06. falling into darkness
TW: SVV
Dieses Kapitel könnte stark triggern
& die Storyline wird ab hier sehr, sehr dark.
haven't you taken enough from me?
A M E L I E
Konzentriert befolgte ich die Anweisungen des Lehrbuches für Heilkunde, das ich auf dem hölzernen Arbeitstisch vor mir ausgebreitet hatte.
In den Gewächshäusern war es für diese herbstliche Jahreszeit ungewohnt frostig, weshalb ich mir eine der kuscheligen dunkelgrünen Strickjacken mit dem Slytherin Emblem auf der Brust über die blütenweiße Bluse meiner Schuluniform gezogen hatte.
Die Luft roch nach Erde und giftigem Efeu, das sich an den gläsernen Wänden des Gewächshauses emporrankte, sowie den zarten roséfarbenen Blüten der Diptam Pflanze, die ich an diesem späten Nachmittag vorbereitete, damit ich sie am Wochenende zusammen mit Professor Slughorn zu einer heilenden Essenz weiterverarbeiten konnte.
Ich war eine der wenigen Schülerinnen denen Horrace Slughorn besondere Aufmerksamkeit schenkte, was sicherlich nicht nur meinem Wissen in magischer Heilkunde oder meiner Begabung in der Zaubertrankbrauerei zuzuschreiben war, sondern wohl auch meiner zutiefst reinblütigen Abstammung.
Auch Enzo war in seiner Schulzeit stets sein Liebling gewesen und hatte eine Sonderbehandlung genossen.
Es stand sogar ein gerahmtes Bild von den beiden auf Slughorn Schreibtisch, wie sie einander umarmten.
Was zugegeben, ein klein wenig seltsam war.
Doch ich mochte den etwas gewichtigen älteren Zauberer und verbrachte gern Zeit mit ihm.
Nur auf seine Parties vermied ich es stets zu gehen, auch wenn ich wusste, dass ich es dieses Jahr wohl nicht länger hinauszögern konnte, denn zu seiner Halloweenparty nächste Woche hatte er Gerüchten zufolge sogar einen echten Vampir eingeladen, was ich mir unmöglich entgehen lassen konnte.
Zu neugierig war ich darauf, ein so düsteres Wesen endlich einmal aus der Nähe betrachten zu können.
Ich wusste alles über die Geschöpfe der Nacht, nicht nur aus magischer Fachliteratur, sondern auch aus all den kitschigen Muggel Romanen, die ich in diesem Sommer regelrecht verschlungen hatte.
Natürlich war mir klar, dass ein waschechter Vampir eher wenig mit Bram Stroker's Dracula oder dem glitzernden Edward Cullen gemeinsam hatte, doch es juckte mich in den Fingern, dem blutsaugenden Gast auf Slughorns Party ein paar Fragen über seine Natur zu stellen und mir dabei Notizen zu machen.
Clara wäre sicherlich ausgerastet vor Freude und hätte Tage vorher schon kein Auge zu bekommen vor Aufregung. Ich seufzte leise, denn an einem so trostlosen Tag wie heute vermisste ich sie besonders.
Ich vermisste ihr Licht, vermisste ihre Wärme, vermisste es mit ihr herumzualbern und aus der Ferne Roger Davies zu beobachten, in den die blonde Ravenclaw unsterblich verliebt gewesen war.
Ich schluckte meine Tränen herunter und lehnte mich wieder über mein Lehrbuch, konnte die Buchstaben vor mir jedoch kaum noch erkennen, denn am Himmel über dem Gewächshaus hatte sich eine düstere Ansammlung von Wolken gebildet.
Die Luft schien seltsam aufgeladen, als stünde ein Gewitter bevor. Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und ließ leichte Panik in mir aufstiegen.
Alarmiert sammelte ich meine Bücher zusammen und stopfte sie in meine Schultasche, bevor ich die fein säuberlich abgetrennten Diptam Blätter mit einem schnellen Wink meines Zauberstabs in das Vorratsregal in Slughorns Tranklabor zauberte.
