13. peppermint chocolate

even though we never
said it to each other,
we knew.

A M E L I E

»Denkt ihr Draco wäre sehr genervt, wenn ich einen in jeder Farbe mitnehme?«, fragte Astoria, die seit einer geschlagenen halben Stunde vor dem Regal mit den Minimuffs stand und abwechselnd jedem der winzig kleinen Tierwesen vorsichtig mit zwei Fingern über das bonbonfarbene Fell streichelte. »Sie sind so niedlich, ich kann mich einfach nicht entscheiden.«

»Er ist schon genervt von Leuten die atmen«, entgegnete Pansy, die jetzt hinter ihr auftauchte und ihr einen Einkaufskorb reichte. »Nimm sie alle.«

Astoria strahlte und begann ohne Umschweife damit einen Minimuff nach dem anderen in ihren Korb zu setzen, wo sich die Tierwesen schon nach wenigen Sekunden aufgrund des Platzmangels zu zanken anfingen und dabei einen Höllenlärm veranstalten, der einem beinahe das Trommelfell zerfetzte.

»Ich wollte schon immer mal einen Minimuff haben«, sagte die zierliche Hufflepuff glücklich, als wir einige Minuten später aus dem Honigtopf hinaus auf die verschneiten Straßen Hosgmeade traten, die Taschen voller magischer Süßigkeiten und Naschereien. Der Dezemberwind ließ uns gleichzeitig frösteln, woraufhin wir unsere Schals enger zogen.

»Naja, jetzt hast du zwölf«, entgegnete ich kichernd und schob einen kanariengelben Minimuff zurück in die Tasche, aus der er beinahe entkommen wäre.

»Ich frage mich wirklich, wie der Besitzer des Honigtopfes daran gekommen ist, ich dachte Minimuffs wären ausgestorben«, runzelte Pansy die Stirn, während wir uns einen Weg durch die pudrig weißen Straßen des Dörfchens bahnten, was sich jedoch als mühsam gestaltete, denn es wollte seit Tagen einfach nicht mehr aufhören zu schneien.

Ich warf ihr einen ungläubigen Blick zu und lachte.

»Das sind doch nur Knuddelmuffs, die mit einem Zaubertrank verkleinert wurden«, erklärte ich meiner Freundin, die mich jetzt überrascht ansah. »Sie machen sie extra kleiner und ihr Fell bunter, damit sie sie für das Fünffache verkaufen können.«

Pansy öffnete den Mund um mir zu antworten, doch klappte ihn plötzlich wieder zu und brachte ihre in kuschligen dunkelgrünen Slytherin Handschuhen steckende Hände in ihre rabenschwarzes Haar, glättete ihre Frisur und begann zu lächeln.

Ich folgte ihrem Blick und grinste, als ich die breiten Schultern Lestranges entdeckte, der neben dem Eingang zum Drei Besen an der steinernen Mauer lehnte und gedankenverloren an einer Zigarette zog.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie am Ende der verschneiten Straße zwei maskierte Todesser in einem Wirbel aus dunklen Umhängen dissapparierten. Offenbar hatte Lestrange sie als Wachen abgelöst, die seit dem Ende des Krieges nicht nur an den Schlossmauern postiert waren, sondern auch durch Hogsmeade patrouillierten.

Der blendend weiße Schnee, in dessen Kulisse wir uns befanden brachte das strahlende Kristallblau seiner Augen nur noch mehr zu Geltung, ließ sie nahezu leuchten. Der attraktive Todesser mit der Fluchnarbe im Gesicht hob das Kinn und grinste, als er uns entdeckte. Lässig stieß er sich mit seinem schweren Todesserstiefel von der Mauer ab und stolzierte in eleganten Schritten in unsere Richtung.

»Drei bezaubernde Weihnachtsengel, welch Wohltat für meine müden Augen«, begrüßte er uns gut gelaunt und bevor ich wusste wie mir geschah, hatte er mich an sich gedrückt, was mir die neiderfüllten Blicke vorbeilaufender jungen Hexen einbrachte.

