21. things we say in the dark

TW: (Tod eines Hauptcharakters),
Beschreibungen von Verletzungen

and if you never felt your soul
being torn apart, you've never loved anyone
with all your heart.

A M E L I E

Als das vertraute, doch unangenehme Gefühl des Apparierens langsam verblasste und mir die Kontrolle über meinen vor Kälte und Adrenalin zitternden Körper wieder zurückgab, blinzelte ich durch den Gemeinschaftsraum der Slytherin, Enzos blutverschmierte Hand immer noch fest in meiner.

Der schwach beleuchtete Raum der Schlangen, der gänzlich unter dem schwarzen See verborgen lag, roch nach einem besänftigenden Weihnachtscocktail aus Zimt, Orangen und Feuerholz, doch die Luft knisterte gefährlich, aufgeladen vor dunkler Magie.

Ein leiser Aufschrei entwich meiner Kehle, als meine Augen den verletzten Mattheo fanden, der einige Meter entfernt auf dem Holzboden lag, völlig regungslos und um ihn herum eine karmesinrote Lache seines Blutes, die sich langsam ausweitete.

Flashbacks wirbelten bei diesem Anblick wie ein Wirbelsturm durch meinen Kopf, denn es war nicht das erste Mal, dass ich den Slytherin so vorfand.

Fast genau an dieser Stelle.

Ein ebenfalls sichtlich mitgenommen aussehender Blaise kniete neben ihm, den Zauberstab auf seine Brust gerichtet, die sich nur noch schwach bewegte, während ihm Blut aus einer klaffenden Wunde im Bereich seines rechten Rippenbogens sickerte und sich am Boden mit dem Mattheos vermischte.

Unsere Hände lösten sich voneinander, bevor wir gemeinsam durch den Gemeinschaftsraum zu den beiden Todessern eilten, die Zauberstäbe erhoben.

Der Diagnostikzauber, den Enzo über dem Kopf des verletzten Slytherin heraufbeschworen hatte, glühte feuerrot und gab alarmierende Warntöne von sich, die eine weitere Welle Adrenalin durch meinen Körper rauschen ließen und nicht nur meinen Puls beschleunigte, sondern auch die Ravenclaw in mir wachrüttelte, die sofort seine Symptome zu analysieren begann und in Gedanken eine Liste mit Gegenzaubern erstellte, die in Frage kamen.

Mit einem Schlenker seines Zauberstabs beschwor Enzo einen kleinen Lederkoffer hervor, in dem er diverse Tränke und Heiltinkturen aufbewahrte.

»Konnte den Säurefluch noch rechtzeitig aufhalten, aber der andere ist verdammt hartnäckig«, keuchte Blaise mit schmerzerfüllter Stimme, während er eine Hand fest auf seinen Brustkorb presste, aus dem das Blut nur so herausschoss, wenn er sich bewegte.

»Nimm einen Blutbildungtrank, sonst verblutest du in den nächsten fünf Minuten, Blaise. Wir kümmern uns um Theo«, sagte Enzo zu ihm, während wir den, wie ein Weihnachtsbaum leuchtenden Diagnostikzauber über seinem Kopf überprüften, um zu entscheiden, welche von Mattheos Verletzungen als Erstes unsere Aufmerksamkeit benötigte.

Routiniert begannen wir mit unserer Arbeit, desinfizierten und heilten die fatalsten Wunden des blassen Slytherin, der in der Zeit nicht ein einziges Mal das Bewusstsein wiedererlangt hatte.

Was auch definitiv das beste für ihn war, denn ansonsten würde er furchtbare Qualen erleiden.

Es war ein grausamer Wettlauf gegen die Zeit, denn jedes Mal, wenn wir eine seiner Verletzungen geheilt hatten, sorgte der hinterlistige dunkle Zauber, mit dem er verflucht worden war, dafür, dass sie wieder aufrissen, bis eine lebensbedrohliche Menge seines Blutes auf den Boden gesickert war und dabei seine und auch unsere Kleidung durchtränkt hatte.

Mein Blick fiel auf Blaise, der mit dem Rücken gegen eines der Sofas lehnte und mittlerweile das Bewusstsein verloren hatte. Doch der Brustkorb des jungen Todessers hob und senkte sich regelmäßig, woraufhin ich mich wieder Mattheo zuwandte.

Sein Herz schlug mit jeder Sekunde langsamer.

