45. scars and masks

TW: Trauma

my scars don't hurt anymore,
but I won't forget the way they used to.

A M E L I E

FLASHBACK
2. Mai 1998

Aufgeregte Stimmen erfüllten die viel zu stickige Luft im Turm der Ravenclaw, während ich mit zusammengekniffenen Augen Ausschau nach Clara hielt, den blassblonden Haarschopf meiner besten Freundin jedoch in dem Gewirr aus nachtblauen Pullovern und dunklen Schulumhängen nirgendwo entdecken konnte. In meiner Nähe krächzte ein Rabe, spreizte sein prächtiges Gefieder und erhob sich in die Luft, auf der Suche nach seinem Besitzer.

Eine Vertrauensschülerin versuchte die ausgebrochene Panik unter den Schülern einzudämmen, doch niemand schien sie in all der Aufregung zu beachten. Ich trat einen Schritt vor, um sie zu unterstützen, doch als ich die zitternden Finger an meine Brust hob um mein silberblaues Abzeichen zurechtzurücken, stellte ich fest, dass es fehlte.

Ich musste es in all dem Chaos verloren haben.

»Accio Abzeichen«, flüsterte ich.

Nichts geschah.

Nervös wischte ich mir die kaltschweißigen Finger an meinem dunkelgrauen Faltenrock ab und wich einem schwebenden Koffer aus, der geradewegs in meine Richtung geschossen kam und seinen Inhalt dabei auf dem mit Sternen bestickten Teppichen verteilte.

Dicht neben mir schwebte die graue Dame durch die Schlossmauern in den Turm, ihre Wangen feucht von Tränen. Ihr Blick fand meinen und ich schluckte, angesichts des Kummers in den dunklen Augen der melancholischen Ravenclaw Erbin, die mir seit meinem allerersten Tag in Hogwarts stets eine Ratgeberin gewesen war. Eine Freundin.

Doch bevor ich das Wort an Helena richten konnte um sie zu fragen, was bei Merlin geschehen war, dass die Schüler in Hogwarts in eine solche Unruhe versetzt hatte, ließ sie ein leises Schluchzen aus ihrer Kehle dringen und verblasste wie Sterne am Nachthimmel, wenn die Dämmerung hereinbrach.

»Harriet«, hörte ich Elliot nicht weit von mir nach seiner kleinen Schwester schreien, die erst im letzten Sommer nach Hogwarts gekommen war.

»Harriet wo bist du?«

Ich wirbelte herum und als ich das verweinte Mädchen entdeckte, das sich verängstigt hinter einem der nachtblauen Samtsofas versteckte, eilte ich zu ihr, nahm ihre Hand und brachte sie zu ihrem besorgten Bruder, an den sie sich sogleich klammerte und das Gesicht in seinem Pullover vergrub.

»Danke, Amelie«, stieß Elliot atemlos hervor und öffnete ein weiteres Mal den Mund, doch bevor er noch etwas zu mir sagen konnte, ließ ein explosionsartiges Krachen die Mauern der Hogwarts Akademie erzittern, bevor die Hölle losbrach.

Schreiende Schüler flüchteten in Todesangst aus dem Turm und rempelten einander dabei um.

Meine Gedanken drifteten zu Enzo.

Ich musste zu ihm, musste ihn finden.

Ihn und Theo.

Und Clara.

Ich drückte mich mit dem Rücken eng gegen die nachtblauen, mit goldenen Sternbildern verzierten Tapeten des Turmes, während eine Gruppe älterer Mädchen an mir vorbei stürmte, die Gesichter blass und die Augen rot gerändert. Erneut erbebten die Mauern und ein Schrei entwich meiner Kehle, als der prachtvolle Kronleuchter in der Mitte des Turmes aus der seiner Verankerung riss und zu Boden stürzte.

»Clara«, schrie ich erneut nach meiner besten Freundin in der Hoffnung, sie würde mir antworten.

Doch sie war nicht im Gemeinschaftsraum.