»Amelie, Astoria—«, er hielt inne und grinste, als sein Blick dem von Pansy begegnete. »Persephone.« Er zwinkerte ihr zu, was ihren Wangen einen zartrosa Farbton verlieh. »Oder sollte ich besser sagen, Pansy?« Amüsiert hob der Todesser eine Braue.

»Persephone ist mein zweiter Vorname, so ganz gelogen war es also nicht. Nur bei meinem Nachnamen habe ich vielleicht etwas geschwindelt«, entgegnete die dunkelhaarige Schönheit schnippisch, hob das Kinn und blickte dem attraktiven Todesser selbstbewusst in seine kristallblauen Augen. »Ich vertraue Männern die ich nicht näher kenne nunmal nicht. Und insbesondere vertraue ich ihnen nicht, wenn sie das dunkle Mal auf ihrem Arm tragen.«

»Autsch«, entgegnete Lestrange, hob seine Hand die in eleganten Lederhandschuhen steckte und legte sie theatralisch auf das Brustteil seiner Uniform. »Wäre darunter irgendwo ein Herz—«, er klopfte sich auf seine Brust. »Hätte das echt weh getan, Pansy.«

Pansys Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, bevor sie ihn unauffällig am Arm berührte. »Dann bin ich wirklich froh, dass du kein Herz besitzt, Lucifer.«

Sein Grinsen wurde breiter, während sich die beiden einfach nur ansahen, überhaupt nicht mehr wahrzunehmen schienen, was um sie herum geschah.

Sie waren verzaubert voneinander.

Astoria und ich tauschten einen kurzen, doch vielsagenden Blick, bevor wir zu grinsen anfingen.

Plan A könnte aktuell nicht besser laufen.

»Habt ihr was dagegen, wenn ich eure Freundin auf ein Butterbier einlade um ihr zu zeigen, wie vertrauenswürdig ich bin?«, fragte er uns, nachdem er es endlich geschafft hatte seinen Blick von Pansys Lippen loszureißen, die sie wie üblich in einer verboten sinnlichen Nuance von Rot geschminkt hatte, der einen atemberaubenden Kontrast zu ihrer blassen Haut und ihrem pechschwarzen Haar bot.

»Ganz und gar nicht«, antworteten Astoria und ich zur selben Zeit, während wir dem teuflischen Gentleman mit Namen Lucifer Lestrange dabei zusahen, wie er die Tür des Drei Besen für Pansy Persephone Parkinson aufhielt, bevor die beiden auch schon im inneren des Pubs verschwanden.

Der himmlisch süße Duft von Butterbier schlug mir entgegen und auch Astoria blickte sehnsüchtig durch die mit malerischen Frostblumen überzogenen Fensterscheiben, hinter denen Madam Rosmerta das herrlich duftende Getränk an ihre Gäste verteilte.

»Möchtest du dich noch reinsetzen?«, fragte ich sie, obwohl mir bei dem Gedanken daran ganz anders wurde, denn der kleine Pub war vollgestopft mit schnatternden Hexen und Zauberern. Meine Kehle begann sich mit jeder Sekunde weiter zuzuschnüren, in der wir durch die Fenster in den Pub blickten.

Astoria schüttelte den Kopf.

»Nur zu gern, aber ich werde in knapp einer Stunde abgeholt«, seufzte sie und ein trauriger Ausdruck trat in ihre hübschen grünen Augen. »Meine monatliche Behandlung im St Mungos steht an und sie wollen mich diesmal über Nacht zur Beobachtung dort behalten, weil sie etwas ganz neues ausprobieren.«

Ich nickte verständnisvoll.

»Aber wenn du noch bleiben willst, dann—«

»Ich begleite dich zurück ins Schloss«, unterbrach ich sie und nahm ihre Hand in meine. Obwohl wir Handschuhe trugen, waren unsere Finger eisig. Der Himmel war ein einziges Grau in Grau, durchzogen von einem Schneegestöber, das immer dichter zu werden schien, je näher wir dem Schloss kamen.

Als wir endlich das Schulgelände erreichten, gelang es uns im letzten Moment noch hinter einer Hecke zu verstecken, denn die magischen Schneemänner, welche die Erst— und Zweitklässler auf der verschneiten Wiese vor dem Südeingang von Hogwarts errichtet hatten, eröffneten sofort das Feuer auf uns und begannen uns mit Schneebällen zu attackieren, von denen es einige in sich hatten.

