46. my tears ricochet

TW: Ideologie der Rassentrennung, Versklavung, Misshandlung, Erwähnung von Selbstmord & nicht einvernehmlichen Handlungen, Beschreibung von Mord, Folter, Gewalt, eine düstere magische Welt

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and I can go anywhere I want,
anywhere I want, just not home.

A M E L I E

Das erste was ich sah, als wir vor die gusseisernen Tore des Anwesen Voldemorts apparierten, war das gigantische dunkle Mal zu unseren Köpfen.

Wie ein smaragdfarbener Mond glimmerte der schaurige Totenschädel am Nachthimmel und tauchte die hohen Türme des palastartigen Riddle Manor in ein nahezu gespenstisches Licht, das mehr an einen Friedhof erinnerte, als an die Residenz des dunklen Herrschers, zu dem Tom Marvolo Riddle sich nach Harry Potters Ermordung gekrönt hatte.

Meine Atmung beschleunigte sich und ließ mich die Hand meines Bruders fester umklammern, als sich die Kiefer des Totenschädels plötzlich öffneten und eine gigantische Schlange daraus hervorbrach, die sich lautlos zischend durch die finsteren Wolken schlängelte, bevor sie schließlich wieder mit der Nacht verschmolz und dann aufs Neue erschien.

Ein endloser Kreislauf aus Tod und schwarzer Magie, eine offensichtliche Zurschaustellung der Macht Lord Voldemorts, um auch noch der letzten Seele, die heute Abend zu Ehren der Hochzeit seines Sohnes und Erben angereist war, Furcht vor dem Magier einzuflößen, der nun über Großbritannien regierte.

Nicht, dass nicht bereits jedem auf diesem Kontinent die Knie schlotterten, sobald sie dem Erben Salazar Slytherins persönlich gegenüber standen. Allein nur die Erwähnung seines Namens machte den Menschen Angst, seit er in scharlachroten Buchstaben tagelang am Himmel über dem Buckingham Palace geleuchtet hatte, vor dem Voldemort in einem öffentlichen Spektakel die Königsfamilie hatte hinrichten lassen.

Nie würde ich die Bilder ihrer entstellen Körper oder die der Muggel vergessen, die nach dem Mord an ihrem geliebten Monarchen aus lauter Angst vor Voldemort auf die Knie gefallen waren und die der Tagesprophet noch Wochen danach abgedruckt hatte.

Nachdem der König und auch der damals amtierende Premierminister sich in der Öffentlichkeit geweigert hatten, den schwarzen Magier als ihr neues Staatsoberhaupt anzuerkennen, hatten die blutrünstigen Henker Lord Voldemorts sie auf altertümliche Folterinstrumente der Muggel geschnallt und dabei zugesehen, wie ihre Körper nach und nach auseinandergerissen worden waren.

Gefolgt von ihren Familien.

Die Muggel hatten sich nie wieder davon erholt.

Die, die weniger anfällig für die Gedankenmanipulation waren, die allen nicht magischen Menschen seither durch Zeitung, Radio oder Fernsehen eingeflößt wurde, verbarrikadierten sich in ihren Häusern oder gingen nur mit gesenkten Köpfen durch die Straßen, ihre Gesichter eingefallen und die Augen leer.

Viele von ihnen hatten längst aufgegeben.

Durch ein Gespräch zwischen zwei Heilern, dass ich einmal heimlich belauscht hatte, hatte ich erfahren, dass viele der Heiler sich auf ihrem Weg zur Arbeit nicht mehr durch den Hyde Park trauten, aus Angst, einen Muggel zu finden der sich irgendwo an einem Baum erhangen— oder in der Themse ertränkt hatte.

In dieser Nacht hatte ich kein Auge zugetan.

Die Todesser verabscheuten die Muggel, quälten sie zum Zeitvertreib auf ihren Patrouillen durch London mit dem Cruciatus oder befahlen ihnen mittels des Imperius sich gruppenweise von der Tower Bridge zu stürzen, wo sie ihnen dann gröhlend beim Überlebenskampf zuschauten und untereinander um Silbersickel wetteten, wer es wohl ans Ufer schaffte.

Die Brutalität, mit der das dunkle Regime seine Gesetzte durchsetzte, hatte sich natürlich auch in anderen Ländern der Welt herumgesprochen.

Doch nicht einmal die magische Strafverfolgungseinheit der MACUSA, des US- amerikanischen Ministeriums, die als eine der mächtigsten der gesamten Zauberergemeinschaft galt, hatte es bisher gewagt einzugreifen und der Grausamkeit Lord Voldemorts Einhalt zu gebieten.

Ich versuchte meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken als das, was uns allen bald bevorstand, als ich eine vertraute Kälte in meine Knochen sickern fühlte, deren Ursprung ich bereits erkannte, noch bevor uns die maskierten Todesser das gusseiserne Tor passieren ließen. Und hätte die Hand meines Bruders sich nicht fester um meine geschlungen, wäre ich sicherlich stehengeblieben— oder davongerannt.

Vor uns befanden sich Dementoren.

Hunderte von Dementoren.

Die schäbigen Kapuzen über die grausam entstellten Gesichter gezogen, verharrten die Seelenfresser im Schatten des Anwesens wie stumme Soldaten, die auf den Befehl ihres Generals warteten. Ich schauderte und fühlte wie mein Puls zu rasen anfing, als ich ihre vertraute Kälte wie eisige Finger über meine Wangen streicheln spürte, angezogen von meinem Schmerz.

Ich stieß ein leises Keuchen aus, denn mir war plötzlich, als könnte ich sie danach lechzen hören.

Nach jeder meiner traurigen Erinnerungen.

Jedem Fünkchen Schmerz in mir.

»Kontrolliere deine Angst. Diese Kreaturen haben immer nur so viel Macht über dich, wie du ihnen gibst, Amelie.« Die Stimme meines Vaters, der zu meiner rechten Seite lief, war wie immer ruhig, doch ich wusste, dass er seinen Zauberstab gezogen hatte.

Mein Vater war einer der wenigen Todesser, die einen gestaltlichen Patronuszauber hervorbringen konnten, was nicht zuletzt daran lag, dass der ehemalige Ravenclaw schwarze Magie nur einsetzte, wenn ihm seine Pflichten im Regime keine andere Wahl ließen.

Pflichten die sich, seit er sich das dunkle Mal hatte geben lassen, Merlin sei Dank zum größten Teil auf politische Aufgaben im Ministerium konzentrierten und nicht darauf, zu quälen oder zu töten, wozu sie meinen Bruder und seine Freunde meist zwangen.

Eine Bürde, von der ich mittlerweile wusste, dass er sie nicht nur auf sich genommen hatte um mir mehr Freiheiten bezüglich des Ehegesetzes zu verschaffen, sondern auch um ein Auge auf Enzo haben zu können, da er durch seine hohe Position von all seinen ihm zugewiesenen Missionen wusste.

Seine Intelligenz und sein ruhiger Geist waren auch Lord Voldemort aufgefallen und hatten ihn nach und nach in den engsten Kreis seiner Todesser geführt.

Obwohl ich genau wusste, wie sehr er all das verabscheute. Wir sehr er dieses Leben verabscheute.

Doch im engsten Kreis zu sein, so wie auch Mattheo, Lucifer, Draco und Daphne es waren, bedeutete auch zuerst an wichtige Informationen oder Pläne zu kommen— soweit der dunkle Lord irgendwem seiner Anhänger wirklich vertraute, was ich bezweifelte.

»Atme, Prinzessin«, erinnerte Dad mich mit sanfter Stimme und legte mir eine Hand auf den Rücken.

Tief sog ich die Abendluft in meine Lungen.

Ich warf einen Blick über meine Schulter und schaute zu Pavarti Patil, die uns heute Abend in das Anwesen des dunklen Lords begleitete. Die ehemalige Gryffindor besaß zwar keinen Zauberstab mehr, doch mit dem wenigen Rest Magie, der ihr geblieben war, sorgte sie dafür, dass die lange Schleppe meines Brautkleides einige Zentimeter über dem Boden schwebte. Doch sie wusste, dass sie sobald wir im Anwesen waren, davon nichts mehr zeigen durfte.

Im Gegensatz zu anderen Haushalten, die Sklaven hielten, zwangen meine Eltern Pavarti und Oliver nicht dazu einen Trank zur Unterdrückung ihrer Magie einzunehmen. Was, wenn es herauskam, meinem Dad nicht nur eine Geldstrafe, sondern auch einige Minuten mit dem Cruciatus einbringen würde.

Und trotz Enzo's Protest nahm er es in Kauf.

Als sich unsere Blicke trafen, schenkte ich der indischstämmigen Hexe ein schwaches Lächeln, was diese jedoch nur mit einem kläglich zuckenden Mundwinkel erwiderte. Und doch war da an diesem Abend etwas in ihren toffeebraunen Augen, was die letzten Jahre dort nicht zu sehen gewesen war.

Ein Hoffnungsschimmer.

Denn heute würde sie ihre Zwillingsschwester Padma sehen, die bei den Greengrass in dessen Anwesen in York lebte, zusammen mit Ron Weasley, dem letzten lebenden Zauberer seiner Blutlinie, die damals zu den Unantastbaren Achtundzwanzig gehört hatte, bevor sämtliche Weasleys aufgrund ihrer Loyalität zu Harry Potter zu Blutsverrätern deklariert worden waren.

