30. the line between love and hate
TW: Liebeskummer
I didn't say I love you, to hear it back.
I said it to make sure, you know.
M A T T H E O
Mit dem Rücken gegen die Schlossmauern gelehnt, stand der Erbe Slytherins in dem kleinen Flur vor dem Krankenflügel und starrte aus dem Fenster.
Seine dunklen Augen folgten den Schneeflocken, die in einem sanften Wirbel gegen die Scheiben wehten, während ihn der schläfrige Duft von Medikamenten und frisch aufgebrühtem Pfefferminztee umhüllte.
Die Laternen, die überall auf dem Schlossgelände verteilt waren, waren bereits aufgeflammt und brachten den pudrig weißen Schnee zum Glitzern, denn obwohl es erst Nachmittag war, hatte sich die Dämmerung bereits über die Ländereien geschlichen.
Schuldgefühle erdrückten den Sohn des dunklen Lords an diesem verschneiten Februartag, lasteten so unendlich schwer auf seinen Schultern, dass er kaum atmen konnte. Mattheo hatte es in der Sekunde bereut, ihren Wunsch nach Abstand zu ihm respektiert zu haben, als Enzo seine zitternde kleine Schwester aus ihrem Zimmer getragen— und er das ganze Ausmaß ihrer Verletzungen gesehen hatte.
Mattheo kannte das Gefühl der Erleichterung, das einen durchströmte, wenn man seinem Selbsthass nachgab und sich mit einer Rasierklinge oder seinem Zauberstab Schmerz hinzufügte, bis man nichts anderes mehr wahrnahm als das Pochen der Wunde.
Doch anders als Amelie, die sich verletzte, um die knochenzerfressenden Qualen ihrer Seele ertragen zu können, verletzte sich Mattheo, um sich zu bestrafen.
Für jede Träne, die er verursachte.
Jeden dunklen Gedanken, der sie heimsuchte.
Denn jede Narbe, die Amelies zierlicher Körper schmückte und jeden Riss, der sich durch die Seele der Berkshire Erbin zog, hatte Mattheo verursacht.
Alles in ihm fühlte sich taub an, als er den Kopf drehte und durch den Türspalt in den Krankenflügel blickte, indem Amelie in einem der hinteren Betten lag, eingekuschelt in eine nachtblaue, mit goldenen Sternen verzierte Decke, während Enzo vor dem weißen Bettgestell kniete und seiner schlafenden kleinen Schwester zärtlich durchs Haar kraulte.
Er wusste, dass er nicht hier sein durfte, wusste, dass er kein Recht mehr darauf hatte in ihrer Nähe zu sein zu dürfen, doch er konnte einfach nicht anders.
Denn seit er sie geküsst hatte, seit er sie nach all den Jahren der Sehnsucht und des Vermissens wieder in seinen Armen gehalten hatte, hatte etwas in ihm die Kontrolle über seinen Verstand übernommen.
Ihre Nähe war Balsam für das von Schatten geflutete Herz des Erben Salazar Slytherins, ihr Lächeln sein Licht in der Dunkelheit, die er an der Seite seines Vaters über die magische Welt gebracht hatte.
Mattheo hatte versucht sich von ihr fernzuhalten.
Und er hatte kläglich versagt.
Und auch jetzt konnte er nicht anders, als sich verstohlen gegen die Wand neben dem Krankenflügel zu drücken und ab und an einen Blick zu dem Bett des mit Medikamenten ruhig gestellten Mädchens zu werfen, um sicherzugehen, dass es noch atmete.
Auch wenn er wusste, dass sie das eigentlich gar nicht mehr wollte. Amelie war müde, so unendlich müde, ihres jungen Lebens überdrüssig, genau wie er. Doch er schuldete es ihr, zu Ende zu bringen, was er begonnen hatte. Mattheo hatte ihr und auch sich selbst versprochen ihre Welt von seiner Dunkelheit zu befreien und ihr das Leben zu ermöglichen, das er in ihren zuckersüßen Träumen gesehen hatte, als sie in seinen beschützenden Armen eingeschlafen war.