Krachend prallten sie gegen eine Mauer, von der ich erst auf den zweiten Blick feststellte, dass es sich um gar keine Mauer handelte— sondern um den Rücken von Hagrid, dem Wildhüter von Hogwarts.

Doch die sonst so lebensfrohen braunen Augen des Halbriesen waren seltsam glasig, während er an uns vorbei schlurfte und einige gigantische Tannenbäume hinter sich her zog, die er wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit im Schloss aufstellte.

»Draco sagt er steht unter einem Imperiusfluch«, murmelte mir Astoria verstohlen ins Ohr. »Alle anderen Flüche die sie gegen ihn einsetzen prallen wohl an ihm ab, weshalb nur ein unverzeihlicher bleibt, um ihn—«, doch sie schluckte und brach ab.

»Gefügig zu machen«, beendete ich ihren Satz.

Die Hufflepuff nickte traurig, während wir Hagrid hinterher blickten, bis der Halbriese im Schloss verschwunden war. Besorgt betrachtete ich meine Freundin und stellte fest, dass die schneeweißen Strähnen allmählich zurück in ihr dunkles Haar kehrten, das sie mit einem Zauber gefärbt hatte, um zu verbergen wie schlecht es ihr wirklich ging.

Plötzlich verzogen sich ihre Lippen zu einem schelmischen Lächeln, bevor sie die Arme ausbreitete und sich einfach nach hinten fallen ließ.

Ein Gefühl von Panik erfasste mich, doch als ich die Hand ausstreckte um sie vor dem Sturz zu bewahren, riss sie mich mit sich. Nebeneinander fielen wir rücklings in den Schnee und erst als ich ihr Kichern hörte, stieß ich einen erleichterten Seufzer aus.

»Ich liebe den Winter«, sagte die Greengrass Erbin glücklich, während wir den Schneeflocken eine Weile beim hinabfallen zusahen und wie sie sich in zarten Eiskristallen in unseren langen dunklen Haaren verfingen und unsere verfrorenen Gesichter küssten.

»Mhh ich auch«, sagte ich und legte den Kopf leicht schief, um meine Freundin ansehen zu können.

Ihre blassen Wangen waren von der Kälte leicht rosig angehaucht, während sie verträumt in den Himmel hinauf lächelte und einen Schneeengel machte, was mir ganz plötzlich die Kehle zuzuschnüren begann.

Eine knochentiefe Traurigkeit breitete sich in mir aus, denn bald würde Astoria ein richtiger Engel sein.

Der Blutfluch unter dem sie litt, war unheilbar und niemand wusste, wie lange ihr noch blieb, bis die Dunkelheit ihr Herz erreichte und es anhielt.

Sie starb und niemand konnte es verhindern.

Draco würde sie verlieren.

Ihre Familie würde sie verlieren.

Ich würde sie verlieren.

Und bevor ich es zurückhalten konnte, begannen mir heiße Tränen über die Wangen zu kullern. Jede Zelle meines Körpers wurde allmählich taub, doch nicht vor Kälte, sondern vor Kummer und auch Angst.

Angst vor dem Schmerz ihres Verlustes, denn ich hatte schon so viele Menschen verloren, die mir am Herzen gelegen hatten. Ich versuchte die Tränen davon zu blinzeln, doch es wollte mir nicht gelingen.

»Amelie?«

»Es tut mir leid«, flüsterte ich und fühlte mein Gesicht vor Scham glühen, während ich mir mit dem Handdrücken meine Tränen von den Wangen wischte, doch es kamen immer wieder neue nach.

»Muss es nicht«, flüsterte meine Freundin, bevor sie mich behutsam in eine sitzende Position zog und die Arme um meine zitternden Schultern legte. »Es ist in Ordnung, Amelie. Du darfst ruhig um mich weinen.«

Ihre Stimme zitterte, doch Astoria weinte nicht, sondern hielt mich in ihren Armen und gab mir den Trost, den ich doch eigentlich ihr spenden sollte.