Beinahe hätte ich geschrien, als wie aus dem nichts plötzlich ein griesgrämig dreinblickender Hauself an meine Seite apparierte. »Miss Berkshire muss mit Lumpy zu den anderen Schülerinnen in die große Halle kommen«, gab er mir grimmig zu verstehen.
Wäre die Situation nicht so angsteinflössend, hätte ich angesichts seines Namens sicher geschmunzelt.
Wortlos folgte ich dem muffligen alten Hauselfen durch die Reihen der Gewächshäuser des Schlosses, konnte schon in der Ferne eine Ansammlung meiner Mitschüler erkennen, die in Reih und Glied über die Brücke in Richtung der großen Halle marschierten.
Schnell holte ich auf und schloss mich ihnen an, die Hände brav hinter dem Rücken, die Finger ineinander verschränkt und das Kinn gehoben, so wie es Snapes Anweisung war. Ich fühlte mich mehr wie eine Soldatin der dunklen Armee, als eine Hogwarts Schülerin, würde mich wohl nie an die neuen Vorschriften der Schule gewöhnen können.
Hogwarts war nun eine Akademie der dunklen Künste, wo selbst den jüngsten von uns beigebracht wurde, wie man den Avada Kedavra ausübte. Ich mochte absolut keine Spinnen, doch sie zu töten brachte ich dennoch kaum übers Herz.
In der Ferne erkannte ich das Quidditchfeld, das schon seit geraumer Zeit verlassen war, hatte Snape doch sämtliche sportliche Aktivitäten untersagt, die in irgendeiner Art und Weise dazu führen konnten, dass man Spaß hatte und Gnade uns Merlin— lachte.
Der Zaubertrankmeister schien Kinderlachen bis aufs Blut zu hassen, weshalb es auf den Korridoren strengstens untersagt war. Nicht, dass wir Schüler noch sonderlich viel zu lachen hatten, seit der schwarzhaarige Griesgram unser Schulleiter und Todesser wie die Carrows unsere Lehrer waren.
Es war eine Odysee aus Leid und Dunkelheit, denn nichts als Kälte und Hass regierte nun das Schloss.
Mit einem mulmigen Gefühl marschierte ich mit den anderen in die Halle, wo wir uns aufstellen mussten.
Angst sickerte bis tief in meine Knochen als ich feststellte, dass nur Mädchen der fünften, sechsten und siebten Jahrgänge in der großen Halle waren.
Die langen Tische waren verschwunden. Die Atmosphäre war trostlos und so bitterkalt, dass man seinen Atem in der Luft zirkulieren sehen konnte.
Selbst die magische Decke war grau und düster, die schwebenden Kerzen beinahe gänzlich erloschen.
Und dann entdeckte ich den Ursprung der Kälte.
Maskierte Todesser waren an sämtlichen Ein- und Ausgängen der Halle postiert, die Zauberstäbe gezogen. Schwaden schwarzer Magie schienen von ihnen auszugehen, vermischten sich mit ihren Roben, ließen sie aussehen wie Monster, die in den Schatten lauerten, allzeit bereit zum Angriff.
Ich schluckte.
Mein Blick begegnete dem von Astoria, die einige Reihen entfernt stand und sich suchend nach mir umgeschaut hatte. Sie sah müde aus und ihr hübsches Gesicht war besorgniserregend blass, doch ihre grünen Augen strahlten nichts als Ruhe aus.
Sie nickte mir kurz zu, was meinen außer Kontrolle geratenen Puls wieder ein wenig absenkte. Die zierliche Hufflepuff schien bereits zu wissen was hier vor sich ging, vermutlich von Draco oder Daphne und wenn sie ruhig war, dann konnte ich es auch sein.
Uns würde nichts geschehen.
Doch dann vernahm ich ein Geräusch, das sich mein Innerstes plötzlich schmerzhaft verkrampfen ließ.
Ein mädchenhaftes Hüsteln.
»Ähem, Ähem.«
Kalter Hass stieg in mir auf, verdrängte für einen Moment die Angst in mir, als ich das Kinn hob und zu Dolores Umbridge blickte, die in einem grässlichen bonbonrosa Kostüm und dazu passenden Stöckelschuhen am Rednerpult stand und erwartungsvoll auf die Schülerinnen blickte.
