42. cabin in the woods
TW: Beschreibung von
Verletzungen, Trauma
For those I love, I will sacrifice.
A M E L I E
Seine rauen Finger waren mit meinen fest verschlungen, während sich die Welt um uns herum für einige sich endlos anfühlende Sekunden drehte, bevor wir schließlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Der vertraute Geruch von Regen und feuchtem Moos lag in der Luft und noch bevor ich die Augen langsam wieder öffnete, während ich mich an Mattheos muskulöse Schulter lehnte und den Schwindel in meinem Kopf veratmete, wusste ich bereits, wo uns der Lockenkopf hingebracht hatte.
Der verbotene Wald summte nur so vor Magie, während wir ohne ein weiteres Wort und damit wertvolle Zeit zu verlieren Hand in Hand durch die eng beieinander stehenden Kiefern rannten, deren tiefgrüne Blätterkleider immer dichter zu werden schienen, je tiefer wir ins Herz des Waldes vordrangen, bis es irgendwann so dunkel war, als wäre die Nacht bereits über uns hereingebrochen.
Regen perlte mir in eisigen Tropfen auf die Stirn und ein schauriges Frösteln lief mir über die Wirbelsäule, als ich in der Ferne die zornigen Rufe von Zentauren ausmachen konnte. Ich warf einen nervösen Blick auf den hübschen Jungen an meiner Seite, dessen leicht gebräuntes Gesicht beunruhigend blass war.
Mattheo spürte meinen Blick und sah mich an.
Einen Moment war mir, als würde ich Tränen in seinen tiefbraunen Augen glitzern sehen, bevor er sie hastig davon blinzelte. Tränen der Angst, die der Erbe Slytherin um einen seiner ältesten Freund hatte.
Um Theodore.
Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich darüber nachdachte, wie schlimm seine Verletzungen sein mussten, wenn Mattheo keine andere Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, als mich in das miteinzubeziehen, vor dem er mich die letzten Monate so verzweifelt zu beschützen versucht hatte.
Vor dem sie mich alle beschützt hatten.
Auch mein großer Bruder.
Ich öffnete den Mund um Mattheo zu fragen, wo Enzo nur steckte, als er mich plötzlich an der Hüfte packte und herumwirbelte. Mit einem erschrockenen Aufschrei taumelte ich und stieß hart gegen seine unnachgiebigen Muskeln, bevor ich entsetzt auf den Pfeil starrte, der so eben an mir vorbei geschossen war und dabei leicht meine Wange gestreift hatte.
»Bist du okay?«, fragte er mit angespanntem Unterkiefer und strich mir mit dem Daumen den Blutstropfen davon, der mir übers Kinn tropfte.
Ich nickte und starrte ihn mit klopfendem Herzen an, dankbar über die trainierten Reflexe der Todesser.
Seine Augen glitten über den Schnitt an meiner Wange, als sie sich plötzlich mit Dunkelheit füllten.
Im nächsten Moment zog Mattheo mich hinter sich und richtete seinen Zauberstab auf einen Zentaur, der nun vor uns zum Stehen kam und einer der Hauptgründe darstellte, weshalb es Schülern von Hogwarts verboten war, den Wald zu betreten.
Angriffslustig scheute das Wesen des Waldes die Hufe, um Mattheo einen aggressiven Tritt zu versetzten, doch eine lässige Drehung aus seinem Handgelenk und der Zentaur stolperte rücklings zurück in den Wald und stieß gegen einen Baum.
Die onyxfarbenen Augen des Mannes, dessen Körper halb Mensch und halb Pferd war, doch dessen brillanter Verstand jedem atmenden Lebewesen auf der Erde überlegen war, waren voller Hass auf ihn gerichtet und die Ader an seiner Stirn pulsierte.
Eine Weile starrten die beiden sich an, als wollten sie einander die Kehlen herausreißen, dann ließ der Zentaur ein so dämonenhaftes Knurren aus seiner Kehle dringen, das meine Knie vor Angst zitterten.
Zeit.
Wir verloren wertvolle Zeit.
Dann fielen seine Augen plötzlich auf mich und etwas an der Art wie er mich ansah, so voller Mordlust und gleichzeitig doch auch Faszination— irritierte mich.
