03. never let me go
TW: Erwähnung von Trauma,
Gedanken über SSV
there's always a glimmer in those
who have been through the dark.
A M E L I E
»Lass mich sehen, Liebes.«
Ich nickte und hielt still als die warmen Hände meines Bruders behutsam über die leicht geschwollene Haut meines Oberschenkels glitten.
Der scharfe Geruch seines Desinfektionszaubers brannte mir in der Nase, als er routiniert damit begann die tiefen Schnitte zu reinigen, die ich mir am Abend zuvor mit einer Rasierklinge hinzugefügt hatte, als der seelische Schmerz nach der Begegnung mit Mattheo nicht mehr auszuhalten gewesen war.
Eine Ewigkeit hatte ich in der Dunkelheit vor dem Eingang zum Ravenclaw Turm gekauert, bis ich es irgendwann geschafft hatte mich zurück in die Kerker zu schleichen, ohne von jemandem gesehen zu werden. Dort war ich einfach nur in mein Bett gefallen, ohne mich um die Schnitte zu kümmern, weshalb sie sich über Nacht leicht entzündet hatten.
»Tut mir leid, bin gleich fertig«, murmelte Enzo, als er fühlte wie der Schmerz mich erzittern ließ.
Ich drückte mein Gesicht in den weichen Stoff seines dunkelgrünen Slytherin Sweaters und atmete den vertrauten Duft seines Parfums ein, der es immer wieder schaffte meinen Herzschlag zu beruhigen.
Snowball tapste miauend durchs Zimmer, doch als das schneeweiße Fellknäul nicht die Aufmerksamkeit bekam nach dem es verlangte, rollte es sich beleidigt auf dem knautschigen Ledersessel gegenüber des Kamins zusammen und begann zu schlummern.
Enzo blieb stumm, während er die Schnitte auf meinem Oberschenkel heilte. Das schlechte Gewissen nagte an mir, denn auch wenn er meinen erneuten Rückfall unkommentiert ließ, so konnte ich doch die tiefe Traurigkeit spüren, die nun von ihm ausging.
Es zerstörte ihn, mich so zu sehen.
Ich konnte den Todesser einen Heilzauber murmeln hören, der die Schnitte der Klinge zuwachsen ließ, dann seufzte er leise und ließ seine Fingerspitzen vorsichtig über die neuen Narben gleiten, die sich bereits kreuz und quer über meine Schenkel zogen.
Ich versuchte mich nur an Stellen zu verletzen, die ich gut unter meiner Kleidung verbergen konnte, doch so langsam gingen mir die freien Stellen aus.
Niedergeschlagen blickte ich auf meine Beine.
Magie vermochte es zwar Wunden verheilen zu lassen, doch Verletzungen, die man seinem Körper willkürlich hinzufügte, hinterließen stets Narben.
Das war eines von Gamps Fünf Gesetzen der elementaren Tranfiguration, ein Schlupfloch der Natur um den Menschen magischen Blutes das Leben nicht allzu leicht zu machen.
Mit zugeschnürter Kehle schluchze ich an Enzos Brust, während er mich in seinen Armen hielt und mir tröstend über den Rücken streichelte, so wie er es immer tat. »Es tut mir so leid, Enzo«, wisperte ich heiser in den Stoff seines Sweaters, dessen dunkelgrüner Stoff nass von meinen Tränen war.
»Schon gut«, entgegnete er verständnisvoll.
Enzo legte eine kuschelige Decke über mich, doch als er wieder vom Bett aufstehen wollte, griff ich blitzschnell nach seinem Handgelenk und hielt es fest. »Jetzt du«, brachte ich heiser hervor und wischte mir mit den Handrücken die Tränen davon.
»Es geht mir—«, doch der strenge Blick mit dem ich meinen zwei einhalb Jahre älteren Bruder nun ansah, ließ den warmherzigen Slytherin verstummen.
Ich wusste, dass er auf seiner Mission heute Nacht verletzt worden war, hatte es schon in der ersten Sekunde in seinen braunen Augen gesehen, als er heute morgen in mein Zimmer gekommen war.
»Amelie, du musst nicht—«
»Oh ich denke schon, Enzo«, unterbrach ich ihn und nickte mit dem Kinn auf seinen Sweater, der an der Schulter einen immer größer werdenden dunklen Fleck hatte. Enzo zögerte, dann seufzte er resigniert und zog ihn aus, entblößte seinen Oberkörper und damit das ganze Ausmaß seiner Verletzungen.
Ein dunkelvioletter Bluterguss zog sich über die gesamte linke Seite seiner Rippen und auf seiner Schulter hatte er einen klaffenden Schnitt, aus dem trotz seines präzise ausgeführten Heilzaubers immer wieder dunkelrote Blutstropfen hervorquollen.