»Er braucht Blut«, sagte Enzo zu mir, nachdem auch die vierte Phiole Blutbildungstrank, den wir ihm eingeflößt hatten, keinerlei Wirkung zeigte.

Ich nickte und kämpfte gegen die Tränen, als ich spürte, wie Mattheos Puls unregelmäßig zu schlagen anfing und es nun nicht mehr lang dauern würde, bis die Erschöpfung sein Herz endgültig anhielt.

Enzo zerrte den Ärmel seiner Uniform hoch, denn die beiden Slytherin Jungs hatten dieselbe Blutgruppe. Ein schicksalhafter Zufall, der uns die letzten Jahre schon einige Male zu gute gekommen war.

»Wenn wir nicht herausfinden, was das für ein Fluch ist, dann—«, doch ich sprach den Gedanken nicht zu Ende, sah nur heftig zitternd dabei zu, wie Enzo seinen Zauberstab hob, erst auf Mattheos, dann auf seinen Arm tippte und die Bluttransfusion startete.

»Ich weiß, Liebes«, murmelte mein Bruder leise, während er Mattheo sein Blut gab, so wie er es in den letzten Jahren schon unzählige Male getan hatte.

Die Wangen des bewusstlosen Slytherin bekamen wieder einen Hauch Farbe, doch die Wirkung hielt nicht lang an. In meiner Verzweiflung zerschnitt ich das Oberteil seiner Uniform, versuchte die Fassung zu bewahren, angesichts der unzähligen Narben auf seinem muskulösen Oberkörper, die Mattheo sich selbst hinzugefügt hatte und konzentrierte mich darauf, den mysteriösen Fluch zu finden, der sein Leben bedrohte, während Enzo ihm weiter Blut gab.

Meine Hand zitterte, als ich sie nach ihm ausstreckte, denn ihn zu berühren, fiel mir nach all dem was zwischen uns geschehen war, so unendlich schwer.

Doch Mattheo brauchte mich jetzt.

Er brauchte meine Hilfe oder er würde sterben.

Mein Bruder würde ihn verlieren.

Ich würde ihn verlieren.

Hatte ich mir die letzten zwei Jahre eingeredet, dass er mir vollkommen egal war, dass es mich nicht kümmerte, ob Mattheo am Leben war oder nicht— so fühlte ich doch jetzt eine furchtbare Angst in mir heranwachsen, bei dem Gedanken ihn zu verlieren.

Ich presste die Lippen aufeinander und wandte den Kopf zur Seite, um tief durchzuatmen. »Ich will nicht, dass du stirbst, Theo«, flehte ich mit zugeschnürter Kehle in die Dunkelheit des Slytherin Gemeinschaftsraumes, bevor ich ihn wieder ansah.

Vorsichtig glitten meine Hände über seine Brustmuskeln, heilten hier und dort einen Bluterguss mit zauberstabloser Magie, für die es nur ein hauchzartes Flüstern meiner Lippen brauchte.

Dann schloss ich die Augen.

Heilmagie erforderte mehr als einen geschickten Umgang mit dem Zauberstab oder ein umfassendes Wissen in der Zaubertrankbrauerei. Es brauchte auch Hingabe, so unendlich viel Geduld, Fingerspitzengefühl und Präzision. Doch vor allem brauchte es Verständnis für die dunklen Künste.

Liebe für das, was von Schatten durchflutet war.

Die Augen fest geschlossen, atmete ich tief ein und aus, ließ die düstere Welt um mich herum für einen Augenblick verschwinden und nutzte die Intuition, die mir das magische Blut in meinen Venen schenkte.

Und dann fühlte ich es.

Ich spürte die dunkle Magie unter meinen Fingerspitzen vibrieren, fühlte wie sie sich langsam unter seiner Haut bewegte, als würde sie kriechen.

Meine Augen flogen wieder auf.

»Es ist eine Schlange«, flüsterte ich, mehr zu mir selbst als zu Enzo, der von seinem eigenen Blutverlust totenblass zu Mattheos anderer Seite kauerte. »Eine Schlange?«, murmelte er irritiert.

Ich nickte und hob meinen Zauberstab.

Mein Herz schlug so schnell, dass mir selbst auf den Knie ganz schwindelig wurde, während ich einen geeigneten Augenblick abwartete, um die Schlange erwischen zu können, die den Körper des Erben Slytherins von innen zu verwüsten schien, an seinen Organen nagte und sich von seinem Blut nährte.

