18. kissing scars

TW: Mord &
selbstverletzendes Verhalten

Everything he was afraid
of happening, happened.

M A T T H E O

Ihr wütender Fluch schleuderte den jungen Todesser mit dem Rücken gegen eine Säule und stahl ihm für einige Sekunden die Luft aus den Lungenflügeln. Beeindruckt und besorgt zugleich von der Intensität ihrer Magie, blinzelte Mattheo, während seine dunklen Augen der zierlichen Slytherin folgten, als sie sichtlich verstört aus der großen Halle lief, ohne auf ihren schwindelerregenden hohen High Heels auch nur ein einziges Mal ins Wanken zu geraten.

Amelie Berkshire sah aus wie eine Prinzessin.

Doch Mattheos dunkles Herz blutete, denn in ihren wunderschönen Augen hatten Tränen geglitzert.

Tränen, die er verursacht hatte.

Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie sich einige der Gäste auf der Tanzfläche prügelten, was schon nach wenigen Sekunden in magische Duelle überging, mit Flüchen deren Boshaftigkeit die verzauberte Decke zu ihren Köpfen verdunkelte.

Doch Mattheo hatte nur Augen für Amelie.

Sofort machte er einen Schritt nach vorn um ihr hinterher zu laufen, als sich ihm die Blondine an seiner Seite plötzlich in den Weg stellte. »Mattheo«, säuselte sie seinen Namen im französischen Akzent.

»Wer war das? Was geht hier vor sich?« Doch der junge Todesser ignorierte sie und schob sich an ihr vorbei, woraufhin sie sein Handgelenk umfasste.

Ihre Berührung brachte sein Blut zum kochen.

Mordlustig wirbelte der Lockenkopf herum, zog seinen Zauberstab und drückte die bereits feuerrot glühende Spitze an die Kehle der blonden Hexe, die ihn nun entgeistert anblickte. »Fass mich verflucht nochmal nicht an«, zischte er zornig, woraufhin sich ihre Augen verengten und ihn abfällig musterten.

Das Letzte, was der Erbe Slytherins gewollt hatte, war das Amelie auf diese Art herausfand, dass er gezwungen war ein Mädchen zu heiraten, das er bis zum heutigen Abend nicht einmal gesehen hatte.

Doch nun war es zu spät.

Außer sich vor Zorn über ihre unangekündigte Anwesenheit würdigte er seine Versprochene keines weiteren Blickes, als er sich von ihr losriss und die große Halle verließ. Auf dem Flur blieb er stehen und ließ seinen Blick durch die Eingangshalle gleiten, die aussah wie vom Winter geküsst, so wie auch der Rest des Schlosses in dieser magischen Dezembernacht.

Der dunkle Lord hatte viele wichtige Politiker anderer Zaubereiministerien in Europa zu diesem Ball geladen, um mit dem Glanz des magischen Internates Interesse an Allianzen mit Großbritannien zu wecken. Ein verächtliches Schnauben entwich der Kehle des Todessers, denn er wusste, wenn andere Länder nicht freiwillig mit dem dunklen Regime zusammenarbeiteten, würde man sie dazu zwingen.

»Amelie?«, rief er ihren Namen, während seine schweren Todesserstiefel über den Boden rammten und die Dunkelheit, die den Erben Slytherins bei jedem seiner Schritte begleitet, sämtliche Gäste, die ihm begegneten, aus Angst die Flucht ergreifen ließ.

So wie sie es immer taten.

»Amelie«, brüllte er jetzt, doch von der zierlichen Brünetten mit den traurigen braunen Augen war keine Spur zu sehen. Mattheo erhöhte das Tempo seiner Schritte, hätte beinahe ein verliebtes Pärchen umgerannt, das so eben aus den verschneiten Ländereien zurück in die Eingangshalle getreten war.

Und in der letzten Sekunde, bevor die schwere Eingangstür hinter ihnen ins Schloss fiel, sah er sie.

