36. a curse so dark and lonely

TW: Gewalt & Mord,
Erwähnung von SA & Gedanken über selbstverletzendes Verhalten.

there is a little bit of devil,
in her angel eyes.

A M E L I E

Die vertraute Kälte des Schlosses biss mir in die Haut, während ich die geschwungenen Treppen des Astronomieturmes hinabstieg. Obwohl ich keine Symptome mehr hatte, steckte mir die Entzündung immer noch ein wenig in den Knochen, weshalb ich vor einem der Fenster kurz inne hielt und mich mit pochendem Herzen gegen die Schlossmauern lehnte.

Es war ein sonnenloser später Nachmittag im März, zu trostlos für den Frühling, um sich schon sehen zu lassen— wenn die Dunkelheit des Regimes ihn nicht bereits vertrieben hatte. Der Himmel war ein einziges Grau in Grau und seit Tagen schon regnete es und wollte gar nicht mehr aufhören. Nebelschleier wickelten sich über die hohen Türme von Hogwarts und verliehen der Akademie etwas gespenstisches.

Und auch wenn ich die Sonne von ganzem Herzen vermisste, so war es doch bezaubernd mitanzusehen, wie sehr sich die Geister des Schlosses über diese düstere Atmosphäre freuten, miteinander zu einer stummen Melodie auf den Dächern tanzten, bevor ihre Silhouetten eins mit dem Nebel wurden.

An Tagen wie diesen, vermisste ich meine beste Freundin ganz besonders. Clara hätte dieses herbstliche Wetter so sehr geliebt und wir hätten sicher Stunden damit verbracht, uns auf die Fensterbank im Turm der Ravenclaw zu kuscheln und aus den Fenstern zu sehen, während wir dabei literweise heißen Kaffee mit einer Prise Zimt und einem Hauch von Vanille getrunken hätten.

Doch statt bei dieser bittersüßen Erinnerung an meine verstorbene beste Freundin Tränen in den Augen zu bekommen, küsste nun ein sanftes Lächeln meine Lippen. Denn langsam fand mein vernarbtes kleines Herz endlich den Frieden, nachdem es sich die letzten sechs Monate so verzweifelt gesehnt hatte.

Nächte hatte ich wach gelegen, geweint und in mein Kissen geschrien, bis ich heiser gewesen war, während ich mich verzweifelt gegen das gewehrt hatte, was schon Jahre zuvor passiert war. Mich in den Jungen zu verlieben, der sie mir in der Nacht der Schlacht weggenommen hatte. Der Clara getötet hatte, zusammen mit drei Jungs aus unserer Clique.

Doch heute wusste ich, dass er in dieser Nacht all diese furchtbaren Dinge nur getan hatte, um mich zu beschützen. Und irgendwann hatte ich angefangen zu verzeihen. Nicht nur dem Jungen mit den dunklen Locken den ich liebte, sondern auch mir selbst.

Denn Clara hätte gewollt, dass ich glücklich bin.

Und zum ersten Mal seit langer Zeit war ich glücklich, konnte das prickelnde Gefühl des Verliebt-sein's genießen, ohne mich gleichzeitig schlecht zu fühlen.

Mattheo machte mich überglücklich, denn immer wenn wir zusammen waren, wenn er mich in seinen beschützenden Armen hielt und mich ansah, als wäre ich das schönste Mädchen auf dieser Welt, konnte ich für einen Moment all meine Sorgen ausblenden.

Die Angst um ihn, jedes Mal wenn er das Schloss verließ. Die Angst um meinen Bruder und die Angst  Astoria zu verlieren, die momentan keinen Besuch erhalten durfte, um die komplizierte Behandlung des Heilers nicht zu gefährden, den Draco aus dem Heilinstitut Indiens mit nach London gebracht hatte.

Doch nichts konnte die Dunkelheit verschleiern, die seit dem Tag in mir heranwuchs, an dem der dunkle Lord sie in meinem Kopf platziert hatte. Ich hatte versucht Mattheo davon zu erzählen, doch jedes Mal wenn ich darüber nachdachte, wenn ich versuchte die Worte über meine Lippen zu bringen, war es, als wäre meine Zunge mit einem Schweigezauber belegt.

Ich konnte nicht darüber reden, mit niemandem.

Gestern Abend hatte ich versucht es aufzuschreiben, doch als ich meine Feder in das Tintenfass getunkt hatte um sie dann auf das Pergament zu setzen, hatte ich einen so stechenden Schmerz in meinem Kopf verspürt, der meine Magie außer Kontrolle hatte geraten lassen. Unbewusst hatte ich den Schreibtisch in meinem Zimmer mit einem schwarzmagischen Feuer in dunkelviolette Flammen gesetzt, dessen Beschwörungsformel ich nicht einmal kannte.

Angst vor dem was in meinem Kopf lauerte, war mir in die Knochen gesickert und hatte sich dort festgesetzt, als wäre es in meine DNA hinübergegangen. Als Mattheo spät am Abend zu mir ins Bett gekommen war, hatte ich mein Zittern auf einen Albtraum geschoben, woraufhin wir beide eine Phiole Traumlosen-Schlaf zu uns genommen hatten, bevor wir eng umschlungen eingeschlafen waren.

Die Nächte waren alles, was uns momentan blieb.

Und in denen hielt mich der Slytherin so fest an sich gedrückt, als befürchtete er, jemand könnte mich ihm im Schlaf aus den Armen reißen, obwohl niemand die Blutmagie durchdringen konnte, die er auf unsere beiden Zimmer in den Kerkern gelegt hatte.

Die gewaltsame Übernahme des französischen Ministeriums hatte Unruhen in den Teilen Europas entfacht, die bis dato freiwillig mit dem dunklen Regime Lord Voldemorts kooperiert hatten— und es nun nicht mehr taten. Der Prophet hatte sogar ein bewegtes Bild abgedruckt, welches die Hinrichtung des rumänischen Zaubereiministers gezeigt hatte.

An diesem Tag hatte ich die Zeitung unberührt gelassen, genau wie meinen Frühstücksteller.