Auch Oliver Wood, den mein Vater zusammen mit Pavarti unter Androhung von Strafe und Aberkennung seiner Ländereien genötigt worden war, auf einer der Auktionen als Sklaven zu erwerben, die der dunkle Lord kurz nach der Ermordung Potters in der großen Halle von Hogwarts veranstaltet hatte, begleiteten uns. Doch im Gegensatz zu Pavarti, hielt der ehemalige Kapitän der Quidditch Mannschaft Gryffindors und aufstrebender Hüter von Eintracht Pfützensee, den Kopf gesenkt.

Es war Gesetz, dass die Familien der Reinblutelite, sowie hochrangige Todesser halbblütigen Status zu wichtigen Events oder politischen Veranstaltungen des Regimes ihr Eigentum mitbrachten. Die meisten von ihnen genossen es ihre Sklaven der magischen Welt vorzuführen, wie hübsch zurechtgemachte Dressurpferde auf den Reitturnieren, die in Großbritannien früher so beliebt gewesen waren.

Die Berkshires gehörten nicht dazu.

Ich vermied es meine Mutter anzusehen, die neben Enzo die Auffahrt hinaufschritt, die andere Hand ihres Sohnes fest in ihrer. Den ganzen Tag schon hatte sie versucht ihre Tränen vor mir zu verbergen.

Tränen, wann immer sie zu Pavarti geblickt hatte.

Tränen, als sie mich heute Nachmittag in meinem märchenhaften Brautkleid gesehen hatte. Auch wenn diese Tränen von einem stolzen Lächeln begleitet worden waren, so hatte sie die Angst in ihren Augen doch nicht verbergen können. Meine Mum wusste, wie sehr ich Mattheo liebte und sie wusste auch, wie sehr der Slytherin mich liebte und dass er alles tun würde um mich zu beschützen, wie er es meinen Eltern gestern Abend beim Dinner versprochen hatte.

Die Erinnerung daran, ließ mir warm ums Herz werden, denn es war genau wie früher gewesen.

Meine Eltern liebten Mattheo wie einen Sohn, hatten es immer getan und doch war es vor allem für meine Mum schwer zu akzeptieren, dass ihre kleine Tochter, deren mentale Gesundheit immer noch schwer angeschlagen war, ausgerechnet in die Familie des dunklen Lords würde einheiraten müssen.

Mit gerade einmal Achtzehn Jahren.

Und trotz all meiner Nervosität, fühlte ich wie ich Schmetterlinge bekam, als ich an Mattheo dachte.

Heute würde ich seine Frau werden.

Wenn auch unter ganz anderen Umständen, als ich es mir jemals hatte vorstellen können. Und mein bis über beide Ohren in ihn verknalltes vierzehnjähriges Ich hatte es sich verdammt oft vorgestellt.

Jeden Abend wenn ich im Bett gelegen- und an den besten Freund meines Bruders gedacht hatte, der nicht nur drei Jahre älter als ich und somit damals eindeutig zu alt für mich gewesen war, sondern mich immer nur als Enzos kleine Schwester gesehen hatte.

Bis ich älter geworden war.

Und er sich in mich verliebt hatte.

Je näher wir dem Eingang zum Riddle Manor kamen, umso schwindeliger wurde mir, denn trotz des Beruhigungstrankes, den ich vor einer Viertelstunde eingenommen hatte, hämmerte mein Herz immer schneller gegen meine Rippen. Gestützt von Dad und Enzo trat ich schließlich in die Eingangshalle.

Obwohl es bereits Anfang Juni und damit eigentlich Sommer war, war es heute so kalt gewesen, dass ich einen Mantel überziehen musste, den mein Bruder mir nun abnahm. Ich sah nicht, wo er ihn hinbrachte, denn meine Augen waren einzig und allein auf die granitgrauen des dunklen Zauberers gerichtet, der in einem vergoldeten Gemälde an der Wand thronte.

Salazar Slytherin musterte mich von Kopf bis Fuß mit nichts als kaltem Hass, der erst ein wenig zu weichen schien, als ich demonstrativ die rechte Hand hob und ihm den Siegelring präsentierte, der an meinem kleinen Finger steckte und zwei majestätische Adler zeigte, die ihre Flügel ineinander verschränkten.

Unser Familienwappen.

Slytherins Lippen kräuselten sich zu einem kalten Lächeln, was jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht meiner Person, sondern der Tatsache galt, dass sich heute Abend eine der reinblütigsten Familien Großbritanniens mit seinem Erben durch eine arrangierte Ehe vereinigen würde. Kurz geriet ich in Versuchung ihm den Mittelfinger zu zeigen, doch ich war eine wohlerzogene Hexe der Elite und hatte gelernt meine Abneigung gegen Reinblutfanatiker, dessen König dieser Mann war, zu unterdrücken.

Auch wenn es mich und Enzo innerlich aufgefressen hatte, wenn auf Veranstaltungen abwertend über Muggelgeborene geredet worden war. Als ich mich wieder meiner Familie zuwandte, deren Gesichter trotz des Kronleuchters an der Decke halb von Schatten verborgen waren, kamen mir die Tränen.

Ich liebte sie so sehr.

Mum schluchzte und hauchte mir zum hundertsten Mal an diesem Abend ins Ohr wie wunderschön ich in meinem Brautkleid aussah und wie sehr sie mich liebte. Ein letztes Mal drückte sie mich an sich und ging dann nur wiederwillig mit meinem Bruder den Flur hinab, der mir zum Abschied vorher einen Kuss auf die Stirn hauchte. Pavarti und Oliver, um deren Handgelenke sich beim Eintreten Fesseln aus unsichtbaren Seilen gelegt hatten, folgten ihnen.

Doch mir entging nicht wie sehr Pavarti zitterte— und wie fest Oliver seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Ich betete zu Merlin, dass er sich fügte und keinen Ärger machte, damit mein Vater oder mein Bruder ihn nicht öffentlich bestrafen mussten, so wie es als Familienoberhaupt von ihnen erwartet wurde.

Dann war ich allein mit meinem Dad, der an diesem Abend dieselben mitternachtsschwarzen Roben wie Enzo trug, nur, dass an seiner Brust ein Ministeriumsabzeichen prangte, das seine hohe politische Stellung verriet. Angesichts der zahlreichen Gäste, die heute Abend aus ganz Europa angereist waren, hatte der dunkle Lord eine Uniformpflicht für all seine Todesser verhängt, um Präsenz zu zeigen.

Macht.

Meine Augen glitten den düsteren Flur hinab und für den Bruchteil einer Sekunde erhaschte ich einen Blick ins Innere des Ballsaales, in dem ich in wenigen Minuten zu Mattheos Frau werden würde, bevor die maskierten Todesser, die davor Wache standen die Flügeltüren wieder schlossen. Ich zitterte und versuchte mich von all den machtvollen Auren nicht einschüchtern zu lassen, die das Manor trotz all der Kronleuchter und Kerzen mit Schatten fluteten.

Es mussten hunderte Todesser anwesend sein.

Ich schloss für einen Moment die Augen und sammelte schwer atmend all meinen Mut zusammen.

Es waren nur ein paar Stunden.

Nur wenige Stunden die ich in Anwesenheit all dieser Mörder und Vergewaltiger durchstehen musste, bis Mattheo und ich zurück nach Hogwarts apparieren würden. Bis wir endlich allein sein konnten.

»Die Nacht gehört nur uns beiden, Sweetie«, hörte ich den Jungen mit den dunklen Locken in meiner Erinnerung in mein Ohr flüstern, dessen Nähe mir in die letzten Wochen stets geholfen hatten, meine zahlreichen Panikattacken in den Griff zu bekommen.

Ich spürte eine sanfte Berührung an meiner Schulter und als ich die Augen wieder öffnete, blickte ich in das Gesicht meines Vaters. »Du bist eine wunderschöne Braut, Amelie. Deine Mutter und ich lieben dich mehr als du dir vorstellen kannst«, sagte Charles Berkshire mit samtener Stimme, woraufhin ich mich zu einem Lächeln durchringen konnte.

»Danke, Dad«, sagte ich und schluckte die Tränen herunter, die mir angesichts des Stolzes in seinem Blick in die Augen stiegen. »Ich liebe euch auch so sehr.« Die Worte kamen mir heiser über die Lippen.

Der Blick meines Vater glitt zu meinen zitternden Schultern und ich hätte schwören können, dass er einen Moment so kurz davor gewesen war, meine Hand zu nehmen und mich von diesem Ort wegzubringen, der mir eine solche Angst einjagte.

»Es ist okay, Dad«, flüsterte ich und drückte seine Hand. »Mattheo wird mich gut behandeln.«

»Ich weiß, dass er das tun wird, schließlich habe ich ihn erzogen.« Sein Unterkiefer war angespannt.

Ich presste die Lippen fest aufeinander.

»Nichtsdestotrotz hätte eure Hochzeit ruhig noch einige Jahre warten können. Selbst deine Mutter und ich haben erst mit Zweiundzwanzig geheiratet. Du gehst noch zur Schule Amelie, bei Merlins Bart. Verzeih mir aber es fällt mir schwer mich damit abzufinden, dass der dunkle Lord meine Tochter als Druckmittel benutzt, um seinen Sohn und Erben in Schach zu—«, doch der Zauberer verstummte, als ich mich in meinen eleganten High Heels auf die Zehenspitzen erhob und seine Wange küsste.