Es war ein Fluch so dunkel und boshaft, der ihn nicht nur in den nächsten Sekunden in den Tod schicken würde, wenn ich ihn nicht aufhielt— sondern seltsamerweise auch noch seine Handschrift trug.

Es war, als würde ihn seine eigene Magie umbringen.

Am ganzen Körper zitternd, blinzelte ich die Tränen davon, die mir bei dem Anblick des sterbenden Slytherin immer wieder in die Augen stiegen.

Dann sammelte ich all meine Zauberkraft.

»Vipera Evanesca«, hauchte ich mit zittriger Stimme, woraufhin sich die Venen des Slytherin für einen furchtbar langen Augenblick tiefschwarz färbten und seinen Körper heftig krampfen ließen, bevor der dunkle Fluch wie Rauch aus seinen Poren emporstieg und schließlich über unseren Köpfen in einer donnernden Gewitterwolke verpuffte.

Nie zuvor hatte ich etwas so Boshaftes gesehen.

Ich hörte, wie Enzo erleichtert ausatmete.

»Oh bei Merlin«, flüsterte er mit erschöpfter Stimme, lehnte sich über den bewusstlosen Mattheo und zog ihn in eine sitzende Position, bevor er ihn mit dem Rücken gegen das smaragdgrüne Samtsofa hinter uns lehnte und sich dann seiner Tasche zuwandte, um einige Heiltränke für ihn zusammenzumischen.

Mit klopfendem Herzen kauerte ich mich neben Mattheo, zögerte einen langen Moment, bevor ich meine Fingerspitzen vorsichtig in sein Haar brachte und ihm seine blutverschmierten Locken aus der Stirn strich. »Es wird alles gut, Theo«, flüsterte ich.

Ich fühlte Enzos Blick auf mir und als ich ihn ansah, schenkte er mir ein dankbares Lächeln. Ich erwiderte es, doch es verblasste in der Sekunde, in der ich nach Mattheos Hals tastete, um seinen Puls zu fühlen.

Zwei erschöpfte Herzschläge und dann—

Nichts.

Meine Lippen formten sich zu einem stummen Schrei, als der Slytherin plötzlich zur Seite kippte und direkt in meine Arme fiel, wo er seinen letzten Atemzug nahm, bevor der Tod ihn mit sich riss.

»Enzo«, brachte ich kaum hörbar hervor, denn ein Gefühl von endlosem Kummer hatte angefangen, mir die Kehle zuzuschnüren und nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Gedanken zu lähmen.

Enzo hob den Kopf und reagierte sofort, als er den Schmerz in meinen Augen erkannte. Die Phiolen rutschten ihm aus den Händen, zerplatzten leise klirrend auf dem Boden, als er zu mir stürzte, Mattheo aus meinen Armen zog und ihn mit dem Rücken flach auf den blutigen Fußboden legte.

Dann begann er seine Hände rhythmisch auf seinen Brustkorb zu pressen, um sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Ich hörte wie seine Rippen brachen und überlegte, ob es sinnvoller war, sie zu heilen oder zu entfernen und mithilfe von einer Flasche Skelewachs nachwachsen zu lassen, bis mir wieder einfiel, dass es keine Rolle mehr spielte.

Der Slytherin war fort, denn sein Herz hatte keine Kraft mehr gehabt, gegen all die Dunkelheit anzukämpfen, zu müde und erschöpft, um noch weiter in dieser grausamen Welt zu existieren.

Genau wie meines.

Der Raum begann zu kippen und die Angst, die mich so fest in ihren Klauen hielt, fing an schwarze Ränder in mein Sichtfeld zu fressen und mich langsam in einen Abgrund völliger Hoffnungslosigkeit zu ziehen.

Stumme Tränen weinend kauerte ich neben Mattheos leblosem Körper in seinem Blut und kraulte seine dunklen Locken, summte eine leise Melodie, während Enzo verzweifelt versuchte, ihn zurückzuholen.

»Nimm deinen Zauberstab«, hörte ich die Stimme meines Bruders, doch sie schien so unendlich weit weg zu sein, drang kaum durch den Sturm an Erinnerungen zu mir durch, der mich jetzt erfasste.

Erinnerungen an all die schönen, doch auch furchtbaren Momente der letzten zehn Jahre.

Unser Kuss an meinem Geburtstag, der Mord an meiner besten Freundin und schließlich der Moment, in dem sein Herz zum finalen Schlag angesetzt hatte.