»Es tut gut zu weinen, einfach alles rauszulassen«, flüsterte sie mir ins Ohr, während sie mir liebevoll über den Rücken streichelte. »Manchmal weine ich mit Daphne zusammen. Oder mit meiner Mum.« Sie schluckte schwer. »Doch niemals vor Draco.«

Ich nickte und weinte, bis ich keine Tränen mehr übrig hatte und die Dämmerung sich in sternlose Dunkelheit gewandelt hatte. Nach einer Weile lehnte sich Astoria zurück und strich mir mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. »Ich hab dich lieb«, flüsterte sie und nahm meine Hand, drückte sie fest.

»Ich hab dich auch lieb, Tori«, entgegnete ich leise.

Händchenhaltend saßen wir im tiefen Schnee vor den Mauern von Hogwarts und beobachteten kichernd einen der Minimuffs, der sich aus Astorias Einkaufstasche befreit hatte und den Spaß seines Lebens dabei hatte, sich durch den Schnee zu rollen.

Doch als ich ihn vorsichtig in die Hand nahm um ihn wieder in die Tasche zu stecken, kroch er ängstlich in den Ärmel meines dunkelgrauen Wintermantels und versteckte sich dort. »Er mag dich«, lächelte Astoria.

»Bitte behalt ihn, Amelie.«

Ich nickte und überlegte gerade, wie ich ihn nennen sollte, als in der Ferne plötzlich Schritte ertönten und eine vertraute Aura das Licht der kleinen Laternen, die rund um das Gelände verteilt waren, verdunkelte.

»Was zum— Sag mal habt ihr den Verstand verloren? Es sind Minusgrade, Astoria«, ließ uns eine Stimme zusammenzucken, bevor sich ein wohltuender Wärmezauber über unsere verfrorenen Körper legte.

Astoria biss sich auf die Unterlippe und nur Sekunden nachdem wir uns aufgerappelt hatten, blickten wir auch schon in Dracos verärgertes Gesicht. Kummer und Schlafmangel hatten tiefe Schatten unter die Augen des blassen Malfoy Erben gezeichnet, der sich jetzt vor uns aufbaute, die düstere Todesserrobe wie immer makellos sitzend.

In seinen grau-blauen Augen tobte ein gefährlicher Sturm, der mich aus Reflex etwas zurücktreten ließ. Doch Astoria rührte sich nicht von der Stelle.

»Es tut mir leid, wir haben die Zeit vergessen«, sagte sie und versuchte seine Hand zu nehmen, doch Draco wich zurück. Sein Unterkiefer verspannte sich, dann legte er jedoch seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich, schloss die Augen und vergrub das sorgenvolle Gesicht einen Moment in ihrem Haar.

Ich konnte den Ärger spüren, der die Schultern des blonden Todessers sichtlich zittern ließ, doch Draco schluckte seinen Zorn herunter und hauchte seiner kränklichen Verlobten einen Kuss auf die Wange.

»Wir müssen los«, sagte er scharf und richtete seine grau-blauen Augen auf mich, bevor er mir seinen Arm hinhielt. »Komm ich bring dich zurück ins Schloss, deine Lippen sind schon ganz blau, Amelie.«

»Oh, ist schon gut Draco. Ich kann—«

»Keine Diskussion. Ich lasse dich nicht hier Draußen im Dunkeln zurück«, unterbrach er mich knurrend, bevor mich auch schon das unangenehme Gefühl des Apparierens erfasste und ich mich Sekunden später in der wohlig warmen Eingangshalle wiederfand.

Allein.

Die mit weihnachtlichen Tannenkränzen geschmückten Flügeltüren zur großen Halle standen offen und der herrliche Duft von gebratenem Hühnchen schlug mir entgegen, als ich näher trat.

Nervös spähte ich in die Halle, doch wich sofort wieder entsetzt zurück als ich sah, wie eine Gryffindor aus meinem Jahrgang von der hochschwangeren Alecto Carrow mit dem Cruciatusfluch bestraft wurde, da sie sich offenbar geweigert hatte ihn an einem Erstklässler aus ihrem Haus auszuführen, der sich verängstigt unter dem Tisch versteckte und am ganzen Körper zitterte.

