Kapitel 24
Meine Finger berührten den weichen Stoff des schwarzen Kleides, in welchem ich den Tag durchstehen müsse.
Meine Gedanken standen still, ich konnte und wollte in diesem Moment nicht denken.
Also entfernte ich meine Hand vom Kleid und setze die andere mit dem Pinsel wieder an meinem Gesicht an.
In streichenden Bewegungen verteilte ich das Make up auf meinem Gesicht, was die Strapazen der letzten Wochen verdecken sollte.
Weiter ging es mit ein wenig Puder, um alles matter erscheinen zulassen und ich griff zusätzlich auch zu Blush und Bronzer, damit mein Gesicht etwas mehr leben ausstrahlte.
Als letztes folgten meine Augenbrauen und die Augenpartie, die Augenbrauen brachte ich nur ein wenig mit durchsichtigem Gel in Form.
Auf meine Augenlider trug ich ein sanftes Schwarz auf und tupfte in die Mitte ein wenig von dem hübschen goldton.
Der kleine Wing rechts und links an meinen Augen gelang mir heute auf Anhieb und die Mascara, die ich nun auftrug hinterließ keinerlei Rückstände.
Meine Mundwinkel versuchten sich an einem glaubhaftem Lächeln im Spiegel, doch meine Augen blickten tiefer.
Sie sahen das dieses Lächeln gebrochen war, sie sahen, dass es niemals mehr echt sein würde, denn wenn der Mund lächelt, aber die Augen nicht strahlen, kann es niemals echt sein.
Ich hoffte, dass die Menschen nicht so tief sahen wie ich selbst, sondern dieses Lächeln einfach erwidern würden, ohne zu fragen ob es mir gut ginge.
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Mit dem Lächeln auf den Lippen, der Haltung aufrecht und dem Kleid perfekt sitzend schien ich bereit die Menschen zu begrüßen.
Cleo und ich haben die letzte Woche damit verbracht die Beerdigung zu organisieren.
Alles ist perfekt geworden, doch trotzdem verspürte ich keine Glücksgefühle in dieser Kirche, ich konnte und wollte auch kein Glück verspüren.
Ich stellte mir jedoch trotzdem die Frage, ob man in solch einer Situation überhaupt den Anflug von positiven Gefühlen verspüren konnte?
Meine Augen wanderten zu den beiden Urnen die ihren Platz auf einem braunen, mit Rosen geschmückten Holztisch vor dem Podest des Pfarrers gefunden hatten.
Ich wollte die Überreste meiner Eltern nicht einfach so in Särge stecken, deswegen habe ich mich dazu entschlossen sie einäschern zu lassen und am heutigen Tage in Form von Urnen zu beerdigen.
Es kam mir schöner vor.
So fühlte ich mich ihnen noch ein letztes Mal verbunden, weil ich in der Lage war ihnen etwas von mir mitzugeben.
Nach langem überlegen habe ich mich dazu entschlossen ihre Urnen mit etwas zu verzieren was sie liebten.
Die meiner Mutter zierte eine weiße Rose, sie liebte diese Blumen über alles und ich genoss es sie mit feinen Pinselstrichen auf dem Porzellan Gefäß zu verewigen.
Auf der meines Vaters befand sich eine große Welle.
Er war der einzige, aber auch gleichzeitig talentierteste Surfer den ich jemals kennengelernt habe, deswegen erschien es mir wichtig ihm diese Welle mit auf den Weg zu geben.
„Camille." ertönte eine sanfte Stimme und ich zuckte zusammen.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." sagte Cleo, während sie mich umrundete, um sich vor mich zu stellen und meine Hand in ihre gleiten zu lassen.
„Schon okay." kam es aus meinem Mund und ich drückte ihre Hand leicht.
„Sie werden gleich da sein, bist du bereit?"
Bist du bereit?
Wiederholte ich die Frage meiner Freundin still in meinem inneren und wartete auf eine Antwort.