Mein Herz schaffte es nicht mitanzusehen, wie der Junge den ich so sehr liebte, Tag ein Tag aus wie eine Marionette Befehle ausübte, deren Strippen Lord Voldemort in seinen skelettartigen Händen hielt.

Die Welt versank mehr und mehr in Dunkelheit.

Und doch war es die in meinem Kopf, vor der ich mich am meisten fürchtete.

Beinahe wäre ich vor Schreck die Treppen hinabgestürzt, als ich einen spitzen Schrei durch den Turm dringen hörte, der sich bis in meine Knochen zog. Meine Atmung beschleunigte sich, während ich einen langen Moment mit aller Kraft gegen den Fluchtreflex ankämpfte, bis ich meinen Körper schließlich dazu überreden konnte, weiterzugehen.

Ich zog meinen Zauberstab, bevor ich langsam die restlichen Treppenstufen hinabstieg, bis ich den unteren Teil des Astronomieflügels betrat, in den sich die Schüler der Hogwarts Akademie immer gern zurückgezogen hatten, denn dort gab es eine gemütliche sonnige Ecke mit schmuckvollen Studiertischen, sowie gemütlichen Sitzgruppen, die nach einer intensiven Lernsession mit einer Partie Zauberschach zum Entspannen einluden.

Doch jetzt war es nur noch düster und kalt, die Portraits an den Wänden leer und selbst die Rüstungen hatten sich aus dem Staub gemacht.

Hogwarts war nur noch ein Schatten seines selbst.

Ein verängstigtes Kätzchen mit samtgrauem Fell rannte mir entgegen, doch bevor ich es auf den Arm nehmen konnte, war es bereits die Treppen hinaufgeflüchtet— zusammen mit der grauen Dame, die schluchzend an mir vorbei schwebte und mich dabei überhaupt nicht wahrzunehmen schien.

Früher hatte ich mich oft mit ihr unterhalten, doch seit ich keine Ravenclaw mehr war, hatte die scheue Helena kein einziges Wort mehr mit mir gewechselt.

Den Zauberstab in meinen zitternden Händen fest umklammert, bog ich um eine Ecke und fühlte wie es mir eiskalt den Rücken hinablief, als ich einen älteren Todesser erblickte, der eine blonde Slytherin Studentin gegen die Schlossmauern gedrängt hatte.

Das Hemd ihrer Schuluniform war zerrissen und entblößte ihr Dekolleté. Eine Hand des Todessers lag an ihrer Kehle und drückte ihr die Luft ab, während die andere seinen Zauberstab hielt, mit dessen Spitze er die Rundungen ihrer Brüste auf und ab fuhr.

Das Haar des dunklen Zauberers war bereits von grauen Strähnen durchzogen, während das Mädchen nicht viel älter als Achtzehn sein konnte. Ein Gefühl von Ekel ließ sich meine Eingeweide verkrampfen, als ich den lüsternen Ausdruck auf seinem Gesicht sah.

Er lehnte sich vor um sie zu küssen, doch sie drehte ihren Kopf zur Seite, um seinen Lippen zu entgehen.

Mein Herz blieb für eine Sekunde stehen, als ich im allmählich verblassenden Tageslicht ihr Gesicht erkennen konnte, bevor der Mann ihr Kinn packte und sie mit Gewalt dazu zwang, ihn anzusehen.

Ich versuchte mich zu rühren, doch mein Körper war wie erstarrt, während ich mitten im Korridor stand und voller Entsetzen die Szene beobachtete, die sich nur wenige Meter vor mir abspielte.

Mein Verstand sagte mir, dass ich weiter gehen sollte, dass ich die Brutalität der Todesser stillschweigend hinnehmen musste, wie es von mir erwartet wurde.

So, wie es von allen Hexen rein- oder halbblütigen Status erwartet wurde, seit das dunkle Regime Lord Voldemorts ihnen mit dem Ehegesetz einen beträchtlichen Teil ihrer Freiheit entrissen hatte.

Schuldgefühle schnürten mir die Kehle zu.

Das Leid des Mädchens war nur meine Schuld.

»Wann wirst du endlich aufhören, dich mir zu widersetzen?«, zischte er und packte hart in ihr Haar, während er ihren Kopf zur Seite zwang und anfing ihren Hals zu küssen, wobei das Mädchen wimmerte, da er ihr dabei offenbar in den Hals biss. »Du solltest mir auf Knien danken, dass ich mich dazu bereit erklärt habe, dich zur Frau zu nehmen, Schätzchen. Du hast niemanden mehr außer mir. Niemanden

Zitternd drückte ich mich gegen die Wand.

»Fass mich nicht an«, fauchte sie und versuchte ihm das Knie zwischen die Beine zu rammen, woraufhin er seines zwischen ihre Schenkel schob und sein Becken gegen ihres presste. Sie hob das Kinn und spuckte ihm vor Abscheu ins Gesicht, woraufhin er ihr so hart ins Gesicht schlug, dass ihre Unterlippe aufplatzte und ihr das Blut übers Kinn lief.

»Du verfluchtes Miststück. Ich habe langsam genug von deinem Benehmen«, knurrte der Todesser und drückte ihr seinen Zauberstab gegen die Schläfe, ließ ihre zitternden Gliedmaßen mit einem nonverbalen Zauber erstarren, sodass sie sich nun nicht mehr wehren konnte und ihm endgültig ausgeliefert war.

»Das Ministerium hat dich zu meiner Ehefrau gemacht, damit du meiner Blutlinie endlich einen Erben schenkst und mich... glücklich machst«, zischte er und leckte mit der Zungenspitze über ihre Haut, woraufhin ihr Brustkorb zu Beben begann, als müsste sie sich jede Sekunde übergeben. »Versteh mich nicht falsch, du bist eine wunderschöne Frau und ich verehre deinen Körper«, raunte er ihr ins Ohr. »Aber das ich dich jedes Mal zum ficken ans Bett fesseln muss, wird langsam langweilig.«

Hastig presste ich mir eine zitternde Hand auf den Mund, um mein Schluchzen zu unterdrücken, während ich stumme Tränen weinend in den Schatten stand. Ich wollte meinen Zauberstab ziehen, wollte ihm Schmerz hinzufügen, für all das, was er ihr angetan hatte, doch die Angst vor diesem brutalen Todesser hatte meinen Körper zu Eis gefrieren lassen, als hätte er mich ebenfalls mit einem Zauber belegt.