Schwarze Magie war stets tükisch.
»Bei Merlin«, murmelte ich entsetzt, begann jedoch sofort mit meiner Arbeit. Enzo presste die Lippen fest aufeinander um jeglichen Schmerzenslaut zu unterdrücken, als ich mit einem geschickten Schlenker meines Zauberstabs all seine Wunden gleichzeitig desinfizierte, bevor ich die Spitze auf den leuchtenden Bluterguss seiner geprellten Rippen richtete und ihn vorsichtig aus seiner Haut saugte.
Heilmagie lag den Berkshires im Blut.
»Was ist passiert?«, fragte ich nach einer Weile, während ich gegen die hinterlistige dunkle Magie ankämpfte, mit der man ihn verflucht hatte.
Enzo zögerte.
»Nicht alle sind mit den neuen Gesetzen des dunklen Lords einverstanden, wie du dir sicher denken kannst«, antwortete er dann. »Sämtliche Händler müssen jetzt beim Ministerium Lizenzen erwerben um ihre Waren vertreiben zu dürfen, die zum Teil so kostspielig sind, dass sie sich viele nicht leisten können und ihr Geschäft aufgeben mussten.«
Ich nickte, denn davon hatte ich gehört.
»Es gibt in letzter Zeit immer wieder Unruhen, ganze Aufstände in allen Teilen Großbritanniens. Es ist vor allem die Aufgabe der jüngeren Todesser sie zu unterbinden und die Menschen wieder darauf hinzuweisen, wo ihr Platz ist«, sagte er verbittert.
Ich schnaubte und nahm das Fläschchen mit selbst gebrauter Diptam Essenz aus der Schublade meines Nachttisches, träufelte hier und da etwas auf seine Wunden, um den Heilungsprozess zu beschleunigen.
»Du meinst ihr macht die Drecksarbeit?«, sagte ich kopfschüttelnd und entfernte mit einen Schlenker meines Zauberstabs das Blut von seinem Rücken.
Enzos Miene verfinsterte sich.
»So ist es«, entgegnete er leise und lehnte seinen Kopf erschöpft an meine Schulter. »Danke fürs heilen, Liebes«, murmelte er. »Hör auf dich jedes Mal zu bedanken«, seufzte ich und kraulte meinem Bruder liebevoll durch das dunkle Haar.
So wie es unsere Mutter immer tat.
»Der Fluch hätte sich bald in deinem Körper ausgebreitet. Bitte pass besser auf dich auf, Enzo«, sagte ich mit sorgenvoller Stimme zu dem Slytherin.
»Ich versuchs«, entgegnete er, was ihm einen warnenden Blick von mir einbrachte, der ihm unwillkürlich ein schwaches Grinsen entlockte.
»Ich hab was für dich«, erklärte mir der Slytherin plötzlich und hob seinen Zauberstab. Er schwang ihn lässig und fing einen riesigen Stapel an Büchern auf, die er mir mit einem Grinsen entgegen streckte.
Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
Glücklich nahm ich die Bücher und breitete sie auf meiner Bettdecke aus. »Du hast es nicht vergessen«, quietschte ich vor Freunde und begann sofort damit, meine neuen Schätze ausgiebig zu begutachten.
»Wie könnte ich das eine vergessen, für das meine Schwester sogar ihre Niere verkaufen würde«, entgegnete der Slytherin lachend und begann das Kätzchen zu streicheln, das sich in diesem Moment schnurrend auf seinem Schoß eingerollt hatte.
Snowball liebte Enzo über alles.
Und Enzo Snowball.
Doch ich hatte nur Augen für meine Bücher.
Denn es waren genau die Bücher, die ich selbst bei dem stundenlangen Einkaufsbummel mit Mum diesen Sommer in London nirgendwo gefunden hatte, war sämtliche Literatur über Heilmagie doch seit Ausbruch des Zaubererkrieges heiß begehrt und schier unmöglich in die Finger zu bekommen.
Selbst für eine Berkshire— was schon etwas heißen musste, denn unsere Familie hatte die besten Kontakte und genoss Privilegien im ganzen Land.
Bücher ließen mein Herz stets höher schlagen.
Es waren sogar einige der neusten Romane meiner Lieblingsautoren dabei und etwas, dass mein Herz wie Butter dahinschmelzen ließ, als ich es erblickte.
Es war eine Schmuckausgabe von Romeo und Julia, eingebettet in einen dunkelroten Samtumschlag und verziert mit filigranen Lettern aus purem Gold.
Sie musste ein Vermögen wert sein.