Mit Tränen in den Augen und Wut im Herzen rannte ich die Treppen der Kerker hinab, flüsterte der steinernen Schlange das Passwort zu, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum bewachte, der an diesem Abend Merlin sei dank vollkommen leer war, denn alle meiner Mitschüler waren beim Dinner.

Ich versuchte nicht darüber nachzudenken, dass das Baby in Alectos Bauch Gerüchten zufolge von ihrem eigenen Bruder stammte— und welches Monster ein Kind zwischen Geschwistern wohl hervorbringen würde, die derart boshaft waren, dass selbst Slughorn in sich zusammen zu schrumpfen schien, wann immer der Zaubertrankmeister ihnen auf den Korridoren oder in der großen Halle begegnete.

Doch die Erinnerung daran, wie ich Amycus Carrow letzte Woche gegen die Wand vor dem Krankenflügel geschleudert hatte, verursachte ein nicht zu leugnendes Gefühl von tiefer Befriedigung in mir.

Auch wenn Lestrange es ihn wieder hatte vergessen lassen, ich würde mich für immer daran erinnern.

Schnell lief ich die Treppen zu den Schlafsälen der Mädchen hinauf, legte meinen Wintermantel ab und zog mir die kuschelige smaragdfarbene Strickjacke mit dem silbergrünen Slytherin Emblem auf der Brust über meine Bluse, die mittlerweile zum liebsten Teil meiner Uniform geworden war. Vorsichtig legte ich den schlafenden Minimuff auf einen Sessel, bevor ich mein Zimmer wieder verließ und die Treppen zurück zum Gemeinschaftsraum hinabstieg.

Zwanzig Minuten später verließ ich ihn wieder, ein verzaubertes Tablett neben mir her schwebend, beladen mit zwei Bechern dampfend heißem Kakao, dekoriert mit Sahne, jeder Menge bunten Streuseln, grün-weiß gestreiften Zuckerstangen mit Pfefferminzgeschmack und all den anderen Naschereien aus dem Honigtopf, die Enzo liebte.

Obwohl der Vorfall in Askaban schon mehr als eine ganze Woche her war, lag der Slytherin immer noch im Krankenflügel, denn einer der dunklen Flüche von dem er getroffen worden war, war besonders hartnäckig und sorgte dafür, dass er immer wieder von heftigen Schmerzattacken heimgesucht wurde.

Doch mit jedem Tag in der Obhut von der Heilerin Madam Pomfrey und der ausgesprochen hübschen Diana schien es ihm besser zu gehen, weshalb ich sicher war, dass er bald entlassen werden würde.

Der Weg den Turm hinauf war mühselig, denn jede einzelne Stufen verursachte ein schmerzhaftes Ziehen in meinen Oberschenkeln. Es waren die unzähligen Schnitte, die ich mir kurz nach Enzos Angriff mit meinem Zauberstab hinzugefügt hatte, um den Seelenschmerz ertragen zu können, der mir seit seinem Beinahe-Verlust in den Knochen steckte. 

Einige Schnitte waren dabei so tief geworden, dass sie einen Teil meines Muskels verletzt hatten, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, als ich durch die offenen Türen in den Krankenflügel schritt.

Magische Schneeflocken küssten meine Wangen und verfingen sich in meinem langen dunkelbraunem Haar, das mir durch den eng geflochtenen Zopf den ich den ganzen Tag über getragen hatte, nun in eleganten Wellen beinahe bis zur Taille fiel.

Verzückt sah ich mich um und fühlte wie mir ganz warm ums Herz wurde als ich sah, mit wie viel Hingabe und Liebe der Krankenflügel von Diana und Madam Pomfrey geschmückt worden war.

Wie ich Anfang Dezember von einer Mitschülerin erfahren hatte, war das weihnachtliche Schmücken die letzten zwei Jahre strengstens untersagt gewesen.

Doch jetzt, wo der Weihnachtsball kurz bevorstand, von dem sogar schon im Tagespropheten berichtet wurde, hatte Snape endlich ein wenig Gnade walten lassen und den Professoren sowie uns Schülern erlaubt ein wenig Licht in all die trostlose Dunkelheit zu bringen, die seit dem Ende des Krieges in den Korridoren von Hogwarts allgegenwärtig war.