»Bitte vertrau Theo«, flehte ich. »Und mir, Dad.«

Er schwieg, doch er nickte.

Ich warf einen nervösen Blick in Richtung der Flügeltüren, als ich die Hand meines Vaters unter meinem Kinn spürte. »Halt das Kinn immer gehoben, mein Liebling. Lass sie deine Angst nicht sehen.«

Ich nickte und atmete tief durch.

»Du bist Mitglied der Reinblutelite Großbritanniens. Wenn sie jemanden fürchten sollten, dann dich und den Einfluss, den die Familie Berkshire seit Jahrhunderten auf die magische Gesellschaft hat.«

Diese Worte ließen mich meinen Rücken begradigen, bevor ich den Arm meines Vaters ergriff, den er mir nun anbot und mich von ihm die flüsternde Dunkelheit des langen Flures hinabführen ließ.

𓆙

Ich hielt das Kinn gehoben, auch wenn die Magie in meinem Blut ein warnendes Lied zu singen begonnen hatte, als wir den größten Saal des Riddle Manor betraten, der für den heutigen Abend zauberhaft dekoriert worden war. Doch auch die Feenlichter, die auf den unzähligen schmuckvoll dekorierten Tischchen der Gäste glitzerten, sowie die kristallbehangenen Kronleuchter an den hohen Decken oder der magischen Sternenhimmel über der Tanzfläche, schafften es nicht, von der Dunkelheit abzulenken, die heute Abend allgegenwärtig war.

Schwaden schwarzer Magie zirkulierten zu unseren Köpfen wie hungrige Dementoren, kitzelten meine nackten Schultern und ließen mich erschaudern.

Mit einer Hand hielt ich mich am Arm meines Vaters fest, mit der anderen umklammerte ich den Brautstrauß, den Astoria mir in die Hand gedrückt hatte, im Austausch gegen mein Brauttäschchen.

Christrosen.

Meine Lieblingsblumen.

Zaghaft hatte ich mit den Fingerspitzen eine der cremefarbenen Blüten berührt und festgestellt, dass sie keines magischen Ursprungs, sondern tatsächlich echt waren. Eine Tatsache die eigentlich vollkommen unmöglich war, denn es war Juni und Christrosen wuchsen ausschließlich in den Wintermonaten.

In den Alpen.

Unter den Strahlen der Wintersonne, die sich schon eine so lange Zeit überhaupt nicht mehr gezeigt hatte.

Gerührt betrachtete ich den Strauß.

Und dann hob ich den Kopf und sah ihn an.

Den jungen Mann, der in einen anthrazitfarbenen Anzug gekleidet am Fuße einer marmornen Empore stand und mit erhobenem Kinn auf mich wartete.

Seine Braut.

Seine machtvolle Aura umgab den Erben Salazar Slytherins an diesem Abend wie ein Halo der Nacht und tiefbraune, fast rabenschwarze Locken fielen dem jungen Magier trotz all seiner offensichtlichen Bemühungen mit Haargel, verwuschelt in die Stirn.

Mit angehaltenem Atem betrachtete ich sein Gesicht.

Leicht gebräunt und makellos, bis auf eine lange Narbe, die eine seiner Brauen in der Mitte teilte, sowie eine feine, die sich über seine Nase zog. Er war so schön, dass sein Anblick beinahe schmerzhaft war.

Mattheo Riddle besaß ein Gesicht mit den Zügen einer Gottheit, die zur Sterblichkeit verdammt worden war.

Ihn anzusehen, war wie ein Gemälde zu betrachten.

Ein Gemälde gezeichnet von Dunkelheit.

Seiner Dunkelheit.

Der einzigen, vor der ich mich nie fürchten würde.

Ein Lächeln küsste meine zart geschminkten Lippen als ich ihm in die Augen sah und für den Bruchteil eines Augenblicks Tränen der Rührung darin erkannte, bevor er sie hastig davon blinzelte und mich angrinste, was seine süßen Grübchen zum Vorschein brachte. Trotz meiner leichten Panik erwiderte ich sein Grinsen, doch es verblasste jäh, als mein Blick unwillkürlich auf eine Stelle hinter ihm fiel, um die sich Schatten wie Ratten tummelten.

Direkt vor der gläsernen Fensterfront, die nun nichts als die nachtschwarzen Gärten des Anwesens zeigte, hatten sie eine Empore errichtet und darauf den Thron des dunklen Lords platziert. Nur, dass ihn jetzt keine Juwelen und Edelsteine mehr schmückten.

Sondern Totenschädel und Knochen.

Es war ein so grotesker Anblick, der mich inne halten ließ, bis mein Vater mich entschlossen weiter zog.

Aus dem Augenwinkel konnte ich ein schwebendes Orchester erkennen, doch mein Herz schlug nun so schnell, dass es den Hochzeitsmarsch übertönte.

Von all den hunderten Augenpaaren, die jetzt auf mich gerichtet waren, waren die Tom Riddles mit Abstand die eisigsten. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich sein Anblick abschreckte.

Sein einst so verstörend schönes Gesicht war nun eingefallen, die Wangen hohl, die Haut dünn wie Pergament. Voldemort war so gespenstisch blass, dass man seine Adern sehen konnte, die sich wie ein feingliedriges Spinnennetz über seine Haut zogen.

Der zarte Hauch des Todes schwirrte um seine Erscheinung herum, wie die Flügel eines Kolibri.

Ich konnte nicht glauben, wie unfassbar dumm ich gewesen war, dass ich keinen Gedanken daran verschwendet hatte, ob man es ihm ansehen würde, wenn nach und nach all die Bruchstücke seiner Seele vernichtet wurden, die er über Jahrzehnte mittels schwarzmagischer Rituale in prunkvolle Erbstücke  bekannter Hexen und Zauberer eingesperrt hatte.

Mattheo hatte mir zwar versichert, dass sein Vater, dessen Körper schon vor Potters Tod zu verrotten begonnen hatte und der äußerer Schein nur noch durch den regelmäßigen Konsum von Einhornblut aufrechterhalten wurde, die Vernichtung der Seelenfragmente nicht bemerken würde, da der klägliche Rest dessen, den er in seinem Körper zurückgelassen hatte, nur noch so dünn wie die Seiten einer Geige war— und doch konnte jeder, der nicht auf beiden Augen blind war, sehen, dass etwas zutiefst Grausames mit dem Schwarzmagier geschah.

Etwas, das ihn nun auch äußerlich in das Monster verwandelte, das Tom Marvolo Riddle war.

Doch niemand schien ihn so anzusehen wie ich.

Niemand schien Angst vor ihm zu haben.

In den Augen all der Todesser und den elegant gekleideten Hexen und Zauberern funkelte es.

Mein Magen krampfte sich zusammen.

Ich fühlte meine Finger taub werden, als sich die Augen Voldemorts allmählich zu Schlitzen verengten und ein rötliches Schimmern darin sichtbar wurde.

Er wusste es.

Ich zitterte am ganzen Körper und fühlte wie mein Vater sich neben mir versteifte, als er es bemerkte.

In meinem Hinterkopf erklang ein leises Lachen.

Er wusste es. Er wusste es. Er wusste es.

Er wusste es und er würde uns alle töten.

Und in der Sekunde, in der ich schreien wollte, fühlte ich ein schmerzloses Eindringen in meinen Geist und dann eine vertraute Stimme, die ihn sanft streichelte.

»Sieh nur mich an, Sweetie

Und als ich gehorchte und wieder zu Mattheo sah, war es, als würde die Welt ganz plötzlich still stehen.

Als würde es nur uns beide geben.

Denn auch wenn dort einer der gefährlichsten Todesser des Regimes stand, so war es doch auch Mattheo. Mein geliebter Theo, der auf mich wartete.

Und plötzlich spürte ich, wie mich das Band, das unsere Seelen miteinander verknüpfte, zu ihm zog.

Und es war stärker als der Fluchtreflex meines Körpers, so viel stärker als die Magie die in meinem Blut sang und mich inständig vor der Gefahr warnte, die von dem schwarzen Magier hinter ihm ausging.

Meine Liebe zu Mattheo war stärker als meine Angst.

Als wir den Altar erreichten, der vor der Empore aufgebaut worden war, hauchte mein Vater mir einen Kuss auf die Stirn und warf Mattheo einen langen, warnenden Blick zu, bevor er meine Hand in seine ausgestreckte legte. Dann verbeugte er sich vor dem dunklen Lord und ich tat es ihm gleich. Ich holte tief Luft um mich darauf vorzubereiten Voldemort ein weiteres Mal ins Gesicht zu sehen, als Mattheos Geist wieder meinen streifte. »Nein, sieh nur mich an

Und das tat ich.

Kurz rechnete ich damit, dass Voldemort von seinem Thron glitt um die Trauung selbst zu vollziehen, doch er rührte sich nicht. Nicht einmal, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie sich Nagini neben ihm materialisierte und ihren gigantischen glatten Kopf auf sein Knie stützte. Ich spürte die Augen des Maledictus auf mir, die wie gelbe Monde in den Schatten glommen, doch ich sah nur meinen Theo an.