Auch wenn ihn der Gedanke daran, dass er kein Teil davon sein würde, plötzlich kaum mehr atmen ließ.
Sein Brustkorb zitterte bei jedem seiner unruhigen Atemzüge und um sich zu beruhigen, schloss er die Augen, fuhr sich mit einer Hand durch seine dunklen Locken und versuchte das Pochen auf seinem linken Unterarm zu ignorieren, das in den letzten Tagen immer intensiver wurde. Doch es war nicht der Schmerz des Males, sondern die Wut des dunklen Lords, die in seine Seele sickerte, sie vergiftete mit seinem Hass und es ihm und seinen Freunden immer schwerer machte, zu tun, was getan werden musste.
»Was machst du hier, Theo?«
Die Stimme seines ehemals besten Freundes ließ den Lockenkopf sofort die Augen aufschlagen. Gequält von Schmerz und Schuldgefühlen hob er den Kopf und sah dem dunkelhaarigen Slytherin vor sich ins Gesicht, fühlte ein Ziehen in seinem Brustkorb, als er die Schatten unter den Augen des Berkshire Erben bemerkte, gezeichnet von Schlaflosigkeit und Angst.
Angst, seine geliebte Schwester zu verlieren.
Lorenzo Berkshire hatte so unendlich viele Gründe ihn zu hassen und doch lag nun nichts als Wärme in den braunen Augen des Jungen, der stets wie ein Bruder für ihn gewesen war, während er ihn ansah.
»Ich musste wissen, ob es ihr—«
»Gut geht?«, beendete der Slytherin seinen Satz und rieb sich den linken Unterarm, schien den Zorn des dunklen Lords ebenfalls wahrzunehmen. »Es geht ihr seit Jahren nicht mehr gut, Theo. Keinem von uns.« Mit zauberstabloser Magie ließ er die schweren Flügeltüren des Krankenflügels ins Schloss fallen, bevor er sich neben ihn gegen die Wand lehnte.
Eine Weile schwiegen sie einander an, während sich der kleine Flur mit Schatten füllte, die nur von zwei schwach leuchtenden Fackeln unterbrochen wurden.
»Ich habe dich um eine einzige Sache gebeten und zwar, dass du dich von ihr fernhältst«, beendete Enzo nach einer Weile die erdrückende Stille zwischen ihnen, bevor sie darin ertrinken konnten.
»Ich weiß«, atmete Mattheo aus.
»Sie hat mir erzählt—«, Enzo zögerte. »Dass sie dich schon damals auf diese Weise gern hatte.« Der Slytherin seufzte. »Ihr mache ich keinen Vorwurf, sie ist noch so jung, bei Merlin. Aber du hättest es besser wissen müssen. Was hast du erwartet was passiert, wenn sie das mit der Hochzeit herausfindet?«
Mattheo spannte den Unterkiefer an und schwieg.
»Hast du—«, Enzo zögerte und als sich ihre Blicke trafen, wusste Mattheo, was er fragen wollte, noch bevor er es aussprach. »Hast du mit ihr geschlafen?«
»Natürlich habe ich das nicht«, knurrte Mattheo und verfluchte sich in Gedanken dafür, dass es beinahe dazu gekommen wäre. »Aber ich habe sie geküsst. Und ich weiß, dass es falsch war, aber ich konnte nicht anders. Sie ist alles für mich, Enzo. Alles.«
Enzo atmete tief ein und aus, wandte seinen Blick aus dem Fenster und sah der Welt hinter den Schlossmauern dabei zu, wie sie nach und nach in Dunkelheit versank. Und als er ihn wieder ansah, lag etwas Flehendes in seinen Augen. »Wenn du meine Schwester so sehr liebst, dann lass sie gehen. Du hast ihr schon so viel Schmerz bereitet. Es ist genug.«
Mattheo konnte nicht atmen, denn seine Kehle war wie zugeschnürt. Er senkte den Blick und nickte.