Wieso starrte er mich so an?
»Sieh sie verdammt nochmal nicht so an«, drohte Mattheo ihm knurrend, woraufhin der Kopf des wild aussehenden Zentauren wieder ruckartig in seine Richtung zuckte. Er straffte die muskulösen nackten Schultern, bevor er mit einem boshaften Grinsen einen Schritt auf Mattheo zu trat— offenbar um ihn mit seiner Größe einzuschüchtern, die trotz seiner menschlichen Züge nichts humanes an sich hatte.
Doch Mattheo rührte sich nicht.
Keinen einzigen verdammten Zentimeter.
Mein Blick fiel auf die Pfeile, die in dem Beutel auf seinem Rücken steckten und an deren mörderisch scharfen Spitzen etwas klebte, das aussah wie Haut.
Fetzen menschlicher Haut.
»Theo.« Ich drückte warnend seine Hand, doch Mattheo schien es überhaupt nicht wahrzunehmen.
Der Zentaur legte den Kopf leicht schief, woraufhin ihm sein langes dunkelbraunes Haar nach vorn fiel.
»Habe ich mich nicht unmissverständlich ausgedrückt, als ich dir beim letzten Vollmond gesagt habe, was passieren wird, wenn du es wagst die Dunkelheit in meinen Wald herzubringen, Mattheo Marvolo Riddle, Erbe des großen Salazar Slytherin?«, sprach der Zentaur mit seiner Mitternachtsstimme, in der nur Spott und Hohn lag, bevor er es riskierte, einen weiteren Blick in meine Richtung zu wagen.
Nervös sah ich zu Mattheo, der ebenfalls seine Schultern gestrafft hatte und doch immer noch ruhig wirkte— bis auf das angriffslustige Funkeln in seinen dunklen Augen, das nichts als rohe Gewalt versprach.
»Bane«, zischte der Erbe Slytherins, seine Stimme so giftig, wie das Tier auf dem Wappen seines Hauses.
Unseres Hauses.
Banes Augen verengten sich und er sah ihn an, als wäre sein Name aus Mattheos Mund eine Beleidigung gewesen, die ihn in Stolz und Ehre verletzt hatte.
»Ich werde später zurückkommen um dir dein verrottetes Herz aus der Brust zu reißen, dafür, dass dein Pfeil meine Frau verletzt hat, doch jetzt geh mir aus dem Weg oder ich schicke auch noch deine ganze verfluchte Rasse mit dir in die Hölle«, drohte Mattheo dem Zentaur und jagte ihm einen dunklen Fluch entgegen, dem Bane jedoch geschickt auswich.
Wäre die Situation nicht so dramatisch gewesen, hätte ich Mattheo auf der Stelle gezeigt, wie viel es mir bedeutete, dass er mich seine Frau genannt hatte.
»Nicht mit ihr«, sagte Bane mir ruhiger Stimme, woraufhin Mattheo mich nur noch enger an sich zog.
Mit einem schier gelangweilten Ausdruck starrte der Zentaur auf Mattheo herab und scharrte dann schnaubend mit den Hufen. »Ihr Magier seit wirklich erbärmlich«, sagte er und nickte mit dem stoppeligen Kinn in Richtung seines Zauberstabes. »Wenn du wirklich denkst, du könntest einen Wächter des Waldes mit einem funkensprühenden Stück Holz—«
»Ich zeig dir gleich, was ich alles mit—«, doch Mattheos giftspeiende Worte gingen in einem gellenden Schmerzensschrei unter, der in einem grauenerweckenden Echo durch den Wald hallte.
Auch Bane horchte auf, doch es war kein Schrei, der von einem Zentaur oder einem anderem magischen Geschöpf stammte. Es war ein menschlicher Schrei.
Qualvoll und aus tiefster Kehle.
Theodore.
Als wir uns bewegten, stellte sich Bane uns jedoch in den Weg und spannte einen Pfeil in seinen Bogen.
»Lauf«, rief Mattheo mir zu und schoss einen wegweisenden Zauber in die Richtung in die ich gehen sollte, bevor er seinen Zauberstab wieder auf Bane richtete. Kurz zögerte ich, doch dann rannte ich.