»Du siehst atemberaubend aus, Amelie«, flüsterte der Sohn des dunklen Lords mit rauer Stimme, hob meine Hand an seine Lippen und küsste zärtlich jeden meiner Fingerknöchel, so wie er es schon hunderte Male getan hatte. Und doch würde ich wohl niemals genug von dieser süßen Geste bekommen.

Ich sah nur ihn an, als ein mir unbekannter Ministeriumsbeamter vortrat und die üblichen Floskeln zur Eheschließung herunterratterte, sah nur ihn an, als ich mich vorbeugte und mit der eleganten Pfauenfeder meine Unterschrift neben die Mattheos auf das Ende der Pergamentrolle setzte, die auf einem winzigen Tischchen neben uns ausgebreitet lag.

Nur Lestrange, der als Mattheos Trauzeuge vortrat und ihm das schwarze Samtkissen mit unseren Ringen reichte, schenkte ich ein Lächeln, dass der blauäugige Todesser mit einem Zwinkern erwiderte.

Ich bemerkte, dass seine Knöchel blutig waren.

Und als Mattheo die Hand hob und mir den Ehering mit dem fein geschliffenen Smaragd auf den Finger schob, den er für mich ausgesucht hatte, bemerkte ich, dass auch seine Knöchel verletzt waren.

Unauffällig heilte ich sie mit einer Berührung, schob auch ihm den Ring auf den Finger und fiel dann beinahe in Ohnmacht, als tiefschwarze Rauchschwaden aus dem Zauberstab des Beamten hervorbrachen, die sich wie Schlangen um unsere Finger wickelten, bevor sie in die Ringe sickerten.

Kurz war mir, als konnte ich sie flüstern hören.

In meinem Kopf.

Dad hatte mir erklärt, dass sie uns während der Zeremonie nicht nach einem Ja oder Nein fragen würden, denn da die meisten Ehen mittlerweile sowieso arrangiert waren, hatte sich das Ministerium dazu entschlossen, diese für sie unbedeutende Tradition gleich ganz wegzulassen, um unnötige Diskussionen der meist viel zu jungen Mädchen oder Einwürfe anderer gegen die Ehe zu vermeiden.

Auch auf das Gelübde verzichteten wir, denn was wir einander zu sagen hatten, war weder für die Ohren des dunklen Lords— noch für irgendwen sonst bestimmt. Doch wenn wir später am Abend allein waren, würden wir sie uns gegenseitig vortragen.

Der Ministeriumsbeamte räusperte sich.

Mattheo warf ihm einen mörderischen Blick zu und ließ ihm keine Gelegenheit zu sprechen. Er legte die Hand mit dem Ehering an meine Wange, schlang den Arm um meine Taille, zog mich an sich und küsste mich, als würde er tausend qualvolle Tode sterben, wenn sich unsere Lippen nicht endlich berührten.

Ich klammerte mich an ihn, während wir uns küssten, als würden uns nicht hunderte Menschen zusehen. Als würde uns der dunkle Lord nicht mit der puren Mordlust in den rot schimmernden Augen beobachten, der schon längst unseren Tod geplant hatte, für das, was wir ihm angetan hatten.

Der Gedanke ließ meine Knie schlagartig nachgeben, doch Mattheo reagierte sofort und hielt mich fest.

Alles was nun passierte, rauschte wie in einem Traum an mir vorbei. Der Applaus der Gäste, die zarten Rosenblüten, die aus den Zauberstäben meiner Brautjungfern Astoria und Pansy hervorbrachen, ich nahm kaum noch etwas anderes war, als Angst.

»Halt das Kinn gehoben«, wiederholten sich die Worte meines Vaters in meinem Kopf und auch wenn ich keine Kraft dazu hatte, tat ich es trotzdem.

Mattheos Arm, der beschützend um meine Taille geschlungen war, stützte mich, während wir den Saal durchquerten und dabei von zahlreichen Leuten beglückwünscht wurden. Sie jubelten uns zu oder verneigten sich vor dem Sohn des dunklen Lords.

Doch einige starrten uns auch nur an oder warfen mir mitleidige Blicke zu und auch wenn ich es ihnen nicht verdenken konnte, da Mattheo in der magischen Welt nicht zuletzt durch die ständige Berichterstattung seiner Morde im Tagespropheten, als die kaltblütige Rechte Hand des dunklen Lords gefürchtet wurde, so machte es mich doch auch verdammt wütend.

Sie wussten absolut gar nichts über ihn.

Ich hasste sie.

Ich hasste sie alle.

Mattheo ließ niemanden in meine Nähe.

Durch meinen donnernden Herzschlag drangen die Geigen und der Applaus nur noch dumpf an meine Ohren, während der Ballsaal in einem Strudel aus flackerndem Kerzenlicht, den unaufhörlichen Blitzen von Rita Kimmkorns magischer Kamera, schwarzen Umhängen und silbrigen Masken verschwamm.

Das nächste was ich wahrnahm, war wie ich mit dem Rücken gegen eine Säule gedrückt wurde. »Atmen, Amelie«, erinnerte Mattheo mich, der jetzt über mir lehnte und mich mit seinen breiten Schultern vor neugierigen Blicken verbarg. »Er weiß es«, keuchte ich und legte meine zitternden Finger auf seine Brust.

»E-Er weiß es, Theo«, wiederholte ich.

Mattheo stützte sich mit dem Unterarm gegen die Säule und legte eine Hand auf meine, drückte sie fest auf seine Brust und ließ mich seinen beruhigenden Herzschlag spüren. »Amelie, wovon redest du?«

»Der dunkle L-Lord«, brachte ich so leise ich konnte hervor. »Er weiß was wir—«, doch Mattheos Hand schnellte vor und drückte sich mir sanft auf den Mund. »Nicht hier«, flüsterte er mir warnend zu.

Mit aufgerissenen Augen sah ich ihn an.

Mattheo warf einen kurzen Blick über seine Schulter, dann schnippte er mit den Fingern und ein schleierartiger Zauber umhüllte uns wie eine Wolke.

Langsam ließ er seine Hand wieder sinken.

»Es ist alles gut, Liebling«, murmelte Mattheo, als meine Atmung zur rasseln begann. »Er ahnt vielleicht etwas, aber er weiß nichts konkretes«, versuchte er mich zu beruhigen.  »Aber sein Gesicht«, stieß ich atemlos hervor, »—seine Augen, sie waren rot

Mattheo kniff irritiert die Brauen zusammen.

»Er sieht aus wie immer, Amelie.«

Verstört sah ich zu ihm auf.

Auch er sah es nicht. Sie sahen es alle nicht.

Panisch schnappte ich nach Luft und krallte mich in das blütenweiße Hemd seines Anzugs. »Shhh, ganz ruhig«, murmelte Mattheo und lehnte sich vor.

Seine Stirn lag an meiner und sein Daumen strich kurz über meinen Hals, lockerte die Muskeln mit einem ungesagten Zauber, woraufhin endlich wieder Sauerstoff in meine Lungen strömen konnte.

»Bist du okay?«, fragte der Lockenkopf nach einigen Minuten in denen wir einander einfach nur festgehalten hatten. »Jetzt schon«, hauchte ich.

Vielleicht hatte ich mir alles nur eingebildet.

Vielleicht wurde ich langsam verrückt.

Mattheo lehnte sich zurück und schob sich mit einer vernarbten Hand die Locken aus der Stirn, die ihm selbst an seinem Hochzeitstag nicht gnädig gestimmt waren und dem jungen Todesser in einem Chaos aus purer Nacht immer wieder in die Augen fielen.

Sein Blick verdunkelte sich, als er mich betrachtete, bekam etwas besitzergreifendes, schier obsessives.

Meine Haut begann zu kribbeln.

»Du bist die wunderschönste Braut auf der ganzen Welt«, flüsterte der Erbe Slytherins, der seit ich den Raum vor etwa zwanzig Minuten betreten hatte, einfach nicht die Augen von mir lassen konnte.

»Meine Amelie.«

Mattheo lehnte sich vor und küsste mich.

Küsste meine Angst davon und all meine Panik.

Jeden klaren Gedanken.

»Meine kleine Amelie.«

Seine Zunge wirbelte zärtlich um meine.

»Meine wunderschöne Frau.«

Ich hatte das Gefühl in Ohnmacht zu fallen, doch zum ersten Mal an diesem Tag nicht vor Angst, sondern vor Glücksgefühlen. Und dann blendete ich alles aus und spürte nur noch ihn. Nur noch Mattheo, dessen heiße Küsse mein Höschen feucht werden ließen.

Eng drückte er mich mit dem Rücken gegen die Säule, eine Hand an meiner Wange, während die andere sanft auf meiner Taille ruhte, als hätte er Sorge, er könnte mein Brautkleid kaputt machen, wenn er mich auch nur eine Spur rauer berührte.

Mein Kleid war Liebe auf den ersten Blick gewesen.

Ein Traum aus weißem Satin und feinster französischer Seide. Es hatte eine eingearbeitete Korsage mit perlenbesetzten Trägern, die mir durch die enge Schnürung ein traumhaft schönes Dekolleté zauberte und an der Hüfte in einen aufgebauschten Rück überging, der in einer langen Schleppe endete.

Doch das mit Abstand schönste und besonderste an meinem Kleid, war der dazu passende Schleier, der an der diamantbesetzten Tiara in meinem Haar befestigt war, das mir in sanften Wellen über den Rücken fiel. Meine Mum hatte sie mir heute Morgen ins Haar gesetzt und dabei nicht nur eine Träne vergossen, denn es war der Schmuck, den nicht nur sie bei ihrer eigenen Hochzeit getragen hatte, sondern auch meine verstorbene Großmutter.