Der raue Dezemberwind schlug dem jungen Riddle seine eisige Faust ins Gesicht, als er über den winterlichen Hof vor der großen Halle rannte, beinahe auf den vereisten Stufen ausgerutscht wäre, hätte er sich nicht im letzten Augenblick auf den unteren Treppenabsatz appariert. »Amelie«, rief er dem Mädchen zu, das mit nackten Schultern auf der pudrigen Brücke stand, die in die Haupthalle führte.

Ohne Jacke und mitten im eisigen Schnee.

Sie rührte sich nicht und Mattheos dunkle Augen verengten sich, als er sah, dass sie nicht allein war.

Hinter ihr stand ein blonder Junge, den er jetzt als den Sohn einer der ausländischen Minister erkannte. Er sagte etwas zu ihr, bevor er die Arme um sie legte.

Und als er im nächsten Augenblick plötzlich anfing, ihren Hals zu küssen, während er ihre Brüste begrabschte, brannten all seine Sicherungen durch.

»Weg von ihr«, knurrte er, packte den jungen Magier und schleuderte ihn aggressiv zur Seite, sodass er gegen die Mauer hinter ihnen krachte. »Amelie«, stieß Mattheo atemlos hervor und blickte ihr besorgt ins Gesicht, doch Amelie reagierte überhaupt nicht.

Ihre Augen waren glasig und ihre Pupillen riesig.

Seine Schultern begannen vor Wut zu zittern.

Mattheo wirbelte herum und packte den Jungen, der sich so eben stöhnend wieder aufgerappelt hatte, am Kragen. »Was hast du ihr gegeben?«, brüllte er ihn außer sich vor Zorn an und schmetterte ihn mit dem Hinterkopf gegen die Mauer, als er nicht antwortete.

»Was verfickt nochmal hast du ihr gegeben?«

Der Junge blinzelte und spuckte Blut, als Mattheo ihm seine Faust ins Gesicht rammte. »N-Nur n paar Muggeldrogen«, keuchte er. »Sieh dir die Süße doch mal an. Sie ist voll fertig. Alles was sie braucht ist n guter Trip und mal ordentlich durchgefickt zu—«

»Avada Kedavra

Das grüne Leuchten seines unverzeihlichen Fluchs erhellte die Dunkelheit der Nacht wie ein Blitz, bevor der Junge leblos zu Boden sackte. Fluchend über seine Kurzschlussreaktion, jemanden vor ihren Augen getötet zu haben, blickte er zu Amelie, die von seinem Mord jedoch nichts mitbekommen hatte.

Mit angespanntem Kiefer packte Mattheo die Leiche, hievte sie auf der anderen Seite der Brücke über das halbhohe Geländer, bevor er den leblosen Körper mit seinem Todesserstiefel achtlos in die Tiefe kickte.

Dann war er wieder bei ihr.

Alles in ihm war taub vor Kummer und Zorn, als der junge Todesser dem zitternden Mädchen vor sich mit einem rauen Flüstern einen schützenden Wärmezauber über die verfrorenen Schultern legte, gefolgt von seinem schützenden Todesserumhang.

»Süße?«, hauchte er mit sanfter Stimme, als sie leise schluchzte. »Kannst du mich mal ansehen?«

Doch Amelie war so zugedröhnt von den Drogen, die der Junge ihr gegeben hatte, dass sie seine Anwesenheit überhaupt nicht wahrzunehmen schien.

Sie wankte und er streckte aus Reflex die Hände aus, um sie auffangen zu können, falls sie stürzte. Doch ansonsten konnte er sie nicht berühren, denn er durfte es nicht. Nicht ohne ihr Einverständnis.

Mattheo flüsterte ihren Namen, immer und immer wieder, doch der raue Dezemberwind, der sie jetzt umhüllte, trug all sein Flehen ungehört davon.

Plötzlich hob sie das Kinn und blickte mit leeren Augen in den sternlosen Nachthimmel hinauf, der heute Abend eine verhangene Wolkendecke war.

Sein Atem stockte bei ihrem Anblick.

Sie sah aus wie eine dunkle Prinzessin, in ihrem aufwändig verarbeiteten Ballkleid, dessen tiefschwarzer Stoff sich eng um ihre hauchzarten Kurven schmiegte, und ihrem langen dunklen Haar, das ihr in sanften Wellen beinahe bis zur Taille fiel.