»Ich bringe sie heute Abend zurück ins St Mungo«, sagte Enzo und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Die Wärme des Slytherin war tröstend, doch auch wenn Mattheo damit gerechnet hatte, erschütterten diese Worte den Erben Slytherins bis in die Knochen.
»Sie kann hier nicht bleiben, nicht nach ihrem Rückfall und nicht wenn—«, er zögerte. »Sie wird nie gesund werden können, wenn sie dich im Schloss mit ihr sieht.« Seine Miene verfinsterte sich. »Ich habe mit Dad geredet, er wird beim Ministerium einen Antrag stellen, sie Zuhause unterrichten zu dürfen. Der erste wurde abgelehnt, aber Dad hat jetzt eine höhere Position. Es ist besser für sie, Theo.«
Mattheo schluckte schwer und nickte, auch wenn ihn der Gedanke daran, sie nicht mehr sehen zu können, beinahe von innen zerfraß. Es war das Beste für sie, wenn er endgültig aus ihrem Leben verschwand, damit er ihr nicht noch mehr Schmerz hinzufügte, nur weil er sie einfach nicht loslassen konnte.
Mattheo hatte mit Hilfe seiner Legilimentik genug Erinnerung an sie in seinem Kopf geschaffen, die ihn am Leben halten würden, bis alles erledigt war.
»Du kannst dich heute Abend von ihr verabschieden«, hörte er Enzo noch zu ihm sagen, bevor Mattheo die Schuldgefühle nicht mehr aushielt und in sein Zimmer apparierte, wo der Erbe Salazar Slytherins der Dunkelheit in sich verfiel und sich bestrafte, bis sein Körper voller neuer Narben war.
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Der schwarze See verlieh den Kerkern von Slytherin ein smaragdgrünes Leuchten, überzog alles mit einer schier magischen Silhouette, doch trotz der mystischen Schönheit dieses ihm so vertrauten Ortes, an dem Mattheo sich sein Leben lang zuhause gefühlt hatte, wünschte er sich jetzt, ganz weit weg zu sein.
Seine Schultern waren angespannt, als er auf dem Korridor der Mädchenschlafsäle stehen blieb und durch den geöffneten Spalt der Tür die Umrisse des Mädchens erkennen konnte, für das Mattheo Marvolo Riddle seine eigene Blutlinie verriet, um ihr eine Welt schenken zu können, in der sie vor nichts mehr Angst haben musste. Eine Welt ohne Schmerz.
Ohne Dunkelheit.
Amelie stand mit dem Rücken zu ihm über ihr mit smaragdgrünen Vorhängen verziertes Himmelbett gebeugt, während sie sorgfältig ihre Schuluniformen sortierte und dabei alle paar Sekunden geduldig ihr Kätzchen aus dem Koffer hob, dass sich aus lauter Angst vergessen zu werden, immer wieder mit einem theatralischen Miauen auf ihrer Kleidung einrollte.
»Ist schon gut, Snowball, wir sehen uns Zuhause. Ich muss ein paar Tage oder Wochen weg, damit es mir besser geht. Aber so lang kümmern sich Mum und Pavarti um dich«, beruhigte sie das Fellknäuel und legte ihm behutsam ein Halsband um. Mattheo erkannte anhand eines Flimmerns, dass es mit einem Portschlüssel-Zauber verknüpft war und er konnte Amelies tiefe Traurigkeit spüren, als wäre es seine eigene, als sich die Magie aktivierte und ihr geliebtes Haustier in das Berkshire Anwesen teleportierte.
Seufzend fuhr sie damit fort, ihr Hab und Gut zu packen und Mattheos dunkles Herz bekam einen Stich, der ihn vor lauter Schuldgefühlen nun kaum mehr atmen ließ, als sie sich leicht zur Seite drehte und er den Ansatz der Verbände sehen konnte, mit denen beide ihrer Oberschenkel umwickelt waren.
Ihr wunderschönes langes Haar, das im sanften Licht des Kronleuchters an der Decke wie dunkle Kastanie an einem sonnigen Herbstmorgen schimmerte, hatte die Slytherin zu einem hübschen französischen Zopf geflochten, der auf der Mitte ihres Rückens von einem Haarband zusammengehalten wurde.