Mein Make Up war schlicht und elegant gehalten, nur mein Lidschatten funkelte wie der Nachthimmel. Nie war ich dankbarer für die Erfindung des Fixierungszaubers gewesen, als in diesem Moment.

Denn Mattheo gab sich jetzt ganze Mühe, meinen roséfarbenen Lippenstift zu verschmieren.

Ich ließ meine Hände von seinen Schultern zu seiner Brust rutschen um ihn von mir wegzuschieben, damit ich ihm endlich sagen konnte, wie unbeschreiblich gutaussehend er in seinem Anzug war, als uns eine vertraute Stimme zusammenzucken ließ.

»Könnt ihr euch nicht mal fünf Minuten zusammenreißen? Hier sind Kinder anwesend.«

Unter meinen Fingerspitzen spürte ich, wie sich Mattheos Muskeln anspannten. Ich löste mich von ihm und blickte mit glühenden Wangen und einer sehnsüchtig pochenden Stelle zwischen den Beinen zu Lestrange, der mich jetzt einfach am Arm packte und aus Mattheos Armen geradewegs in seine zog.

»Willkommen in der Familie, kleine Slytherin«, hauchte mir der Todesser ins Ohr, der mich trotz Mattheos mörderischer Blicke in eine innige Umarmung gezogen hatte. »Du siehst heute Abend bezaubernd aus«, fügte er hinzu und zwinkerte.

»Danke, Luc«, entgegnete ich lächelnd und wandte mich dann unseren Freunden zu, die ihm gefolgt waren. Nacheinander beglückwünschten sie uns. Selbst von Draco gab es eine Umarmung und sogar einen flüchtigen Kuss auf die Wange— eine süße Geste der Zuneigung, von der ich niemals geglaubt hatte, das Draco Lucius Malfoy dazu fähig war.

Nur Pansy und Daphne fehlten.

Ich ließ meine Augen durch den Raum gleiten und entdeckte die dunkelhaarige Slytherin schließlich an einem der Tische, direkt neben Rabastan Lestrange.

Eine Gänsehaut kroch über meinen Körper, als mein Blick auf sein Auge fiel, das die Heiler des St Mungo's wiederherzustellen versucht hatten. Doch die Pupille war milchig und entsetzt stellte ich fest, dass ich mich darüber freute, dass er darauf blind geblieben war.

Ich sah wieder zu Pansy, die mit hartem Blick neben ihrem Verlobten saß und mit ihren tiefroten Nägeln eine so zornige Melodie gegen ihr Champagnerglas klimperte, dass das Glas kurz vor dem zerplatzen war.

Zu Rabastans Füßen kniete eine junge Hexe auf dem Marmorboden, bekleidet in etwas, das genau so aussah, wie die schäbigen Lumpen von Hauselfen.

Es war eines der Mädchen, die der jüngere Bruder von Rodolphus Lestrange auf einer Auktion erworben hatte. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken daran, was er wohl mit ihnen machte, wenn niemand zusah.

Pansy schienen dieselben Gedanken zu plagen, denn sie warf der Hexe neben sich einen gequälten- und dann Rabastan einen Blick aus purem Hass zu, den er jedoch nur mit einem lüsternen Grinsen erwiderte.

Er lehnte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was das Glas in ihrer Hand zerspringen ließ. Scherben flogen umher, doch ein Zucken von Rabastans Finger und sie zerfielen zu feinen Sandkörnern.

Pansys Augen verengten sich und ihr dunkelrot geschminkter Mund formte einen Satz, den ich erkannte, ohne ihn gehört zu haben. »Fick dich

Rabastan lachte nur und starrte schamlos auf ihre Brüste, als sich die Slytherin von ihm abwandte. Ihre Finger zuckten angriffslustig, doch sie wagte es nicht ihrem Verlobten einen Fluch auf den Hals zu jagen.

Doch ich war ganz kurz davor und nur eine einzige Tatsache hielt mich davon ab, ihm weh zu tun.

Es war das letzte Mal, dass Pansy seine Gesellschaft ertragen musste. Das letzte Mal, dass sie auf einem offiziellen Event seinen Ring am Finger tragen würde.

Denn Rabastards Tage waren gezählt.

Als hätte er mein Blick gespürt, hob er den Kopf und schaute in meine Richtung. Ein arrogantes Lächeln umspielte das unverschämt attraktive Gesicht des Lestrange Erben, als sein Blick von mir zu Lucifer glitt, den ich jetzt angestrengt ein und ausatmen hören konnte und den es jetzt alle Kraft seiner antrainierten Selbstbeherrschung kostete, seinen Onkel nicht vor aller Augen in Stücke zu fetzen.

»Ich werd es so genießen, auf seinem Grab zu tanzen und dabei—«, doch Lucifers Worte verwandelten sich in ein dunkles Grollen, als Rabastan Pansys Knie umfasste, während er ihn herausfordernd ansah.

Und dann grinste er seinen Neffen dreckig an.

Lestranges Aura begann zu pulsieren.

»Denk an unseren Plan«, zischte Mattheo und packte den Todesser am Arm, bevor er sich mit erhobener Faust auf Rabastan stürzen und ihn von der brünetten Schönheit wegzerren konnte, der sein Herz gehörte, so düster und voller Schatten es auch war.

Lucifer liebte Pansy.

So wie Draco Astoria liebte.

Und Mattheo und ich einander.

Bedingungslos und über den Tod hinaus.

Als ich wieder zu Rabastan sah, zog er sich gerade mit schmerzverzerrter Grimasse die Gabel aus der Hand, die Pansy ihm lächelnd dort hineingerammt hatte.

Wir nahmen an unserem Tisch Platz, zu dem nun immer wieder Gäste kamen um uns zu gratulieren.

Doch bis auf meine Eltern und unsere Freunde, hatte Mattheo mir niemanden zu nahe kommen lassen.

Der dunkle Lord war nicht zu uns gekommen. Mit gelangweilter Miene saß er auf seinem Thron und sprach in gedämpfter Stimme mit seinen Anhängern oder Politikern anderer Länder, die vor ihm auf die Knie fielen, als wäre eine dunkle Gottheit.

Immer noch sah er aus wie ein vom Tod geküsstes Gerippe mit roten Augen, doch ich versuchte mir einzureden, dass ich mir das alles nur einbildete.

Mattheo blieb immer an meiner Seite.

Unter dem Tisch hielt er meine zitternde Hand, strich über meine Fingerknöchel und half mir mich zu beruhigen, wenn die Angst überhand zu nehmen drohte. »Nur noch eine Stunde«, flüsterte er in mein Ohr. »Dann gehörst du mir allein, Mrs Riddle.«

Ich konnte es kaum erwarten.

Das Dinner verlief ruhig, ebenso wie das Anschneiden der Hochzeitstorte, ein Traum aus Zitronensorbet und Schokoladensoufflé, von der ich jedoch nur ein winziges Stück herunter bekam.

Nach einem großen Glas Champagner schaffte ich es, den Blick durch den Saal schleifen zu lassen. Und als meine Augen die Person fanden, nach der sie schon seit einer Weile Ausschau hielten, schob ich meinen Stuhl zurück. Sofort machte Astoria Anstalten ebenfalls aufzustehen, die mich die letzten Male ins Bad begleitet hatte, um mir mit meinem Kleid zu helfen, doch ich legte meiner hochschwangeren Freundin die Hand auf die zierliche Schulter.

»Schon gut, Tori. Du kannst sitzen bleiben«, sagte ich und warf auch Mattheo einen warnenden Blick zu und dann meinem Bruder, die ebenfalls sofort vom Tisch aufgestanden waren, um mich zu begleiten. Beide der Slytherin Jungs mit dem manchmal kaum zu ertragenen Beschützerinstinkt spannten die Unterkiefer an, doch setzten sich wieder hin.

Ich spürte Mattheos Augen auf mir und wusste genau, dass mir einer seiner Männer zu meinem Schutz folgen würde, wenn ich jeden Moment durch die Flügeltüren auf den Flur hinaus trat. Es war der blassblonde Haarschopf von Yaxley, den ich nun aus dem Augenwinkel erkannte und der wie gewohnt einen respektvollen Abstand zu mir einhielt.

Und ich ließ ihn mir folgen, denn ich wusste, wenn er etwas von dem Gespräch mitbekam, dass ich gleich führen würde, würde er es für sich behalten.

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M A T T H E O

Mattheo starrte mit angespanntem Kiefer auf die Taschenuhr, die er in den Händen hielt. Mit den Fingern fuhr er über die Schlange, die das vergoldete Erbstück Salazar Slytherins zierte und sah dabei zu, wie sie sich unter seiner Berührung wandte.

Fünf Minuten.

Er würde ihr noch fünf Minuten geben bevor er ihr folgte— oder sich selbst, bevor er Marcus Flint die Fresse polierte, der seit geschlagenen zehn Minuten an ihrem Tisch saß und damit prahlte, wie gern ihm die Sklaven seiner Familie den Schwanz lutschten.