Als der Wind ihr eine Strähne in die Stirn wehte, trat er näher, doch er wagte es nicht sie zu berühren.

Ihre Finger zitterten, als sie sich die Strähne davon strich. Zarte Eiskristalle verfingen sich in ihrem langen dunklen Haar, glitzerten im sanften Licht der Laternen, die überall auf der Brücke verteilt waren.

Die Schneeflocken wurden größer, bis sie als dicke Flocken vom Nachthimmel zu rieseln begannen.

Es war nun kurz vor Weihnachten.

Die Zeit, in der die zierliche Berkshire Erbin stets am glücklichsten gewesen war. In der ihre liebevollen braunen Augen jeden Tag geleuchtet— und das vorfreudige Lächeln auf die Feiertage ihre sinnlich geschwungenen Lippen niemals verlassen hatte.

Amelie hatte Weihnachten immer so sehr geliebt.

Doch das Funkeln war erloschen und ihr Lächeln verblasst. So wie die Sterne am Nachthimmel, nach denen ihre Augen jetzt so verzweifelt suchten.

Plötzlich schien sie Angst zu bekommen.

»Enzo?«, wisperte sie heiser. »Es tut mir so leid. I-Ich wollte nicht—« Sie schluckte schwer und ihre Augen begannen sich langsam zu verdrehen, als die Bewusstlosigkeit die Hände nach ihr ausstreckte.

Panik begann in ihm aufzusteigen.

»Du musst mit mir kommen, Amelie«, flüsterte er jetzt, war so nah bei ihr, dass er die blassen Sommersprossen auf ihrem Gesicht hätte zählen können, hätte er es nicht schon hundertmal getan.

Es waren genau sechzehn hauchzarte Sprossen.

»Sweetie«, wisperte er flehend, woraufhin sich ihre Augen plötzlich mit Tränen füllten. Ihre Schultern begannen zu zittern, als sie leise zu weinen anfing.

»Amelie ich brauche deine Erlaubnis dich zu berühren.« Mattheo schnippte mit den Fingern vor ihren Augen, doch sie blinzelte nicht einmal, was das Gefühl der Verzweiflung in ihm weiter ansteigen ließ.

Sie war so unendlich weit weg.

»Bitte, Amelie.«

Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte sie endlich.

Im nächsten Moment färbten sich ihre Lippen blau und ihre zitternden Finger wanderten zu ihrer Kehle, als würde sie plötzlich keine Luft mehr bekommen.

Mattheo stürzte nach vorn und zog sie in seine Arme, wo sie auch schon im nächsten Augenblick das Bewusstsein verlor. Ein Fluchen entglitt seiner Kehle, bevor er den Arm unter ihre Knie legte, sie hochhob und mit dem ohnmächtigen Mädchen in seinen Armen in sein Zimmer in den Kerkern apparierte.

Dort brachte er sie in das angrenzende Bad.

Vorsichtig kniete er sich mit ihr auf den Boden, bevor er ohne zu zögern, mit der Spitze seines Zauberstabs gegen ihre Brust tippte. »Rennervate«, murmelte er und holte sie aus den Tiefen ihrer Bewusstlosigkeit zurück, half ihr mit dem Kleid und hielt ihr das Haar zurück, als sie sich sofort in die Toilette erbrach.

»So ist es gut«, flüsterte er der Slytherin ins Ohr, während er ihr die Strähnen ihres nach zuckersüßer Vanille duftenden Haares aus dem Gesicht hielt.

»Gleich wird es dir wieder besser gehen.«

Amelie weinte leise, während sie sich erbrach.

So lang, bis sie nichts mehr im Magen hatte.

Nach eine Weile sank sie erschöpft mit dem Rücken gegen seine Brust. »Enzo«, flüsterte sie und tastete nach seiner Hand. Ihre Berührung nach all den Jahren wieder zu spüren, machte dem Slytherin Herzklopfen und ließ ihn ganz schwindelig fühlen.

Worte würden niemals ausreichen können, um zu beschreiben, wie sehr Mattheo Amelie vermisste.