Ich bekam keine, es wäre natürlich auch zu einfach, wenn mir jemand jetzt sagen könnte was ich zu tun hätte.
„Ja."
Wir gingen Hand in Hand zur großen verschlossenen Tür der Kirche und öffneten sie langsam.
Es standen schon alle versammelt vor der Tür.
Ich habe alle eingeladen, alle die geholfen haben mich zu befreien, alle die ich in mein Herz geschlossen habe, die Freunde meiner Eltern und weitere Verwandte.
Zuerst erblickte ich meine Oma mütterlicherseits, die Mutter von meinem Vater ist leider schon von uns gegangen. Sie stand dort mit Tränen in den Augen neben meinem Opa, dieser hatte zwar keine Tränen in den Augen, doch ich kannte ihn und seine Mimik auswendig, sodass mir der Schmerz den er ausstrahlte wehtat.
„Camille, Schatz!" rief die raue stimme meiner Oma und sie kam schnellen Schrittes auf mich zu, ich öffnete sofort meine Arme und war so froh ihren lieblichen Vanille Geruch in meiner Nase zu spüren.
„Oma." flüsterte ich ihn ihre Halsbeuge und mir flossen einige Tränen über die Wangen.
Nach unserer innigen Umarmung schob sie mich ein wenig von sich weg, damit sie mich von oben bis unten betrachten konnte.
„Du bist so dürr geworden mein Schatz, aber zusammen werden wir die Trauer bewältigen und wieder stärker werden." sagte meine Oma und nahm meine beiden Hände in ihre.
Ich lächelte sie bloß an.
Ich habe ihr nichts von der Entführung erzählt, deswegen glaubte sie natürlich daran das mein hoher Gewichtsverlust, der Trauer um meine Eltern zugeschrieben war.
Einige Kilo habe ich bereits schon wieder zugenommen, habe aber noch lange nicht mein vorheriges Gewicht erreicht.
„Lass uns reingehen." sprach ich laut zu den Gästen.
Meine Beine durchquerten den langen Durchgang der Kirche und ich führte meine engsten Verwandten an die Plätze in den vordersten Reihen.
Sie nahmen alle nacheinander Platz und die Kirche füllte sich jede Sekunde ein wenig mehr.
Ich erkannte die beiden Snapes Brüder, welche soeben die Kirche betraten und es sich in einer der letzten Reihen bequem machten.
Malfoy musste offensichtlich erkannt haben, dass ich die beiden beobachtete und hob seine Hand leicht zur Begrüßung. Ich lächelte ihm schüchtern entgegen, selbst wenn sie es von hier vorne wahrscheinlich nicht sehen können.
Meine Augen wurde in Sekunden schnelle wieder auf etwas neues aufmerksam.
Hardin betrat genau in diesem Moment als letzter Gast die Kirche und verschloss die Tür hinter sich.
Er sah in dem komplett schwarzen Anzug wunderschön aus, schon fast zu schön, doch ich riss mich schnell wieder von diesem Anblick los, denn in den letzten Tagen schien Hardin nicht mehr er selbst.
Er ignorierte mich vollkommen, war nie zu Hause und wenn brachte er ständig fremde Frauen mit.
Ich habe mit Cleo darüber gesprochen und sie erwähnte das es nach meinem Gedächtnis Verlust genauso gewesen ist.
Als ich den Unfall hatte, hat er jede Hilfe die ihm angeboten wurde ignoriert, einige Monate später kam er für lange Zeit nicht nach Hause und rief ständig betrunken an.
Ein Jahr später fing es mit den Frauen an.
Fast jeden Tag vergnügte er sich mit einer neuen und hatte sich laut Cleo zu einem Fuckboy entwickelt.
Doch ich wollte nicht glauben dass er dies nun wieder tat, aber alles sprach dafür.
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Der Pfarrer hielt eine lange Rede und laß einige Stellen aus der Bibel vor, danach sagte er bestimmt : „Bevor wir zur Beerdigung der verstorbenen übergehen, haben Verwandte, Freunde oder Bekannte jetzt die Möglichkeit ein paar Worte an die Gemeinschaft zu richten."