Mattheo Lippen verzogen sich zu einem bösen Grinsen, als Lestrange, mit dem er wie so oft mittels Legilimentik seine Gedanken teilte, ihm in seinem Geist trocken antwortete, dass er sich sicher war, Flint hatte damit seine Hauselfen gemeint.

Niemand konnte die Flints so wirklich leiden, doch Marcus Vater hatte es tatsächlich geschafft, sich die Karriereleiter des Regimes hochzuarbeiten, weshalb man die Familie auf sozialen Feierlichkeiten duldete.

Auf dem Schoß des ehemaligen Kapitäns der Slytherin Quidditch Mannschaft saß ein dunkelhaariges Mädchen in einem unangemessen knappen Satinkleid und rieb mit ihren nackten Beinen immer wieder gegen seine, während sie ihn verliebt ansah. Doch der Schleier in ihren Augen verriet, wie zugedröhnt sie war. Mattheo tippte auf Muggeldrogen, doch er traute es Flint auch zu, dass er die Hexe mit dem Amortentia gefügig machte.

»Ihr solltet mal am Wochenende vorbei kommen, Jungs«, gluckste Flint in die Runde. »Manchmal lassen wir sie miteinander ficken, ist ziemlich unterhaltsam, wisst ihr.« Er hob die Hand von ihren Knie und winkte den vorbeilaufenden Adrian Bastard Pucey zu ihnen, der Neville schon den ganzen Abend an einer Eisenkette um den Hals hinter sich her zog.

Grinsend kam Pucey zu ihnen an den Tisch und zerrte Neville so unsanft mit sich, dass er stürzte. Zornig packte er die Kette und zerrte ihn hoch.

Flint stieß Neville mit dem Ellenbogen so hart in die Rippen, dass dieser vor Schmerz keuchte. »Der Blutsverräter Longbottom steht auf dreckige kleine Schlammblüterfotzen und ich kann euch sagen, ich auch. Die süße Penny hier ist ganz schön eng.«

Einen Augenblick geschah nichts.

Und im nächsten stürzte Enzo sich mit erhobenen Fäusten auf Pucey und schlug ihm zwei Zähne aus.

Draco blieb gelangweilt auf seinem Platz sitzen, Blaise knackte angriffslustig mit den Fingern, doch Theodore, der schon den ganzen Abend zusehen musste, wie Mulciber den Po seiner ex Freundin Cho begrapschte, bemühte sich erst gar nicht sich zu beherrschen und stürzte sich knurrend auf Flint.

Lestrange unterstützte ihn, in dem er Flints Ohren mit einem ungesagten Zauber an den Boden klebte.

Mattheo überlegte ob er ein wenig mitmischen sollte, doch dann fiel sein Blick auf Amelie, die in genau diesem Augenblick zurück in den Ballsaal kam.

Hinter ihr folgten Yaxley und Daphne, die sich mit versteinerter Miene neben der Flügeltür postierte.

Mattheo blickte wieder zu Amelie.

Ihr hübsches Gesicht war immer noch makellos geschminkt, doch ihre Lippen zierte das erzwungene Berkshire Lächeln, dass man ihr schon als Kind für genau solche Veranstaltungen beigebracht hatte.

Um von ihren Tränen abzulenken.

In weniger als zehn Sekunden war er bei ihr.

»Hat dich jemand angerührt?«, zischte Mattheo, der aus Reflex seinen Zauberstab gezogen hatte, doch sie schüttelte nur den Kopf und nahm seine Hand.

Ihre Finger waren eiskalt.

Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter, bevor sie sich wieder ihm zuwandte. »Lass uns zurück zum Tisch«, sagte sie und drückte seine Hand. Mattheo, der ihrem Blick gefolgt war, starrte jetzt zu Daphne.

Da Lestrange Mattheos Trauzeuge war, war die Aufgabe, während der Hochzeit für Sicherheit zu sorgen aufgrund ihres hohen Ranges in ihre Hände gefallen. Es hatte ihn gewundert, dass sie dies ohne Murren hingenommen hatte und er konnte nicht leugnen, dass sie krank aussah. Und doch warf er ihr angesichts Amelies Stimmung einen finsteren Blick zu, den sie ebenso finster erwiderte.

Schon seit der ersten Klasse hatte die Greengrass Erbin ein besonderes Talent besessen, ihn mit ihrer scharfzüngigen Art in die Weißglut zu treiben.

Trotzdem bedeutete sie ihm viel.

So wie alle seine Freunde.

Amelie, blass wie der Mond, zog ihn zurück in Richtung ihres Tisches. Doch sie hielten inne, als sich ihnen plötzlich Rabastan Lestrange entgegen stellte, Pansy im Schlepptau, die Amelie zwar anlächelte und sie zärtlich auf jede Wange küsste, jedoch auch ein mordlustiges Funkeln in den grünen Augen hatte.

»Meine Glückwünsche an das Brautpaar.« Rabastan neigte den Kopf zu einer Verbeugung, doch als er nach Amelies Hand greifen wollte, um sie zu küssen, zog Mattheo die zierliche Slytherin von ihm weg.

»Finger weg von meiner Frau, Lestrange.«

»Aber, aber mein liebster Neffe«, säuselte Rabastan und lächelte. »Wir sind doch jetzt eine Familie.«

»Blut macht noch lang keine Familie«, spuckte er mit zusammengepressten Zähnen hervor und fixierte ihn mit einem Blick voll von abgrundtief kaltem Hass.

»Oh, wie recht du doch hast.«

Der Todesser richtete seinen Blick auf Lestrange, der jetzt neben Pansy aufgetaucht war und ihren gemeinsamen Onkel nicht minder hasserfüllt anstarrte. Mattheo wusste, dass er nur darauf wartete, dass er ihm einen Grund lieferte, ihm auch noch das andere Auge aus dem Schädel zu brennen.

Rabastan hob eine Braue. »Ich muss schon zugeben, ich war überaus enttäuscht, als ich von dem Mordkomplott erfahren habe, den meine eigenen Neffen gegen mich ausgeheckt haben.«

Er lächelte sie nacheinander teuflisch an.

Das Blut in Mattheos Adern gefror zu Eis.

»Habt ihr wirklich geglaubt, ich würde es nicht bemerken, wenn jemand Nachts in mein Labor einbricht und meine Bomben manipuliert, in der Hoffnung, dass sie mich selbst in Stücke fetzen?«

Sein Lachen war kalt wie eine Dezembernacht. »Es sind meine Waffen. Ich habe sie in den letzten zwei Jahren für den dunklen Lord perfektioniert und ich bemerke jede noch so kleine Veränderung an ihnen.«

Aus dem Augenwinkel konnte Mattheo sehen, wie Pansy sich mit aufgerissenen Augen an Lestranges Arm klammerte, der jetzt kreidebleich geworden war.

Ihr Plan.

Ihr verdammt sorgfältig ausgearbeiteter Plan war in Sekunden von dem Mann in Stücke gerissen worden, dessen Hirn dieses Schicksal eigentlich hatte treffen sollen. In genau zwei Tagen, wenn die Bomben zum ersten Mal bei einer Mission zum Einsatz kamen.

Amelie begann zu zittern. Mattheo zog sie enger an sich und strich ihr über den Rücken, während er Lestrange einen warnenden Blick zuwarf, dem die Mordlust jetzt offen ins Gesicht geschrieben stand.

»Nun—«, begann Rabastan und führte sein Whiskeyglas an seine Lippen, trank einen großen Schluck. »Da ich vor kurzem befördert worden bin und keinen Ärger möchte, werde ich euch nicht an den dunklen Lord verraten«, verkündete er großzügig und rückte die Abzeichen an seiner Uniform zurecht.

Dann deutete er mit einer theatralischen Handbewegung auf sein milchiges Auge.

»Aber hierfür wirst du bezahlen, Neffe.«

»Achja?«, provozierte Lestrange seinen Onkel.

Bevor irgendeiner von ihnen reagieren konnte, packte Rabastan Pansys zierlichen Arm und zerrte sie zu sich. Seine Finger glitten über die Träger ihres blassgoldenen Kleides und er konnte seiner Freundin ansehen, wie kurz sie davor war, ihm mit den Nägeln auch noch das gesunde Auge auszukratzen.

»Gold steht dir wirklich ausgezeichnet, Pansy. « Die Art wie er ihren Namen aussprach, machte Mattheo Mordgedanken. »Vielleicht besorge ich dir ein goldenes Höschen für unsere Hochzeitsnacht am Samstag, in dem ich dich während des Rituals vor unseren Gäste ficke, bis du mich anflehst—«

»AVADA—«

Doch es war nicht Mattheo, der seinen engsten Todesser davon abhielt in Anwesenheit des dunklen Lords die Dummheit seines Lebens zu begehen.

Es war Amelie.

Amelie, die ihre zarten Hände um Lestrange Handgelenk geschlungen und die Hand die seinen Zauberstab hielt zu Boden gedrückt hatte, aus dem immer noch smaragdgrüne Funken hervorschossen.

Pansy nutzte den Moment und befreite sich aus Rabastans Umklammerung, bevor die Slytherin mit zitternden Schultern, doch mit erhobenem Kinn auf ihren endlos hohen High Heels davon stolzierte.