»Bitte sei nicht böse auf mich«, halluzinierte sie und kuschelte sich an seine Brust, während ihre Atmung schwerer wurde. »Ich wollte diese Pillen nicht nehmen, ich wollte—«, sie schluckte schwer. »Ich wollte nur, dass es aufhört weh zu tun«, flüsterte sie.

Mattheo wagte es kaum zu atmen.

»Er hat jemanden«, murmelte sie mit gebrochener Stimme, was Mattheo für einen Moment die Augen schließen ließ und es ihm kaum gelang, den Schmerz zu veratmen, der ihn bei diesen Worten erfasste. »Und er hat es mir nicht gesagt, weil wir nicht mehr reden. Weil wir nicht mehr wir sind«, wisperte sie, während sie stumme Tränen weinte. »Theo ist fort.«

Das Herz des Slytherin begann zu bluten.

»Nein«, flüsterte Mattheo dem aufgelösten Mädchen ins Ohr. »Ich bin hier, Sweetie.« Zärtlich zwirbelte er sich einige ihre dunklen Strähnen um seine Finger, so wie er es früher oft getan hatte. »Ich werde immer bei dir sein. Bis der letzte Stern am Nachthimmel verglüht ist«, versprach er ihr und drehte sie leicht in seinen Armen, sodass er sie besser ansehen konnte.

Ihre blassen Wangen waren ganz nass von ihren Tränen, doch Amelie weinte nun nicht mehr und war auch nicht mehr ansprechbar. Mattheo wusste nicht, was genau es gewesen war, das sie genommen hatte, um ihren Schmerz zu betäuben, doch es war eindeutig zu viel für ihren zierlichen Körper gewesen.

Und wieder mal war es seine Schuld.

Seine Schuld, dass sie sich so fühlte.

Seine Schuld, dass sie etwas genommen hatte.

Seine Schuld, dass sie vor ein paar Tagen beinahe verblutet wäre, hätte er sie nicht vorher gefunden.

Es war seine Schuld, dass Amelie sterben wollte, dass sie müde war, ihres jungen Lebens überdrüssig.

So wie auch Mattheo.

Die Schuldgefühle erdrückten ihn, ließen ihn kaum mehr atmen, während er auf dem kalten Boden saß und das bewusstlose Mädchen in seinen Armen wiegte, ihren vertrauten Duft einatmete und sich den Tod wünschte, für das, was er ihr angetan hatte.

Es war das erste Mal seit fast drei Jahren, dass Mattheo Enzos Schwester wieder so nah war.

Seiner Amelie.

Seiner kleinen Amelie.

Doch das dunkelhaarige Mädchen in seinen Armen war schon lang nicht mehr die kleine Ravenclaw, die ihn bereits mit sechs Jahren jedes Weihnachten gnadenlos beim Zauberschach geschlagen hatte.

Amelie war älter, war nun fast erwachsen.

Und sie war auch keine Ravenclaw mehr—

sondern eine Slytherin.

Und das Herz in ihrer Brust, das Mattheo immer zu beschützen geschworen hatte, war gebrochen.

Mattheo nahm einen kühlen Waschlappen und legte ihn einen Moment auf ihre fiebrig glühende Stirn, bevor er ihr ganz vorsichtig über den Mund wischte, und langsam mit ihr in seinen Armen aufstand.

Mit einer flüchtigen Drehung seines Handgelenks ließ der Slytherin die Kerzen aufflackern, die auf dem mit Büchern überladenen Schreibtisch in der Ecke standen, bevor er Amelie behutsam auf sein Bett legte und ihr zärtlich einige Strähnen ihres langen dunkelbraunen Haares aus dem Gesicht strich, das nun überall auf seinen Kissen verteilt war.

Sie rührte sich nicht, als er ihr die Schuhe auszog.

Mattheo gab sich die Schuld an ihrem Zustand, konnte kaum atmen, während ihm all sein Selbsthass die Kehle zuschnürte. Der Todesser überprüfte ihren Puls, bevor er sie vorsichtig auf die Seite drehte und langsam den Reißverschluss ihres Kleides herunterzog, das an der Taille so eng geschnürt war, dass er Sorge hatte, sie könnte im Schlaf ersticken.