Es war genau dasselbe Haarband aus slytheringrüner Seide, das Mattheo seit ihrer Nacht in der Bibliothek immer bei sich trug, es hütete wie einen Schatz.
Doch der Anblick ihres Haares versetzte ihm einen Stich, denn immer, wenn sie es so aufwändig frisierte, wusste Mattheo, dass es ihr besonders schlecht ging.
Als Mitglieder der Unantastbaren Achtundzwanzig hatten Amelie und Enzo schon früh gelernt, wie sie Probleme und Sorgen hinter makellosem Auftreten verbergen konnten, so wie es auf den zahlreichen Veranstaltungen, Galas und Treffen, die sie mit ihren Eltern hatten besuchen müssen, von der Erben der elitären Berskhire Dynastie erwarten worden war.
Eine halbe Ewigkeit stand Mattheo in den Schatten des Flures und versuchte, sich jedes Detail von ihr einzuprägen, bevor er sich endlich dazu durchringen konnte, die Hand zu heben und an die Tür zu klopfen.
Amelie schrak zusammen und ließ den Stapel an Büchern und Pergamentrollen fallen, den sie auf ihrem Arm zu balancieren versucht hatte, woraufhin sie sich auf dem Holzboden vor ihrem Bett verteilten.
Sehnsucht und Kummer lagen in den wunderschönen braunen Rehaugen der warmherzigen Slytherin, während sie ihn einige Sekunden mit zitternden Lippen anstarrte, bevor sie sich auf den Boden sinken ließ, um die Bücher wieder aufzusammeln, dabei angesichts ihrer Schnittverletzungen leise keuchte.
»Entschuldige«, murmelte Mattheo und kniete sich zu ihr, um ihr zu helfen, obwohl sie beide ganz genau wussten, dass es mit Magie deutlich schneller gehen würde. »Es geht schon«, murmelte sie, ohne ihn anzusehen, doch Mattheo blieb bei ihr. Doch als sie beide nach demselben Buch zu greifen versuchten und sich ihre Hände dabei berührten, zuckte sie zusammen. »Ich sagte es geht schon«, fauchte sie, bevor ihre zierlichen Schultern zu zittern anfingen.
Sein Unterkiefer verspannte sich, denn bei dem Buch handelte sich um ihre älteste Ausgabe von Romeo und Julia, ein Geburtstagsgeschenk von Enzo, dass sie über alles liebte und aus dem sie Mattheo in den letzten Jahren unzählige Male vorgelesen hatte, wenn ihn die Nachwirkungen des Cruciatus, dem liebsten unverzeihlichen Fluch seiner Erzeugerin Bellatrix Lestrange, nachts nicht hatten nicht schlafen lassen.
Mattheo kannte jede ihrer Lieblingspassagen auswendig, denn in den Monaten, in denen sie einander nicht gesehen hatten, hatte er sie in den dunkelsten Nächten immer wieder in sein Kissen geflüstert, um sich ihr so näher fühlen zu können.
Magie war ein seltsames Konstrukt der Natur, denn als sie sich gleichzeitig aufrichteten und sich ihre Blicke begegneten, rutschte ihr das Buch aus den Händen. Und als Mattheo es auffing, klappte es auf.
Sein Blick fiel auf die aufgeschlagene Seite, wo die Tinte nicht nur von einem rosafarbenen Textmarker, sondern auch von unzähligen vergossenen Tränen markiert worden war, sodass sich das Papier wellte.
Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann, das wagt sie auch.
Der Erbe Salazar Slytherins würde seine Seele geben, wenn es nur das wäre, was sie voneinander trennte.
Eine Mauer, die er mit einem Explosionszauber in die Luft sprengen konnte, die er Stein für Stein mit seinen eigenen Händen abtragen würde, falls nötig, damit sie eine Zukunft miteinander haben konnten.
Doch das, was ihn von dem Mädchen trennte, das er liebte, bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht war, war ein unbrechbarer Schwur, geleistet in einem Moment purer Verzweiflung, der in seinem eigenen Tod enden würde, wenn er sich ihm widersetzte.