Ich spürte die Augen des Zentaur auf mir, fühlte, dass er mich beobachtete wie ein Jäger seine Beute, doch ich wusste, dass Mattheo es niemals zulassen würde, dass er mir folgte. Die Bestätigung meiner Gedanken folgte, als die Dunkelheit des Waldes von Lichtblitzen erhellt wurde, die er ihm nun entgegen schleuderte.
Wieder drangen Schreie durch den Wald, diesmal näher. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie einer von Mattheos Flüchen in einen Baum krachte und ihn samt Wurzel aus dem Boden riss. Ich zog meinen Zauberstab und rannte auf eine Lichtung zu, bis ich plötzlich über etwas stolperte. Ich kniff die Augen zusammen um mich auf den Sturz vorzubereiten, doch schwebte nur sanft zu Boden— mein Aufprall abgefangen von der kraftvollen Magie, die in diesem Teil des Waldes wie ein Kolibri in der Luft schwirrte.
Irritiert blinzelte ich und als ich mich aufrichtete, sah ich, dass meine Hände voller Blut waren. Ich drehte die Handflächen und suchte sie nach Verletzungen ab, bis mir klar wurde, dass ich in eine Blutlache gefallen war, die sich mitten auf der Lichtung befand.
Ruckartig hob ich den Kopf und— nichts.
Auf dieser Lichtung befand sich rein gar nichts.
Und doch spürte ich etwas, konnte beinahe hören, wie die Magie an diesem Ort nach mir rief, als würde sie mich kennen— als wäre sie in mir und würde mit der in meinem Blut im Einklang singen.
Meine Augen leuchteten, als ich verstand.
Es war Enzos Magie.
Mein Bruder hatte diesen Ort mit einem Blutzauber verborgen was bedeutete, das Blut der Schlüssel war.
Mein Blut.
Meine Finger tasteten nach dem Schnitt auf meiner Wange und drückten die verletzte Haut gewaltsam zusammen. Mit einem leisen Zischen presste ich die Zähne fest aufeinander, als ein Tropfen Blut daraus hervorquoll und auf den Laubboden tropfte. Und plötzlich hörte ich den Schrei erneut, den ich nun eindeutig Theodore zuordnen konnte, gefolgt von einem verdammt schmutzigen Fluchen— Lestrange.
Ich verlor keine weitere Sekunde und rannte auf die Holzhütte zu, die inmitten der Lichtung aufgetaucht war. Das erste, was ich wahrnahm, als ich durch die Tür in die schwach beleuchtete Kabine stürzte, war der vertraute, metallische Geruch von Blut.
Doch die gigantische Blutlache auf den Holzdielen unter mir war es nicht, die mir jetzt einen eisigen Schauer über die Wirbelsäule schickte, es war die dunkle Magie, die sich hier drin ausgebreitet hatte.
Ohne darüber nachzudenken, hob ich meinen Zauberstab und jagte sie davon, nur um sie einen Augenblick später wieder um mich zu haben.
Noch düsterer und stickiger als zuvor.
Ich fluchte und schirmte mein Gesicht mit meinem Arm ab, während ich den Flur durchquerte, den Blick zu Boden gerichtet, um nicht auszurutschen. Nach einigen Sekunden erreichte ich den Wohnraum der Hütte und unterdrückte einen entsetzten Schrei.
Eine eiskalte Hand krallte sich um mein Herz, als ich Theodore entdeckte, der mit dem Rücken auf einem langen Holztisch in der Mitte des Raumes lag, die Todesser Uniform zerfetzt und blutdurchtränkt, die sonst so gebräunte Haut des attraktiven italienisch stämmigen Zauberers nun besorgniserregend blass.
Mein Blick glitt höher, doch sein hübsches Gesicht war von den massigen Schultern des Todessers verborgen, der über ihm stand und eine Hand auf die klaffende Wunde auf seinem Bauch drückte, um den honigblonden Slytherin am verbluten zu hindern.
Fluchend stürzte ich nach vorn, woraufhin der Todesser an seiner Seite den Kopf hob. Als er mich erkannte, spiegelte sich für den Hauch einer Sekunde Erleichterung in seinem kristallblauen Augen, bevor sie wieder von Schmerz geflutet wurden.