»Amelie«, rief Enzo jetzt lauter, und als ich nicht reagierte, nahm er mein Gesicht zaghaft in seine Hände und lehnte seine Stirn an meine. »Ich weiß es tut weh Liebes, aber versuch dich zu konzentrieren.«

Ich nickte und wischte mir mit dem Ärmel von Mattheos Hoodie die Tränen von den Wangen, bevor meine zitternden Hände meinen Zauberstab hoben.

In Gedanken zählte ich die Sekunden, wartete, bis er ihn beatmet hatte, bevor meine Lippen den Zauberspruch murmelten, von dem ich gehofft hatte, ihn niemals verwenden zu müssen. Ich wandte den Blick ab, um nicht mitansehen zu müssen, wie der goldene Lichtblitz, der aus der Spitze meines Zauberstabs hervorbrach, in Mattheos Brust einschlug und seinen Körper zum Beben brachte.

Meine Finger zitterten so sehr, dass mir mein Zauberstab aus den Händen rutschte, während ich wimmernd auf dem Boden kauerte, meine Gedanken eine sich endlos drehende Spirale aus Dunkelheit.

Mattheo war tot.

Er war in meinen Armen gestorben.

Ich konnte nicht mehr denken, konnte nicht mehr atmen, denn die unzähligen spitzen Scherben meines gebrochenen Herzens bohrten sich in meine Lunge und gaben mir das Gefühl zu ersticken, an all dem Kummer, der sein Verlust für mich bedeutete.

Ich wusste nicht, ob ich ihm jemals hätte vergeben können für das, was er mir damals in der Schlacht von Hogwarts, in der dunkelsten aller Nächte unserer beider junger Leben angetan hatte, doch nun hatte ich keine Gelegenheit mehr, es herauszufinden.

Ich würde nie wieder die süßen Grübchen sehen, die er bekam, wenn er grinste, würde nie wieder seinen vertrauten Duft riechen können, ihm nie wieder Kakao mit Pfefferminze zubereiten können, mich nie wieder in seine beschützenden Arme kuscheln.

Ich würde nie wieder seine kleine Amelie sein.

Sein Tod zerriss meine Seele, zerrte gewaltsam an meinem innersten, bis nichts mehr von mir übrig war. Ich fing an zu schreien und hielt mir die zitternden Hände vors Gesicht, konnte den Anblick des toten Mattheo einfach nicht mehr ertragen.

Theo.

Mein Theo.

Für immer fort.

Ich schrie und schrie, bis ich heiser war.

Meine Magie reagierte auf meine Verzweiflung, entfachte einen Sturm mitten im Gemeinschaftsraum der Slytherin, zerfetzte den Weihnachtsbaum, sodass es Tannennadeln zu regnen begann, riss die schweren Bücherregale von den Wänden und ließ die Kronleuchter an der Decke explodieren, doch ich spürte nicht einmal, wie mir die Scherben ins Gesicht schnitten und meine Wangen mit Blut benetzen.

Ich verlor die Kontrolle und es war mir egal.

»Amelie, du musst ruhig atmen«, versuchte mich die Stimme Enzos zu beruhigen, die jetzt sanft in mein Ohr flüsterte. »Sieh mich an Schwesterherz, es wird alles gut.« Ich wehrte mich nicht, als er mich an sich zog und meinen Kopf leicht in den Nacken legte.

Ich spürte ein kühles Fläschchen an meinen Lippen und stürzte die bittere Flüssigkeit des Beruhigungstranks meine Kehle hinunter, bevor ich mich nach Halt suchend in seine Roben klammerte, und verzweifelt auf das beruhigende Gefühl des Zaubertranks wartete, der jedoch durch das ganze Adrenalin in meinen Körper kaum Wirkung zeigte.

Beruhigend streichelte Enzo mir über mein langes dunkles Haar und flüsterte einen Heilzauber, der die Schnitte in meinem Gesicht heilte, während ich mir den Tod wünschte, mich nach Erlösung sehnte, nur um diesen Schmerz nicht mehr ertragen zu müssen.

»Er ist tot, Theo ist fort. Er ist—«

»Shhh«, unterbrach mein Bruder mich und zog mich enger an sich. »Beruhige dich, Amelie. Theos Herz hat wieder zu schlagen angefangen, als du ihn geschockt hast«, erklärte er mir mit fester Stimme, was meine Panikattacke langsam etwas dämpfte.