Neben der Tür zum Büro von Madam Pomfrey stand ein prachtvoller Weihnachtsbaum, geschmückt mit leuchtenden Sternen, sowie nachtblauen und goldfarbenen Kugeln, passend zu den Vorhängen.

Der Duft von Lavendel und Tannennadeln umhüllte mich, während ich fasziniert die hohen Decke betrachtete, die in einen schneebedeckten Himmel verzaubert worden war, auf dessen Wolken zwei Engelchen saßen und mit winzigen Trompeten Schneeflocken auf alle Anwesenden pusteten.

Magie konnte so warm und tröstend sein.

Doch mein Lächeln verblasste plötzlich, so wie die Sterne am Firmament über dem Schloss, denn als ich Enzos Bett erreichte sah ich, dass er nicht allein war.

Jemand war bei ihm.

Jemand mit dunkelbraunen Locken, die ihm an diesem Abend besonders verwuschelt in die Stirn fielen, denn sie waren frisch gewaschen und an den Seiten noch ein klein wenig feucht, weshalb sie sich nur noch hartnäckiger lockten und das bildhübsche Gesicht des Jungen wie ein Gemälde umrahmten.

Ein Gemälde gezeichnet von Kummer und Schuld.

Es war Mattheo.

Früher hätte mein Herz bei seinem Anblick vor Verliebtheit schneller geklopft, doch heute fühlte ich nichts als Schmerz, wenn ich in seiner Nähe war.

Verwundert bemerkte ich, dass der Sohn des dunklen Lords an diesem Abend keine Uniform trug, sondern dunkle Hosen und einen hübschen silbergrünen Pullover mit dem Slytherin Wappen auf der Brust.

Es war Jahre her, dass ich Mattheo in etwas anderem gesehen hatte als in seiner eleganten Todesserrobe.

Sein Anblick ließ mich erstarren, denn das satte Smaragdgrün des Pullovers brachte die Farbe seiner Augen besonders zur Geltung, ließ sie seit langer Zeit wieder in einem goldenen Braunton leuchten.

Die Farbe, in die ich mich so verliebt hatte.

Snowball lag auf seinem Schoß, eingerollt zu einer kleinen Kugel und schnurrte leise, während er dem
Kätzchen zärtlich das schneeweiße Fell kraulte. Als sich unsere Blicke begegneten, legte er seine Hände um das Tier um es ganz vorsichtig auf Enzos Bettdecke zu platzieren, damit er aufstehen und uns allein lassen konnte, doch ich schüttelte den Kopf.

»Nein ist schon okay«, sagte ich mit leiser Stimme, ohne ihn jedoch dabei anzusehen. »Bleib ruhig.«

Meine Finger zitterten, als ich das Tablett mit einer Handbewegung zu Enzo schickte. »Bist du sicher, Amelie?«, fragte Enzo leise, dessen braune Augen beim Anblick des dampfend heißen Kakaos zu leuchten begonnen hatten. »Theo kann gehen—«

»Nein, er kann bleiben. Es ist okay«, murmelte ich, während ich ihm dabei zusah, wie er mit der Zuckerstange in seinem Kakao rührte. Mein Bruder liebte Pfefferminzschokolade, genau so wie ich.

Mutig blickte ich Mattheo ins Gesicht.

»Ohne ihn wärst du nicht mehr hier, Enzo.«

Ich zwang mich meine Augen auf seine gerichtet zu halten, was mir mit jeder verstreichenden Sekunde ein wenig leichter fiel. Er erwiderte meinen Blick und für einen Moment hatte ich das Gefühl er wollte etwas sagen, doch der Lockenkopf blieb stumm.

Mattheo sah so unendlich müde aus.

Etwas stach mir ins Herz als ich sah, dass sich niemand um die Verletzungen in seinem Gesicht gekümmert hatte, die mittlerweile von ganz allein zu heilen angefangen hatten, doch dabei einige tiefe Kratzer und violette Blutergüsse hinterlassen hatten.

Meine Hand lag auf Enzo Bett und ich schluckte, als ich fühlte wie mein Bruder sie zaghaft drückte.

Dann fiel mein Blick auf den zweiten Kakao.