Auch Lestrange war verletzt.
Wellen dunkler Magie strömten aus einer Fluchverletzung an seiner Schulter und fluteten die Hütte wie ein pulsierendes Herz kontinuierlich mit Schatten. Der Todesser sah aus, als wäre er durch die Hölle gegangen und ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken, als ich das blutverschmierte Schwert erblickte, das er auf den Rücken geschnallt trug.
Und ich hätte alles Gold aus den siebzehn Gringotts Verließen meiner Familie darauf verwettet, dass es das Schwert war, das von dort gestohlen worden war.
Der Fluch der auf dem blauäugigen Todesser lag, hatte die Narbe auf seinem Gesicht wieder aufreißen lassen und sorgte nun dafür, dass ihm dunkelrote Blutstropfen wie Tränen über die Wangen liefen und den dunklen Magier aussehen ließen, wie den gefallenen Engel, nach dem er benannt worden war.
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich abgelenkt von dem tragisch schönen Anblick, den Lucifer bot, bis ich realisierte, was der Fluch bewirken würde.
Die schwarze Magie, die ihn in der Schulter getroffen hatte setzte seine Gerinnung außer Kraft und würde ihn langsam verbluten lassen. Ein kraftloses »Hey«, war alles, was Lucifer Lestrange zustande brachte, während er gegen die Erschöpfung durch seinen Blutverlust ankämpfte, die ihn jede Sekunde zu überwältigen drohte. Ich warf ihm einen besorgten Blick zu, bevor ich mich über Theodore beugte.
Seine Augen waren geschlossen und er schien jetzt Merlin sei Dank bewusstlos zu sein. Auf seiner Wange befand sich ein langer Kratzer, aus dem unaufhörlich kleine Blutstropfen hervorquollen. Mit einer geübten Handbewegung heilte ich ihn, doch der Fluch war dunkel gewesen, weshalb ihm eine Narbe blieb.
Seine Atmung war flach, viel zu flach.
Ich blinzelte die Tränen davon, die mir angesichts der Schwere seiner Verletzung in die Augen geschossen waren und beschwor einen Diagnostikzauber über seinem Kopf herauf, der meine schlimmsten Vermutungen im nächsten Moment bestätigte.
Mit geschickten Fingern zupfte und zerrte ich an dem schwebenden Diagramm herum, um mehr Details zu bekommen, während ich in meinem Kopf eine Liste der Verletzungen mit oberster Priorität erstellte, um die Lestrange sich zum Teil bereits gekümmert hatte, bevor ich zu Boden sank und meine Tasche aufriss.
Ich griff nach zwei Phiolen mit Bluterneuerungstrank, drückte die eine an Theodore blasse Lippen und flößte ihm den Inhalt ein, bevor ich die andere Lestrange reichte. Er sagte kein Wort, als er den Kopf in den Nacken legte und den Trank seine Kehle hinunterstürzte. Ich hob die Hand um auch einen Diagostikzauber über seinem Kopf heraufzubeschwören, doch er knurrte ablehnend.
Plötzlich krachte es.
Vor den Fenstern war ein Baum eingestürzt.
»Was ist da draußen los?«, keuchte Luc, als hinter den Fenstern der Hütte immer wieder Lichtblitze aufflackerten, die an ein Gewitter erinnerten.
An ein smaragdgrünes, tödliches Gewitter.
»Da war ein Zentaur und Mattheo— Fuck.«
Entsetzt riss ich die Augen auf, als ich Lestranges Hand von Theodores Bauchwunde schob um sie inspizieren zu können, die so tief war, dass zum Teil seine Organe darunter zum Vorschein kamen.
Die Haut um die Wunde schien vollkommen verätzt zu sein. Schnell drückte ich einen Stapel saubere Kompressen drauf. Doch das, was ihn verflucht hatte, frass sich im nächsten Augenblick wie die schwarzen Flammen eines Dämonsfeuers durch den Stoff und entlockte mir einen erschrockenen Aufschrei.