Ich verfluchte mich dafür, dass ich den Nachmittag nach dem Unterricht länger als üblich im Gewächshaus verbracht und mich um meine Pflanzen gekümmert hatte, in der Hoffnung sie ein wenig aufpäppeln zu können. Doch selbst Professor Sprouts junge Alraunen ließen seit Wochen die Köpfe hängen, waren launisch und nahezu depressiv, da sich die Sonne in letzter Zeit nur noch selten blicken ließ.

Denn wäre ich im Schloss gewesen, hätte ich Snapes magisch verstärkte Stimme über die Flure hallen gehört, mit welcher der neue Schulleiter sämtliche Schüler anwies, sich in der großen Halle einzufinden.

»Was ist passiert?«, fragte ich einen rothaarigen Jungen aus meinem Jahrgang. »Was hat der Schulleiter zu euch gesagt?« Er warf mir einen kurzen Blick zu, bevor er nur das Wort »Potter«, keuchte.

Irritiert sah ich ihn an.

»Warte, meinst du Harry Pott—«, doch bevor ich den Satz beenden konnte, war er schon davon gestürmt.

Meine Gedanken waren wie ein dunkler Sturm, wirbelten und wirbelten in meinem Kopf umher, bis mir ganz schwindelig war. Harry Potter war seit dem Sturz des Ministeriums durch Lord Voldemort und seinen Anhängern der meistgesuchteste Zauberer in Großbritannien, der Unerwünschte Nummer Eins.

Enzo hatte mir gesagt, dass sich der Widerstand, angeführt von Harry, nicht kampflos gegen die Todesser geschlagen geben würde. Dass es einen letzten Kampf geben würde. Und heute Abend war Harry zurück ins Schloss von Hogwarts gekehrt.

Und nun würde er uns alle ins Verderben führen.

In den Tod.

Eine Kälte aus Angst und Hoffnungslosigkeit erfasste mich, wie ich sie nie zuvor gespürt hatte und sickerte mir bis tief in die Knochen, als ich aus einem der Fenster des Ravenclaw Turmes blickte und einen schwarzen Schatten entdeckte, der über die Baumkronen des verbotenen Waldes wie ein Pfeil durch die Luft schoss, bevor er in einem goldenen Funkenregen, der an eine Sternschnuppe erinnerte, gegen eine bläulich schimmernde Barriere prallte, die sich um das Schloss herum zu formen begann.

Ein Schutzzauber.

Doch auch wenn der Anblick des mächtigen Zaubers, der vielleicht auf den ersten Blick Sicherheit vor der Dunkelheit Lord Voldemorts und seinen kaltblütigen Todessern versprach, die schon seit vielen Monaten Angst und Schrecken in Großbritannien verbreiteten und die sich nun Zutritt zum Schloss zu verschaffen versuchten, so bedeutete er auch vor allem eines;

es gab keinen Weg mehr hinaus aus dem Schloss.

Wer auch immer die Schutzzauber heraufbeschworen hatte, hatte Hogwarts zu einem Gefängnis gemacht.

Und falls es doch jemandem gelang ihn zu durchdringen, musste man es erst hinter die Tore schaffen, die unten im Dorf von Hogsmeade standen, um dann hinter der Barriere apparieren zu können.

Den Zauberstab in meinen zitternden Händen umklammert, durchquerte ich den sich immer weiter leerenden Gemeinschaftsraum und rannte auf wackligen Knie die Treppen hinab, stolperte durch die offene Tür und vorbei an dem steinenden Adler, der den Eingang zum Ravenclaw Turm bewachte.

Die Luft wich aus meinen Lungen, als ich im nächsten Moment mit voller Wucht mit jemandem zusammenprallte, der die Treppen hochgerannt kam.

Warme Hände legten sich auf meine Hüften und bewahrten mich vor dem Sturz die Steintreppen hinab, bei dem ich mir sicher sämtliche Knochen gebrochen hätte. Benommen blinzelte ich und hätte vor Erleichterung beinahe geschrien, als ich in die haselnussbraunen Augen meines Bruders blickte.