»Du bist ein wirklich ungezogenes Mädchen«, sagte er mit einem gefährlichen Unterton und brachte sein Gesicht näher an ihres, während ein boshaftes Lächeln seine Lippen umspielte. »Und du weißt doch, was das Regime mit ungezogenen Mädchen macht, die sich ihren Ehemännern widersetzen, oder?«

Der dunkle Magier hob seinen Zauberstab und fuhr damit quälend langsam über ihre Lippen, über ihre Wange und schließlich zu ihrem rechten Auge.

»Sie stechen ihnen ein Auge aus, denn—«

Meine Zauberstabhand zuckte, während ich mit aller Kraft gegen den Drang kämpfte, mich zu erbrechen.

»Um einen Erben zu zeugen, braucht es nur eine Fotze«, sagte er grinsend und leckte sich mit der Zunge über die dünnen Lippen. »Vielleicht muss ich dir einfach nur zeigen, wo dein Platz ist, Schätzchen.«

Hilflos senkte ich den Blick zu Boden.

Geh weiter, Amelie.

Meine Beine bewegten sich.

»Keine Sorge«, sagte der Todesser mit einem sadistischen Lachen. »Ein Auge lasse ich dir.«

In lautlosen Schritten lief ich an ihnen vorbei, meine Beine vor Angst so wacklig und instabil, dass es mich wunderte, dass sie mich überhaupt noch trugen.

Sieh nicht hin, Amelie.

»Du sollst schließlich jede Nacht mein Gesicht sehen, wenn ich dir das Hirn rausficke.«

Wenn du dich dem dunklen Regime widersetzt und einen Todesser angreifst, werden sie deine Familie dafür bestrafen und ihnen furchtbar weh tun.

Der Todesser musste den Lähmzauber aufgehoben haben, denn plötzlich hallte das angsterfüllte Schluchzen der Slytherin in einem Echo der Verzweiflung von den Wänden des Korridors wider.

Mein Herz begann zu bluten, als mir klar wurde, wieso er ihr ihre Stimme zurückgegeben hatte.

Er wollte sie schreien hören, wenn er ihr bei lebendigem Leibe den Augapfel aus dem Schädel riss.

Grinsend richtete er seine Hose.

Ihre Todesangst erregte ihn.

Was für ein kranker, sadistischer Bastard.

Geh weiter.

Geh weiter.

Geh weiter.

»Und jetzt sei mal ein braves Mädchen für mich und halt still, wenn ich dir dein hübsches Auge—«

»Impedimenta«, schluchzte ich und richtete meinen Zauberstab auf den Todesser, bevor er der Slytherin ihr Augenlicht nehmen konnte. Mein Lähmzauber traf ihn mitten in den Rücken und ließ ihn zu Stein erstarren. Sein Zauberstab rutschte ihm aus den Fingern und fiel zu Boden. Schnell trat ich vor und kickte ihn mit dem Fuß die Treppenstufen hinab.

»Finite«, sprach ich mit schwerer Atmung den Gegenzauber, der die Slytherin aus ihrer Starre befreite. Mit großen Augen starrte sie mich an.

»Lauf weg«, rief ich ihr mit flehender Stimme zu, während ich meinen Zauberstab weiter auf den Todesser gerichtet hielt und fieberhaft überlegte, ob ich es in meinem aufgelösten Zustand wohl schaffte, einen ordentlichen Gedächtniszauber zu Stande zu bringen, damit er sich an all das hier nicht erinnerte.

»Gabrielle, LAUF

Doch die Hexe lief nicht davon.

Mit bitterkaltem Hass in den Augen und tränennassen Wangen hob sie ihren Zauberstab. Ein quälender Aufschrei entwich ihrer Kehle, als sie dem Todesser einen Fluch zwischen die Augen jagte, der ihn quer durch den Korridor schleuderte. Der Zorn in ihrem Herzen hatte die Intensität ihres Fluches nur noch verstärkt und uns beiden entwich ein entsetzter Aufschrei, als er mit dem Hinterkopf hart gegen eine Statue stieß, woraufhin sie krachend zersprang.

»Mon dieu«, fluchte Gabrielle, während wir mit gezückten Zauberstäben zu der Stelle rannten, an der der Todesser in sich zusammengesunken war.

Schnell kniete ich mich neben ihm auf den Boden und hob meinen Zauberstab über seinen Kopf, um einen routinierten Diagnostikzauber zu sprechen. Doch als ich sah, dass ihm rosa Hirnmasse aus den Ohren zu sickern begann, wusste ich, dass kein Heilzauber ihn mehr vor dem Tod bewahren konnte.

Seine Verletzungen waren letal.

Alles in mir fühlte sich taub an, als ich mich wieder aufrichtete und sie kopfschüttelnd ansah. Entsetzt presste sich Gabrielle eine Hand vor den Mund, während wir auf den Todesser blickten, der im Todeskampf zuckend zu unseren Füßen lag.

»Er hat es nicht anders verdient«, brachte die ehemalige Beauxbatons Hexe mit bitterer Stimme hervor und blickte mit kaltem Hass in den ozeanblauen Augen auf ihren sterbenden Ehemann.

Mit Tränen in den Augen nickte ich.

»Du musst fliehen«, flüsterte ich mit zugeschnürter Kehle und sah sie an. »Du musst sofort aus dem Schloss. Such meinen Bruder, er wird dir helfen—«

»Ich kann nicht fort.« Sie schluckte schwer und hob ihre Hand, zeigte mir ihren Ring. »Auf diese Ring liegt eine Zauber. Er hindert mich daran das Schloss zu verlassen.« Sie schluckte schwer. »Außerdem blockiert er meine Okklumentik. Sie werden also sowieso herausfinden, dass ich es gewesen bin, die ihre eigene Ehemann ermordet hat.« Ihr Akzent war schwer und sie schien sichtlich Probleme zu haben, sich auf ihr Englisch konzentrieren zu können.