Ich kannte diese Symptome, denn ich hatte erst kürzlich in einem der zahlreichen Heilbücher die sich auf meinem Schreibtisch stapelten darüber gelesen, doch die Angst um Mattheo, die mich mit eiserner Faust unter Kontrolle hielt, seit ich ihn im Wald allein mit dem wütenden Zentaur zurückgelassen hatte, machte es mir schwer, mich zu konzentrieren.
»Verdammt hartnäckiger Säurefluch«, erklärte Lestrange mir mit grimmiger Miene, woraufhin sich meine Augen weiteten. »Ich habe alles um ein Gegenmittel zu mischen«, schrie ich ihn jetzt fast an, woraufhin Luc ein erleichtertes Seufzen von sich gab.
»Erinner mich daran, dich später dafür zu küssen, kleine Berkshire«, antwortete der ältere Todesser mit seinem üblichen Charme, was meine Wangen zum glühen brachte, während ich mich auf den Boden kauerte und schnell die Zutaten zusammen mischte.
Als ich fertig war, sprang ich wieder auf und brauchte einige ruhige Atemzüge, damit meine Hände nicht mehr zitterten, bevor ich sorgsam damit begann, die Tinktur auf die Wunde zu träufeln. Goldene Flammen ergossen sich über die Schwärze des Säurefluchs und begannen die dunkle Magie zu fressen. Das feurige Brennen des Gegenmittels riss Theodore aus seiner Bewusstlosigkeit, doch bevor ich Lestrange bitten konnte, den vor Schmerz nun schreienden Slytherin ruhig zu halten, hob dieser seinen Zauberstab und betäubte ihn blitzschnell mit einem Schockzauber.
Es war eine komplizierte Prozedur und als ich fertig war, liefen mir Schweißperlen über die Stirn. Ich wischte sie mit dem mittlerweile blutdurchtränkten Ärmel meiner Schuluniform davon und warf einen kurzen Blick zu Lestrange, dessen Zauberstab immer noch auf Theodores Brust gerichtet war, bereit ihn ruhig zu halten, damit ich in Ruhe arbeiten konnte.
Der junge Todesser war leichenblass.
»Setz dich einen Moment oder wirst noch—«
»Mir geht's gut«, unterbrach er mich. Ich runzelte die Stirn und betrachtete ihn mit einem prüfenden Blick, doch ich hatte keine Zeit mich jetzt mit ihm über seine Gesundheit zu streiten, die augenscheinlich auf seiner Prioritätenliste ziemlich weit unten stand.
Luc war genau so stur wie Mattheo.
»Was soll ich tun?«, fragte er keuchend.
Ich reichte ihm neue Kompressen.
»Drück wieder auf die Wunde, aber nicht zu fest«, kommandierte ich und zog meinen Zauberstab, trennte Theodores restliche Uniform auf, sodass sein gesamter Oberkörper nun frei lag, der über und über von dunkelvioletten Blutergüssen überzogen war.
Erleichtert atmete ich aus, als ich feststellte, dass eine seiner Rippen gebrochen war und die Splitter seine Lunge durchstoßen hatten. Eine Verletzung, die ich schon unzählige Male geheilt hatte und mittlerweile keine Schwierigkeit mehr für mich darstellte.
Mit einem routinierten Schlenker meines Zauberstabes richtete ich die gebrochenen Knochen und heilte den Riss in seiner Lunge, bevor ich ihm ein weiteres Medikament einflößte. Meine Finger glitten sanft über seinen Oberkörper und überprüften ihn auf Verletzungen, die sofort geheilt werden mussten.
Seine rechte Schulter war ausgekugelt und das Schlüsselbein darunter nahezu zertrümmert, doch darum konnte ich mich auch noch später kümmern.
Falls es ein Später gab.
Der Diagnostikzauber schlug Alarm, als sein Herz in einen beunruhigend langsamen Rhythmus verfiel.
Doch auch zwei weitere blutbildende Tränke, die ich seine Kehle hinunter stürzte, gefolgt von einem herzstärkenden Medikament konnten den Prozess nicht aufhalten, der schon vor meinem Eintreffen begonnen hatte. Ich warf einen flüchtigen Blick zu Lestrange, der es ebenfalls erkannt hatte und mit nichts als Schmerz in den Augen auf ihn hinabsah.
Theodore lag im Sterben.