»Enzo«, stieß ich erleichtert hervor und drückte ihn kurz an mich. »Ich weiß nicht was passiert ist. Ich war bis gerade unten in den Gewächshäusern und als ich zurückgekommen bin waren alle in Panik und—«, doch als ich die Angst in den Augen meines Bruders bemerkte, blieben mir die Worte im Hals stecken.

Enzo war ein Slytherin und er war furchtlos.

Er hatte niemals Angst.

»Der Orden ist hier. Potter sucht irgendetwas, was er gegen den dunklen Lord einsetzen will und was angeblich hier in Hogwarts versteckt ist. Sie haben Snape und die Carrows vertrieben und McGonagall und Flitwick haben angefangen das Schloss zu sichern aber es wird einen Kampf geben, einen heftigen Kampf.« Nervös blickte er aus dem Fenster.

»Du musst hier sofort weg, Amelie.«

Voller Entsetzen starrte ich ihn an.

Du.

Nicht wir.

Enzo würde hierbleiben, er würde kämpfen.

Doch bevor ich ihm sagen konnte, dass ich nicht ohne Mattheo, ohne Clara und vor allem nicht ohne ihn gehen würde, zog er mich schon die Treppen des Turmes hinab, seine warme Hand fest in meiner.

Sie zitterte.

Einen Augenblick war mir, als hätte ich in der Menge Luna und Harry an uns vorbei rennen sehen und als ich meinem Bruder einen kurzen Seitenblick zuwarf, wusste ich, dass es keine Einbildung gewesen war.

In seinen Augen lag nichts als Kummer.

»Enzo—«

»Wir müssen zum Haupttor«, murmelte er, als wir den Treppenabsatz erreichten. Er sprach kein Wort, während wir Hand in Hand durch die düsteren Flure der Akademie rannten und dabei verängstigten Schülern, sowie Lehrkräften, Pfützen von Erbrochenem und verlassenen Koffern auswichen. Selbst Peeves war nicht zu Scherzen aufgelegt und hatte sich in einer Ecke verkrochen.

Keuchend liefen wir an der große Halle vorbei und Richtung Haupttor, als uns Theodore entgegen kam.

»Apparierbarriere«, brachte er keuchend hervor und wischte sich mit dem Ärmel seiner zerrissenen Uniform den Schweiß aus dem Gesicht. »Es gibt keinen Weg mehr vom Schlossgelände herunter, selbst nicht hinter der Lücke, die wir gefunden hatten.«

Mein Bruder erbleichte.

»Nein das geht nicht. Ich muss sie hier weg bringen«, schrie er Theodore fast an, den ich nie zuvor so blass gesehen hatte. »Fanculo, ich weiß«, fluchte der italienisch stämmige Slytherin und verlangsamte mit einer flinken Drehung seine Handgelenkes den Sturz einer Erstklässlerin aus dem Haus Gryffindor, die einige Meter entfernt über einen Koffer stolperte.

»Fuck«, fluchte Enzo und fuhr sich mit seiner Hand durch sein dunkelbraunes Haar. »Ich verstecke sie irgendwo unten in den Kerkern«, sagte mein Bruder zu seinem Freund. »Wir treffen uns in fünf Minuten draußen vor der Brücke.« Seine Hand zitterte in meiner, als er hinzufügte. »Wo ist Mattheo?«

Theodores Miene verfinsterte sich.

»Ich weiß nicht wo er ist«, entgegnete er grimmig, öffnete dann noch einmal den Mund, doch als sich unsere Blicke begegneten, schluckte der Slytherin das, was er noch hatte sagen wollen, wieder herunter.

Enzo nickte nur und bevor ich die beiden Jungs anschreien konnte, dass wir ihn unbedingt finden mussten, zog mich Enzo in Richtung der Kerker.

Als wir in den Korridor abbogen, in dem sich die steinerne Schlange befand, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum der Slytherin bewachte, schlug uns plötzlich beißender Qualm entgegen. »Hier entlang«, rief Enzo mir zu und zog mich weiter, tiefer und tiefer in Herz des Schlosses hinein. Zitternd klammerte ich mich an seiner Hand fest, als er plötzlich am Ende eines düsteren Flures stehen blieb.