Nur um wenige Meter weiter beinahe in Umbridge hineinzulaufen, die sich nur noch mühsam mithilfe eines Stocks fortbewegen konnte, seit Mattheo in einem Anfall von rasender Wut mehr als die Hälfte ihrer Knochen zerschmettert hatte. Er machte sich bereit zu reagieren, als Pansys Hand zu ihrem Zauberstab glitt, doch sie schaffte es ihre Wut unter Kontrolle zu bringen, hob die Finger zu der Narbe, die dank Umbridges dunkler Magie ihr Gesicht zitierte, strich sanft darüber, bevor sie zu Theodore lief, der seinen gesunden Arm bereits für sie aufhielt.

Lestrange hatte ihr versprochen, dass, wenn das Regime gestürzt war, sie sich Umbridge zusammen vornehmen- und sie an einen Ort verschleppen würden, an dem niemand ihre Schreie hörte.

Rabastan knurrte vor Zorn. Er öffnete den Mund, doch bevor ihm irgendeine Drohung oder Beleidigung rausrutschen konnte, drehte Mattheo sein Handgelenk und hexte seinem Onkel die Zunge an den Gaumen.

Von dem Tisch, der am nächsten zu Voldemorts Thron stand, erklang plötzlich ein mädchenhaftes Lachen, das Amelies Schultern nur noch mehr erzittern ließ. Dann erhob sich auch schon seine filzhaarige Erzeugerin Bellatrix, die er den ganzen Abend von ihr erfolgreich hatte fern halten können.

Die Hexe bleckte amüsiert die fauligen Zähne, doch bevor sie auch nur in die Nähe seiner Frau kommen konnte, nahm er Amelies Hand und zog sie weiter.

Sie passierten den Champagnerbrunnen und als Amelie davor stehen blieb und etwas aus ihrer Tasche zog, stellte er sich mit dem Rücken vor sie, damit niemand sah, dass sie sich einen Beruhigungstrank in ihr Glas schüttete, dass sie noch am Tisch leer trank.

Bellatrix kam näher und um ihr auszuweichen, zog er Amelie ohne nachzudenken auf die Tanzfläche.

Ihr wunderschönes Brautkleid zog alle Blicke auf sich und die Gäste machten Platz und verließen die Tanzfläche, denn sie nahmen an, dass das Brautpaar nun seinen Hochzeitstanz vollführte. Mattheo verfluchte sich selbst, Merlin und Salazar und alle großen Zauberer die ihm einfielen, als das Orchester das Lied anstimmte, dass sie sich ausgesucht hatten.

Alle starrten sie an. Amelies Schultern zitterten jetzt so heftig, dass er Sorge hatte sie würde jede Sekunde zusammenklappen. Doch dann legte sie ihre Hand auf seinen Arm, hob das Kinn und blickte ihn an.

In ihren Augen reflektierte das Licht der Sterne.

»Ich will nicht, dass uns jemand diesen Moment zerstört«, hauchte sie. Mattheo nickte und auch wenn seine Schultern immer noch vor Wut zitterten und ihm der Avada Kedavra verlockend in den Fingern kribbelte, nahm er ihre Hand und wirbelte sie herum.

Und als er sie wieder auffing, blendete er alles aus.

Mattheo sah nur Amelie.

Die brave Ravenclaw mit den Sommersprossen, die er zu zählen früher wie heute so sehr liebte und der er damals schon heimlich für ihr Alter absolut unangemessene Zaubersprüche beigebracht hatte, mit denen sie sich verteidigen oder ein ganzes Gebäude in schwarze Flammen setzten konnte.

Die junge Hexe mit den rehbraunen Augen und dem brillanten Verstand, gegen die er jedes Weihnachten im Zauberschach verloren hatte. Die jedes Mal wenn er verletzt ins Berkshire Manor gekommen war, all seine Blutergüsse und gebrochenen Knochen geheilt und ihm in diesen schmerzhaften Nächten immer wieder aus Romeo und Julia vorgelesen hatte.

Die Schwester seines besten Freundes, die der Slytherin stets mit seinem Leben beschützt hatte.

In die er sich so unsterblich verliebt hatte.

Amelie.

Seine kleine Amelie.

Seine wunderschöne Frau.

Das Orchester setzte zu den letzten Takten an.

»Ich liebe dich«, hauchte er ihr ins Ohr, wirbelte sie ein letztes Mal herum und fing sie dann wieder auf.

»Und nicht einmal der Tod wird mich von dir trennen können.« In ihrem Augenwinkel glitzerte eine Träne, doch bevor sie ihre Wange hinablaufen konnte, hatte er sich vorgebeugt und sie fort geküsst. »Denn ich werde dich immer finden, Amelie Riddle.« Mattheo küsste sie. »Im nächsten Leben«, flüsterte er gegen ihre Lippen. »Und in jedem Leben danach.«

»Ich liebe dich auch«, erwiderte sie gerührt.

Und als Mattheo sich zurücklehnte, sah er sie lächeln.

Zwei Sekunden.

So lang dauerte es, ihr Lächeln sterben zu sehen.

In einem Echo, das mehr dem Zischen einer Schlange als einer Stimme glich, hallten die Worte des dunklen Lords durch Ballsaal und ließen die Geigenklänge augenblicklich ersterben. »Da mein Sohn und seine Frau ihren Hochzeitstanz absolviert haben, bitte ich meine Todesser und jene die sich uns anschließen möchten, sich nun im Thronsaal zusammenzufinden, um dem Fruchtbarkeits-Ritual beizuwohnen.«

Einen Augenblick herrschte Totenstille, bevor ganz aus der Nähe ein Schluchzen zu hören war. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Charles Berkshire den Arm um seine Frau legte und sie fortbrachte.

Ganz langsam hob Mattheo den Kopf.

Und in dem Blick, mit dem er seinen Vater nun fixierte, lag nichts als abgrundtiefer Hass.

»Du hast gesagt, das Ritual wird nicht nötig—«

Doch Voldemort hob eine blasse Hand und Mattheo verstummte augenblicklich. Ein gefühlloses Lächeln umspielte die Lippen des schwarzen Magiers, als er sich von seinem Knochenthron erhob und wie eine Schlange die Empore hinabglitt. »Nun, wie du siehst habe ich meine Meinung geändert, Sohn. Angesichts der zahlreichen Zauberer in diesem Raum, wäre es doch eine Schande eine solch wertvolle Gelegenheit für unsere Blutlinie fruchtlos verstreichen zu lassen.«

Mattheo konnte nicht atmen.

Der Hass auf seinen Vater schnürte seine Kehle zu.

Er sah zu Lestrange, der sich einen Weg durch die Menge der aufgeregt tuschelnden Gäste gebahnt hatte und erkannte denselben Hass in seinen Augen.

Mattheo sah wieder zu Voldemort.

»Aufgrund der immer weiter abfallenden Geburtenraten innerhalb der magischen Gemeinschaft sind die Minister der anderen Länder Europas sehr interessiert an unserem Ritual, weshalb ich dir befehlige, es in Anspruch zu nehmen.«

Der dunkle Lord glitt die letzen Stufen der Empore hinab, Nagini an seiner Seite. Seine Anhänger, die davor Wache gestanden hatten, fielen vor ihm auf die Knie, doch Voldemort würdigte sie keines Blickes.

Seine Augen waren ausschließlich auf ihn gerichtet.

»Oder ziehst du es vor dich meinem Befehl zu widersetzen und deine Frau den Rest des Abends an deiner Leiche trauern zu lassen?«, zischte er ihm so leise zu, dass Mattheo erst nach Sekunden realisierte, dass er auf Parsel zu ihm gesprochen hatte.

Nie hatte Mattheo einen solchen Hass gespürt.

Nie zuvor eine solche Hilflosigkeit.

Er hörte wie Amelie ihn in Gedanken anflehte.

»Tu es, tu es, tu es, tu es, tu es

Ihre Hand drückte seine immer fester.

Mattheo wusste, dass er sich Voldemort nicht widersetzen konnte, ohne alles aufs Spiel zu setzen.

Denn dann würde er erfahren, dass der unbrechbare Schwur gebrochen war. Ihr größter Triumph.

Ihr einziger Triumph.

Alles in Mattheo wurde taub, als er ein letztes Mal zu Amelie blickte, die am ganzen Körper heftig zitternd in ihrem atemberaubend schönen Hochzeitskleid neben ihm stand und ihm mit einem Flehen in den Augen ansah, das ihm das Herz zerriss. Er drückte ihre Hand, bevor er sich wieder Voldemort zuwandte.

»Wie ihr wünscht, mein Lord«, sagte er kühl.

»Ihr habt zehn Minuten«, verkündete sein verhasster Vater und dissapparierte ohne ein weiteres Wort.

Amelies Hand fest in seiner, führte Mattheo sie von der Tanzfläche und wagte es nicht, auf dem Weg durch den Ballsaal jemand anderen anzusehen als sie. Denn wenn er es tat, wenn er einen der speichelleckenden Todesser Voldemorts ansah, die nun lüstern darauf warteten, ihm beim Vollzug seiner Ehe zuzusehen, würde er ein Blutbad anrichten.

Er würde sie töten.

Mattheo würde jeden von ihnen hinrichten.

Sie erreichten die Eingangshalle und durchquerten sie in wenigen Sekunden. »Lasst uns allein«, bellte er die maskierten Todesser an, die vor dem Eingang zum Manor Wache standen und sich gerade vor ihm verneigen wollten. Mit einer Handbewegung ließ er die Türen aufspringen und zog Amelie nach draußen.

Gierig sog er die kalte Nachtluft in seinen Lungen.