Oma stoß mich aufmunternd am Arm an und Cleo sowie Opa schenkten mir stärkende Blicke.
Ich hielt schon die ganze Zeit das Papier in der Hand, auf welchem ich ein paar letzte Zeilen für meine Eltern verfasst hatte.
Es war schon vollkommen zerknittert, weil ich vor Nervosität dauerhaft daran gepult habe und nun ist der Moment gekommen.
Vorsichtig erhob ich mich, da meine Beine zitterten und ich meinem Kreislauf immoment nicht zu viel zumuten wollte.
Wie von selbst fand ich den Weg zum Pfarrer Pult und stellte mich dahinter, das Blatt legte ich vorsichtig ab, sodass ich alles gut lesen konnte.
Meine Hände ergriffen zitternd das Mikrofon und ich zog es näher zu mir, zum ersten Mal blickte ich nun den ganzen Menschen vor mir in die Augen.
Einige sahen mich abwartend an, die anderen sahen mich gar nicht an, ein paar vergossen einige Tränen und in ein paar Gesichtern konnte ich keinerlei Gefühle ausmachen.
„Ich- setzte ich an in das Mikrofon zu sprechen und es ertönte ein lautes fiepen, mein kleines häufchen Mut, welches ich mir zusammengekratzt hatte war aufeinmal wie weggeblasen.
Unruhig fing ich an, an meinen Fingern zu pulen und blickte nervös auf meine Schuhe.
Es kam schon wieder dieses Gefühl von leere und Angst hoch, welches ich so hasste.
„Du kannst das." flüsterte aufeinmal eine tiefe Stimme in mein Ohr und ich zuckte zusammen.
Meine Gedanken kreisten zuerst um Hardin, doch als ich aufblickte erkannte ich nicht die tiefgründigen Augen von Hardin, sondern die Saphir Blauen Augen von Malfoy, welche mich immoment mitfühlend ansahen.
Er entfernte meine Hände vorsichtig voneinander um mein hartnäckiges pulen zu unterbrechen, anschließend flüsterte er mir folgende Sätze in mein Ohr : „ Unsere Mutter ist letztes Jahr gestorben. Ich stand hier vorne wie du. Die Angst umhüllte mich und raubte mir die Luft zum Atmen, ich habe beinahe aufgegeben.
Doch dann kam mein Bruder herauf zu mir und unterstützte mich, seine Anwesenheit allein genügte. Vielleicht kennen wir uns noch nicht lange, aber ich hoffe meine Anwesenheit wird auch genügen."
Gerührt von seinen Worten lächelte ich Malfoy dankbar an, ergriff seine kühle Hand und wagte mit dem neu gewonnenem Mut einen weiteren Versuch.
„Hallo liebe Gäste, ich saß nun viele Tage an dieser Rede und wusste nie wirklich was ich schreiben könnte.
Ich habe mir immer die Frage gestellt ob das was ich gerade geschrieben habe, denn das richtige ist?
Aber dann habe ich begriffen, dass es gar kein richtig gibt. Es gibt einzig und allein meine Gedanken und Gefühle.
Diese sind immoment von tiefster Trauer erfüllt, doch ich habe Menschen für die es sich lohnt zu kämpfen, für die es sich lohnt nie aufzugeben und für die es sich vorallem lohnt zu leben!
Auch wenn Mama und Papa nun nicht mehr da sind, glaube ich das sie mich trotzdem sehen.
Ich glaube, dass ich sie trotzdem stolz machen kann, glaube das sie trotzdem mit mir lächeln können, wenn ich meine Ziele erreiche, glaube das sie auch lieben können, wenn ich liebe."
Meine Rede wurde von einer Träne beendet, die still und leise über meine Wange floss.