Schwer atmend packte er den Rahmen eines verlassenen Gemäldes und ich schüttelte heftig den Kopf, als dahinter ein kleiner Raum zum Vorschein kam, gerade groß genug, um mich zu verstecken.

»Nein«, flehte ich meinen Bruder an und packte seine Hand nur noch fester, als er sie aus meiner zu lösen versuchte. »Nein ich will bei dir bleiben, Enzo.«

Tränen liefen mir über die Wangen, während ich mit einem Flehen in den Augen zu ihm aufsah.

»Ich weiß, Liebes.«

Seine Stimme war nichts als ein heiseres Flüstern.

Er lehnte sich vor und küsste meine Stirn. »Ich kann dich da nicht rausgehen lassen. Die Todesser—«, er schluckte schwer. »Sie machen keine Gefangenen, Amelie. Sie töten jeden, der nicht auf ihrer Seite ist.«

»Bitte lass mich mitkommen«, schluchzte ich.

Enzo lehnte seine Stirn eng an meine. »Mum wird mir nie verzeihen, wenn dir etwas geschieht«, flüsterte er unter Tränen und küsste noch einmal meine Stirn, diesmal inniger, verzweifelter. »Genau so wenig wie Dad und—«, doch seine Stimme brach.

Mattheo.

Mattheo würde ihm nie verzeihen.

»Theo«, brachte ich schluchzend hervor und packte seinen Arm. »Du musst ihn finden bevor sein Vater ihn findet und ihn zwingt sich auf seine Seite zu stellen.« Enzo nickte. »Ich suche ihn und dann komme ich zurück.« Ich weinte bittere Tränen, als er meine Hand losließ und mich flehend ansah. »Bitte versteck dich, Amelie. Und komm bloß nicht raus.«

Ich presste die Lippen aufeinander und schluckte, doch als eine weitere Explosion irgendwo in den oberen Stockwerken des Schlosses die Wände erzittern ließ, kletterte ich in das Loch hinein.

Es war kalt und schmutzig und ich hasste es.

»Versprich mir, dass du hier bleibst, bis ich zurück komme.« Unsere Hände fanden ein letztes Mal zueinander. »Bitte versprich es mir, Schwesterherz.«

Ich nickte und schlang die Arme um die Knie, während er das Portrait zurück an seinen Platz schob. Einen Moment befürchtete ich, ich würde in völliger Dunkelheit ausharren müssen, doch ich konnte aus meinem Versteck durch das Portrait hindurchsehen.

Enzo hob seinen Zauberstab und murmelte einen Wärmezauber, der sich wie eine kuschelig warme Decke über meine zitternden Schultern legte, gefolgt von einem Schutzzauber nach dem anderen und zum Schluss einen Desillussionierungszauber, der das Portrait vor meinem Versteck vollkommen verbarg.

»Bis gleich«, hörte ich die gedämpfte Stimme meines Bruders durch die Magie dringen und lauschte dem dumpfen Geräusch seiner davon hallenden Schritte, bevor ich mich auf den staubigen Boden zu einer kleinen Kugel zusammenrollte und ein Stoßgebet nach dem andern an Merlin entsandte, damit er ihn und meine Freunde heute Nacht beschützte.

Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit verstrichen war, doch es mussten Stunden vergangen sein, in denen ich so dagelegen und den Kampfgeräuschen gelauscht hatte, die das Schloss immer wieder erzittern ließen.

Enzo kehrte nicht zurück.

Sein Wärmezauber war längst abgeklungen, doch ich schaffte es nicht meinen Zauberstab aus meinem staubigen Schulumhang hervorzuziehen und ihn zu erneuern, konnte mich keinen Zentimeter bewegen, denn mein gesamter Körper war gelähmt. Wie in Trance kauerte ich zusammengerollt in meinem Versteck, gefangen in den Klauen meiner Angst.

Irgendwann hörte ich Schritte und dann eine mir nur allzu vertraute Stimme, die meinen Namen rief.

Nein, die meinen Namen schrie.