»Heb deine Hand über sein Herz, du kannst es mit Magie unterstützen, während ich seine Wunde nähe«, sagte ich zu Lestrange, während ich mir die Hände desinfizierte. Der Todesser nickte nur, hob seine Hand über Theodores Brust und lies sie dort.
Niemand von uns beiden sprach ein Wort, während ich mit gezogenem Zauberstab über Theodores Bauch gebeugt stand und den magischen Faden immer wieder geübt durch die Haut stach, als ich plötzlich bemerkte, dass es draußen totenstill geworden war.
Und gerade als sich die Angst um Mattheo in meinen Kopf wieder auszubreiten begann, hörte ich Schritte.
Erleichterung durchströmte mich, als sein vertrauter Lockenkopf in der Tür erschien und ich realisierte, dass er unverletzt war. Mattheo sah erst zu mir, suchte meinen zitternden Körper routiniert auf Verletzungen ab, blickte dann zu Lestrange und schließlich zu Theodore, dessen schwer zugerichteter Körper regungslos zwischen uns auf dem Tisch lag.
»Bane?«, fragte Lestrange mit dunkler Stimme.
Mattheo nickte ihm grimmig zu.
»Brennt jetzt in der Hölle«, sagte er beim näher kommen, woraufhin Lucifer zufrieden brummte.
»Wie geht es ihm?«, fragte er und strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte, während ich den letzten Stich setzte und die zugenähte Wunde noch einmal kontrollierte.
Nicht meine beste Arbeit, aber zweckmäßig.
»Die schlimmsten Verletzungen haben wir unter Kontrolle bekommen, doch sein Herz—« Meine Kehle begann sich zuzuschnüren, als der Diagnostikzauber alarmierend aufzuflackern begann. Ich drehte den Kopf und blickte aus einem der Fenster, damit die beiden Jungs meine Tränen nicht sahen. »Ich tue alles was ich kann, aber er hat viel Blut verloren und ich weiß nicht ob—« ich unterdrückte ein Schluchzen.
»Ich weiß nicht, ob er die Nacht überleben—«
Doch meine Stimme erstarb, als ich mir plötzlich meiner Umgebung klar wurde, was mir die Seiten des verbotenen dunklen Künste Bandes wieder ins Gedächtnis rief, die ich gestern Abend noch gelesen hatte. Mit aufgerissenen Augen wirbelte ich herum und sah zwischen den beiden Todessern hin und her.
»Es gibt vielleicht etwas, das helfen könnte.«
»Was?«, riefen beide Jungs gleichzeitig.
Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken.
Eine unmissverständliche Warnung.
Kälte kratzte wie die Dornen einer Rose über meine Haut, als wollte die Magie des Waldes mich daran hindern, meine Gedanken laut auszusprechen.
Ich holte tief Luft und drückte meine Hände so fest zusammen, dass meine Nägel kleine Halbmonde in die Innenseiten meiner Handflächen zeichneten, bevor ich den Mut aufbringen konnte, zu sprechen.
Worte, die so unendlich bitter auf meinen Lippen schmeckten, dass ich angeekelt das Gesicht verzog.
»Das Blut eines Einhorns könnte—«
»Ich gehe«, unterbrach Mattheo mich und drehte sich ohne zu zögern um, nur um in der nächsten Sekunde von Lestranges zauberstabloser Magie zurückgezerrt zu werden. »Wenn du glaubst ich würde dich das tun lassen, hast du den Verstand verloren« knurrte er, nahm seinen Arm und zwang seine Handfläche gewaltsam über Theodores Brust.
Die Luft knisterte, als Mattheos Magie die seine ablöste, bevor er überhaupt reagieren konnte.
Der ältere Todesser straffte seine Schultern, als Mattheo seine andere Hand ausstreckte, um ihn zu packen, woraufhin Lestrange ihm drohend seinen Zauberstab an die Kehle hielt. »Versuch mich aufzuhalten und ich Avada deinen Arsch, Riddle«, drohte er ihm mit angespanntem Unterkiefer.
»Ich gehe«, bestimmte er.
Mattheo spannte den Unterkiefer an, doch schwieg.
»Luc, du bist verletzt«, flüsterte ich. »Und der Fluch, wenn man ein Einhorn tötet—« Schon bei dem Gedanken daran durchzog mich das pure Grauen.
