich getroffen hatte und für eine Sekunde war ich versucht mich umzudrehen und dabei zuzusehen, wie ihm die Haut wie Wachs von den Knochen schmolz. Doch ich rannte weiter, war bereits über die Hälfte der Brücke, als ich einen furchtbaren Schmerz im linken Bein verspürte.
Wie Feuer schoss der Fluch durch meinen Körper und die Sekunden, die ich brauchte, um den Gegenzauber zu murmeln, waren schier unerträglich.
Als ich es wagte mich umzudrehen, schrie ich auf, denn nun waren mir bestimmt zwanzig oder dreißig Todesser auf den Versen, alle erpicht darauf die Belohnung zu kassieren, die sie bekommen würden wenn sie die Frau vom Sohn ihres Herrn fingen.
Sie hatten mich beinahe eingeholt. Ich biss die Zähne zusammen und rannte weiter, doch der Schmerz in meinem Bein verlangsamte jeden meiner Schritte.
Das war das Ende.
Und dann war Daphne an meiner Seite.
Im Licht der Fackeln glitzerten die Abzeichen ihrer Uniform wie verglühende Sternschnuppen und ihr nachtschwarzer Umhang wehte der Greengrass Erbin wie die Schleppe eines Brautkleides um die Stiefel.
Alle Todesser, samt Greyback blieben sofort stehen und neigten die Köpfe vor der hochrangigen Kommandantin von Lord Voldemorts Armee.
Und dann verstand ich.
Sie wussten es nicht.
Sie wussten nicht, dass sie eine Verräterin war.
Am Ende der Brücke blieb Daphne stehen.
Auch ich blieb stehen und rang nach Atem.
Daphne stand mit dem Rücken zu mir, doch ich konnte ihr ansehen, wie viel Kraft es sie kostete, sich überhaupt noch auf den Beinen zu halten.
Jeder Atemzug schien ihr schwer zu fallen.
Meine Rippen schmerzten vor Anstrengung, doch ich umklammerte den Zauberstab in meinen Händen noch etwas fester, machte mich bereit zu kämpfen.
Greyback sagte etwas zu ihr und deutete mit seiner klauenartigen Hand in meine Richtung, doch mein Puls donnert mir jetzt so laut in den Ohren, dass ich kein einziges Wort von dem verstand, was er sagte.
Daphne antwortete ihm nicht.
Niemandem von ihnen.
Dann drehte sich meine Freundin zu mir um.
Ihr Gesicht war aschfahl und die Haut an einigen Stellen bereits marmoriert, was mein geübtes Auge sogleich als Zeichen des nahenden Todes erkannte.
Daphne sah mich an und in ihren Augen lag weder Bedauern, noch Angst. Nur Entschlossenheit.
»Daphne«, flüsterte ich unter Tränen und schüttelte den Kopf, als mir klar wurde, was sie vorhatte.
»Sag Tori, das ich sie liebe«, flüsterte sie mir zu, bevor sich ihre Lippen zu einem traurigen Lächeln verzogen. »Und sag Blaise, dass dieser verdammte Idiot den besten Sex seines Lebens verpasst hat.«
»Nein, Daph—«
»Geh zurück«, formten ihre tiefrot geschminkten Lippen lautlos, bevor sie sich umdrehte und ihren Zauberstab auf ihre eigenen Männer richtete, die zu überrascht waren, als dass sie sich noch rechtzeitig hätten in Sicherheit bringen können. Der Werwolf war der einzige, der jetzt hastig zurück stolperte.
»Brennt in der Hölle, ihr Hurensöhne.«
Anmutig schwang Daphne ihren Zauberstab
—und die Nacht explodierte.
Ich taumelte zurück und fiel auf die Knie, als ihr unausgesprochener Bombarda Maxima die Brücke hinter uns wegsprengte. Die Explosion ließ es in meinen Ohren klingeln und ich hustete, als Staub und beißender Qualm von Feuer meine Lungen zu füllen begann. Ein violetter Lichtblitz schoss in meine Richtung, doch Daphne blockte ihn für mich ab.
»Lauf«, brüllte sie.