Verzweifelt, so verzweifelt.

Ich kannte diese Stimme, liebte diese Stimme, liebte es, dem hübschen Jungen zu dem sie gehörte meinen Namen sagen zu hören, denn es bereitete mir jedes Mal Millionen von Schmetterlingen im Bauch.

Theo.

Mein Theo.

Meine Lippen bewegten sich um seinen Namen zu rufen, um ihm zu sagen, dass ich hier war, ganz in der Nähe. Doch kein Laut drang aus meiner Kehle.

Vergeblich versuchte ich mich aufsetzen, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Ich wusste, dass ich unter Schock stand, hatte darüber in einem der vielen Bücher über Heilkunde gelesen, die ich besaß.

Katatonischer Schock durch Trauma, wahrscheinlich ausgelöst durch die Schreie meiner sterbenden Mitschüler, denen ich schon seit Stunden lauschte.

»Amelie

Wieder schrie er nach mir.

»Mattheo«, formte mein Mund lautlos seinen Namen. »Ich bin hier Theo, ich bin hier

Mattheo schrie und schrie meinen Namen und mit jedem Mal, dem ich seinem Ruf nicht antworten konnte, bekam ich einen neuen Riss im Herzen.

Tränen liefen mir über die Wangen, als ich durch den Desillusionierungszauber eine Silhouette erkennen konnte. Ein hochgewachsener Junge mit chaotischem Haar und einem langen dunklen Umhang, der ihm trotz der Windstille um den Körper wehte.

Doch da waren auch Schatten.

Flüsternde Schatten die ihn umwaberten, wie es nur die Nacht selbst bei den dunkelsten aller Zauberern tat. Und als er sich umdrehte, glitzerte im schwachen Licht der Fackeln etwas silbernes auf seinem Gesicht.

Aber das konnte nicht sein.

»AMELIE

Es war seine Stimme, doch es war nicht Theo.

Es konnte nicht Theo sein.

Ich rollte mich enger zusammen und verbarg das Gesicht in meinem tränennassen Umhang. Ich schloss die Augen und summte eine leise Melodie, wartete auf Enzo und auf den echten Mattheo, der keine nachtschwarze Uniform und auch keine silbrig schimmernde Todesser Maske auf dem Gesicht trug.

Meinen Theo, der immer zu mir zurückkommen würde, so wie er es versprochen hatte. Der mir hoch und heilig geschworen hatte mich und meine Familie vor der Dunkelheit seines Vaters zu beschützen.

Unsere Welt vor seinem Hass zu beschützen.

Ich dachte an den Jungen mit den dunklen Locken und den süßen Grübchen, den besten Freund meines Bruders. Dachte an die heimlichen Küsse, die wir miteinander geteilt hatten. Die sehnsüchtigen Blicke, die wir einander schon seit einer ganzen Weile zuwarfen, wenn niemand hinsah. Ich schloss die Augen und fühlte wie die Erinnerung an seine raue Hand in meiner meinen Körper mit Wärme flutete.

Und während um mich herum mein über alles geliebtes Hogwarts in nichts als Staub und Ruinen zerfiel und das Lied des Todes durch die Kerker hallte, dachte ich an den Sohn Lord Voldemorts, in den ich mich so verliebt hatte. Ohne zu wissen, dass er mir noch in dieser Nacht das Herz aus der Brust reißen und mein Leben für immer verändern würde.

FLASHBACK ENDE

𓆙

Narben verblassten und doch würde man nie ganz vergessen, wie sehr sie einmal geschmerzt hatten.

Mit zitternden Fingern glitt ich über das Kunstwerk purer Traurigkeit, das die dunkelste Zeit meines Lebens auf meinem Körper hinterlassen hatte. Oft mit meinem Zauberstab, der sich durch ein Flüstern von mir in alles verwandelte was ich ihm befahl, doch manchmal auch mit einer Rasierklinge.

