Kapitel 59
Okay, jetzt fing ich schon an zu halluzinieren.
Aber dann fing meine Einbildung an zu sprechen.
„Hi Robyn, auch nen Kaffee?"
Oh Gott, das konnte nicht wahr sein. So hatte ich mir unser Wiedersehen wirklich nicht vorgestellt. Jetzt saß ich hier mit einer Tasse Kaffee in der Hand und wartete darauf, dass Adrian wieder zurückkam. Dieses Mal hoffentlich vollständig bekleidet.
Nicht, dass mir der Anblick der wohl definierten Muskeln seines unverschämt braun gebrannten Oberkörpers nicht gefallen hätte. Aber ich hätte wahrscheinlich keinen zusammenhängenden Satz zustande gebracht. Konzentration adieu!
Als Adrian wieder zurückkam – dieses Mal in Jeans und einem Shirt, das seine Muskeln fast noch mehr betonte – lächelte er mich an und setzte sich dann ebenfalls mit einer Tasse Kaffee mir gegenüber, die Füße lässig unter dem Tisch hindurch auf dem Stuhl neben mir abgestellt.
„Du bist zu früh zurück." Toll, Robyn, das zeugt von übersprudelnder Freude. Aber Adrian lachte nur.
„Ich schätze, das ist die weibliche Variante von, 'Hey, wie kommt's, dass du schon einen Tag früher zurück bist?'" Jetzt musste ich auch lächeln und fand schön langsam meine innere Ruhe wieder.
„Du hast es erfasst."
„Der Auftrag war schneller beendet als gedacht und dann hab ich kurzerhand beschlossen, meinen Flieger umzubuchen. Ich war schon viel zu lange weg und hab mein Zuhause vermisst." Warm lächelte er mich an. „Und was machst du hier?"
Und schon war die Nervosität wieder da.
„Ähm, ich, also eigentlich wollte ich nur die Post reinbringen."
„Du hast aber keine Post dabei." Kluges Kerlchen.
„Und ich hatte vor, noch einmal Staub zu wischen", fügte ich noch ein wenig verlegen hinzu, aber anstatt sich über mich lustig zu machen, blieb Adrians Lächeln.
„Du bist Wahnsinn, echt. Danke, dass du dich um alles gekümmert hast. Und danke, dass du für mich eingekauft hast. Daran hätte ich überhaupt nicht gedacht."
Ich lachte. „Klar, kein Problem. Du sollst ja nicht verhungern."
„Also Robyn, was habe ich verpasst? Irgendetwas interessantes passiert?"
„Ähm, nein, eigentlich nicht."
„Dan hat mir erzählt, dass ihr euch getroffen habt."
Verdammt, jetzt bloß nicht rot werden. Das kam echt unerwartet. Aber schon spürte ich die Hitze in meinen Kopf steigen und wusste, dass meine Wangen gerade glühten.
„Ja, stimmt. Wir haben Billard gespielt, ich wollte es unbedingt lernen." War Adrians Lächeln gerade ein wenig angespannt? Hm, vielleicht doch nicht, denn er wechselte ganz nonchalant das Thema und grinste mich wieder etwas frech an.
„Und wie läuft's mit Fabio und der Chemie?"
Ich musste kurz blinzeln. War das etwa eine Anspielung? „Wie bitte?"
„Fabio und du, ihr lernt doch zusammen. Hilft dir das?"
Okay, vielleicht doch keine Anspielung.
„Naja, die letzte Ex ist immerhin zwei Notenpunkte besser ausgefallen als die letzte, aber das reicht immer noch nicht. Ich weiß bloß nicht mehr, was ich noch machen soll. Fabio gibt sich wirklich Mühe, aber manchmal habe ich das Gefühl als würde er chinesisch mit mir reden."
Entsetzt sah Adrian mich an. „Du kannst kein chinesisch?"
Ich musste laut lachen und er stimmte mit ein. Wie konnte man nur so viel mit einem Menschen lachen?
„Also wenn du willst, können wir uns gerne mal zusammensetzen. Vielleicht hilft es dir, wenn du es nochmal von einer anderen Seite erklärt bekommst." Überrascht sah ich ihn an. „Und du hast ja eindeutig noch was gut bei mir, dafür was du die letzten zwei Monate gemacht hast."
„Ja gerne, danke. Das ist echt nett von dir." Die Chance ließ ich mir natürlich nicht entgehen. „Aber jetzt erzähl du mal, wie war es in Argentinien?"
„Ah, bevor ich erzähle, muss ich dir erst noch etwas geben. Ich hab dir nämlich was mitgebracht." Er sprang auf und verschwand für ein paar Minuten, während ich das Gefühl hatte, vor Freude platzen zu müssen. Er hatte mir etwas mitgebracht.
Er hatte an mich gedacht!
Adrian kam mit einer Tüte zurück, die aussah, wie eine Plastiktüte aus dem Supermarkt.
„Ich wusste nicht genau, was dir so gefällt, deswegen dachte ich mir, ich bringe dir etwas typisch argentinisches mit." Stolz lächelte er und hielt mir die Tüte hin.
Es war wirklich eine Supermarkttüte.
Ich schaute rein und wusste nicht, ob ich maßlos enttäuscht sein oder in schallendes Gelächter ausbrechen sollte.
In der Tüte war Mais.
Eine riesige Packung Mais.
