Kapitel 62

„Nochmal", sagte ich deswegen schlicht und machte mich daran die Kugeln wieder in die dreieckige Ausgangsform zu bringen, als ich Dans warmen Atem plötzlich in meinem Nacken spürte.

„Du bist wirklich gut geworden." Ich konnte das Lächeln und die leichte Bewunderung in seiner Stimme hören. Ich hatte ihn offenbar überrascht und das gab mir ein ungemein gutes Gefühl.

Auf einmal spürte ich seine Fingerspitzen zaghaft über meinen nackten Oberarm streichen. Diese sanfte Berührung bescherte mir eine Gänsehaut.

Was sollte das? Ich war verwirrt. Ich wollte Antworten. Und zwar jetzt.

Ich drehte mich zu ihm um und er stand so nah bei mir, dass sich unsere Körper nur um Millimeter nicht berührten. Trotzdem konnte ich die Wärme, die von seinem Körper ausging, spüren. Ich sah ihm fest in die Augen.

„Was ist in der Nacht passiert?"

Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er überlegte. Überlegte, ob er mir die Wahrheit sagen sollte oder mich wieder mit einer ausweichenden Antwort abspeisen sollte.

„Ich will die Wahrheit hören", stellte ich deswegen gleich leise, aber eindringlich fest. Ein sanftes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hob seine Hand und strich mir über die Wange. Sein Daumen fuhr zart über meine Lippen. All das verwirrte mich nur noch mehr.

Ich wollte das nicht. Aber ich war wie erstarrt.

Und dann hörte ich die Stimme.

Seine Stimme.

"Robyn?"

Ich drehte den Kopf und sah einige Meter von mir entfernt Adrian und Sandy stehen. Seine bernsteinfarbenen Augen weilten kurz ernst auf mir, dann huschte sein Blick zwischen mir und Dan hin und her. Ich schloss kurz die Augen und schluckte. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was für einen Anblick Dan und ich gerade boten. Ich stand an den Billardtisch gelehnt und Dan keine fünf Zentimeter von mir entfernt mit seiner Hand in meinem Gesicht.

"Dan?", kam es dann von Adrian und eine Spur von Trotz zierte sein Gesicht.

"Hi...", kam es dann endlich mit spröder Stimme aus mir heraus und ich entfernte Dans Hand ein wenig zu forsch. Ich konnte gerade überhaupt nicht denken! Erst erfuhr ich fast, was für ganz offensichtlich dummes Zeug ich in der Nacht ohne Erinnerung gemacht hatte, dann wurde Dan plötzlich seeehr intim und jetzt stand mein Schwarm daneben und dachte sich sonst was. Mein Blick schweifte zu Sandy, die ein wenig orientierungslos und fast entschuldigend ausschaute. Ich rappelte mich zusammen, schubste Dan, der keinen Zentimeter von mir gewichen war, weg und ging lächelnd auf sie zu.

"Hi Sandy, schön dich wieder zu sehen!" Ich bekam kaum Luft, als ich neben Adrian stand und Sandy kurz zur Begrüßung umarmte. Ich wandte mich zu ihm und versuchte mich wieder zu sammeln. Er schaute mich unverwandt an, aber keiner von uns sagte etwas. Ich vernahm wie Sandy sich nach einigen Sekunden dezent davonmachte und irgendetwas von Bier faselte. Dan blieb beim Billardtisch stehen und wandte sich plötzlich ruckartig von Adrian und mir weg. Ich kapierte gar nichts mehr!

"Was macht ihr...?", fragten Adrian und ich uns dann gleichzeitig und schauten uns verwirrt an.

"'Tschuldige, ich wollte nicht eure Verabredung stören...", sagte er dann mit sanfter Stimme und schaute auf den Boden. Mein Herz zerbrach in mir. Adrian durfte doch nicht denken, dass zwischen Dan und mir was lief!