»Guten Abend, Mädchen«, sagte die Hexe mit schriller Stimme, was ihr Totenstille einbrachte.
Niemand rührte sich, wagte es kaum zu atmen. Ihre Lippen kräuselten sich in Abscheu, denn offenbar hatte sie eine ganz andere Begrüßung erwartet.
»Nun gut«, begann sie und setzte ihr typisch falsches Lächeln auf, das einem Übelkeit bereitete, denn es spiegelte nichts als die Grausamkeit wieder, die in der Brust dieser herzlosen alten Hexe wohnte. »Ihr fragt euch gewiss, warum ich euch hergebeten habe.«
Niemand sprach.
Die kühle Ministerin hob ihren Zauberstab und beschwor eine dicht beschriebene Pergamentrolle herauf, die vor ihr in der Luft schweben blieb.
Ich blinzelte, konnte jedoch von meinem Platz aus nicht erkennen, was dort geschrieben stand. Doch die Reaktion der Mädchen in den ersten Reihen, sagten mir, dass ich es auch gar nicht wissen wollte.
Eines der Mädchen brach in Tränen aus, woraufhin zwei andere beschützend ihre Arme um sie legten, ihre Schultern jedoch nicht weniger zitterten als ihre.
»So eben hat mich der neueste Beschluss des Ministeriums für Zauberei erreicht«, säuselte sie mit ihrer mädchenhaften Stimme. Wie eine Trophäe schwebte das Pergament vor ihrer vor Stolz geschwollenen Brust, während sie das Podium verließ und anfing durch die Reihen zu stolzieren.
»Wie ihr sicherlich wisst Mädchen, legt der dunkle Lord besonders Wert auf alte Traditionen, weshalb ich überaus entzückt war, dass er einen meiner zahlreichen Vorschläge zur Verbesserung und Ergänzung unserer Gesetzgebung angenommen hat.«
Umbridges glanzlose Augen hatten beinahe Herzchenform, als sie über Lord Voldemort sprach.
Mehr Mädchen begannen vor Angst zu zittern, als die ein wenig zu klein geratene Hexe mit klickenden Stöckelschuhen an ihnen vorbei stolzierte, ein überaus boshaftes Lächeln auf den schmalen Lippen.
»Das am heutigen Tage in Kraft tretende Gesetz zur Reinhaltung der magischen Gesellschaft schreibt vor, dass jede von euch jungen Hexen einen rein— oder halblütigen Todesser der dunklen Armee ehelichen wird, sobald sie das Alter von Achtzehn Jahren und damit die offizielle Volljährigkeit erreicht hat.«
Mein Magen begann sich zu verkrampfen.
Umbridge stellte sich wieder vor das Rednerpult.
»Die Paare wurden bereits festgelegt und sind endgültig. Ich werde eure Namen nun nacheinander aufrufen und ihr werdet nach vorn kommen und eure Umschläge mit den entsprechenden Dokumenten entgegen nehmen, denen ihr alle weiteren Informationen entnehmen könnt. Es ist natürlich nur eine Kopie, denn die Originale wurden heute Nachmittag bereits euren Eltern überbracht.«
Herzzerreißende Schluchzer hallten von den steinernen Wänden der großen Halle wieder, doch ich fühlte in diesem Moment nichts als Leere.
Alles in mir war taub, gefühllos... tot.
Im Sommer hatte ich meine Eltern dabei belauscht, wie sie im Salon heftig miteinander gestritten hatten, wobei auch das ein oder andere Mal das Wort Ehegesetz gefallen war, doch nie hätte ich mir zu träumen gewagt, dass es so schnell in Kraft treten— geschweige denn mich selbst treffen würde.
Arrangierte Ehen waren natürlich keine Seltenheit in reinblütigen Kreisen zu denen die Berkshires auch gehörten, doch ich wusste, dass meine Eltern meinen Bruder oder mich niemals dazu gezwungen hätten.
Meine Mutter war wie eine Freundin für mich und für meinen Vater war ich sein kleines Mädchen, seine Prinzessin, die er über alles auf der Welt liebte.