Und auch wenn er sich nach dem Tag sehnte, an dem die Magie des Schwures sein Herz anhalten und seiner Seele Frieden schenken würde, so konnte er diese Welt erst verlassen, wenn er den Mann sterblich gemacht hatte, der den Tod so sehr fürchtete, wie Mattheo sich nach ihm sehnte, dass er seine Seele in Stücke gespalten hatte, nur um ihn zu verhindern.
Mattheo und Amelie würden niemals eine Zukunft miteinander haben können, denn wenn er der traurigen Slytherin, der sein dunkles Herz gehörte, ihre Freiheit zurückgegeben hatte, würde er nicht mehr am Leben sein, um sie mit ihr teilen zu können.
Und es war in Ordnung, denn der Sohn des dunklen Lords fürchtete sein eigenes Ende nicht, denn er konnte sich keinen sinnvolleren Tod vorstellen, als für das Mädchen zu sterben, das er so sehr liebte.
»Sweetie«, hauchte der Lockenkopf, als er die Tränen auf ihren Wangen bemerkte, woraufhin er das Buch zuklappte und in ihren Koffer legte. Beschämt wandte Amelie den Blick ab, damit er sie nicht weinen sah.
»Es tut mir leid, dass ich Theodore geküsst habe«, sagte die Slytherin mit heiserer Stimme, den Blick immer noch zu Boden gesenkt. »Aber ich war so verletzt und ich—«, doch ihre Stimme brach und auch, wenn der junge Todesser genau wusste, dass er jegliches Recht darauf verloren hatte ihr nah zu sein, geschweige denn sie zu berühren, tat er es trotzdem.
Ein letztes Mal.
»Amelie«, flüsterte er mit rauer Stimme und nahm ihr tränennasses Gesicht in seine Hände, auch wenn die Eifersucht an die Erinnerung daran, zugesehen zu haben wie sie Theodore geküsst hatte, wie sie in den Armen eines anderen Jungen Trost gesucht-, nachdem er sie so sehr verletzt hatte, nun beinahe von innen auffraß. »Meine wunderschöne Amelie.«
»Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst.«
Sie sah ihn einfach nur an.
In ihren Augen lag so viel Angst, doch auch Liebe und Verständnis für ihn und all seine Fehler.
Amelie liebte ihn so sehr.
»Wieso hast du mir nichts gesagt?«, flüsterte sie. Der Schmerz in ihrer Stimme zwang ihn fast in die Knie.
»Ich wusste einfach nicht wie«, entgegnete er mit heiserer Stimme, während sich der Erbe Salazar Slytherins mit jeder Faser seines Herzens verabscheute, für jede Träne, die nun ihre Wangen hinabperlten und ihren samtenen Pullover durchnässten, dessen Farbe ihre Augen strahlen ließ.
Sie war so schön, dass er nicht atmen konnte.
Gebrochen und doch voller Licht.
Wie der letzte, einsame Stern am mondlosen Nachthimmel, der verzweifelt gegen die Dunkelheit anzukämpfen versuchte, obwohl er umgeben von dunklen Wolken war, die immer näher rückten.
Sie war der Stern und ihre bedingungslose Liebe zu ihm die Wolke, die ihr eigenes Ende bedeuten würde.
Und dann traf er eine Entscheidung.
Denn er konnte und würde es nicht zulassen.
Mattheo würde nicht zulassen, dass sie seine Gefühle für ihn davon abhielten, glücklich zu sein. Denn er wusste, selbst wenn sie frei war, würde sie ihre Zeit damit verbringen, an seinem Grab zu trauern.
»Ich hätte dir die Wahrheit sagen sollen, doch ich wollte dich nicht verlieren, nachdem ich dich gerade erst wieder bekommen habe«, sagte er voller Reue.
Ein Teil von ihm hatte gehofft, sie könnten sich heimlich sehen, selbst wenn er verheiratet war.
Jetzt schämte er sich für diesen Gedanken.