"Ähm, das ist keine...", setzte ich an, aber Adrian schüttelte kaum merklich den Kopf. Er schaute kurz zu Dan, dann straffte er die Schultern und sein Blick wurde hart. Ich merkte, dass er gehen wollte. Und ich merkte, dass ich das auf keinen Fall wollte.

"Wollt ihr nicht mitspielen?", versuchte ich ihn hier zu behalten. Er schaute mich kurz an, dann schaute er weg und schüttelte abermals den Kopf. Er blieb jedoch stehen und ich wartete. Was zum Geier ging hier gerade vonstatten??

"Bitte, Adrian...", murmelte ich dann. Ich blickte kurz zu Dan, der uns vom Billardtisch aus anschaute. Warum begrüßten die zwei sich nicht? Auch Adrian schaute jetzt zu Dan und er schien einen Entschluss zu fassen.

"Viel Spaß euch beiden!", sagte er dann betont fröhlich, gab mir einen Klaps auf die Schulter und verschwand. Er ging. Einfach so!

Ich schaute ihm hinterher, wie er zu Sandy ging und kurz mit Eddie sprach, dann nahm er Sandy am Arm und ging mit ihr Richtung Tür. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich stand mit pochendem Herzen da und hatte das Gefühl, dass meine Chance bei Adrian wie Sand zwischen meinen Fingern verlief. Was war gerade passiert? Das durfte einfach nicht passieren!

Ich dachte nicht weiter nach und lief zum Ausgang, um Adrian und Sandy abzufangen, aber sie waren schon dabei die Wendeltreppe hochzusteigen.

"Adrian!", rief ich mit fast flehender Stimme und ich vernahm, wie die Schritte über mir zum Stillstand kamen. Ich hörte, wie er Sandy etwas sagte, sie ging weiter und er kam die Treppe wieder herunter. Ich stand an die Tür zur Bar gelehnt um Adrian am Fuß der Treppe ein wenig Platz zu geben. Der Raum war jedoch eng, er stand nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ich konnte sein Parfum riechen. Mein Herz tat weh. Ich vernahm nur vage den Lärm hinter mir.

"Adrian... Was...?" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. "Wieso...", versuchte ich es wieder.

"Also normal hast du nie Probleme mit dem Reden", meinte er dann plötzlich mit einem schiefen Grinsen und ich musste lächeln. Ich spürte einen kleinen Anflug von Erleichterung - vielleicht lief hier gerade doch nicht alles aus dem Ruder.

"Kommt ihr nicht mit rein? Ich will dir doch zeigen, wie gut ich im Billardspielen geworden bin!", versuchte ich zu locken.

"Robyn... Du hast nicht gefragt, ob ich auch kommen will, also gehe ich mal davon aus, dass du mit Dan gerne alleine sein möchtest", sagte er nach kurzem Zögern.

"Nein, Adrian, so ist das gar n...", wollte ich erklären. Aber er unterbrach mich.

"Robyn, wirklich, du brauchst dir deswegen nichts denken und du brauchst mich jetzt erst recht nicht aus Mitleid oder was auch immer einladen. Ist schon in Ordnung, ich habe sowieso mit Sandy ausgemacht, dass ich heute mit ihr was unternehme. Genieß einfach deinen Abend mit Dan."

Ich schaute ihn schockiert an. Ich merkte, wie die Panik meinen Hals emporkroch. HALLOOOO?! Adrian, du verdammter Dummkopf! Ich will nicht Dan, ich will dich!!!

Als ich nach einigen Sekunden nichts sagte, sondern nur schnell ein- und ausatmete, fügte er hinzu: "Und mein Ego wird's schon überleben, dass du Dan mir vorziehst..." Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht wirklich.