»Nein«, hauchte ich unter Tränen und schüttelte den Kopf, als mir klar wurde, was das bedeutete.

Das Regime würde sie für ihren Verrat hinrichten.

»Nein, Gabrielle—«

»Ist schon gut, Amelie.«

Sie schenkte mir ein trauriges Lächeln.

Heiße Tränen liefen mir über die Wangen, denn jetzt schämte ich mich bis auf die Knochen dafür, ihr aus Eifersucht den Tod gewünscht zu haben.

Nur, damit sie mir meinen Theo nicht wegnahm.

»Lieber sterbe ich, als noch einen Tag länger in der Gewalt von diese sadistische kranke Bâtarde zu sein«, brachte sie mit bitterer Stimme hervor, starrte eine Weile voller Abscheu auf ihren sterbenden Ehemann, bevor sie den Kopf hob und mich anblickte.

Die Französin nahm meine Hand in ihre.

»Du hättest einfach weitergehen können, aber das bist du nicht.« Sie drückte meine Hand. »Ich weiß wie sehr du mich hasst, deshalb bedeutet es mir viel, dass du mir geholfen, hast, mon cœr. Merci, Amelie.«

Unter Tränen schüttelte ich den Kopf. »Aber ich hasse dich doch nicht«, flüsterte ich und hielt ihre Hand ganz fest in meiner, während wir uns ansahen.

Gabrielle wischte sich die Tränen von den Wangen.

»Mon dieu, du bist eine grausame Lugnerin«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. »Jetzt geh. Ich will nicht, dass sie dich mit mir sehen, fais vite.« Nervös blickte sich die Blondine um.

»Nein. Ich lass dich nicht allein«, sagte ich und hielt ihre zitternde Hand ganz fest, als sie versuchte sie aus meiner zu ziehen. Kalter Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, als das Röcheln des sterbenden Todessers vor uns immer geräuschvoller wurde, der jetzt an seinem eigenen Blut zu ersticken schien.

Ich kannte den Zauber, der seine Luftröhre davon befreien konnte, doch zwang mich, meinen Zauberstab in Richtung Boden gesenkt zu halten. Ein Gefühl von Ekel kribbelte wie Ameisen auf meiner Haut und mein Magen verkrampfte sich, denn es war furchtbar einen Menschen so leiden zu sehen, auch wenn er einen qualvollen Tod wie diesen verdiente.

Es zerriss mir das Herz.

Und dann hörten wir es.

Schritte von schweren Stiefeln wie jene, die zu der Uniform der Todesser gehörten. Wie ein Gewitter donnerten sie in meinen Ohren und brachten meinen Puls vor Angst zum rasen. Es war nur eine Frage von Minuten gewesen, bis uns einer der Todesser entdecken würde, die angewiesen waren Tag und Nacht durch die Gänge Hogwarts zu patrouillieren.

Gabrielles Atmung beschleunigte sich und ließ ihrer Kehle ein panisches Fiepen entgleiten. Angst verteilte sich in meinen Knochen wie eine Seuche, als ich die Arme um sie legte und ihren zierlichen Körper, der nun immer wieder von krampfartigen Schluchzern erschüttert wurde, eng gegen meinen drückte. Der zarte Duft ihres Shampoos stieg mir entgegen, als ich eine leise Melodie in ihr Haar zu summen begann, um das Röcheln des Todessers, sowie die immer lauter werdenden Schritte ein wenig zu übertönen.

Die Schritte waren jetzt ganz nah.

»Sie werden dir weh tun, wenn du nicht gehst.« Die Stimme der Französin war ein einziges Flehen.

Ich schüttelte den Kopf. »Sie werden mich nicht anrühren. Sie dürfen es nicht«, erklärte ich ihr flüsternd, während wir einander festhielten. »Also egal was passiert, lass mich nicht los, Gabrielle.«

Sie festzuhalten war der einzige Weg der mir einfiel, sie vor den maskierten Schatten Lord Voldemorts zu beschützen, denn sie duften mir nicht zu nahe kommen. Ich wusste, auch wenn sämtliche Todesser des Regimes von Mattheo den Befehl bekommen hatten, mich nicht anzurühren, geschweige denn, mich auch nur eine Sekunde zu lang anzusehen, würden sie bei Gabrielle keine Gnade zeigen.

Die Hexe hatte ihre Immunität in dem Moment verloren, in dem der dunkle Lord ihre Verlobung mit Mattheo gelöst und ihren Vater kaltblütig hatte ermorden lassen, bevor er Frankreich gestürzt hatte.

Sie hatten sie nicht nach Hause gelassen.

Schuldgefühle krochen in mir hoch und erschweren mir das Atmen, denn ich hatte nicht darüber nachgedacht, was mit ihr passieren würde, geschweige denn auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass man sie an einen anderen verheiraten würde, der sie misshandelte und missbrauchte, so wie es die meisten Todesser des Regimes mit ihren Frauen taten, um ihre Machtposition deutlich zu machen.

Wenn sie nicht gleich an Ort und Stelle neben mir hingerichtet wurde, würde man sie nach Askaban bringen, was vielleicht sogar schlimmer war.

Die Zustände in dem Gefängnis, verborgen inmitten der rauen Nordsee waren menschenunwürdig. Die meisten Gefangenen dort verloren ihr Leben schnell im Kampf gegen Hunger und Kälte, doch eine hübsche junge Hexe wie Gabrielle würden die Wächter am Leben erhalten— um sie möglichst oft zu vergewaltigen, bis ihr Körper irgendwann aufgab.

Ein Schicksal, vor dem Enzo Luna bewahrt hatte.

Auch, wenn es ihn fast das Leben gekostet hatte.

Ich konnte Gabrielle tief ein und ausatmen hören, bevor sie sich etwas zurücklehnte und das Kinn hob, um dem patrouillierenden Todesser trotz ihrer Todesangst mutig ins Gesicht zu sehen, der in diesem Augenblick vor uns zum Stehen gekommen war.