Meine letzte Therapiestunde war schon einige Tage her, doch immer noch fühlte ich nichts als tiefe Dankbarkeit, seit ich in den kleinen, nach Staub und Heilkräutern duftenden Raum mit den rissigen Tapeten getreten- und dort von Adalyne begrüßt worden war, der Heilerin, die mich die letzten Jahre betreut hatte und die aufgrund ihres unklaren Blutstatus aus dem St Mungo entlassen worden war.

Und ich musste nicht nachfragen um zu wissen, dass es Mattheo gewesen war, der sämtliche Dokumente gefälscht— und Gehirne manipuliert haben musste, um ihr eine Rückkehr zu ermöglichen und mir damit die Angst vor den Therapiestunden mit dem neuen unfreundlichen Heiler zu nehmen, die mich jedes Mal schon die Nacht vorher kaum hatte schlafen lassen.

Mattheo gab sich die Schuld an allem, was mir in den letzten zwei Jahren widerfahren war. An meiner Angststörung, die es mir unerträglich machte eine längere Zeit unter vielen Menschen zu sein, den Depressionen, die mich an manchen Tagen nicht mal das Bett verlassen ließen, sowie den Schuldgefühlen die mich heimsuchten, weil ich überlebt hatte, während Clara und meine Freunde gestorben waren.

Schuldgefühle, die regelmäßig im selbstverletzenden Verhalten endeten. So wie auch Mattheo sich selbst verletzt hatte, seinen Körper für das bestraft, was er in dieser Nacht hatte tun müssen, als er auf der Suche nach mir im Pokalzimmer auf Clara getroffen war.

Clara, die sich mutig gegen den Todesser gestellt hatte, ohne zu wissen, welches Gesicht sich unter der Maske ihres Gegenübers verborgen hatte. Ohne zu wissen, dass Mattheo keine andere Wahl gehabt hatte, als sie zu töten. Denn nur eine einzige Sekunde des Zögerns hätte seinen eigenen Tod bedeutet.

Auch wenn ich wusste, dass er lieber gestorben wäre, als mir einen solchen Schmerz hinzuzufügen. Doch Mattheo hatte diese düstere Welt nicht verlassen können, ohne zu wissen, dass ich in Sicherheit war.

Ich hatte lange gebraucht, um es zu verstehen.

Und noch länger, um ihm verzeihen zu können.

Meinem Theo verzeihen zu können, dass er mein Leben, nicht nur über seines sondern auch über das von Clara und jedem meiner Freunde gestellt hatte.

Doch eines hatte ich bis heute nicht geschafft.

Mir selbst zu verzeihen.

Denn nur wegen mir war er in dieser Nacht die steinernen Stufen des Südturmes hinaufgestiegen um an dem einen Ort nach mir zu suchen, von dem er wusste, dass er mir und meinen Freunden stets ein Rückzugsort gewesen war. Nur wegen mir, würden meine Freunde heute Abend nicht bei mir sein.

Meine geliebte Clara würde nicht bei mir sein.

Am wichtigsten Tag meines Lebens.

Meine Beine zitterten, als ich meine Finger über die erste Narbe oberhalb meines linken Knies gleiten ließ, die ich mir aufgrund der Schuld die ich an ihrem Tod trug, hinzugefügt hatte. Sie war so tief gewesen, dass man sie mit zehn Stichen hatte nähen müssen.

Nie würde ich den Ausdruck in den Augen meines Bruders vergessen, als er davon erfahren hatte.

Sein Schmerz suchte mich immer noch heim, doch es war nie Zorn gewesen, den Enzo mir gezeigt hatte.

Immer nur Verständnis.

Und Liebe, so unendlich viel Liebe.

Stumm blickte ich auf meine Narben, fühlte wie sie zu kribbeln anfingen, als ich an die Nächte zurückdachte, in denen Mattheo sie geküsst hatte, nachdem wir wieder zueinander gefunden hatten. In denen er all meine hässlichen Narben geküsst hatte und sie mit jedem Kuss etwas mehr geheilt waren.

Und dann hatte ich auch seine geküsst.

Wir waren beide so unendlich kaputt, unsere Herzen zersprungen wie ein Spiegel, in den man seine Faust gerammt hatte, um seiner Wut irgendwie Ausdruck zu verleihen. Doch das Band, das unsere Seelen verband, hielt die Scherben zusammen, in die unser Leben seit der Rückkehr Voldemorts zerbrochen war.