Charles Berkshire war ein angesehener Unternehmer in unserer Welt, hatte überall Kontakte und Beziehungen. Doch selbst ein so einflussreicher Zauberer wie er, kam nicht gegen Voldemort an.
Es musste ihm das Herz gebrochen haben.
Einige Mädchen versuchten wegzulaufen, wurden jedoch von den Todessern daran gehindert, die sie gewaltsam wieder zurück an ihre Plätze brachten.
Ich betete, dass mein Bruder nicht darunter war.
Nach nur wenigen Minuten hörte ich Umbridge meinen Namen aufrufen. Am ganzen Körper zitternd trat ich vor, lief an den Reihen meiner Mitschülerinnen vorbei, wobei Astoria ganz zaghaft meine Hand drückte. Ihre Finger waren eiskalt.
So wie auch die Augen der Hexe, in die ich nun blickte. »Miss Berkshire.« Ihre mädchenhafte Stimme war so zuckersüß und schleimig, wie die Gummischnecken, die man im Honigtopf kaufen konnte, an denen ich als Kind mal fast erstickt war.
Jetzt wünschte ich mir, ich wäre es.
Sie blickte auf das Klemmbrett in ihrer Hand und brachte dann ein zufriedenes Hm Hm über die Lippen. »Ausgezeichnete reinblütige Abstammung, nicht eine einzige Abweichung im Stammbaum, ich bin beeindruckt. Ich hoffe sie werden eine besonders fruchtbare Ehe führen, meine Liebe.« Sie blickte auf und musterte mich mit einem spöttischen Lächeln.
»Für Töchter von hochrangigen Kommandanten gelten besondere Regelungen. Sie sind bei der Auswahl ihres zu ehelichenden Partners ein wenig freier. Erstellen sie eine Liste für das Ministerium mit potentiellen Kandidaten die für sie in Frage kommen und entscheiden sie sich innerhalb eines Jahres, Miss Berkshire oder man wird ihnen jemanden zuteilen.«
Irritiert blickte ich sie an. »Töchter von Kommandanten der Armee? D-Das muss ein Fehler sein Miss Umbridge, mein Vater ist kein Todesser.«
»Bitte gehen sie wieder zurück auf ihren zugeteilten Platz, meine Zeit ist begrenzt«, wimmelte sie mich mit einem frostigen Lächeln ab, dass der Kälte eines winterlichen Blizzards Konkurrenz gemacht hätte.
Wortlos nahm ich den Umschlag den sie mir reichte und versuchte mich nicht auf ihre pinkfarbenen Schuhe zu übergeben, denn mir war ganz elend.
Mit weichen Knie ging ich zurück zu meinem Platz, den Umschlag in meinen zitternden Händen umklammert. Es waren nicht viele Mädchen übrig, seitdem keine muggelstämmigen Schüler mehr in Hogwarts erlaubt waren, weshalb wir wenige Minuten später entlassen wurden. Draußen warteten die Hauslehrer, um die Schülerinnen wieder in ihre Gemeinschaftsräume zu geleiten, als hätte man Angst einige könnten sich nach Umbridges Hiobsbotschaft aus lauter Verzweiflung von der Brücke stürzen.
Für eine Sekunde war mir, als konnte ich vor den Treppen die hinab zum Bootshaus führten, das Flimmern eines Barrierezaubers erkennen.
Sie hatten uns auf dem Gelände eingeschlossen.
Madam Sprout tupfte sich mit einem schäbig aussehenden Taschentuch die Tränen von den Wangen, während Slughorn keine Miene verzog.
Doch seine Augen waren durchzogen von Schmerz.
Wortlos brachte der Zaubertrankmeister seine Schülerinnen zurück zum Gemeinschaftsraum, murmelte dann eine halbherzige Entschuldigung und ließ uns vor der steinernen Schlange allein zurück.
Die anderen sechs Mädchen gingen sofort hinein, doch ich blieb noch eine ganze Weile allein in der Dunkelheit der bitterkalten Kerker stehen, bis ich endlich den Mut fand ebenfalls hineinzugehen.