Es war ein hagerer Mann mittleren Alters mit ungewaschenem mausbraunem Haar und spröden, aufgesprungen Lippen. In seinen obsidianfarbenen Augen lag ein wahnsinniges Funkeln und er bewegte sich seltsam unkoordiniert, beinahe wie eine Marionette, die man zu tanzen gezwungen hatte.

Ich kannte sein Gesicht aus dem Propheten, wo ab und an über ihn berichtet wurde. Sein Name fiel mir nicht ein, doch ich wusste von seiner Grausamkeit.

Er liebte es seine Opfer mit dem Cruciatusfluch bis in den Wahnsinn zu foltern, was offensichtlich auf ihn abgefärbt hatte, denn er schien unter einem nervösen Tick zu leiden. Immer wieder leckte er sich über die Lippen, während er dabei die Augen aufriss.

Enttäuschung huschte über sein Gesicht, als er mich erkannte, woraufhin er unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Sein Blick fiel auf den röchelnden Todesser vor uns, dessen rosa Gehirnmasse sich bereits auf dem Boden verteilt hatte, doch anstatt sich über ihn zu lehnen und irgendetwas zu tun um ihm zu helfen, begann er schadenfroh zu grinsen.

Loyalität lag nicht in seiner Natur.

Was sich im nächsten Augenblick bestätigte, als er seine schmutzigen Finger in Gabrielles Haar verkrallte und sie gewaltsam aus meinen Armen zerrte, was sie vor Schmerz aufschreien ließ. »Warst du das, Blondie?«, lispelte der ungepflegte Zauberer wie ein Kleinkind und sah zu Gabrielle. »Imperio«, zischte er mit zusammengepressten Zähnen, als sie ihn nur hasserfüllt ansah. »Antworte mir.«

»Es war mein Fluch, der ihn verletzt hat«, zwang der Imperius Fluch sie zu einer monotonen Antwort.

Der Todesser schnalzte tadelnd mit der Zunge, bevor er sich wieder über die Lippen leckte. Es machte mich wahnsinnig vor Angst, denn der dunkle Magier vor uns hatte offenbar vollkommen den Verstand verloren. »Ich hab ihm gesagt, dass du Ärger machen wirst, kleine Blutsverräterin«, kicherte er mit einem irren Grinsen, das mich an die Katze aus Alice im Wunderland erinnerte. »Aber der gute alte Antonin wollte einfach nicht auf mich hören. Und jetzt, sieh dir nur den Fußboden an. Was für eine Sauerei.«

Gabrielle versuchte sich gegen seinen Griff zu wehren, woraufhin er sie noch fester packte. »Halt still«, befahl er ihr, woraufhin ihr Körper erschlaffte, ihr freier Wille gezähmt durch den Fluch.

»Lass sie los«, rief ich mit zitternder Stimme, wich jedoch vor Angst mit dem Rücken zur Wand, als sein Kopf daraufhin ruckartig in meine Richtung zuckte.

Seine Augen verengten sich.

»Nur weil du Riddles reinblütiges neues Spielzeug bist und ich dich nicht anfassen darf, bist du noch lange nicht befähigt dazu, mir Befehle zu erteilen, kleine Berkshire«, knurrte er mich an und hob seinen Zauberstab. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich sah, dass die Spitze völlig blutverkrustet war.

Dann wandte er sich wieder Gabrielle zu.

»Mir wurde erlaubt dich zu töten, weißt du das, Blondie?«, lispelte er, während er ihr mit seinem
Zauberstab eine Strähne aus der Stirn strich. »Seinen Ehemann zu ermorden, ist Verrat am dunklen Regime und damit Verrat am dunklen Lord selbst.« Er leckte sich über die Lippen, bevor sich seine schmutzige Hand um ihre Kehle legte und sie hochhob, sodass ihre Füße in der Luft baumelten.

»Aufhören«, schrie ich, doch er schien mich nicht einmal mehr wahrzunehmen. Wie hypnotisiert sah er dabei zu, wie das Leben aus den ozeanblauen Augen der jungen Hexe wich, während er sie würgte.

Den Zauberstab in meiner zitternden Hand fest umklammert, schloss ich für einen Moment die Augen und flehte Merlin stumme Tränen weinend an, mir zu vergeben, für das, was ich nun tun würde.

Auch, wenn ich wusste, dass es unverzeihlich war.

»Sie hat ihn nicht getötet.« Meine Stimme war nichts weiter als ein Flüstern, rau von Schuldgefühlen, Reue und Angst, als ich meinen Zauberstab auf Gabrielles brutalen Ehemann richtete, der in diesem Augenblick die letzten Sekunden seines Lebens durchlebte. Die Aura des Todes schwebte bereits über ihm wie ein Schatten, der langsam die Hände nach ihm ausstreckte. »Ich war es, die ihn getötet hat.«

Der Kopf des Todessers zuckte in meine Richtung.

Etwas in mir zerbrach und ließ eine tiefe Seelennarbe zurück, als das smaragdgrüne Leuchten des einen Fluches, von dem ich nie gedacht hatte, ihn jemals über die Lippen, geschweige denn übers Herz bringen zu können, für einen Moment die Finsternis des Korridors erhellte— bevor sie zurückkehrte.

Stickiger und bedrohlicher als zuvor.

Und doch fühlte ich nichts, als ich ihn tötete.

Denn etwas hatte sämtliche Gefühle in meinem Kopf verdrängt, hatte sie gefressen wie ein Dementor die Angst und hatte etwas zurückgelassen, dass sich wie Nebel in meinem Geist breit machte und meine Gedanken umnachtete, sie ins pure Chaos stürzte.

Dunkelheit.

Und mir ihr kam eine Kälte, die meinen Körper wie einen Sturm erfasste und bis in meine Knochen sickerte. Schwarze Ränder begannen sich in mein Sichtfeld zu fressen, als der Todesser ein frustriertes Knurren ausstieß, bevor er Gabrielle losließ, woraufhin sie wie eine Puppe zu Boden fiel.

Ihre Atmung war schwach, doch sie lebte.

Das Gesicht des Todessers war wutverzerrt, angesichts der Tatsache, dass ich ihn um einen Mord gebracht hatte, doch gerade als er einen Schritt auf mich zu machte, erwischte ihn ein roter Lichtblitz.