Und vielleicht, wenn all das hier vorüber war, konnten wir endlich gemeinsam anfangen zu heilen.

Ich hob das Kinn und wischte mir eine Träne von der Wange, die letzte aus Kummer, die ich mir an diesem Tag zu weinen erlaubte. Denn ich hatte beschlossen, dass der erste Schritt meiner Heilung heute stattfand.

Am Tag meiner Hochzeit mit dem Jungen, der mir alles genommen und doch auch alles gegeben hatte.

Heute würde ich Mattheos Frau werden.

Heute würde ich ihn heiraten, würde seinen Ring tragen und offiziell seinen Namen annehmen, bevor wir die Dunkelheit vertreiben und den Sternen am Nachthimmel ihr Leuchten zurückgeben würden.

Mein Blick fiel auf den Ring an meinem linken Ringfinger und als hätte die Magie des polierten Silbers meine Gedanken gelesen, schickte sie mir zur Antwort das glitzernde Sternenlicht entgegen, das Mattheo für mich darin eingefangen hatte.

Damit ich niemals die Hoffnung aufgab.

Niemals aufhörte zu kämpfen, auch wenn das an manchen Tagen alles war, was ich mir wünschte.

Doch wir waren nun so kurz vor dem Ziel.

Wenige Tage vor dem großen Finale.

Und statt der jungen Ravenclaw, für die gute Noten früher alles gewesen waren, blickte mir nun eine Slytherin entgegen. Älter, entschlossener, mutiger.

Und ich würde mir nehmen, was mir zustand.

Meine Freiheit.

Ein leises Klopfen an der Tür, riss mich aus meinen Gedanken. »Herein«, murmelte ich und ließ den Stoff meines samtenen Morgenmantels rasch wieder über meine Beine fallen, verdeckte meine Narben.

»Hab mir gedacht, dass du schon wach bist«, erklang die Stimme meines Bruders, bevor auch schon der herrliche Duft von Kaffee wie eine Frühlingsbrise in den Raum wehte. Ein Stöhnen entglitt meinen Lippen, als sich meine Finger um den dampfenden Becher schlossen, den er mir mit einer Drehung seines Handgelenkes entgegen schweben ließ. Vanille und etwas Zimt, so wie ich ihn am liebsten trank.

Enzo lehnte sich über das Sofa und streichelte Snowball, die auf den Samtkissen schlummerte. Mein Blick fiel auf die kleine Schachtel, die er unter dem Arm trug. Er bemerkte es und grinste. »Oh, das kam ohne Absender, aber ich habe da so eine Ahnung.«

Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus, als ich mich aufs Bett setzte um die Schachtel zu öffnen und schoss in meine Wangen wie ein goldener Schnatz, als ich die Schleife löste und sah, was sich darin befand, sorgsam eingebettet in edles Papier.

Mein Gesicht brannte wie Feuer, als ich die Karte laß, die beigelegt worden war. Schmetterlinge flatterten in meinem Bauch auf und ab, während ich die frechen Worte, der mir nur allzu vertraute Handschrift las.

war dir noch etwas schuldig ;)

PS: Kann es kaum erwarten,
dir das hier heute Nacht wieder
herunterzureißen, Mrs Riddle.

M.R

Ich presste die Lippen aufeinander, um ein Grinsen zu unterdrücken, während ich die nachtschwarzen Dessous betrachtete, die sich in der Schachtel befanden und die definitiv die hinreißendsten und sexiesten waren, die ich jemals besessen hatte.

Das Oberteil bestand aus einer Korsage mit zahlreichen schwarzen Samtschleifen und kleinen Diamanten, die in das Rückenteil eingearbeitet waren und an einen Sternenschauer erinnerten, der sich über den Stoff ergoss. Mein Herz klopfte vor Entzückung und ich war froh, dass Pansy und Astoria schon heute Nachmittag ins Berkshire Manor kamen, denn allein kam ich in dieses Teil sicher nicht hinein.