Mattheo schloss die Augen und ließ ein dunkles Knurren aus den Tiefen seiner Kehle dringen, als er feststellte, dass sie unter ihrem Kleid keinen BH trug.

Den Blick fest auf ihren Rücken oder ihre Schultern gerichtet, befreite er sie aus ihrem Ballkleid und zog ihr behutsam einen seiner Slytherin Hoodies über den Kopf. Der Kapuzenpullover war so groß an ihr, dass das Mädchen beinahe in dem Stoff versank.

Sie war so zierlich, dass er Sorge hatte, sie könnte zerbrechen, wenn er sie auch nur ansah. Vorsichtig legte er den Arm um ihre Taille und platzierte sie in den tiefschwarzen Satinkissen seines Himmelbettes, bevor er die Bettdecke über ihren Körper zog.

Einen Moment saß Mattheo an ihrer Seite und blickte auf die bewusstlose Slytherin in seinem Bett, versuchte sich davon abzuhalten, in ihre Gedanken einzudringen, um herauszufinden, wie sehr sie ihn wirklich hasste, als er ein Geräusch vernahm.

Ein leises Kratzen an der Tür.

Er stand auf und drückte die Klinke herunter, woraufhin sich in der nächsten Sekunde ein kleines Fellknäuel durch den geöffneten Spalt quetschte.

Einen Augenblick schlich das kleine Kätzchen schnurrend um seine Beine herum, bevor es aufs Bett sprang und sich neben seiner Besitzerin zu einer schneeweißen kleinen Kugel zusammenrollte.

»Snowball«, murmelte Mattheo mit dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen, als er nach ihrem Handgelenk griff, um ihren Puls zu checken.

Doch es war nicht das erschöpfte Pochen ihres Herzens, das den Sohn des dunklen Lords plötzlich getrieben von einem qualvollen Seelenschmerz vor seinem Bett auf die Knie hinab sinken ließ. Es war die feine und lange Narbe die sich beginnend an ihrem Handgelenk ihren Unterarm hinauf zog, die er plötzlich unter seinen rauen Fingerspitzen fühlte.

Mit einem Flüstern hob er den Tarnzauber auf, unter dem sie die Narbe versteckt hatte, während seine Augen im schwachen Kerzenlicht darüber glitten.

Ihre Bedeutung füllte seine Augen mit Tränen.

Denn es war die Narbe eines Suizidsversuchs.

Dieselbe, die auch seinen Unterarm zierte.

Amelie hatte sterben wollen.

Wegen dem, was er ihr angetan hatte.

So wie auch Mattheo hatte sterben wollen.

Wegen dem, was er ihr angetan hatte.

Der Schmerz dieser Erkenntnis sickerte tief in seine Knochen und ließ seinen ganzen Körper erzittern.

Mattheo nahm ihre Hand in seine, brachte sie zaghaft an seine Lippen und hauchte der bewusstlosen Slytherin einen Kuss auf ihre Fingerknöchel. »Es tut mir leid, Sweetie«, flüsterte der junge Todesser mit vor Kummer ganz heiserer Stimme, während er gegen die Tränen ankämpfte, die ihn jede Sekunde zu überkommen drohten.

Es war das erste Mal, dass er diese schweren Worte über die Lippen brachte, seit er sie verloren hatte.

Seit Mattheo Riddle alles verloren hatte.

»Es tut mir so unendlich leid«, wisperte er und küsste sie erneut, während er ihre warme und viel kleinere Hand fest in seiner hielt, sich wünschte, er hätte sie niemals losgelassen. »Auch wenn ich weiß, dass du mir niemals vergeben wirst, was ich getan habe«, murmelte er und küsste ihre Fingerknöchel.

Wieder und wieder und wieder.

Bis ihre Finger nass von seinen Tränen waren.

»Und es ist okay, denn ich verdiene deine Vergebung nicht. Ich verdiene es nicht, dass du mir jemals vergibst, Amelie.« Mattheo schluckte und schloss die Augen, stützte die Ellenbogen auf seinem Bett ab und senkte den Kopf, während er weiter ihre Hand hielt und dem sanften Schnurren Snowballs lauschte.