Hingerissen ließ ich meine Finger über den edlen Umschlag gleiten, dann hob ich den Kopf und sah meinen Bruder an, der mit einem fassungslosen Ausdruck auf das Buch in meinen Händen starrte.
»Fucking Hell, der Typ hat echt Nerven«, brummte der Slytherin und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Nicht von dir?«, fragte ich kichernd.
»Nein, aber von jemandem der es offenbar heimlich dazwischen geschmuggelt hat«, antwortete Enzo und ein ungewohnt gefährliches Funkeln trat in das goldene Kastanienbraun seiner Augen. »Jemand der eindeutig viel zu alt für dich ist«, fügte er streng hinzu und versuchte nach dem Buch zu greifen.
Quiekend rollte ich mich zur Seite und stolperte vom Bett auf, drückte das Buch dabei ganz fest an mich.
»Vergiss es, das nehme ich mit ins Grab«, sagte ich lachend, woraufhin Enzo sich stöhnend mit dem Rücken zwischen die Kissen meines Bettes fallen ließ.
Trotz seiner Sanftheit war der Berkshire Erbe ein Löwe, wenn es um seine kleine Schwester ging. Und sein ausgeprägter Beschützerinstinkt schien sich nur noch zu verstärken, je älter ich wurde. Nie würde ich den Abend vergessen, an dem er vor etwas mehr als zwei Jahren einem betrunkenen Blaise seine Faust ins Gesicht geschlagen hatte, als seine Augen auf einer seiner legendären Partys in unserem Anwesen etwas zu lang auf meinen Dekolleté geklebt hatten.
Nicht umsonst hatte der sprechende Hut meinen Bruder damals hinab in die Kerker verbannt.
Lorenzo Berkshire war eben ein echter Slytherin. Vor allem wenn es um seine Familie und Freunde ging.
»Du hältst dich fern von Lucifer Lestrange. Hast du das verstanden, Amelie?«, sagte Enzo scharf und fixierte mich mit einem zutiefst warnenden Blick.
»Lucifer?«, überrascht hob ich eine Braue. »Seine Eltern haben ihn nach dem Teufel benannt?« Mein Herz klopfte, denn jetzt war ich umso neugieriger auf den Jungen mit den hübschen kristallblauen Augen.
Die Tatsache, dass mir ein älterer Junge ein so süßes Geschenk gemacht hatte, ließ meine Wangen glühen.
»Ja und das nicht ohne Grund«, entgegnete Enzo und schob Snowball vorsichtig von seinem Schoß, bevor er aufstand und zu mir kam. »Lestrange ist gefährlich.« Mein Bruder legte mir die Hände auf die Schultern und blickte eindringlich auf mich hinab.
»Wie gefährlich kann ein Junge sein, der Romeo und Julia zitiert?« Skeptisch hob ich eine Braue und verkniff mir ein Grinsen, als Enzo die Augen rollte.
»Du hast ja keine Ahnung Liebes«, entgegnete der Slytherin grimmig. »Halt dich fern von ihm und von allen anderen Todessern, die hier ihre Ausbildung absolvieren. Es sei denn es sind Draco, Theodore, Blaise und Matt—«, doch er stockte und schluckte.
Die Narben meines Herzens begannen zu bluten.
Es war das erste Mal seit eineinhalb Jahren, dass ihm der Name des dunklen Lockenkopfes in meiner Gegenwart herausgerutscht war. Meine Atmung beschleunigte sich und ich presste die Lippen fest zusammen, als mir Tränen in die Augen stiegen.
»Ich wollte nicht— es tut mir so leid«, flüsterte Enzo und blickte mit einem gebrochenen Ausdruck auf dem sichtlich erblassten Gesicht auf mich hinab.
»Schon okay, er ist schließlich dein bester Freund«, murmelte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
Enzo schüttelte sofort heftig den Kopf.
»Nein, Amelie. So ist es nicht mehr—«, doch er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern zog mich in seine Arme und drückte mich eng an seine Brust.
Ich wusste, dass das was Mattheo in der Nacht der Schlacht von Hogwarts getan hatte, ihre Freundschaft tief im Kern erschüttert hatte.
Ein Teil von Enzo liebte den Sohn des dunklen Lords immer noch wie einen Bruder, doch ein anderer Teil hasste ihn auch zutiefst dafür, was er mir mit den Morden an meinen Freunden angetan hatte.
Das Trauma, was er damit verursacht hatte.
Die Angstzustände, die Depressionen, mein selbstverletzendes Verhalten— alles hatte seinen Ursprung in dieser seelenlosen dunklen Nacht.
Enzo wusste das, so wie ich es wusste.