Und meine Mutter, geschweige denn meinen Bruder um Assistenz zu bitten, stand nicht zur Debatte.

Der String war ein spitzenbesetzter Hauch von absolut Nichts und ich schüttelte grinsend den Kopf, als ich meine Finger über die halbtransparenten Strümpfe gleiten ließ, die daran befestigt waren.

Kniestrümpfe.

Diese Dessous waren absolut teuflisch, genau wie das Grinsen des attraktiven Lockenkopfes sein würde, wenn er sie mir in der Hochzeitsnacht vom Leib riss.

So sehr ich mich auch vor dem heutigen Abend fürchtete, die Nacht würde Theo und mir gehören.

Nur uns ganz allein.

Als ich wieder aufsah, bemerkte ich, dass Enzo sich interessiert meiner Tapete zugewandt hatte. »Ich tue mal so, als hätte ich das nicht gesehen, Schwesterherz«, sagte der Slytherin und seufzte.

Ich kicherte, legte die Schachtel auf mein Bett, bevor ich aufstand und ihm die Arme um den Hals schlang.

»Wann bist du nur so erwachsen geworden?«, seufzte er wieder und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn.

»Ich war schon immer die erwachsenere von uns beiden«, entgegnete ich lächelnd und stupste ihn spielerisch in die Rippen, bevor ich ihn vielsagend angrinste. »Ach, ist das so?« Er hob eine Braue.

»Allerdings.« Mein Grinsen bekam einen teuflischen Charme. »Ich hatte mit Fünfzehn nämlich keinen Sex im schwarzen See, während mir andere dabei—«, doch Enzos nonverbaler Schweigezauber versiegelte meine Lippen, bevor ich den Satz beenden konnte.

»Pansy dieses verfluchte Plappermaul«, stöhnte mein Bruder und rieb sich kopfschüttelnd die Schläfen.

Ich grinste angesichts der Tatsache, dass niemand anderes als Pansy Persephone Parkinson meinen Bruder entjungfert hatte— sogar mit Publikum.

Ich würde der dunkelhaarigen Schönheit— und Lucifer, der sie am Abend von Astoria und Dracos Trauung abgefüllt hatte, für immer dankbar sein, dass sie dieses eine Detail über meinen Bruder ausgeplaudert hatte, das mich ihn niemals wieder als den Gentleman sehen ließ, der er stets zu sein vorgab.

Mit einem Schnipsen hob ich seinen Silencio wieder auf, verzichtete angesichts der Röte auf seinen Wangen jedoch darauf, die Jugendsünden meines Bruders weiter breit zu treten. Kichernd kuschelte ich mich in den weichen Stoff seines slytheringrünen Pullovers und atmete seinen vertrauten Duft ein.

»Bist du bereit für heute Abend?«

Ich schlang die Arme enger um ihn, während er das Kinn auf meinem Kopf abstützte. »Ja«, flüsterte ich, obwohl dem nicht so war und versuchte nicht an die vielen Menschen zu denken, die heute im Riddle Manor anwesend sein würden, um die Hochzeit von Lord Voldemorts Sohn und Erben zu bezeugen.

Eine Hochzeit, die diesmal auch stattfinden würde.

Das größte und letzte Event, was das dunkle Regime ausrichten würde, bevor wir es zerschmetterten.

Als wir uns voneinander gelöst- und mein Bruder mich wieder allein gelassen hatte, griff ich in meine Schultasche, zog eine gläserne Phiole mit einer farblosen Flüssigkeit daraus hervor und platzierte sie neben den zahlreichen Beruhigungstränken, von denen ich heute sicher einige brauchen würde um den Abend ohne Panikattacken überstehen zu können, in meinem perlenbesetzten Brauttäschchen.

Nur für den Fall.

𓆙

bin nicht bereit für das was jetzt kommt..
& amelie und theo auch nicht..
I'm so sorry <3

überraschung kommt im nächsten kapitel,
wenn ihr es lest dann wisst ihr wieso ♡

Bitte denkt ans voten, danke <3

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