»W-Was?«, brachte ich irritiert hervor.

»Du hast ihn zurückgeholt, Liebes.«

Ich blinzelte zu ihm auf, bevor mein Blick an ihm vorbei glitt und auf Mattheos Brust landete, die sich bei jedem seiner ruhigen Atemzüge bewegte. Mit Taubheit im Herzen befreite ich mich aus der Umarmung meines Bruders und kroch durch die Blutlache zu Mattheo, kauerte mich neben den verletzen Slytherin, legte meinen Kopf auf seine Schulter und atmete seinen vertrauten Duft ein.

Einen Augenblick war es vollkommen still, bis ein herzzerreißendes Geräusch durch den Gemeinschaftsraum der Slytherin drang. Und erst als ich Enzo neben mir spürte, der mich von hinten an seine Brust zog und in seinen beschützenden Armen wiegte, bemerkte ich, dass es ein Schluchzen war.

Mein Schluchzen.

»Vergib mir, Amelie«, flehte mein Bruder mich an, seine Stimme heiser vor Erschöpfung. »Es tut mir so unendlich leid, dass ich dir das zugemutet habe. Es war furchtbar egoistisch von mir, dich darum zu bitten. Ich kann mir nur vorstellen wie schwer es für dich ist, ihn zu berühren und ihn zu heilen, nach all dem was er getan hat. Ich wollte dir nicht weh tun, Liebes.« Den letzten Teil des Satzes hatte er geflüstert, bevor ich ihn schwer schlucken hörte.

»E-Es muss dir nicht leid tun, E-Enzo«, sagte ich ihn weinend und legte meine zitternde Hand auf seine.

»Ich weiß doch, wie sehr du ihn liebst.«

»Wie sehr auch ich ihn liebe«, flüsterte ich in die Dunkelheit hinein, doch Enzo hörte es nicht.

Einen langen Moment saßen wir inmitten des verwüsteten Gemeinschaftsraumes, der durch die zerstörten Lampen nur noch vom sanften Flackern der Kaminfeuer, sowie dem schwarzen See beleuchtet wurde, der grünlich durch die Fenster glimmerte und der Atmosphäre nun etwas Beruhigendes verlieh.

Der schwere Geruch von Blut hing in der Luft, vermischte sich mit dem von Orangen und Zimt.

Enzo und ich hielten einander fest, während wir Mattheo beim Atmen zusahen und uns gegenseitig den Halt gaben, den wir beide so verzweifelt brauchten. Mein Bruder sprach kein einziges Wort, doch anhand seiner zitternden Schultern konnte ich spüren, dass der Slytherin stumme Tränen weinte.

Behutsam schob ich seinen Arm zur Seite und drehte mich zu ihm um, zog ihn an mich und fühlte seinen Puls, bevor ich ihm beruhigend durch sein dunkles Haar streichelte, so wie unsere Mutter es früher so oft getan hatte, wenn es ihm schlecht gegangen war.

»Dein Herz schlägt zu langsam und du bist eiskalt, Enzo«, sagte ich mit besorgter Stimme zu ihm. »Du musst sofort einen Trank zu dir nehmen.«

Er nickte und nahm einen tiefen Atemzug, bevor er sich die Tränen von den Wangen wischte und sich von mir beim aufstehen helfen ließ. Der Blutverlust ließ seinen Kreislauf absacken, doch ich stützte ihn und reichte ihm einen der letzten Tränke, die noch übrig waren, bevor ich mich Blaise zuwandte, der immer noch bewusstlos gegen das Sofa gegenüber lehnte und von all dem nichts mitbekommen hatte.

Seine Haut glühte als ich ihn berührte, was nicht nur dem Feuer zuzuschreiben war, das in dem steinernen Kamin neben uns knisterte, sondern auch dem Fieber, das den breitschultrigen Slytherin befallen hatte. Ich erkannte, dass sich eine seiner Verletzungen stark entzündet hatte, doch ich brauchte nur wenige Minuten um ihn zu heilen.

Mit einem Schlenker meines Zauberstabs hob ich den bewusstlosen Slytherin in die Luft und platzierte ihn behutsam in den kuschligen dunkelgrünen Kissen des Sofas hinter ihm, bevor ich eine kühle Kompresse heraufbeschwor und ihm auf die Stirn legte, um seine Kopfschmerzen zu lindern, wenn er aufwachte.