Doch auch die tröstende Wärme des Kätzchens, das ihn jetzt liebevoll anstupste, konnte ihm nicht den Schmerz nehmen, der ihn kaum mehr atmen ließ.

Denn in dieser bitterkalten Dezembernacht, kurz vor Weihnachten auf den Knie vor seinem Bett, mit der Hand des drei Jahre jüngeren Mädchens in seiner, dem er das Herz nicht nur gebrochen, sondern es in unzählige Scherben hatte zersplittern lassen, gestand sich der Slytherin endlich ein, was er die letzten Monate angestrengt zu verdrängen versucht hatte.

Mattheo war nicht nur verliebt in Amelie.

Er liebte sie. Mattheo liebte Amelie mit jeder Faser seines dunklen, ebenso zersplitterten Herzens.

Er liebte sie so sehr, dass es ihn innerlich zerfraß.

Er liebte die einstige Ravenclaw mit dem brillanten Verstand, den liebevollen braunen Augen und dem umwerfenden süßen Lächeln schon eine sehr lange Zeit auf diese Weise, auch wenn ihn der Schmerz ihres Verlustes dazu gebracht hatte, sein Herz mit einer Eisschicht zu überziehen, um sich zu schützen.

Der Sohn des dunklen Lords liebte sie.

Und zu wissen, dass sie ihn niemals auf diese Weise zurück lieben würde, ihn nicht einmal ansehen konnte ohne sich daran zu erinnern, was er ihr angetan hatte, war die Strafe die Mattheo verdiente.

Er verdiente es, sich so zu fühlen.

Wertlos, einsam, ungeliebt.

Und nun war er gezwungen sich an jemanden zu binden, den er weder kannte, noch kennen wollte.

Dabei war alles was er wollte, bei Amelie zu sein.

Sie zu beschützen, wie er es früher immer getan hatte. Sie zu berühren, sie in den Arm zu nehmen, an Weihnachten im Zauberschach gegen sie zu verlieren oder sie einfach nur anzusehen ohne Angst zu haben, dass ihr bei seinem Anblick Tränen in die Augen stiegen, bevor sie vor seiner Dunkelheit davonlief.

Obwohl sie früher dort immer Schutz gesucht hatte.

Mattheo schloss die Augen und weinte stumme Tränen, während er sich vorbeugte und die Narbe auf ihrem Arm auf und ab küsste, dabei unzählige Male heiser gegen ihre Haut flüsterte, wie Leid es ihm tat.

Er wollte ihr die Wahrheit sagen, wollte ihr sagen, dass er damals in dieser Nacht keine Wahl gehabt hatte, dass er ihre Freunde hatte töten müssen, damit sie leben konnte, doch es spielte keine Rolle mehr.

Mattheo hatte Amelie für immer verloren.

Er zuckte zusammen, als es plötzlich gegen die Tür hämmerte. Verstört ließ er ihre Hand los und stand auf, ging zu seiner Zimmertür und öffnete sie, wo er einem besorgten Enzo ins Gesicht blickte.

»Theo«, stieß der Berkshire Erbe völlig atemlos hervor, als wäre er den Weg aus der großen Halle zurück in die Kerker gerannt und hätte dabei vergessen, dass er als Todesser die Möglichkeit besaß innerhalb der Schlossmauern einfach zu apparieren.

»Bitte sag mir, dass du weißt wo Amelie ist. Ich kann sie nirgendwo finden. Sie ist—«, doch er stockte mitten im Satz und starrte in sein Gesicht. Schnell wischte sich Mattheo die Tränen von den Wangen, woraufhin Enzos Blick nur noch sorgenvoller wurde.

»Theo, was ist—«

»Beruhige dich, Enzo«, sagte Mattheo mit heiserer Stimme. »Amelie ist bei mir. Sie—«, doch Enzo war bereits an ihm vorbei ins Zimmer gestürzt, bevor er den Satz beenden konnte. Der Todesser kniete sich an die Stelle an der Mattheo vor wenigen Sekunden noch gekauert hatte und lehnte sich besorgt über seine Schwester, bevor er ihn sichtlich irritiert ansah.