Die Masse fing an zu klatschen und ich konnte einige Schluchzer hören, ich fand es auf eine gewisse Art und Weise schön, meine geschriebenen Worte dafür benutzen zu können, meine Gefühle mit denen von anderen zu verbinden.
Im Hintergrund bekam ich mit wie der Pfarrer sich für meine Rede bedankte, doch ich konnte nur in die Augen von Malfoy blickten, die mich überrascht ansahen.
Ohne groß darüber nachzudenken stellte ich mich auf Zehenspitzen und legte meine Arme um seinen Hals, er platzierte seine Hände nach kurzem zögern auf meinen Hüften und drückte mich etwas an sich.
„Danke." flüsterte ich erleichtert in sein Ohr.
„Keine Ursache, Camille." gab er zurück und löste sich vorsichtig aus der Umarmung.
Ich sah ihn fragend an, doch er nickte nur meiner Familie entgegen, welche mich schon abwartend ansah.
„Du solltest am besten wieder zu ihnen, wir sehen uns noch." verabschiedete er sich mit einem Zwinkern und machte sich auf den Weg zurück, zu seinem Platz.
Meine Augen verfolgten ihn kurz und ich erkannte den eifersüchtigen Blick von Hardin, beachtete ihn aber nicht weiter.
Ich bekam sofort einen ‚Was war das' Blick von Cleo zugeworfen, mein Opa sprach es allerdings sofort aus.
„Wer war das? Etwa dein Freund?" fragte er misstrauisch.
„Hermi!" sagte meine Oma warnend und stieß ihn mit ihrem Ellenbogen in die Rippen.
„Was denn Elisa, man wird doch wohl fragen dürfen!"
Ich liebte es wie meine Großeltern immer noch Spitznamen füreinander benutzen, es ist immer schön mit anzusehen.
„Wann anders, Opa." antwortete ich ihm leicht lächelnd, da ich immoment wenig Bedürfnis dazu hatte alles geschehene mit Hardin zu erzählen.
Und was das mit Malfoy war, dem war ich mir leider selbst nicht einmal klar.
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Wir standen nun auf einer Wunderschönen grasgrünen Wiese, etwas abseits der Kirche, unter einem großen Kirschblüten Baum, um welchem überall herum wilde Blumen wuchsen.
Mich hat dieser Ort sofort verzaubert, es fühlte sich an als würde die Natur mir ihren Segen geben, meine Eltern an diesem Ort zu begraben.
Meine Hände umgriffen das gesplitterte Holz der Schaufel und ich nahm ein wenig Erde von dem Haufen runter, welcher sich neben dem Loch für die Urnen befand.
Ich liebe euch
sagte ich in meinem Kopf, während ich die Erde, die sich auf der Schaufel befand, auf die beiden Urnen warf, die nun im Erdloch standen.
Ich gab sie nach rechts weiter in die Hände meiner Oma, ich wurde von einem weiteren Schluchzen geschüttelt, als sie sagte : „Ich liebe dich mein kleines Mädchen, du wirst immer in unseren Herzen bleiben."
Die Schaufel glitt in die Hände meines Opas väterlicherseits und er sagte : „Mein Sohn, niemals hätte ich gedacht, dass du uns so früh verlassen wirst, ich hoffe du sitzt dort oben schon mit deiner Mutter und siehst zu uns herab."
„Oh, Opa." sagte ich weinend und schloss ihn in meine Arme.
Es gesellten sich nacheinander zuerst meine Oma, dann mein anderer Opa, Cleo, Malfoy, meine Tanten, Cousinen und alle weiteren Gäste dazu und wir standen nun arm in arm vor dem Begräbnis und jeder ließ seinen Gedanken freien Lauf.
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Ich glaub es ist das längste Kapitel was ich je geschrieben habe und ich hoffe, dass ich alles gut rüberbringen konnte <3
Während des Schreibens habe ich die ganze Zeit Lana Del Ray gehört und es hat mir sehr geholfen alles mitzuempfinden. Ich konnte alles bildlich sehen.
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