Der Gemeinschaftsraum war wie ich befürchtet hatte voller Schüler, sowie jungen Todessern, die nach ihrem Training erschöpft und mit blutigen Gesichtern auf den Sesseln kollabiert waren oder sich den Kummer von der Seele tranken, während ihre Augen einfach nur abwesend ins Leere starrten.
Panik begann in mir aufzusteigen, denn durch meine Angststörung ertrug ich es nicht, in mitten so vieler Menschen zu sein, als ich plötzlich jemanden hinter mir spürte, der vorsichtig nach meiner Hand griff.
Ich zuckte zusammen und drehte mich um, atmete jedoch erleichtert aus als ich in die liebevollen braunen Augen meines Bruders blickte, der mich nun in einen ruhigeren Teil des Raumes brachte, wo Theodore und Blaise auf einem Sofa saßen, jedoch sofort aufstanden und uns etwas Privatsphäre gaben.
Dort schloss mich der Slytherin in seine Arme und hielt mich fest, während ich das Gesicht in seiner Uniform verbarg und gegen die Tränen ankämpfte, die mich jede Sekunde zu überkommen drohten.
»Es tut mir so unendlich leid, Liebes. Ich konnte es dir nicht sagen, es waren vertrauliche Informationen. Weißt du, manchmal legen sie einen Schweigezauber darauf, der es unterbindet darüber zu sprechen.«
Enzo lehnte sich ein wenig zurück um mich besser ansehen zu können. »Amelie, bist du okay? Du brauchst keine Angst haben, ich verspreche es dir. Ich habe mit Blaise und Theodore gesprochen, sie sind bereit dich zu—«, er hielt inne und schluckte.
»Sie würden dich nicht anrühren, niemand wird dich gegen deinen Willen anrühren. Du bist sicher bei meinen Freunden, jeder der Jungs würde dich mit seinem Leben beschützen. Ich verspreche es dir.«
Seine Lippen hauchten Küsse auf meine Stirn, doch ich spürte seine Verzweiflung auf meiner Haut und wie sie langsam in meine Knochen hinein sickerte.
Mein Bruder hatte schreckliche Angst um mich.
»Es tut mir leid Amelie, es tut mir so leid, dass sie dir das antun. Ich hasse das Ministerium. Ich hasse diese ganze verfluchte Welt, ich hasse sie alle so sehr.«
Ich ging nicht darauf ein, sondern befreite mich aus den beschützenden Armen meines älteren Bruders und öffnete dann mit zitternden Fingern den Umschlag, den Umbridge mir ausgehändigt hatte.
»Es muss ein Fehler sein«, flüsterte ich mit zittriger Stimme. »Sie hat gesagt Töchter von hochrangigen Todessern können selbst wählen, wen sie ehelichen.«
»Amelie«, hörte ich Enzos sanfte Stimme, doch ich schenkte ihm keine Beachtung, war viel zu aufgelöst, während ich den Stapel an Dokumenten durchging.«
»Hier steht kein Name, ich—«
»Amelie.«
Etwas in seiner Stimme ließ mich aufhorchen. Ich hob den Kopf und als ich den gequälten Ausdruck in den Augen meines Bruders erblickte, verlor ich den Kampf gegen die Traurigkeit und begann zu weinen.
»Nein.«
Immer wieder schüttelte ich den Kopf.
»Sag mir, dass es ein Irrtum ist«, flehte ich meinen Bruder an, während ich stumme Tränen weinte.
Auch seine Augen waren ganz glasig.
Der dunkelhaarige Slytherin streckte die Hand nach mir aus um mich wieder an sich zu ziehen, doch ich wich zurück und sah meinen Bruder aufgelöst an.
»Antworte mir, Enzo.«
Er presste die Lippen aufeinander, kämpfte nun sichtlich gegen die Tränen. »Es tut mir leid.«
»Wann?« Meine Stimme glich mehr einem kehligen Krächzen. »Sie haben uns doch gesagt nur einer aus unserer Familie muss das dunkle Mal erhalten.«
»Schon vor einer Weile«, antwortete mein Bruder geknickt und senkte den Blick auf seine Schuhe, bevor er mich nach sich endlos anfühlenden Sekunden wieder ansah. »Ich wollte es dir sagen, doch du warst nicht stabil genug. Ich hatte Angst, wenn du es erfährst würdest du dich wieder verletzen und ich— ich konnte es einfach nicht riskieren.«
Meine Lippen begannen zu zittern.