Sein Blick fiel auf ihr Ballkleid, das Mattheo über die Lehne seines Sessels gelegt hatte und glitt über die Flecken ihres Erbrochenen darauf. »Sie hat nur etwas zu viel getrunken«, log Mattheo ihn an, denn der Slytherin wollte dem Mädchen selbst Gelegenheit geben, ihrem Bruder die Wahrheit zu erzählen.

Enzos braunen Augen weiteten sich in Sorge und plötzlich lag etwas Vorwurfsvolles in seinem Blick.

»Ich hab sie nicht angerührt, Enzo. Ich würde nie—«

»Halt die Klappe, Theo«, unterbrach der Berkshire Erbe ihn kopfschüttelnd, bevor er seiner Schwester einen Kuss auf die Stirn hauchte und aufstand. »Ich weiß, dass du sie hergebracht hast, um auf sie aufzupassen«, murmelte er und rieb sich einen Moment mit geschlossenen Augen die Schläfen.

Einen Augenblick sahen sich die beiden Todesser an, bevor Mattheo seine Zimmertür schloss, sich mit dem Rücken gegen das Holz lehnte und hinabsinken ließ. Sekunden später saß Enzo neben ihm.

Seine Nähe war tröstend.

So wie sie es immer für ihn gewesen war.

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, warfen hin und wieder besorgte Blicke zu Amelie, die regungslos in den Kissen seines Bettes lag, mit einer sanft schnurrenden Snowball an ihrer Seite.

»Du bist jetzt also verlobt?«, ergriff Enzo als Erster das Wort. Grimmig starrte der Erbe Slytherins in das grünliche Glimmern des schwarzen Sees, dessen Wasser sanft gegen die Fenster schwappte.

Mattheo schnaubte, sah ihn jedoch nicht an.

»Es ist arrangiert«, entgegnete er mit emotionsloser Stimme, auch wenn ihm mehr danach war etwas mit den Fäusten kaputtzuschlagen oder sich selbst zu verletzen, wie er es in solch dunklen und hoffnungslosen Nächten oft tat um sich zu bestrafen.

»Sie ist die Tochter des französischen Zaubereiministers«, spuckte er verächtlich hervor und vergrub seine zitternden Hände in seinem Haar, um sie vor Enzo zu verstecken, der ihn jetzt ansah. »Ich kenne nicht einmal ihren verfluchten Vornamen und es ist mir auch egal. Die Ehe ist Teil einer Vereinbarung, die der dunkle Lord mit dem Minister geschlossen hat«, fuhr er fort, ohne ihn anzusehen.

»Verstehe«, murmelte Enzo leise.

»Theo?«

»Mh?«, entgegnete der Lockekopf, hob das Kinn und blickte seinem ehemals besten Freund in die braunen Augen, in denen wieder seine vertraute Sanftheit lag.

Jahre waren vergangenen, in denen er sie nicht gesehen hatte, versteckt hinter all dem Schmerz und dem Trauma, das der dunkle Zaubererkrieg auch auf Seele des Berkshire Erben hinterlassen hatte.

»Was ist zwischen dir und Amelie?«

Einen ewig langen Moment sahen die beiden Jungs einander in die Augen. »Nichts«, entgegnete er dann mit heiserer Stimme, doch er wusste, dass Enzo ihm nicht glaubte. Die beiden Slytherin waren zusammen aufgewachsen, kannten einander in- und auswendig.

»Theo—«, begann Enzo mit sanfter Stimme, doch Mattheo wandte sich von ihm ab und schüttelte den dunklen Lockenkopf, bevor er das Gesicht in seinen rauen Händen vergrub und sich den Tod wünschte.

»Du darfst sie nicht so ansehen. Mach es bitte nicht noch schwerer für sie, ich flehe dich an«, sagte Enzo mit gequälter Stimme, bevor er den Kopf an seine Schulter lehnte und nach seiner Hand griff.

Sie zitterte eben so sehr wie seine.

»Sie ist so zerbrechlich, Theo.« Enzo schluckte schwer. »Dich ein zweites Mal zu verlieren, wird sie nicht überleben und das weißt du. Lass sie gehen.«

Die hörbare Angst um seine kleine Schwester in der Stimme schnürte Mattheo endgültig die Kehle zu.