Meine Knie waren wacklig, als ich mich umdrehte und zu meinem Bruder ging, der nicht nur Mattheos Blut hatte verschwinden lassen, sondern den Sohn des dunklen Lords auf das gegenüberliegende Sofa von Blaise gebettet hatte und nun vor ihm kniete.

»Seine Rippen—«, begann ich zaghaft, während ich mich neben ihn kniete, müde und völlig erschöpft.

»Sie waren zersplittert und ich musste sie entfernen«, beendete der dunkelhaarige Slytherin meinen Satz, während seine Augen in Schuldgefühlen schwammen, denn Knochen nachwachsen zu lassen war eine lange und äußerst schmerzhafte Tortur.

»Wir sollten seiner Verlobten schreiben.« Mit trister Stimme perlten mir diese Worte von meinen Lippen, wie Regentropfen an einem grauen Nachmittag.

Mein Bruder seufzte und schüttelte den Kopf. »Es ist arrangiert, Amelie. Sie kennen einander gar nicht und ich bezweifele stark, dass er sie um sich haben will«, murmelte er und seine Miene verhärtete sich.

»Oder andersherum.«

Plötzlich hatte ich sanftes Herzflattern.

Enzo betrachtete Mattheo mit einem traurigen Blick.

»Er braucht Ruhe und Skelewachs. Diana ist gestern abgereist, sie verbringt die Feiertage mit ihrer Mutter in Dublin. Ich will Madam Pomfrey nicht noch mehr belasten, deshalb werde ich über Weihnachten im Schloss bleiben und mich um ihn kümmern.«

Mit leerem Blick betrachtete ich Mattheo, dann sah ich zu Enzo und nahm meine Hand in seine. »Nein«, entgegnete ich zögerlich und schüttelte den Kopf.

»Ich will nicht ohne dich Weihnachten feiern und Mum und Dad auch nicht, Enzo. Du weißt, dass es ihnen das Herz brechen würde. Sie vermissen dich beide so sehr.« Ich schluckte schwer und holte tief Luft, bevor ich die nächsten Worte aussprach.

»Nimm Theo mit nach Hause«, flüsterte ich.

»Amelie, du musst nicht—«

»Seine Heilung wird ein paar Tage dauern und er sollte bei jemandem sein, der sich mit seinen Verletzungen auskennt. Wenn er an Weihnachten ins Riddle Manor zurückkehrt, wird der dunkle Lord ihn bestimmt foltern oder ihm andere schlimmere Dinge—«, doch ich brachte den Satz nicht zu Ende, kämpfte gegen die Tränen an, die mich wieder überkamen.

Ich schloss die Augen und unterdrückte ein Schluchzen, als Enzo mich an sich zog. »Bist du sicher?«, fragte er leise, während ich stumm nickte und mir von ihm über den Rücken kraulen ließ. »Er wird in seinem Zimmer bleiben, ich verspreche es.«

»Okay«, flüsterte ich und meine Mundwinkel zuckten im Anflug eines schwachen Lächelns, als er mir einen Kuss auf die Stirn hauchte. »Du bist viel zu gut für diese dunkle Welt«, murmelte er und lehnte sich an mich. »So wie du, Bruderherz«, flüsterte ich.

Eine Weile schwiegen wir, bevor ich mit klopfendem Herzen das Wort wieder ergriff. »Was ist heute Nacht passiert, Enzo? Was für eine Mission war das, die ihr ausgeführt habt und wer ist noch zu solch schwarzer Magie fähig, wenn nicht der dunkle Lord selbst?«

Mit angehaltenem Atem wartete ich auf seine Antwort, doch dann schüttelte Enzo den Kopf. Er mied meinen Blick und starrte stattdessen mit leeren Augen in das gespenstische Glimmern des schwarzen Sees, hinter dessen Scheiben sich Grindellohs tummelten und feindselig zu uns hinein blickten, angelockt durch die Intensität meiner Magie, die bis in den See durchgedrungen sein musste.

Ihr unheimlicher Anblick ließ mich frösteln.

»Ich kann es dir nicht sagen, Amelie. Es tut mir leid, aber ich kann nicht. Bitte frag nicht nochmal nach.«

Ich nickte und drückte seine Hand, die immer noch fest in meiner lag, bis er sie plötzlich losließ, als ein leises Plopp die Stille zwischen uns unterbrach.