Dann schoss ein weiterer Lichtblitz durch den Qualm, doch diesmal leuchtete er Smaragdgrün. Ein Schrei verließ meine Kehle, doch Feuer und Rauch verschluckten jedes Geräusch, das ich von mir gab.
Etwas nasses lief mir übers Gesicht und als ich es betastete, fühlte ich eine Wunde an meiner Schläfe.
Es war mir egal.
Meine Hände fühlten sich taub an, als ich sie ausstreckte. Es kostete mich alle Kraft die ich aufbringen konnte, mich aufzuraffen, den schlaffen Körper vor mir die letzten Stufen in die Haupthalle zu schleifen und die Türen hinter mir zu schließen.
Die Stille schmerzte mir bis in die Knochen, als ich auf dem Boden dahinter zusammenbrach und mich panisch über meine regungslose Freundin beugte.
Doch Daphne Greengrass war tot.
Und mindestens zwanzig Todesser, die sie in ihren letzten Atemzügen in die Hölle verbannt hatte.
Einen Augenblick war ich dankbar für den schnellen Tod des Avada Kedavra, der ihr Leben schmerzlos beendet hatte, doch im nächsten schrie ich meinen Kummer in die verlassene Halle hinaus, bevor ich meinen Kopf auf ihre uniformierte Schulter sinken ließ und bittere Tränen um meine Freundin weinte.
Meine selbstlose, mutige Freundin Daphne, die auf so viele Arten dafür gesorgt hatte, dass ihr Tod nicht umsonst gewesen war.
Mir war plötzlich, als hörte ich ein Flüstern.
Der Kampf, der immer noch im Hof vor der großen Halle tobte, ließ die Schlossmauern in regelmäßigen Abständen erzittern. Ich versuchte aufzustehen, doch ich konnte es nicht. Wie in Trance lag ich auf dem Fußboden neben Daphnes Leiche und starrte auf den tiefen Schnitt in ihrem Gesicht, aus dem jedoch kein Blut mehr quoll, da ihr Herz nicht mehr pumpte.
Draußen vor der Halle schrie jemand, doch ich nahm es kaum war. Eine leise Melodie summend hob ich meinen Zauberstab und heilte den Schnitt auf ihrer Wange. »So, jetzt bist du wieder hübsch«, sagte ich leise und brachte auch ihr Haar wieder in Ordnung.
»Danke für deine Freundschaft, Daph.«
Mit zitternden Lippen küsste ich ihre Stirn.
Eine Weile sah ich auf meine Freundin hinab, bevor ich realisierte, dass ich unter Schock stand. Ich versuchte aufzustehen und ihre Leiche hinter einer Statue zu verbergen, doch der Schmerz in meinem Bein machte es mir unmöglich. Ich hob meinen Zauberstab und fluchte, als der Diagnostikzauber eine komplizierte Fraktur der Kniescheibe und einen angerissenen Meniskus zeigte. Ich biss in den Ärmel meines Oberteils und ließ Bänder und Sehnen mit einem Heilzauber wieder zusammenwachsen, doch ich hatte keine Ahnung, wie man eine Patella heilte.
Knie waren nie meine Stärke gewesen.
Ich schloss die Augen und versuchte mich an einen Abend zu erinnern, an dem Enzo eine ähnliche Verletzung bei Mattheo geheilt hatte, doch der Gedanke an meinen geliebten Theo, ließ mich in Tränen ausbrechen. Mit meinen Verletzungen würde ich es nicht zum Treffpunkt im Wald schaffen, doch ich konnte zurückgehen und an seiner Seite kämpfen, auch wenn er mich angefleht hatte, es nicht zu tun.
Ich konnte nicht tatenlos hier rumsitzen, während meine Freunde starben. Ich griff in meine Tasche, holte einen Beutel hervor und überprüfte, ob die Phiole mit Nachtschatten Essenz noch intakt war.
Nur für den Fall, dass sie mich schnappten.
Denn wenn ich tot war, würde Mattheo keinen Grund mehr haben sich zu ergeben.
Und niemand würde hingerichtet werden.
Ich murmelte »Ferula«, woraufhin sich ein dicker Verband um mein Knie wickelte und es soweit stabilisierte, dass ich es schaffte aufzustehen.