Jeder Atemzug war eine Qual für den Erben der Blutlinie Slytherins, sein Leben eine ermüdende Odyssee aus knochentiefem Seelenschmerz, die erst ein Ende finden würde, wenn sein von Dunkelheit erfülltes Herz zum finalen Schlag ansetzte.

Die Welt wäre ein besserer Ort ohne ihn.

Denn auch an Enzos Kummer oder dem seiner und Amelies Eltern trug nur Mattheo allein die Schuld.

»Sie hat noch fast ein Jahr Zeit bis sie heiraten muss. Vielleicht findet sie jemanden und verliebt sich. Amelie verdient es glücklich zu sein«, murmelte er.

Mattheo senkte den Kopf und nickte stumm.

»Danke, dass du dich um sie gekümmert hast«, murmelte Enzo und stand auf, blickte hinüber zu seiner Schwester. »Aber ich halte es für das beste, wenn sie morgen früh in ihrem Bett aufwacht.«

Mattheo nickte und trat zur Seite, stand wie betäubt daneben und beobachtete den Todesser dabei, wie er seine bewusstlose Schwester vorsichtig in seine Arme hob und mit einem letzten Blick auf ihn sein Zimmer verließ, die schnurrende Snowball hinterher tapsend.

Endlos lange Minuten stand er vor seinem Bett und starrte auf die Stelle, an der sie verschwunden waren, während seine Schatten das Kerzenlicht erloschen ließen, bis ihn nichts als Schwärze umhüllte und seine Silhouette eins mit der Dunkelheit wurde.

Und das Nächste, was er wahrnahm, war wie er in seinem Bett lag, das Gesicht in die Kissen drückte und voller Verzweiflung ihren Duft in seine Lungen sog. Tränenblind streckte er eine zitternde Hand aus und zog etwas aus der Schublade seines Nachttisches.

Mattheo verfluchte den Tag seiner Geburt, als sich seine zittrigen Finger um den kühlen metallischen Gegenstand schlossen, den er dort für die dunkelsten Stunden seines Lebens aufbewahrte, wenn er die Schuldgefühle nicht mehr aushielt. Doch auch, als die ersten heißen Tropfen seines Blutes über seinen rechten Rippenbogen zu perlen begannen, wollte dieses quälende Gefühl in ihm nicht weichen.

Mattheo drückte das Gesicht tiefer in die Kissen und schrie, bis er heiser war, bevor er die Rasierklinge voller Wut durchs Zimmer warf, wo sie mit einem leisen Klirren von den Fensterscheiben abprallte.

Er hatte sich geschworen, es nicht mehr zu tun, denn oft entzündeten sich die Schnitte und schwächten ihn auf seinen Missionen, was wiederum zu Misserfolgen führte, die in Bestrafungen durch Folter endeten.

Ein endloser Kreislauf aus Schmerz.

Das war es, woraus sein Leben nun bestand, seit der dunkle Lord wieder von den Toten auferstanden war.

Doch Mattheo Riddle verdiente es.

Er verdiente jede dieser Narben, verdiente es, zu leiden, auch wenn der Schnitt einer Rasierklinge ihm nur einen lächerlich absurden Bruchteil des Schmerzes bescherte, den er ihr hinzugefügt hatte.

Seiner Amelie.

Sein dunkles Herz rebellierte gegen seine Rippen, denn die Sehnsucht nach ihr war kaum auszuhalten. Er wünschte sich so sehr, sie wäre noch hier, damit er die Nacht damit verbringen konnte, sie anzusehen und all die Narben zu küssen, die er verursacht hatte.

Doch die Slytherin war fort.

Und ihren Duft zu riechen, der immer noch wie eine langsam verblassende Erinnerung in seinen Kissen hing und die tröstende Wärme zu fühlen, die ihr zierlicher Körper in seinem Bett hinterlassen hatte—

war Himmel und Hölle zugleich.

𓆙

arme broken babys..
wird zeit, dass sie sich gegenseitig heilen..

seid ihr bereit für eure überraschung?
im nächsten kapitel ist es so weit.. ♡

bitte denkt ans voten,
wenn euch diese geschichte gefällt <3

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