Denn sie verdiente mehr, so viel mehr als das.
»Aber ich verdiene die Wahrheit, Theo«, wisperte sie unter Tränen und er wusste, dass sie nicht nur auf die Hochzeit anspielte, sondern auch darauf, dass er ihr jedes Mal ins Gesicht log, wenn sie fragte, woher er die komplizierten, schwarzmagischen Verletzungen hatte, mit denen er stets ins Schloss zurückkehrte.
Sie kannte ihn einfach zu gut und weil sie ihn liebte, hatte sie jede seiner Lügen heruntergeschluckt.
»Du wirst in sechs Tagen zu ihr gehören«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Und ich weiß nicht, was du von mir erwartest, aber ich verdiene mehr als verstohlene Küsse Nachts in der Bibliothek.« Sie fing an zu weinen. »Ich verdiene mehr, als heimlich mit dem Jungen zusammen zu sein, den ich—«
Mattheo küsste sie.
Auch wenn sich der Sohn des dunklen Lords geschworen hatte, es nicht zu tun, um sich den Abschied von ihr nicht noch schwerer zu machen.
Er küsste sie, bis nichts mehr von ihm übrig war.
Und Amelie erwiderte seinen Kuss, mit genau derselben Verzweiflung, genau derselben Sehnsucht.
Genau demselben Schmerz, der die gebrochenen Teile ihrer Seelen in diesem bittersüßen Moment des Abschieds miteinander verschmelzen ließ. Magie kribbelte durch ihre Körper, ließ sie beide an den Lippen des anderen aufstöhnen, denn das Gefühl was sie beide nun erfasste, war nicht in Worte zu fassen.
Als der Kuss endete, lehnte er seine Stirn an ihre und blickte dem Mädchen, für das er bald sterben würde, um ihr das Leben ermöglichen zu können, dass sie verdiente, tief in die Augen. »Ich liebe dich, Amelie«, hauchte der Sohn des dunklen Lords gegen ihre Lippen, was ihr ein tränenerfülltes Lächeln entlockte.
»Ich habe dich geliebt, seit ich mich erinnern kann und auch wenn wir nicht zusammen sein können, ändert das nichts an meinen Gefühlen. Ich werde dich für immer lieben, Amelie und ich werde immer an dich denken, dich immer beschützen, auch wenn ich nicht bei dir bin.« Mattheo küsste seine wunderschöne Amelie ein letztes Mal. »Bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht ist«, flüsterte er.
Gerührt sah sie zu ihm auf.
»Theo—«
»Nein«, unterbrach er sie, denn wenn sie es ebenfalls sagte, dann würde er nicht gehen können, würde er niemals in der Lage sein, diesen Raum zu verlassen.
»Ich habe es nicht gesagt, damit du es erwiderst, ich habe es dir gesagt, damit du es weißt«, sagte er mit fester Stimme. »Ich mache es wieder gut, Amelie. Ich werde alles wieder in Ordnung bringen. Ich werde die Dunkelheit beseitigen, die ich heraufbeschworen habe, damit du die Sterne wieder sehen kannst«, versprach er ihr und wickelte sich ein letztes Mal eine ihrer Strähnen um die Finger, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. »Damit du frei sein kannst, Sweetie. Damit du dich verlieben und glücklich sein kannst.«
Irritiert sah sie ihn an.
»Verlieben? Aber—«
Die Worte blieben ihr im Hals stecken und ihre Augen begannen sich zu weiten, als sie verstand. »Nein«, brachte sie keuchend hervor und schlug ihre zarten Hände kraftlos gegen seine uniformierte Brust.
»Ich liebe dich, Amelie.«
»Wehe, Theo—«
»Obliviate.«
Sein Zauberstab, den er ihr heimlich gegen den Hinterkopf gehalten hatte, fiel zu Boden, so sehr zitterte seine Hand, während er dabei zusah wie die Liebe, die Amelie Berkshire für ihn empfand, aus ihren Augen wich, bis nichts mehr davon übrig war.