Ich humpelte durch die Halle zu der Tür, die in den Ostflügel des Schlosses führte, als sie sich öffnete.
Eine warme Hand legte sich auf meinen Mund, bevor ich schreien konnte. »Shhh, ich bin es«, murmelte mir Blaises vertraute Stimme ins Ohr, bevor er die Tür hinter sich schloss. Er hatte eine Platzwunde am Kinn und einige Schrammen im Gesicht, doch ansonsten schien er unverletzt zu sein. Als er seine Hand von meinem Mund nahm, fiel ich ihm zitternd um den Hals. »Mattheo kämpft noch gegen den dunklen Lord«, sagte er, bevor ich fragen konnte. »Er ist schwach, es wird bald vorbei sein, denke ich.«
Keuchend klammerte ich mich an ihn.
Eine Stimme flüsterte meinen Namen.
»U-Und E-En—«, ich konnte kaum sprechen, doch Blaise strich mir beruhigend über den Rücken. »Enzo geht es gut. Er, Diana und Madam Pomfrey kümmern sich um Luna, sie hat ganz schön was abbekommen.«
Erleichtert atmete ich aus. »Ich habe Nott Senior getötet«, keuchte Blaise. »Er wollte seinen eigenen Sohn ermorden, Amelie.« Ich nickte nur stumm und betete zu Merlin, dass es Theodore gut ging.
Als er sich zurücklehnte um mich ansehen zu können, bemerkte ich, dass er wankte. Ich packte ihn an den Schultern und stabilisierte ihn. »Bist du verletzt?«
»Es geht schon. Weißt du wo Daph—«
Seine Stimme erstarb.
Etwas in Blaise zerbrach und es war so laut, dass ich es von den Schlossmauern widerhallen hören konnte.
»Nein.«
Ich schloss die Augen und weinte, als er mich losließ, einige Schritte in die Halle rannte und dann auf die Knie fiel. »Daph«, schrie Blaise und umfasste ihre Schultern, rüttelte daran. »Nein, nein, nein.«
Mit zusammengebissenen Zähnen schleppte ich mich zu ihm und ließ mich neben ihm zu Boden sinken.
»Es tut mir leid«, hauchte ich unter Tränen und legte ihm eine Hand auf die Schulter, als er fertig war, den Boden neben ihrer Leiche mit seinen Fäusten zu bearbeiten und nun das Gesicht in ihrem Haar verbarg, um ihren Duft einzuatmen. Einen langen Moment war nur das Geräusch seiner Schluchzer zu hören und als er den Kopf hob und mich ansah, war sein Gesicht gezeichnet von Trauer und Schmerz.
»Wie?«, fragte er nur. Tränen liefen ihm über die Wangen, vermischten sich mit Blut und Staub.
»Sie war es, die die Brücke gesprengt hat«, wisperte ich, woraufhin sich ein Ausdruck von Stolz zu dem Schmerz in seine Augen mischte. »Ich glaube sie wusste, dass es ihr letzter Zauber gewesen wäre. Sie war schon fast fort, als sie ein Avada getroffen hat.«
Sein Unterkiefer spannte sich an.
»Wer war es?«, fragte er knurrend.
»Ich glaube es war G-Greyback.« Blaise senkte den Blick. Einen Augenblick vertrieb kalter Hass den Schmerz in seinen Augen, bevor der Kummer wieder die überhand gewann. »Lestrange hat Greyback in Stücke gerissen, als er zum Hof zurückkehrt ist«, murmelte er, während seine Hand immer wieder liebevoll über Daphnes blasse Wange streichelte.
Wieder flüsterte die Stimme meinen Namen.
Blaise hustete.
»Lass mich deine Verletzungen sehen.«, Ich tastete nach seiner Hand, nur um erschrocken festzustellen, wie eiskalt sie war. »Mir geht's gut«, sagte er und zog seine Hand aus meiner. »Eine angehende Heilerin anzulügen ist zwecklos«, erwiderte ich, doch Blaise schüttelte nur den Kopf und hustete wieder.