Sein bester Freund trug Schuld an meinem Trauma, hatte mich in dieser Nacht über die Klippe in einen Abgrund geschubst, aus dessen trostloser Dunkelheit ich mich seither einfach nicht mehr befreien konnte.
Und trotz allem liebte er ihn von ganzem Herzen, so wie er mich liebte, würde ihn immer lieben.
Und es war okay für mich, denn ich verstand es.
Denn auch ich hatte den Jungen mit den verwuschelten dunklen Locken einmal geliebt, war er doch seit meiner Kindheit immer ein Teil meines Lebens gewesen, hatte bei den Berkshires Zuflucht gesucht und mich wie ein großer Bruder beschützt.
Vielleicht war es genau diese Tatsache gewesen, die mich am meisten gebrochen hatte. Das der Verrat von jemandem gekommen war, den ich geliebt hatte.
Doch meine Liebe hatte in der Nacht aufgehört, in der er mir meine beste Freundin genommen hatte.
Die Nacht in der er mir alles genommen hatte.
Nicht nur meine Freunde, sondern auch meine Unbeschwertheit und vor allem mein Lächeln.
Doch trotz allem was in diesen schicksalhaften Stunden passiert war, hatte Enzo nicht aufgehört seinen besten Freund zu lieben, auch wenn ihre Freundschaft nie wieder wie vorher sein würde.
Es war okay für mich, denn seither erwähnte mein Bruder seinen Namen nicht mehr und sprach auch sonst nie mit oder vor mir über ihn.
Bis heute.
Der Klang seines Names flutete meine Gedanken mit Erinnerungen an ihn, an all die Dinge die wir erlebt hatten, all die Nächte in denen er schwer verletzt an die Tür des Berkshire Manor geklopft hatte, seine Knochen gebrochen von all der Folter, mit der seine Mutter Bellatrix Lestrange ihren Hass auf die ganze Welt an ihrem eigenen Sohn ausgelassen hatte.
Erinnerungen an all die Male die Enzo und ich ihn geheilt hatten, ihm heiße Schokolade mit kleinen Marshmallows gekocht oder den Jungen mit der vernarbten Seele einfach nur getröstet hatten.
Ich hatte lange gebraucht um zu verstehen, dass ich in dieser Nacht nicht nur meine Freunde, sondern auch einen Teil meiner Familie verloren hatte. Denn das war es, was Mattheo für mich gewesen war.
Ein Mitglied meiner Familie, ein Teil meines Herzens den ich niemals wieder zurückbekommen würde.
Denn der Slytherin hatte es entzwei gebrochen.
»Amelie«, drang die sanfte Stimme meines Bruders durch den tristen Nebel meiner Gedanken zu mir durch, doch sie schien so unendlich weit weg zu sein.
Erst als ich spürte, wie er in meinen Geist eindrang und mich mit Hilfe seiner rücksichtsvollen Legilimentik sanft aus der Dunkelheit meines Kopfes befreite, bemerkte ich, dass ich am ganzen Köper zitternd auf dem Boden vor meinem Bett saß, die Arme um den Hals meines Bruders geschlungen und kummervolle Tränen an seiner Schulter weinte.
»Ich weiß wie schwer es für dich ist, dass er wieder hier in Hogwarts ist«, murmelte Enzo, während er mich in seinen Armen wiegte. »Aber er hat mir versichert, sich von dir fernzuhalten. Er wird dir nicht zu nahe kommen. Ich verspreche es dir.«
Ich nickte nur, während ich leise weinte.
Oh Merlin, wie sehr ich es leid war zu weinen.
Meine Hände zuckten und ich dachte an die Klinge, die ich in meinem Umhang versteckt hatte, hörte wie meine Seele verzweifelt danach schrie mich damit zu verletzen, danach schrie sie tiefer in meine Haut zu drücken, damit ihre Qualen endlich ein Ende hatten.
Enzo schien es zu spüren, oder in meinen Gedanken zu lesen, denn er zog mich jetzt so eng an sich, dass ich mich kaum noch rühren konnte. »Lass mich nicht los, Enzo«, brachte ich kaum hörbar hervor, meine Stimme ein einziges heiseres Flehen aus Schmerz.
»Niemals, Amelie«, flüsterte Enzo zurück. »Wir haben uns, Liebes. Wir werden immer uns haben.«
𓆙
Bereit für (broken) mattheos pov?
Und seid euch bewusst, er weiß ganz genau was er angerichtet hat und es hat auch ihn zerstört, also bitte immer die Triggerwarnungen beachten.
& bitte denkt ans voten,
wenn euch die Geschichte gefällt
und ihr weiterlesen wollt ♡
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