"Ich glaube du hast was ganz falsch verstanden!", sagte ich schließlich. "Ich wollte dich ja heute dabei haben, aber Dan nicht..." Adrian runzelte die Stirn, dann sah ich wie sein Kiefer sich anspannte und ich bekam ein ungutes Gefühl. Scheiße! Hoffentlich hatte ich hier gerade nicht was falsches gesagt! Aber es stimmte ja...

Adrians Blick ging nach oben, dann beugte er den Kopf nach unten, schließlich stützte er sich mit seiner linken Hand an der Tür direkt neben mir ab. Mir wurde bewusst wie nah wir uns standen und ich konnte nicht anders, als eine Gänsehaut zu bekommen. Adrian hob den Kopf und schaute mir direkt in die Augen und ein Schauer lief mir den Rücken runter. Wenn ich mich nur ein wenig vorbeugte, würden meine Lippen seine berühren. Auch er schien es bemerkt zu haben, denn sein Blick suchte erst meine Lippen, dann meine Augen. Er holte Luft. Und seufzte dann.

"Das macht keinen Unterschied, Robyn," sagte er dann. "Und ganz abgeneigt von seinem Interesse scheinst du ja auch nicht zu sein." Verletzt, bitter, eifersüchtig, einfach bescheuert - ich hatte keine Ahnung, was mit Adrian los war. Und plötzlich wurde ich wütend. Was fiel ihm eigentlich ein?!

"Das kann dir doch eigentlich völlig egal sein!", sagte ich energisch und schubste ihn gegen den Brustkorb. Er stolperte leicht nach hinten und schaute mich überrumpelt an. Keine Ahnung, warum ich plötzlich so aggressiv war. "Was ich mit wem mache geht dich überhaupt nichts an! Was zum Teufel ist los mit dir? Dan ist doch dein Freund, kannst du nicht froh sein, dass wir uns gut verstehen?"

"Gut verstehen?! Robyn, siehst du nicht, was er von dir will?" Auch er hatte seine Stimme um einige Nuancen erhoben. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Nein, ich hatte es eigentlich nicht gewusst. Nur vermutet. Und nichts dagegen gemacht. War ich selber an diesem Schlamassel Schuld?

"Du willst es vielleicht auch", kam es dann von ihm. Ich hatte mich wohl verhört!

"Verdammt Adrian, was ist los?! Ich versteh' dein Problem nicht! Bin ich für Dan nicht gut genug, oder was? Ich check's nicht, Adrian. Wirklich nicht!"

"Nein, das sehe ich..." Er schüttelte wieder einmal an diesem Abend den Kopf, drehte sich um und ging mit müden Schritten die Treppe hoch.

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Da stand ich also wie ein begossener Pudel und checkte absolut nicht, was hier gerade abgegangen war.

Hatte ich gerade...? War er...? Und Dan...?

Völlig zerstört ging ich zurück zu Dan, der noch immer am Billardtisch lehnte und nicht in meine Richtung sah. Erst als ich direkt vor ihm stand, sah er mich an.

Mit unbändiger Wut in seinen Augen.

Warum war er sauer? Was hatte ich denn jetzt schon wieder gemacht?

"Was war das gerade eben?", wollte ich von ihm wissen, aber anstatt einer Antwort, lachte er nur kurz resigniert auf und wandte sich dann von mir ab.

"Du checkst echt gar nichts, was?"

Schön langsam wurde ich wieder sauer. Konnte nicht einer mal Klartext mit mir reden? Und da sollte einer sagen, Frauen wären kompliziert. Männer waren noch viel schlimmer!

"Dann klär' mich bitte auf, verdammt nochmal!" Aber wieder bekam ich keine Antwort. Dan zog nur gelassen seine Jacke an und sah sich dann nochmal kurz zu mir um.

"Weißt du was? Find's selbst heraus", sagte er dann lapidar.

Und zum zweiten Mal an diesem Abend wurde ich einfach stehen gelassen.

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Was sagt ihr zum Ausgang des Abends?

Übersteht den Montag gut! ;)

Tyskerfie & HeyGuys77

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