»Amelie«, keuchte er. »Es wird nicht mehr lang dauern, du musst zum Treffpunkt gehen, jetzt.«
»Ich kann nicht«, entgegnete beschämt und fühlte meine Wangen brennen. »Mein Knie ist verletzt.«
Sein Blick fiel auf mein bandagiertes Knie.
»Okay, dann trage ich dich«, entgegnete der Slytherin und versuchte sich aufzurichten, doch er taumelte und sackte rücklings zu Boden, wo er mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen blieb. Ich lehnte mich über ihn und hob die Hand zu seinem Hals, um dort nach seinem Puls zu tasten, als ich es sah.
»Blaise.« Meine Stimme zitterte, genau wie meine Hände, als ich rasch den obersten Knopf seiner Todesseruniform aufknöpfte, gefolgt von einem zweiten, bis sein muskulöser Oberkörper frei lag.
Wenige Zentimeter unterhalb seines Schlüsselbeines klaffte ein riesiges Loch, was beinahe so aussah, als hätte ein Blitz in seine Brust eingeschlagen. Schwarze Magie pulsierte darin wie ein Herz und hatte bereits damit begonnen seinen Körper mit spinnennetzartiger Dunkelheit zu infizieren.
»Sieht schlimm aus, mh?«
Ich presste die Lippen zusammen und nickte.
Tränen liefen mir über die Wangen, als ich mit zitternden Fingern nach meiner Tasche griff, doch Blaise, der sich mittlerweile wieder in eine sitzende Position gebracht hatte, nahm meine Hände in seine.
»Wir beide wissen—« Blaise drehte den Kopf zur Seite und hustete erschöpft. Als er mich wieder ansah, tropfte ihm Blut von den Lippen. »Dass es für einen Nekrosefluch keine Heilung gibt, also verschwende deine Tränke nicht an mich, Amelie.«
Ich schüttelte heftig den Kopf.
»Ich kann versuchen—«, doch Blaise schüttelte den Kopf. »Lass mich dich in den Wald bringen.«
Er versuchte sich wieder aufzurichten, doch diesmal war ich es, die ihn zurückhielt. »Wir beide wissen, dass du es nicht bis dahin schaffen wirst«, sagte ich und wischte mir mit dem Ärmel über die Wangen.
»Lass es mich versuchen«, mit zusammengebissenen Zähnen stieß er sich vom Boden ab, doch sackte nur wenige Sekunden später wieder zusammen und sank dann mit dem Rücken gegen die Schlossmauern.
Ich kramte in meiner Tasche und ignorierte Snowballs klägliches Miauen, die verzweifelt darum flehte aus ihrem Gefängnis gelassen zu werden, auch wenn es mir das Herz zerriss, sie schreien zu hören.
Das Flüstern der Stimme wurde lauter.
Doch als ich eine Phiole mit Blutbildungstrank entkorken wollte, hielt Blaise mich davon ab.
Und als ich den Kopf hob und in seine sanftmütigen Augen blickte, wusste ich, dass er sterben würde.
Und das ich nichts tun konnte, um ihn zu retten.
Denn für derart dunkle Magie gab es kein Heilmittel und auch keinen Gegenzauber, das wusste ich nur zu gut, hatte ich in meinen schlaflosen Nächten im St Mungo doch oft mitbekommen, wie die Heiler einen Patienten nach dem anderen verloren hatten.
Nie würde ich ihre Schreie vergessen.
Ein Nekrosefluch endete immer tödlich.
»Blaise—«
»Hältst du meine Hand, bis es vorbei ist?«
Weinend nahm ich seine Hand und stützte ihn, damit er nicht zur Seite rutschte. Blaise streckte die Hand aus und streichelte Daphne das Haar, während ich einen nonverbalen Zauber ausführte, der seine Lunge von Blut befreite und ihm seine Schmerzen nahm.
Blaise drückte meine Hand. »Siehst du mal nach meiner Mum? Ich glaube nicht, dass sie ohne mich klar kommt.« Weinend nickte ich und versuchte die Angst vor dem was nun kommen würde, nicht an mich heranzulassen, um stark für ihn zu sein.
»Oh Daph«, murmelte er und betrachtete Daphne mit einem sanften Blick. Der Tod hatte jegliche Zeichen des Blutfluches verschwinden lassen und der Slytherin ihre strahlende Schönheit zurückgegeben.