Er wankte, als zwei weitere Todesser hinter ihm auftauchten, ihre Gesichter verborgen von silbrigen Masken. Einer packte ihn an der Schulter und hielt ihm seinen Zauberstab drohend an die Schläfe.

»Obliviate«, knurrte er, bevor er ihn mit dem Ellenbogen völlig unbekümmert zur Seite stieß, woraufhin er mit dem Kopf voran hart gegen die Steinwand neben mir knallte. Der andere bückte sich und hob die bewusstlose Slytherin in seine Arme.

»Nein—«, schrie ich, als er mit ihr dissapparierte.

»Er bringt sie nur in den Krankenflügel, Amelie«, sagte der Todesser vor mir. Etwas an der Art wie er meinen Namen sagte, war mir vertraut, doch die Magie seiner silbrigen Maske ließ seine Stimme so bedrohlich klingen, dass ich aus Reflex zurückwich und mir schützend die Arme vors Gesicht hielt.

Die Kälte in meinem Körper lähmte meinen Herzschlag, sodass ich plötzlich Panik bekam, es würde jede Sekunde einfach zu Schlagen aufhören.

Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie der Todesser seine Hand zu seinem Gesicht hob und seine Maske verschwinden ließ. Und der sanfte Klang seiner echten Stimme, ließ mich leise schluchzen.

»Hey, kleine Slytherin«, murmelte einer der Jungs, von denen ich wusste, dass sie mich bis zu ihrem letzten Atemzug beschützen würden. »Kannst du mich mal ansehen?« Zitternd ließ ich meine Arme sinken, doch als er die Hand ausstreckte um mein Kinn zu heben, zuckte ich verängstigt zusammen.

»Bitte nicht anfassen«, wisperte ich.

»Okay«, sagte er ruhig und hob seine Hände um
Mir zu zeigen, dass er mich nicht berühren würde.

Die dunkle Magie, die ich heraufbeschworen hatte, quoll aus jeder meiner Poren und blieb wie eine Gewitterwolke über unseren Köpfen schweben.

»Oh Merlin, was habe ich getan?«

Verzweifelt griff ich in mein Haar und zerrte gewaltsam an meinen kastanienbraunen Strähnen, um mich mit Schmerz von dem Grauen in meinem
Kopf abzulenken. Körperlose Stimmen flüsterten mir furchtbare Dinge zu und ließen kalten Schweiß auf meiner Stirn ausbrechen. Was auch immer von mir Besitz ergriffen hatte, fühlte sich so an, als würde eine Schlange durch meinen Körper kriechen und jede Zelle meines Körpers mit Dunkelheit infizieren.

Mein Herz, das mein Leben lang immer nur hatte heilen wollen, war aus seinem Rhythmus geraten, schlug quälend langsam und dann wieder zu schnell.

Und als mein Blick auf den Mann fiel, dessen Leben ich beendet hatte, sank ich auf die Knie und erbrach mich elendig neben seiner Leiche auf den Fußboden. Stöhnend rollten meine Augen in ihren Höhlen umher, während ich auf dem Boden kauerte und mich übergab, bis ich nichts mehr im Magen hatte.

Lestrange kniete neben mir und hielt mein Haar zur Seite, während er sorgsam darauf achtete, mich sonst nirgendwo zu berühren. »Was geschieht mit mir, Luc?«, fragte ich den Todesser mit zitternden Lippen, obwohl ich die Antwort darauf bereits kannte.

Dunkle Magie hinterließ Spuren.

Sie suchte die Hexe oder den Zauberer, die sie heraufbeschwor heim, sorgte für qualvolle Halluzinationen und körperlichen Schmerz.

»Es ist die Magie des Fluches«, sagte der Todesser mit ruhiger Stimme. »Sie will dich daran erinnern, warum es unverzeihlich ist, ihn zu sprechen.«

Ich nahm das Taschentuch, was Lestrange für mich heraufbeschworen hatte, bevor ich mir den Mund damit abwischte. »Danke«, murmelte ich, als er mir mit einem Zauberspruch frischen Atem schenkte, bevor er mein Erbrochenes verschwinden ließ. Er nickte und musterte mich mit einem besorgten Blick seiner strahlend kristallblauen Augen, die in der Finsternis des Korridors zu Leuchten schienen.

Seine Nähe war tröstend und doch wünschte ich mir, er würde weggehen, damit ich mich in einer der verlassenen Mädchentoiletten des Schlosses einschließen konnte, um nicht länger gegen die Seelenqualen ankämpfen zu müssen, die mir das Atmen jetzt so unendlich schwer machten.

Ich wollte allein sein.

Allein mit meinem Schmerz.

Allein mit meiner Schuld.

Allein mit einer Rasierklinge.

»Du bleibst nicht allein«, sagte Lestrange neben mir scharf, der meinen Gedanken gelauscht hatte. »Beim ersten Mal, kann es die ganze Nacht anhalten.« Ich wandte den Blick ab, als er die Leiche mit einem Fingerschnipsen in schwarzmagischen Flammen aufgehen ließ, bis nichts ein ein Häufchen Asche von dem Mann übrig geblieben war, den ich getötet hatte.

Lestrange stand auf und reichte mir seine Hand.

Ich zögerte einen langen Moment, bevor ich sie ergriff und mir von ihm beim Aufstehen helfen ließ. »Ich werde dich jetzt in den Arm nehmen und von hier wegbringen, okay?«, murmelte der ältere Junge sanft und als ich nickte, zog er mich an sich.

Fest schloss ich die Augen und krallte mich in seine Uniform, während er uns davon apparierte und wir nur wenige Sekunden später in einem schwach beleuchteten Flur wieder auftauchten. Und ich musste ihn nicht fragen um zu erfahren, wo wir uns nun befanden, denn dunkle Magie war an diesem Ort so präsent, dass ich sie auf meinen Lippen schmecken konnte. Sie steckte in den Wänden, in jedem Möbelstück, schien dem Boden selbst zu entspringen.

»Die Hölle ist leer«, flüsterte ich.

»Und all die Teufel sind hier«, beendete Lucifer Lestrange mein liebstes Zitat von Shakespeare und legte beschützend seinen Arm um meine Schultern.