Einen Augenblick war es ganz still und nur das unruhige Pochen ihrer beider vernarbten Herzen war zu hören, die nun nicht mehr im Einklang schlugen.
Die nie wieder zusammen schlagen würden.
»Warum hast du das getan?«, brachte sie entsetzt hervor und ihre Gesichtszüge verhärteten sich, als ihrer Angst um ihn plötzlich Wut wich. »Du hattest kein Recht dazu, mir meine Gefühle zu nehmen.«
Ihre Atmung beschleunigte sich, als sie ihre Hand ausstreckte, um ihren Zauberstab zu sich zu rufen, doch Mattheo wusste, dass Enzo ihn an sich genommen hatte, damit sie sich nicht selbst verletzte. Also schnappte sie sich seinen und richtete ihn schwer atmend auf seine uniformierte Brust.
»Mach es rückgängig«, befahl die Slytherin ihm wütend, während ihre Magie das Licht des Kronleuchters an der Decke bedrohlich flackern ließ.
»Nein, Amelie«, sagte Mattheo ruhig.
»Kehr den Zauber um oder ich schwöre bei Merlin, ich werde dir weh tun, du—«, doch ihre Stimme brach, während nun Tränen der Wut in ihre Augen aufstiegen, als sie realisierte, dass sein Zauberstab ihren Befehlen einfach nicht gehorchen wollte.
Natürlich nicht, denn sie hatte ein zu reines Herz, um die Kontrolle über eine Waffe zu haben, die schon so endlos viele Seelen in die Hölle verbannt hatte.
»Jetzt hast du mir alles genommen«, schrie sie, während sie anfing, die Sachen aus dem Koffer vor Wut durch das Zimmer zu werfen. »Alles, Mattheo.«
»So ist es gut«, sagte er mit rauer Stimme und nahm ihr seinen Zauberstab aus den zitternden Fingern.
»Hass mich, verfluche mich, tu mir weh wenn du willst, aber verlang nicht von mir, es rückgängig zu machen. Ich verdiene deine Liebe nicht, Amelie.«
Ihr zierlicher Körper zitterte so heftig, dass er Sorge hatte, sie würde jeden Moment zusammenklappen, doch als er einen Schritt auf sie zu trat, stolperte sie einen zurück, während sie mit endloser Verzweiflung in den Augen zu ihm aufsah. Mattheo schluckte, als ihm wieder klar wurde, dass sie ihn gehasst hatte, bevor ihre Gefühle für ihn zurückgekehrt, waren.
Gefühle, die er ihr nun endgültig genommen hatte.
So wie er ihr alles genommen hatte.
Wenn auch alles nur, um sie zu beschützen.
Denn jetzt war sie frei von ihm und bald auch frei von der Dunkelheit, die er über ihre Welt gebracht hatte.
»Ich hasse dich«, schrie sie ihn an.
»Ich weiß«, entgegnete er mit gebrochener Stimme.
Mattheo wollte sterben, als er den puren Hass in ihrem Blick sah, fühlte, wie sein Körper ebenfalls zu zittern anfing, denn im Raum war es plötzlich so bitterkalt ohne die Wärme in ihren braunen Augen.
»Enzo«, rief er mit heiser Stimme, bevor der dunkelhaarige Junge aus den Schatten trat, in die Mattheo ihn kurz vor seinem Vergessens-Zauber gerufen hatte und mit blutunterlaufenen Augen zu seiner Schwester lief, die er fest in die Arme schloss.
Weinend brach sie an der Brust ihres Bruders zusammen, der sich die eigenen Tränen mit dem Ärmel seiner Uniform von den Wangen wischte, bevor er das Kinn hob und ihn ansah. »Ich liebe dich aber geh mir aus den Augen, bevor ich dich umbringe, Theo«, drohte der Slytherin ihm dunkel.