Auch Mattheo liebte Pfefferminzschokolade.

Meine Hand zitterte immer noch, als ich sie aus Enzos löste, den dampfend heißen Becher mit einer eleganten Drehung meines Handgelenks in die Luft hob und ihn in Mattheos Richtung schweben ließ.

Der erschöpft aussehende Slytherin starrte mich endlos lange Sekunden einfach nur an, in denen der Becher ihn bestimmt fünf oder sechs mal ungeduldig angestupst hatte, bis er ihn endlich an sich nahm.

»Danke«, sagte er mit heiserer Stimme.

Ich nickte nur, doch ich entgegnete nichts.

Auch wenn mir überhaupt nicht danach war, huschte doch plötzlich der Anflug eines Lächeln über mein Gesicht, denn genau wie früher war das erste was der hübsche Lockenkopf jetzt tat, die Sahne mit der Zuckerstange aus dem Kakaobecher zu löffeln.

Manche Dinge änderten sich nicht.

Ich senkte den Blick, als ich spürte wie mir Tränen in die Augen schossen, bei der Erinnerung an die unzähligen Abende, die wir so miteinander verbracht hatten. Ob vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum oder in einem der Wohnzimmer unseres Anwesens.

Damals, als wir noch wir gewesen waren.

Eine Familie.

Ich hörte Enzo meinen Namen flüstern, während er meine Hand drückte, denn er wusste genau, wie schwer es für mich war in Mattheos Nähe zu sein.

Doch ich konnte ihn jetzt nicht ansehen.

Ich konnte jetzt keinen der Jungs ansehen, ohne sonst vor ihnen noch in Tränen auszubrechen.

Dem besten Freund meines Bruders so nah zu sein, in seiner Nähe zu sein nach all dem was er mir furchtbares angetan hatte, fühlte sich an—

wie Himmel und Hölle zugleich.

Denn auch wenn ich mich die letzten zwei einhalb Jahre meines Lebens stets selbst belogen hatte, so konnte ich hier und jetzt, in diesem Augenblick nun nicht mehr leugnen, wie sehr ich ihn vermisste.

Doch nicht den Jungen mit dem verletzten Gesicht und den tiefen Schatten unter den Augen, der vor mir saß, sondern den, der er früher einmal gewesen war.

Ich vermisste meinen Theo.

Den Slytherin mit den süßen Grübchen, dem kehlig rauen Lachen und dem ungezähmten Temperament, der mich seit ich ein kleines Mädchen gewesen war immer vor der Dunkelheit beschützt hatte.

Vor genau der schattenhaften Dunkelheit, aus der er jetzt selbst zu bestehen schien. Denn ich fühlte sie, spürte sie um uns herum in der Luft vibrieren und wie sie den Flammen im Kamin ein wenig von ihrer Wärme nahm, konnte beinahe sehen, wie sie wie Regentropfen sanft von seinen Schultern perlte.

Der Junge, der mir einst so unendlich viel bedeutet hatte war fort, denn in der Nacht in der er meine Freunde getötet hatte, war er mit ihnen gestorben.

Mein Theo existierte nicht mehr — und doch war er jetzt hier, war so nah, dass ich nur die Hand ausstrecken musste um seine berühren zu können.

Mein Blick fiel auf seine Finger, die ganz rau und vernarbt von dunkler Magie waren. Und auch wenn viele meiner Erinnerungen durch meine Traumata verschleiert waren, so hatte ich doch nicht vergessen, wie sich seine Hand in meiner angefühlt hatte.

Wie warm und beschützend, als könnte mir niemals ein Leid geschehen, wenn ich sie nur fest genug hielt.

Bis er meine losgelassen hatte.

Und vielleicht waren es nicht immer Schmetterlinge, die einem im Bauch herumflatterten und uns wie im siebten Himmel fühlen ließen, sondern ein knochentiefer Schmerz, der uns keuchend in die Knie brachte, während er all die Narben unseres gebrochenen Herzens wieder aufriss und es bluten ließ, der uns klar machte, dass wir verliebt waren.

𓆙

them <3

bitte denkt ans voten,
wenn euch die Geschichte gefällt ♡

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top