Ich zuckte zusammen, als ich eine Stimme hörte und wimmerte, als mir klar wurde, dass sie nur in meinem Kopf war. »Hör nicht hin«, sagte der dunkle Magier an meiner Seite, der genau zu wissen schien, welchen Horror ich in diesem Moment durchlebte.

Als wir das Ende eines düsteren Ganges erreichten, blieb er stehen und hob mein Kinn. »Halt den Kopf oben, Amelie. Lass sie nicht sehen, wie du dich fühlst«, sagte er mit dunkler Stimme, bevor er ohne anzuklopfen durch eine schwere Holztür trat.

Der Raum dahinter war ebenso düster und wurde nur von den Flammen eines Kaminfeuers, sowie dem schwachen Licht eines eleganten Kronleuchters erhellt, der tief über einem langen Tisch hing, an dem mehrere unmaskierte Todesser versammelt waren.

Ich wagte es nicht, sie anzusehen.

Ich zwang mich Lestranges Anweisung zu befolgen, atmete tief durch und hielt den Kopf gehoben.

Doch als meine Augen die dunklen Mattheos fanden, entwich meiner Kehle ein leises Schluchzen, so sehr sehnte ich mich danach, in seinen Armen zu sein.

Mit gehobenem Kinn und makellos sitzender Uniform thronte Mattheo lässig auf einem Ledersessel vor Kopf des langen Tisches, vor ihm ausgebreitet einige Pergamentrollen und Karten.

Die Macht und Autorität, die der Sohn des dunklen Lords ausstrahlte, machte mir weiche Knie.

»Raus und zwar alle. Die Versammlung ist beendet«, bellte er die anwesenden Todesser an, woraufhin seine Männer in einem Durcheinander aus dunklen Umhängen dissapparierten. Der Lockenkopf schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und durchquerte in schnellen Schritten den Raum, bis er bei mir war.

»Theo—«, schluchzend fiel ich in seine Arme.

Mattheo schlang einen Arm um meine Taille, legte die andere zärtlich an meinen Hinterkopf und hielt mich einen langen Moment einfach nur fest. Der muskulöse Körper des jungen Todessers glühte und verzweifelt versuchte ich seine Wärme in mich aufzusaugen, doch alles was ich fühlte, war Kälte.

Ein Nebeneffekt der schwarzen Magie.

Langsam lehnte Mattheo sich zurück, hob mein Kinn und musterte mich prüfend. Meine Lippen bewegten sich, doch blieben stumm. »Welcher Fluch?«, fragte er an Lestrange gewandt, ohne dabei auch nur für eine Sekunde den Blick von mir zu nehmen.

»Avada«, entgegnete Lestrange.

Meine Lippen begannen zu zittern. Tränenblind sah ich zu Mattheo auf, doch in seinen dunklen Augen lag nun nichts als Sorge. »Wen?«, fragte er ganz ruhig, als wäre es das normalste Gesprächsthema der Welt.

»Dolohov«, antwortete Lestrange knapp und drückte mir ein Whiskeyglas in die Hand. »Das wird dir helfen«, sagte er mit sanfter Stimme. Ich sah zu Mattheo und er nickte. Ich setzte das Glas an meine Lippen und schloss die Augen, als ich das vertraute Brennen des puren Alkohols in meiner Kehle spürte.

Es war tröstend und füllte die Leere in mir.

»Ich wollte nicht—«, begann ich, doch mitten im Satz hielt ich inne. Denn natürlich hatte ich Gabrielles gewalttätigen Ehemann töten wollen, ansonsten hätte der unverzeihliche Fluch niemals gewirkt.

Meine Hände zitterten so sehr, dass mir das Glas aus den Fingern rutschte. Doch bevor es auf dem Boden zerschellen konnte, ließ Mattheo es mitten in der Luft erstarren und platzierte es mit einer Handbewegung auf dem Tisch. »Er wäre so oder so gestorben, sein Hirn kam ihm schon aus den Ohren, Amelie«, sagte Lestrange, der sich gleich die ganze Flasche Whiskey gegriffen hatte, während er es sich auf Mattheos Ledersessel bequem machte und seine schweren Todesserstiefel schwungvoll auf den Tisch knallte.

Mattheo warf ihm einen finsteren Blick zu.

»Was ist passiert?«, knurrte er ihn an.

»Sie hat es getan, um Gabrielle zu schützen, sie hat Dolohov angegriffen. Verfluchtes Berkshire Helfer Syndrom und so«, sagte der Todesser mit den kristallblauen Augen und betrachtete mich mit einem liebevollen Blick. »Nichts für ungut, kleine Slytherin. Wenn jemand den Tod verdient hatte, dann definitiv Dolohov. Du hast der Welt einen Gefallen getan.«

Schluchzend lehnte ich mich an Mattheo und schüttelte nur den Kopf, würde mich wohl bis an mein Lebensende schuldig fühlen. »Hat es jemand gesehen?«, fragte der Slytherin mit angespanntem Unterkiefer, während er nach meiner Hand griff und mir zärtliche Küsse auf den Handrücken hauchte, bevor er unsere Finger fest miteinander verschlang.

»Blaise war bei mir«, sagte Luc. »Und Barty, der versucht hat deine Ex Verlobte zu erwürgen, hätte Amelie es nicht verhindert. Hab ihn obliviiert.«

»Gut«, entgegnete Mattheo knapp, bevor er Hand in Hand mit mir dissapparierte. Der Raum in dem wir uns nun befanden war deutlich kleiner, mit prall gefüllten Bücherregalen an den Wänden und einem einladenden Sofa aus dunkelgrünem Samt, das gegenüber eines prasselnden Kaminfeuers stand.

Rücklings ließ sich der Lockenkopf auf das Sofa fallen und zog mich auf seinen Schoß. »Komm her, Sweetie«, murmelte Mattheo mit sanfter Stimme, woraufhin ich die Arme um seinen Hals schlang und meine Beine links und rechts von seinen Hüften platzierte. Eng zog mich der Slytherin an sich und begann mir zärtlich durch das Haar zu streicheln.