Sein Magen krampfte und einen Moment befürchtete er, sich übergeben zu müssen. Mattheo ließ ihre Hand los und lief dann ohne ein Wort die steinernen Treppen in Richtung der Gärten hinab. Er war nicht fähig etwas zu ihr zu sagen, kaum fähig zu atmen.

Mit nichts als Mordlust in den Adern, schleppte sich der Erbe Slytherins zu einem gusseisernen Geländer, umklammerte es mit beiden Händen und schrie.

Dunkelheit quoll aus jeder seiner Poren und das schwarze Ding in seiner Brust hämmerte wie ein Donnerschlag nach dem anderen gegen seine Rippen.

Etwas in ihm war kurz davor zu explodieren und die einzige Sprache, zu der er jetzt noch fähig war—

war Gewalt.

Mattheo zog seinen Zauberstab, um den Zorn in sich mit einem Avada ein wenig Abhilfe zu verschaffen, doch sämtliche Wachen waren bereits geflüchtet.

Zitternd sank er gegen das Geländer.

Er konnte das nicht tun.

Mattheo konnte ihr das nicht antun.

Nicht nach all dem, was er ihr schon angetan hatte.

Die Zärtlichkeit mit ihr war das einzige was ihm geblieben war. Ihre Nähe das einzige, was seiner ruhelosen Seele immer einen Moment Frieden geschenkt hatte. Der Sex gehörte nur ihnen beiden.

Und auch das würde Voldemort ihm wegnehmen.

So wie er ihm alles genommen hatte.

Klauen aus Schmerz umfassten seine Glieder und ließen seinen Körper erbeben. Seine Zauberstabhand zuckte und in seinen Adern sang seine Magie ein grausames Lied von Mord, Folter und kaltem Hass.

Mattheo schloss die Augen.

Keuchend umklammerte er das Geländer, während eine eisige Kälte begonnen hatte von seinem Geist Besitz zu ergreifen. Dementoren. Er verabscheute diese widerwärtigen Kreaturen zutiefst und doch ließ er es zu, dass sie ihm näher kamen, ließ es zu, dass sie sich an seinem Schmerz ergötzten. Er wusste, dass die Seelenfresser nun über ihm kreisten wie Geier.

Sie standen zwar unter seinem Befehl und würden es nie wagen ihn anzurühren, was die Geschöpfe der Nacht jedoch noch nie davon abgehalten hatte, zu versuchen ihm Angst einzuflößen.

Dann dachte er an Amelie und die plötzliche Erkenntnis sie zurückgelassen zu haben, als er in die Gärten gerannt war, durchzuckte ihn wie ein Blitz.

Mattheo riss die Augen auf— und erstarrte.

Denn die prachtvollen Gärten des Riddle Manor, waren voller Schmetterlinge. Wohin er auch sah, schwirrten hunderte blassblauer Schmetterlinge in der Luft und vertrieben mit ihren zarten Flügelschlägen nicht nur die Kälte der Dementoren, sondern auch die Finsternis aus seinen Gedanken.

Seine Schultern zitterten, als er ihre Wärme spürte, noch bevor sie von hinten die Arme um ihn schlang.

Und dann hielt sie ihn ganz fest.

Mattheo würde sterben für seine Amelie. Er würde jeden noch so grausamen Tod in Kauf nehmen, um die Liebe seines Lebens in Sicherheit zu wissen.

»Ein gestaltlicher Patronuszauber?« Seine Stimme war so rau wie die Nacht in der sie standen, doch auch erfüllt von tiefer Bewunderung. »Wie sehr soll ich mich noch in dich verlieben, Mrs Riddle?«

Auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste er, dass sie lächelte. »Hab ihn für uns beide erlernt«, flüsterte sie und tastete nach seiner Hand. Mattheo schob sie unter seine und streichelte ihre Knöchel.

Eine Weile sprachen sie kein Wort.

»Bitte zwing mich nicht dazu, Amelie«, hauchte er dann mit gebrochener Stimme in die Nacht und umklammerte ihre Hand fester, als sie zitterte.

Die Schmetterlinge verblassten.

»Ich würde lieber sterben, als—«, er schluckte, hob ihre Hand an seine Lippen und hauchte zarte Küsse auf ihren Handrücken, »als dir das anzutun.«

Sie schluchzte, woraufhin er sich zu ihr umdrehte und beide ihrer Hände in seine nahm. Sie war den ganzen Abend so tapfer gewesen, doch jetzt kullerten unaufhaltsam Tränen über ihre Wangen. »Wenn du dich weigerst und er sieht, dass du nicht stirbst—«, sie keuchte, »wird er dir weh tun oder dich zwingen den Schwur zu erneuern. Und dann—«

Doch sie musste den Satz nicht zu Ende sprechen, denn sie wussten beide, was dann passierte. Dann würde der alte Plan wieder greifen. Der Plan, der in seinem Tod endete. »Du hast es versprochen«, weinte sie und blickte flehend zu ihm auf. »Du hast versprochen, dass wir es zusammen beenden.«

»Ich weiß.«

Mattheo küsste sie.

Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie, schmeckte das Salz ihrer Tränen auf seinen Lippen.

Er küsste sie, bis sie zu zittern aufhörte.

Mattheo löste sich von ihr, schob eine Hand unter ihr Kinn und hob es an. »Du weißt, dass er sie zwingen wird zuzusehen oder?« Amelie sah ihn stumm an.

»Dein Bruder und dein Vater werden zusehen, wie wir.... wie ich dich—«, doch er brach ab und fuhr sich mit einer Hand vor Verzweiflung durch die Locken.

Als der körperliche Schmerz nicht dabei half, den seelischen zu verdrängen, verbarg er das Gesicht in den Händen. »Danach wirst du mich hassen.«

»Mattheo Marvolo Riddle«, hörte er sie flüstern, bevor sich ihre Finger um seine Handgelenke schlossen und sanft zur Seite schoben. »Ich bin deine Frau und ich liebe dich«, sagte sie und strich ihm zärtlich eine dunkle Locke aus der Stirn. »Und nichts was du tun könntest, würde das jemals ändern.«

Mattheo presste die Zähne zusammen.

»Auch keine Verge—«

»Hör auf«, schluchzte sie, krallte ihre Hände in sein Hemd und zerrte kraftlos daran. »Du weißt genau, dass es das nicht ist.« Tränen liefen ihr über die Wangen und tropften auf ihr Kleid. »Es ist wie immer, nur dass uns... jemand zusieht.« Den letzten Teil des Satzes hatte sie kaum hörbar geflüstert.

Mattheo schnaubte zornig.

»Mindestens hundert Leute, Amelie«, knurrte er.

Sie erbleichte und er verfluchte sich. Einen langen Augenblick sahen sie einander an, dann schlang der Slytherin seufzend die Arme um sie und lehnte seine Stirn an ihre. »Und wenn du schwanger wirst?«

Amelie schluckte. »Diana bekommt das schon hin. Sie hat Tränke und kennt Zauber—«, doch sie sprach den Satz nicht zu Ende. Mattheo brachte kein Wort mehr heraus. Mit zugeschnürter Kehle sah er ihr zu, wie sie ihre perlenbesetzte Handtasche öffnete.

Dann reichte sie ihm eine kleine Phiole.

Es war ein Beruhigungstrank.

Mattheo wollte schreien, doch er konnte es nicht.

Er wollte weinen, doch er konnte es nicht.

All seine ungeweinten Tränen prallten nur an der eisigen Kälte ab, die sich um sein Herz gekrallt hatte.

Mattheo nahm die Phiole, entkorkte sie und kippte sich wortlos den bitteren Zaubertrank in den Rachen, bevor er Amelie dabei zusah, wie sie dasselbe tat.

Der Lockenkopf schloss die Augen und spürte wie das Elixier seinen Herzschlag herabsetzte und seine Gedanken in dichten Nebel hüllte. Einen Moment gab er sich dieser erlösenden Ruhe hin, auch wenn er wusste, dass die Wirkung nicht lang anhalten würde.

Als er die Augen wieder öffnete, sah sie ihn nicht an.

Ihr Blick war auf etwas über seinem Kopf gerichtet.

Mattheo hob das Kinn und schaute nach oben.

Und dann sah er es. Über den spitzen Türmen des Manor, ganz in der Nähe des dunklen Mals leuchtete ein einzelner Stern am Nachthimmel. So hell, dass er all die finsteren Wolken um sich herum vertrieb.

Ihre Hände fanden zueinander, während sie die letzte Minute, die ihnen noch übrig blieb, in den Himmel blickten. »Zusammen«, flüsterte Mattheo und drückte ihre Hand. »Zusammen«, hauchte sie, bevor sie sich auf den Weg in den Thronsaal machten.

☾ ⁺₊


Mattheo & Amelie Riddle ♡

𓆙

Ich habe die nachfolgende Szene detailliert ausgeschrieben und sie auf meinem Tumblr Profil hochgeladen, da sie zu düster für Wattpad ist.

Falls ihr sie lesen möchtet findet ihr den Link in meinem Profil (das t symbol) zum Lesen müsst ihr euch registrieren. Falls ihr kein Tumblr habt und euch dort auch nicht anmelden könnt, schreibt mir auf Instagram und ich schicke euch einen Screenshot.

IG: lenisofiawrites

& bitte denkt ans voten, danke <3

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