»Aber wieso Dad?«, brachte ich flüsternd hervor, auch wenn ich die Antwort darauf bereits kannte.
»Er hat es für dich getan. Unsere Familie ist im Ministerium sehr angesehen und Dad wusste wenn er eine hohe Stellung in dunklen Regime einnimmt, würdest du eine Wahl haben, wenn das Ehegesetz veranlasst wird. Er wollte dich doch nur beschützen. Er liebt dich so sehr, Amelie. So wie Mum und ich.«
Ich hörte die Worte meines Bruders, doch sie drangen nicht zu mir durch. Denn ein Gefühl von Schuld hatte damit begonnen wie ein hungriges Monster an meinen Eingeweiden zu nagen.
Unser geliebter Vater war jetzt ein Todesser, eine weitere Marionette, deren Strippen Lord Voldemort in seinen skelettartigen Händen hielt. Ein Soldat der dunklen Armee, sogar ein Kommandant, nun mitverantwortlich für all die Gräueltaten, durch die der dunkle Lord unserer Welt ihren Frieden raubte.
Und es war meine Schuld, alles nur meine Schuld.
Nur wegen mir hatte er diese Position angenommen, hatte sich zu einem von Voldemorts Schatten verfluchen lassen, bis zum Tage seines Todes.
So wie auch mein Bruder.
Plötzlich wurde der Druck in mir so groß, dass ich es nicht mehr aushielt. Meine Gedanken waren eine endlose Spirale aus Selbsthass, kreisten immer wieder um die Rasierklinge, die ich in meinem Zimmer versteckt hatte. Der Zwang mich mit ihr zu verletzen, sie tief in meine Haut zu drücken, damit ich endlich etwas anderes spürte als diesen seelischen Schmerz schien mich zu zerfressen.
Ich drehte mich um und lief davon, verlor meine Tasche und die Unterlagen, doch es war mir egal.
Meine Sicht war so verschwommen vor Tränen, sodass ich jetzt ungeschickt über einen Teppich stolperte und schmerzhaft mit jemandem zusammenstieß, der in diesem Augenblick die Treppen der Schlafsäle hinabgestiegen war.
Raue Hände legten sich um meine Hüften, hielten meinen zierlichen Körper fest, der immer wieder von heftigen Zitteranfällen heimgesucht wurde. Schwärze begann in mein Sichtfeld zu sickern und ich hatte das Gefühl, mein Herz würde mir gleich aus der Brust springen, so schnell schlug es gegen meine Rippen.
Ich weinte und klapperte wie verrückt.
»Sweetie?«, hauchte eine vertraute, doch fremde Stimme, die so unendlich weit weg zu sein schien.
Eine Hand berührte mein Gesicht und hob zaghaft mein Kinn. Ich blinzelte, hörte in der Sekunde auf zu atmen, in der ich in das Gesicht des Jungen blickte, der mich in letzter Sekunde aufgefangen hatte.
Mattheo Riddle in die Augen zu sehen, war als würde ich in einen Abgrund fallen. Ich fiel und fiel und kam doch niemals am Boden an, war gefangen in einem Sturm aus Erinnerungen, die all die Narben meines Herzens mit einem Mal wieder aufreißen ließen.
Wie ein Pflaster auf einer zu frischen Wunde.
Ich konnte nicht atmen, konnte nicht denken.
Das dunkle Haar des jungen Todessers war völlig verwuschelt, das Weiße in seinen Augen blutunterlaufen, als hätte er ewig nicht geschlafen.
»Lass mich los«, verlangte ich kraftlos.
Mattheos Blick huschte unruhig zwischen meinen Augen hin und her, doch er ließ mich weder los, noch gab er mir eine Antwort. Er sah mich einfach nur an, ein Ausdruck von Schuld in seinen dunklen Augen.