Mein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. Die Stimmen in meinem Kopf flüsterten mir furchtbare Dinge zu, was den Drang mich selbst zu verletzen, nun beinahe unerträglich machte. Ein qualvolles Geräusch drang an meine Ohren und es dauerte eine Weile bis ich realisierte, dass es von mir kam. Ich weinte, schrie und wimmerte als die Nachwirkungen des Avada Kedavra ihren Höhepunkt erreicht hatten.

Es war das Beängstigendste, was ich je erlebt hatte.

»Ich bin bei dir, Amelie. Du bist nicht allein«, hörte ich ihn in mein Ohr flüstern. »Es geht vorbei, ich verspreche es.« Fest hielt mich der Erbe Slytherins in seinen beschützenden Armen, die jetzt alles waren, was mich noch vor dem Zerbrechen bewahrte.

Denn genau so fühlte es sich an, einen der drei unverzeihlichen Flüche gewirkt zu haben.

Als wäre etwas in mir zerbrochen, in unzählige spitze Teile zerschmettert, die sich bei jedem Atemzug in meine Lunge bohrten und mich qualvoll an meinem Schmerz ertrinken ließen, ohne dabei zu sterben.

Doch die Kälte war das Schlimmste.

»Mir ist so kalt, Theo«, wisperte ich.

»Ich weiß, Sweetie«, entgegnete er leise, schnipste hinter meinem Rücken mit den Fingern und ließ das Feuer im Kamin noch ein wenig heißer brennen.

Doch auch die goldenen Flammen, die ein orangefarbenes Leuchten durch den schmuckvoll dekorierten Raum warfen, konnten die eisige Kälte aus meinem Körper nicht vertreiben, denn sie hatte sich bereits bis in meine Knochen ausgebreitet.

»Ich habe einen unverzeihlichen Fluch gesprochen«, schluchzte ich an seinem Hals, die Haut bereits ganz nass von meinen Tränen. Ich hörte Mattheo immer wieder meinen Namen sagen, doch ich war zu tief in meinem Schmerz gefangen, um es zu realisieren.

Ich ertrank in Schuldgefühlen.

»Ich habe einen Menschen getötet.« Diese Worte schmeckten so bitter auf meinen Lippen, dass mich eine elende Übelkeit durchströmte. »Ich habe jemanden getötet. Ich— Ich bin noch Schülerin. Sie werden Enzo dafür weh tun«, wimmerte ich.

»Niemand wird ihm etwas tun«, versuchte Matheo mich zu beruhigen, doch ich war viel zu aufgelöst.

»Sie werden meinen Dad dafür bestrafen.«

»Amelie, bitte hör auf dir zu weh tun.«

Der gequälte Tonfall in seiner Stimme ließ mich sofort innehalten. Ich bemerke, dass seine Hände um meine Handgelenke geschlungen waren. Unbewusst hatte ich den dunkelgrauen Faltenrock meiner Schuluniform hochgeschoben und versucht mich zu kratzen und die Narben auf meinen Oberschenkeln mit bloßen Händen wieder aufreißen zu lassen.

Zärtlich umfasste Mattheo mein Gesicht und sah mir in die Augen. »Niemand wird Enzo oder deinem Dad weh tun, Amelie. Sie unterstehen meinem Befehl.«

Mein ganzer Körper begann zu kribbeln.

»Manchmal vergesse ich—«, ich zögerte.

»Dass ich einer von ihnen bin?«, murmelte er mit bitterer Stimme und seine Augen verdunkelten sich. Meine Lippen bewegten sich, doch als ich ihm keine Antwort darauf gab, senkte er den Blick. »Wie viel Macht du hast«, wisperte ich unter Tränen und hob sein Kinn, sodass er mich wieder ansehen musste.

Er war so schön, dass ich nicht atmen konnte, mit seinen hohen Wangenknochen, der ausgeprägten Kinnlinie und den vollen, sinnlich geschwungenen Lippen, die so himmlisch küssen konnten. Sein Haar, ein Wirrwarr aus dunklen Locken, fiel ihm tief in die Stirn. Mein Hand zitterte, als ich ihm eine Strähne davon strich, die ihm in die Augen gefallen war.

Theo.

Mein Theo.

»Du musst mich allein lassen, Bitte«, flehte ich.

Mattheo schüttelte den Kopf. »Niemals, Sweetie.«

»Ich kann es nicht mehr aushalten. Der Druck ist einfach zu stark, Mattheo«, gab ich unter Tränen zu und senkte den Blick, schämte mich so dafür, der Dunkelheit in mir nicht widerstehen zu können.

Zaghaft hoben seine Finger mein Kinn.

»Dann lass es an mir raus.« Mattheos tiefe Stimme war nichts als ein Flüstern, rau wie der Winter und doch sanft wie der erste Schnee. Mein Herz war so schwer, dass es mir schmerzhaft gegen die Rippen schlug, während ich dabei zusah, wie er das Oberteil seiner Uniform aufknöpfte und sich dann von dem Shirt befreite, das er darunter trug, bis sein nackter Oberkörper zum Vorschein kam, der ein einziges, doch wunderschönes Chaos aus Narben war.

Narben, die ihren Ursprung in den schlimmsten Seelenqualen hatten, die ein Mensch erleiden konnte.

Dieselben, die auch meinen Körper zierten.

Narben wie Sterne.

Ein ganzer Himmel voller funkelnder Sterne.

Verblasst und doch für die Ewigkeit zu sehen.

Ich hielt den Atem an, als er meine Hände auf seinen harten Bauchmuskeln platzierte. Hitze stieg mir in die Wangen, als er sich nach vorn lehnte, mein langes dunkelbraunes Haar zur Seite schob und anfing meinen Hals zu küssen. »Tu mir weh, Amelie«, hauchte Mattheo mit dunkler Stimme zwischen zwei sehnsüchtigen Küssen, die mir mit ihrer Bedeutung etwas von dem Schmerz in meinem Herzen nahmen.

»Ich halte es für dich aus.«

𓆙

holy hell.. dieser Junge macht mich fertig
bereit für das nächste kapitel? <3
es wird s p i c y

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