»Es tut mir leid, dass ich so eine Enttäuschung für dich war, Enzo«, sagte der Erbe Slytherins kraftlos, während er die beiden Menschen betrachtete, die ihm immer eine Familie gewesen waren, Nacht für Nacht an seinem Bett gesessen, ihn geheilt und seine Hand gehalten hatten, obwohl er für die Dinge die er getan hatte, nichts als den Tod verdiente. »Für euch beide.«
Enzo schüttelte nur den Kopf, bevor er Amelie zu ihrem Bett zog und sich dort mit dem zitternden Mädchen in seinen Armen in die Kissen sinken ließ.
Mattheo schloss die Augen und dissapparierte.
Sein Körper und sein Verstand waren ein einziger Schmerz, als er an dem einen Ort wieder auftauchte, den er mehr hasste als jeden anderen, doch er hatte herkommen müssen, um so viel Abstand wie möglich zwischen Amelie und sich zu bringen.
Sein altes Zimmer im Lestrange Manor.
Der Hölle seiner Kindheit.
Mattheo konnte nicht mehr atmen, verblutete innerlich, an all den Wunden seines gebrochenen Herzens. Keuchend lehnte er gegen die Wand, fühlte, wie ihm vom Sauerstoffmangel schwindelig wurde.
Auch wenn er gewusst hatte, dass es qualvoll werden würde, so hatte ihn doch nichts auf diese Art von Schmerz vorbereitet. Panisch umfasste er seine Kehle, schnappte angestrengt nach Luft, als er plötzlich zwei warme Hände spürte, die seine Schultern packten und ihn festhielten.
»Du überlebst das«, hörte er Lucifer Lestranges vertraute Stimme zu ihm durchdringen. Mattheo schüttelte nur den Kopf, denn er würde den Schmerz ihres Verlustes nicht überleben, wollte es nicht.
Mattheo wollte sterben ohne sie, wollte nicht mehr weiterleben in einer Welt, in der sie ihn nicht liebte.
»Sieh mich an«, befahl ihm der Todesser mit scharfer Stimme und packte sein Kinn, drückte es mit sanfter Gewalt nach oben, als er ihm immer noch nicht gehorchen wollte. »Du überlebst das, Mattheo. Wir werden diese Scheiße hier überleben und dann wirst du auf deine verfickten Knie vor ihr gehen und dir dein Mädchen zurückholen, hast du das verstanden?«
Mattheo keuchte und fühlte, wie sich seine Lungen mit Luft füllten, als er endlich gegen die Panikattacke ankämpfte, die ihn so fest in ihren Klauen hielt.
Er nickte und blinzelte zu dem etwas älteren Todesser auf, dessen Gesicht ein einziges abstraktes Kunstwerk aus Kratzern und dunkelvioletten Blutergüssen war, gezeichnet von der Wut des dunklen Lords.
»Ich kann nicht«, keuchte Mattheo, während er nach Atem rang. »I-Ich habe sie ihre Gefühle für mich vergessen lassen«, brachte er mit zitternder Stimme hervor, woraufhin Lestrange verächtlich schnaubte.
»Bei allem Respekt«, knurrte er und beschwor eine Flasche Feuerwhiskey herauf, setzte sie an seine Lippen und kippte sich ein Drittel des edlen Alkohols in den Rachen. »Aber deine Vergessenszauber sind noch beschissener als deine Aufräumzauber, Riddle.«
Lestrange kickte mit seinem Todesserstiefel gegen einen alten Quaffel, der zwischen Bücherstapeln und Kleiderhaufen auf dem Boden seines Zimmers lag, bevor er ihm den Whiskey in die zitternden Hände drückte. »Austrinken, jetzt«, befahl er ihm scharf.
Mattheo umklammerte die Flasche, sank mit dem Rücken an der Wand seines alten Zimmers hinab und trank, bis er nichts anderes mehr wahrnahm als das Brennen des Whiskeys in seiner Kehle und die dunkle Aura seines besten Freundes, dessen Kampfgeist genauso schwer zu töten war, wie sein Humor.
𓆙
was gibt es besseres als
herzschmerz zum valentinstag? ♡
bereit für die hochzeit? was denkt ihr, lasse ich mattheo wirklich eine andere heiraten? 🤭
& bitte denkt ans voten,
wenn euch die Geschichte gefällt, danke <3
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