Sie sah aus wie ein schlafender Engel.
Anmutig, bildschön— und friedlich.
»Ich war immer ein bisschen verknallt in sie, weißt du«, gestand er mir. »Habe mich aber nie getraut etwas zu sagen, weil ich immer dachte, sie ist ne Nummer zu groß für mich.« Er hustete erneut.
»Sie auch in dich«, lächelte ich unter Tränen und hielt die Hand des sterbenden Slytherin in meiner, während sein Puls nun allmählich immer schwacher wurde. »Sie hat mir gesagt, ich soll dir sagen, du Idiot hättest den besten Sex deines Lebens verpasst.«
Blaise gab ein rasselndes Lachen von sich und hustete wieder. »Ich bin wirklich ein verdammter Idiot, dass ich das nicht bemerkt habe. Vielleicht bekomme ich ja im nächsten Leben ne Chance bei—«
Doch Blaise Zabini's sanftmütiges Herz hörte auf zu schlagen, ehe er den Satz zu Ende bringen konnte.
»Da bin ich mir sicher, Blaise«, hauchte ich mit gebrochener Stimme, bevor ich den Kopf an seine Schulter lehnte und mich eine Weile in meiner Trauer verlor. Mein ganzer Körper schien nur noch aus Schmerz zu bestehen. Ich schloss die Augen und weinte, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte.
Blaise und Daphne waren gestorben.
Schuldgefühle erdrückten mich, auch wenn die Heilerin in mir wusste, dass weder ich, noch jemand anderes sie hätte retten können. Minutenlang saß ich einfach nur regungslos da, verloren in meiner Trauer, während das Schloss um mich herum erbebte.
Und als ich realisierte, warum Blaise hergekommen war, begann ich zu schreien. Denn er hatte nach Daphne gesucht, um ihr zu sagen, dass er sie liebte, bevor der Fluch ihn tötete. Ich schrie, bis meine Kehle brannte und meine Stimme versagte. Und dann zog ich die Beine an und schaukelte hin und her.
Nie hatte ich mich so allein gefühlt.
Wieder flüsterte die Stimme meinen Namen.
Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus, wie Enzo es so oft mit mir gemacht hatte, wenn ich das Gefühl gehabt hatte, in Kummer zu ertrinken. Ich stellte mir vor, wie er mir übers Haar strich und mir ins Ohr flüsterte, dass alles gut werden würde, auch wenn ich selbst nun nicht mehr daran glaubte.
Dann umfasste ich Blaises Schultern und ließ ihn so sanft es ging zu Boden sinken. Ich lehnte mich über ihn, küsste seine Stirn und schloss seine Augen.
»Danke für deine Freundschaft, Blaise«, flüsterte ich.
Mit letzter Kraft zog ich seinen Körper neben den von Daphne, bevor ich ihre Hände nahm und ihre Finger ineinander verschränkte. »Jetzt könnt ihr zusammen sein«, flüsterte ich heiser und gab mir selbst das Versprechen, sie nebeneinander zu beerdigen, wenn ich diese Nacht überlebte. Irgendwo an einem friedlichen Ort, vielleicht unter einer Kastanie.
Einer wunderschönen alten Kastanie, die ihnen in den Sommermonaten Schatten spendete und im Herbst ihre Gräber mit bunten Blättern verzierte.
Ja, das klang schön.
Ich nahm meinen Zauberstab und erhob mich.
Körper und Seele betäubt von Trauer, humpelte ich zur Tür und stieß sie unter großer Kraftanstrengung auf. Der Himmel über der großen Halle war pechschwarz, kein Lichtblitz mehr zu sehen.
Ich machte einen Schritt nach vorn, als ich plötzlich einen stechenden Schmerz in meinem Kopf verspürte, gefolgt von der mir nur allzu vertrauten Stimme, die nun nicht mehr flüsterte, sondern klar und deutlich in meinem Geist nach mir verlangte.
»Komm zu mir, Amelie.«
Und dann versank die Welt in Dunkelheit.
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Für Daphne und Blaise /*
Bitte denkt ans voten, danke <3
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