Ich entschied mich für die zweite Variante und fing laut zum Lachen an. Immerhin hatte er an mich gedacht und das war für mich schon das größte Geschenk, das er mir machen konnte.
„Gefällt's dir?" Er grinste mich an.
„Es ist extrem originell! Danke!"
„Na, wenn du dich darüber schon freust, dann bin ich gespannt, was du zu deinem richtigen Geschenk sagst." Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter, was eigentlich fast nicht mehr möglich war und mir verschlug es die Sprache.
Er hatte mich eiskalt schon wieder verarscht.
„Du hast mich ernsthaft schon wieder auf den Arm genommen?", rief ich ihm hinterher, als er aber schon wieder in der Tür stand, dieses Mal mit einer kleinen Geschenktüte in der Hand. Wortlos drückte er mir das Tütchen in die Hand und setzte sich wieder mir gegenüber. Erwartungsvoll blickte er mich an und ich öffnete die Tüte. Innen fand ich einen in Papier eingewickelten, rundlichen Gegenstand, den ich vorsichtig herausnahm, da ich nicht wusste, ob etwas kaputt gehen konnte. Unten in der Tüte lag noch ein länglicher Gegenstand, ebenfalls eingewickelt, den ich auch heraus nahm und auf den Tisch legte.
Zuerst wickelte ich den größeren Teil aus und zum Vorschein kam ein hölzerner Trinkbecher, der mit wunderschönen Musterungen verziert war.
„Wow", hauchte ich leise, während ich die filigrane Arbeit betrachtete und die zarten Linien mit meinem Zeigefinger nachfuhr. Kurz warf ich Adrian einen Blick zu, der mich mit einem Lächeln betrachtete. Ich stellte den Becher ab und packte den länglichen Gegenstand aus, der sich als silberner Löffel entpuppte. Mir stiegen fast die Tränen in die Augen, als ich sah, dass er sogar meinen Namen in einer schönen, geschwungenen Schrift hatte eingravieren lassen. Schnell blinzelte ich die kleinen Tränen weg und ohne groß nachzudenken stand ich auf und umarmte ihn einmal fest.
„Danke, das ist echt wunderschön. Ein Mate-Becher, vielen Dank!"
Ich setzte mich wieder und betrachtete noch einmal das Geschenk. Adrian hatte genau meinen Geschmack getroffen. Ich liebte traditionelle Dinge und wollte am liebsten irgendwann einmal ebenso eine Sammlung haben, wie Adrian sie besaß.
„Ich hätte mir denken können, dass du gleich weißt, was das ist." Schwang da ein wenig Stolz in seiner Stimme mit? „Und ich hab dir auch etwas von dem Yerba-Tee mitgebracht, den sie typischerweise daraus trinken."
Mir kam eine Idee. „Wollen wir ihn gleich einweihen?", fragte ich ihn und Adrian nickte lächelnd. Er stand auf, füllte Wasser in den Wasserkocher und nahm eines der Päckchen von dem Küchentresen, die ich noch gar nicht bemerkt hatte. Er nahm einen Löffel und löffelte ein wenig von dem Tee in den Holzbecher. Als das Wasser kochte, füllte er ihn bis oben hin auf, steckte den Löffel hinein, der gleichzeitig als Strohhalm diente und reichte ihn mir.
„Hier, du zuerst. Aber Vorsicht, das ist noch heiß."
„Ja, Mama", war mir schneller raus gerutscht als ich denken konnte, aber Adrian nahm das anscheinend keineswegs als Frechheit, sondern lachte ein weiteres Mal. Ich liebte sein Lachen.
„Schon kapiert."
Ich pustete ein wenig auf das Wasser, bis sich die Oberfläche kräuselte. Dann nahm ich vorsichtig einen kleinen Schluck, und ließ mir den Geschmack auf der Zunge zergehen. Ich hatte noch nie Mate-Tee getrunken, nur davon gehört, aber es schmeckte einfach unglaublich. Der bittere Geschmack war anfangs etwas ungewohnt, aber allein das Gefühl, etwas zu tun, das man vorher noch nie getan hatte, war toll.
„Mmmh, ist das lecker!" Ich schob Adrian den Becher hin. Als er danach greifen wollte, ermahnte ich ihn mit gespieltem Ernst: „Aber Vorsicht, der ist noch heiß." Er lachte schon wieder.
„Gut, dass du's sagst, ich werd' aufpassen." Dann zog er den Becher zu sich und nahm einen Schluck, bevor er die Augen weit aufriss, zur Spüle hechtete und ihn gleich wieder ausspuckte. Völlig überrascht sah ich ihn an.
„Scheiße! Der ist ja echt noch heiß! Wie kannst du das trinken?" Entsetzt sah er mich an und ich konnte einfach nicht anders, als über seinen Gesichtsausdruck zu lachen.
„Vielleicht bin ich einfach nicht so zimperlich", meinte ich gespielt kokett.
„Ja, ja, werd' nur frech." Amüsiert setzte er sich wieder und schob mir den Becher zurück. „Dann trink du erst mal, ich hab mir die Zunge verbrannt..."
Genüsslich nahm ich noch einen großen Schluck und sah ihn dann abwartend an.
„Du wolltest von Argentinien erzählen."
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Adrian ist wieder daaaaaaa!!! :)))
Wie findet ihr die Geschenke, die Adrian Robyn mitgebracht hat?
Tyskerfie & HeyGuys77
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