Wer ein Einhorn schlachtete, lebte fortan nur noch ein halbes Leben. Ein verfluchtes Leben.
Lestrange zuckte nur mit den Schultern und deutete dann mit einer Handbewegung an sich hinab.
Die Narbe auf seinem Gesicht war immer noch aufgerissen und blutete und aus seiner Schulter quoll Dunkelheit, so schwarz wie eine sternlose Nacht.
»Auf einen weiteren Fluch kommt es jetzt auch nicht mehr an, kleine Slytherin«, sagte der Lestrange Erbe nonchalant, bevor er sich seinen Todesserumhang von einer Stuhllehne schnappte und seelenruhig die Hütte verließ, als wollte er einen Spaziergang machen und nicht, das grausamste aller Verbrechen begehen.
Den Mord an einem Einhorn.
Dem mit Abstand wohl reinsten und unschuldigsten Wesen, das in unserer magischen Welt existierte, um Theodore noch eine Chance zu verschaffen.
Auch, wenn er genau wusste, dass sie gering war, angesichts der Tatsache, dass bereits mehr als die Hälfte seines Blutes zu unseren Füßen verteilt war.
Ich kniete mich auf den Boden und nahm mit zitternden Fingern die letzte Phiole mit Bluterneuerungstrank aus meiner Tasche, richtete mich wieder auf und drückte sie Theodore an die Lippen. Für einige Sekunden kehrte das Leben in seine hübschen Wangen zurück, doch dann nahmen sie wieder einen kränklich mondblassen Farbton an.
Nun blieb uns nichts anderes mehr übrig, als zu warten bis Lestrange mit dem Einhornblut zurückkehrte, denn um Theodore ins Schloss und zu Diana in den Krankenflügel zu bringen, waren seine Verletzungen zu schwer und sein Herz zu schwach.
Das Apparieren würde er nicht überleben.
Magie, selbst Heilmagie, hatte ihren Grenzen.
Zärtlich strich ich ihm eine blutverschmierte Locke aus der Stirn und nahm seine Hand. »Wir werden dich nicht sterben lassen, Theodore«, flüsterte ich ihm unter Tränen zu, auch wenn ich sicher war, dass er mich nicht hören könnte. »Ich verspreche es.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Mattheos Hand, die immer noch über seiner Brust schwebte und seinen Herzschlag mit zauberstabloser Magie weitestgehend stabilisierte, zu zittern anfing.
»Amelie«, stieß er hervor und als ich die Panik in seiner Stimme bemerkte, hob ich ruckartig den Kopf.
Seine Augen verließen meine und als ich seinem Blick zu seiner ausgesteckten Hand folgte, sah ich, wie sich Theodores Brust noch ein letztes Mal hob und senkte, bevor sie sich plötzlich überhaupt nicht mehr regte.
Der Slytherin hatte aufgehört zu atmen.
Ich wusste, was zu tun war.
Wusste genau, wie ich ihn zurückholen konnte, wenn sein Herz nun jede Sekunde zu schlagen aufhörte.
Doch ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht mehr denken, war wie gelähmt von der Angst, die wie aus dem nichts von mir Besitz ergriffen hatte. Die Welt um mich herum verschwamm in einem Wirbel aus Blut und Schmerz und plötzlich war es auf einmal nicht mehr Theodore, der auf dem Tisch vor mir lag.
Es war Mattheo.
Mattheo, wie er auf dem Boden in den Kerkern von Slytherin lag, sein Gesichts bereits ganz grau vom Hauch des Todes, der sich wie ein Nebelschleier über ihn gelegt hatte. Es war Mattheo, den ich schluchzend an mich drückte und fühlte, wie sein Herz immer langsamer schlug— bis es plötzlich einfach aufhörte.
Mattheo, der in meinen Armen gestorben war.
Und dann war da nur noch Dunkelheit, nichts als nachtschwarze Dunkelheit in meinem Kopf. Und ein Lachen, so kalt und gnadenlos wie der Winter, dass es mir das Blut in den Adern zu Eis gefrieren ließ.
Das Lachen Lord Voldemorts.
𓆙
Bitte denkt ans voten, danke <3
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