Die selbe Schuld, die auch mich zerriss.
Morgen war mein Achtzehnter Geburtstag und laut Umbridge blieb mir nur noch ein Jahr Zeit, bis ich gezwungen war einen Todesser zu heiraten.
All das war seine Schuld und die seines grausamen Vaters, dem er geholfen hatte seine Dunkelheit wie eine ansteckende Seuche über unsere Welt zu verbreiten, obwohl er mir versprochen hatte, sich gegen ihn zu stellen, mir versprochen hatte mich zu beschützen, egal was auch kommen würde.
Es waren nichts als Lügen gewesen.
»Du hast es mir versprochen«, flüsterte ich.
»Ich weiß«, entgegnete der Slytherin leise.
»Hast du mir nicht schon genug genommen?«, schrie ich ihn jetzt an und schlug mit den Fäusten kraftlos gegen seine uniformierte Brust. »Meine Freiheit war alles was mir noch geblieben ist«, fügte ich hinzu, meine Stimme heiser und gebrochen vor Kummer.
Ich senkte den Kopf um seine Hände von meinen Hüften zu schieben, als ich etwas bemerkte, das mir endgültig den Boden unter den Füßen wegriss. Sein Ärmel war hochgerutscht und entblößte eine feine Narbe, die sich über seinen halben Unterarm zog.
Mattheo hatte versucht sich das Leben zu nehmen.
So wie ich.
Denn auch meinen Arm zierte genau diese Narbe.
Der Lockenkopf schien meinen Blick zu spüren, denn er ließ mich los und zog sich seinen Ärmel wieder herunter. »Amelie«, flüsterte Mattheo gequält, schier flehend, doch ich war bereits an ihm vorbei.
Ich erreichte mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir, begann aufgelöst und weinend nach der Rasierklinge zu suchen, um das einzige zu zerstören, über das ich noch irgendeine Art von Kontrolle hatte.
Meinen Körper.
Ich hasste meinen Körper, hasste meine Narben, doch ich wollte ihm trotzdem weitere hinzufügen.
Ich suchte sie überall, doch sie war nicht mehr dort, wo ich sie versteckt hatte. Meine Finger zitterten als ich meinen Zauberstab hervorzog um sie mit einem Accio Zauber zu mir zu rufen, doch nichts geschah.
Die Klinge war fort.
Wütend warf ich mich aufs Bett und vergrub das Gesicht in meinen Kissen. Ein leises Tapsen, dann sprang Snowball zu mir aufs Bett und begann mit meinem dunklen Haar zu spielen, das überall auf den Kissen verteilt war. Das zufriedene Schnurren meines kleinen Kätzchens drang an mein Ohr, linderte den endlosen Schmerz in meinem Herzen ein wenig.
Minuten verstrichen, in denen ich einfach nur so da lag und mir wünschte zu sterben, bis ich hörte wie sich meine Zimmertür öffnete und wieder schloss.
Schluchzend kuschelte ich mich an meinen großen Bruder, der sich in dieser Sekunde neben mich legte und in seine beschützenden Arme zog. Ich verbarg das Gesicht an seinem Hals und weinte, bis ich das Gefühl hatte keine Tränen mehr übrig zu haben.
Wie gelähmt klammerte ich mich an ihn, starrte teilnahmslos in den schwarzen See hinaus, der mein Zimmer nun in ein glimmernd grünes Licht tauchte.
Albus Dumbledore hatte einmal gesagt, in Hogwarts würde jedem Hilfe zuteil, der danach fragte.
Heute wusste ich, dass das gelogen war.
Diese Schule war nichts weiter als ein Gefängnis.
Und das letzte was ich hörte, bevor ich in Dunkelheit versank, war das Schnurren meines Kätzchens, begleitet von der Stimme meines Bruders, der mir ins Ohr flüsterte, dass alles gut werden würde.
Was ebenfalls gelogen war.
𓆙
wie ihr seht wird die storyline richtig dark <3
es ist kein explizites forced marriage trope,
doch dieses und einige andere neue gesetze werden eine wichtige rolle im laufe dieser story spielen.
bitte denkt ans voten, danke ♡
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