Ich blinzelte, als sich der Raum plötzlich mit Rauch zu fluten begann, bevor schwere Stiefel über den Holzboden donnerten und Lestranges vertraute Silhouette aus den Schatten trat, die den Todesser genau wie Theo wie einen düsteren Nebel umgaben.

Er war wütend, verdammt wütend.

Und dann verstand ich, warum jemand wie Lucifer Lestrange bereits in so jungen Jahren einen derart hohen Rang im dunklen Regime Voldemorts besetzte.

Denn das, was er ausstrahlte, als er meinen Bruder am Kragen packte und ihn zornfunkelnd ansah—

war mörderisch.

»Was zum Teufel ist los mit euch?«, knurrte der Todesser ihn an und verstärkte seinen Griff. Sein Unterkiefer war angespannt und das Kristallblau seiner Augen schwarz wie der Ozean bei Nacht.

»Ich habe mich doch deutlich ausgedrückt als ich gesagt habe, nicht heute Nacht. Es war viel zu riskant. Bei Salazar, ihr hättet alle drauf gehen können. Wie viele Nächte muss ich noch damit verbringen euch eure verfluchten Ärsche zu retten, bevor ihr endlich auf mich hört. Ich bin dir höher gestellt, Berkshire«, donnerte er ihn mit vor Zorn bebender Stimme an.

Enzo erblasste sichtlich.

»Ich weiß, Luc. Aber Mattheo wollte—«

»Mattheo ist ein verfluchter Sturkopf, Lorenzo. Ich dachte du weißt, wie du mit ihm umzugehen hast um ihn von genau solchen Dummheiten abzuhalten.«

»Ich hab es ja versucht, aber—«

Lestrange gab ein gefährliches Knurren von sich, das Enzo sofort verstummen ließ. Kopfschüttelnd wandte er sich von ihm ab, wobei sein Blick kurz meinen streifte und er Sekunden später neben mir auf die Knie sank und seinen Kopf seufzend auf Mattheos Schulter sinken ließ, der immer noch bewusstlos war.

»Fucking Hell«, fluchte der Todesser.

Eine Weile rang er nach Atem und als er den Kopf hob und das Kinn auf Mattheos Schulter abstützte, während er ihn ansah, war jeglicher Zorn aus seinem Blick- und die Härte aus seinen Gesichtszügen verschwunden. Wärme durchströmte mich, als mir klar wurde, dass auch Luc Mattheo wie einen Bruder liebte und sich furchtbar um ihn gesorgt hatte.

Dann blickte der Todesser zu mir.

»Wie knapp war es?«, fragte er leise.

Meine Lippen begannen zu zittern und meine Augen füllten sich mit Tränen, was ihm als Antwort genügte, denn er breitete die Arme aus. »Komm her, Süße.«

Ich zögerte keine Sekunde, schlang die Arme um den Hals des älteren Jungen und ließ mich von ihm festhalten. Lestrange klemmte sich seine tiefschwarzen Drachenlederhandschuhe zwischen die Zähne und zog sie aus, bevor seine rauen Finger beruhigend durch mein dunkles Haar strichen.

Seine Nähe war tröstend, denn trotz all der Schatten die den Todesser umgaben, fühlte ich mich sicher bei ihm. So wie ich mich früher auch sicher in der vertrauten Dunkelheit Mattheos gefühlt hatte, der sich plötzlich schwach zu regen begann und ein schmerzerfülltes Knurren von sich gab. Sofort war Enzo bei ihm und gab ihm etwas gegen Schmerzen.

Der Slytherin hatte die Augen fest geschlossen, doch seine Lippen bewegten sich leicht. Mein Herz klopfte, als ich mich an Lestranges muskulöser Brust abstützte und mich ein wenig nach vorn lehnte. Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, doch das, was er sagte, hatte ich sofort verstanden.

Und auch wenn es schmerzhaft war, wenn es mir jedes Mal bis tief in die Knochen schmerzte, dieses eine, so bittersüße Wort von seinen Lippen perlen zu hören, das nur für mich allein bestimmt war, so war es doch auch Balsam für meine zersplitterte Seele.

»Sweetie

𓆙

I am deeply sorry für all diesen Schmerz,
aber Mattheos (vorübergehender) Tod war unverzichtbar für die storyline.

im nächsten Kapitel gibt's etwas,
was ihr euch alle gewünscht habt <3

bitte denkt ans voten,
wenn euch die Geschichte gefällt ♡

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