Kapitel 56

16 Anrufe, 7 Nachrichten auf der Mailbox und 12 SMS.

Die Anrufe und die Sprachnachrichten waren allesamt von meiner Mutter und auch 10 der 12 SMS gingen auf ihr Konto. Damit hatte ich ja gerechnet. Grundtenor: Ich mache mir Sorgen, wo bist du, geht es dir gut, wann kommst du heim. Die ersten waren schon von gestern Nacht, ein paar dann von heute Früh. Ich hatte nichts davon mitbekommen.

Eine SMS war von Ceil: „Warum antwortest du nicht? Ist alles klar bei dir?" Ich schrieb ihr schnell zurück, dass es mir gut ging und ich ihr am Montag alles erklären würde.

Dann las ich die letzte SMS, die von Dan war: „Bei mir ist soweit alles ok, wenn man mal von dem Mordskater absieht, den ich habe ;) Dann warte ich auf deinen Anruf :) Bis später!"

Dan hatte also auch zu viel getrunken. Hoffentlich konnte er sich aber an mehr erinnern als ich. Ich wählte seine Nummer und nach dem vierten Klingeln hob er ab.

„Hallo, Robyn!" Ich hörte ein Lächeln in seiner Stimme. „Wie geht's dir?"

„Hi, Dan. Meinem Kopf geht's wie deinem, aber sonst passt alles."

„Und, wie hast du in Adrians Bett geschlafen?"

„Du weißt davon? Wieso hast du mich nicht davon abgehalten?"

Ich konnte Dan am anderen Ende der Leitung lachen hören. „Das wollte ich, ehrlich, aber du hast dich so sehr gesträubt und damit gedroht, dass du zum Schreien anfängst, dass ich irgendwann nachgegeben und dich in Adrians Haus habe gehen lassen. Und naja, ich hatte selber ja auch schon ziemlich einen sitzen und wollte nur noch in mein Bett und da dachte ich mir, dass du morgen Früh schon über die Einfahrt nach Hause findest." Jetzt klang er ein wenig verlegen.

War ich sauer? Nein, eigentlich nicht. Mit ein bisschen Abstand fand ich die Sache sogar schon ganz lustig.

„Schon okay. Ich hab einen kleinen Schock bekommen, als ich aufgewacht bin und nicht wusste, wo ich war, aber sonst ging's mir prima. Aber Dan, kannst du mir vielleicht erzählen, was gestern Abend noch alles passiert ist? Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir ziemlich über die Leute in der Bar hergezogen sind, aber nicht mehr, wann wir gegangen, geschweige denn, wie ich nach Hause beziehungsweise in Adrians Bett gekommen bin."

Stille am anderen Ende. Ich konnte nur seinen Atem hören.

„Dan?"

„Du kannst dich an nichts erinnern?", fragte er da nach.

„Nein, kann ich nicht. Wieso? Wir haben doch nicht... also ich meine... wir beide..." Ich wusste nicht was ich sagen sollte. War etwa aus 'mit den falschen Kerlen rummachen' doch mehr geworden?

„Nein, keine Sorge, es ist nichts passiert. Ich... hab mich nur gewundert, das ist alles." Irgendetwas in seiner Stimme sagte mir, dass er mir etwas verschwieg.

„Dan, was ist gestern passiert?"

„Wirklich, es ist nichts passiert." Ich war immer noch nicht ganz überzeugt, aber anscheinend bekam ich gerade nicht mehr aus ihm heraus.

„Also, dann erzähl mir doch bitte all das, was ich nicht weiß."

„Wir waren ziemlich lange in der Bar, ich glaube, wir sind etwa gegen vier Uhr gegangen. Und so betrunken wie wir waren, hat es ewig gedauert, bis wir bei dir waren. Du bist ein klein wenig herumgetorkelt und wärst wahrscheinlich irgendwo lachend im Graben gelandet, wenn ich dich nicht festgehalten hätte. Zwischendurch hast du so einen krassen Lachflash bekommen, dass wir zehn Minuten nicht weitergehen konnten. Immer wenn ich dachte, du hättest dich beruhigt und wir einen Schritt gemacht haben, dann hast du wieder angefangen. Aber das war irgendwie süß. Ich habe aber absolut keine Ahnung, weshalb du so gelacht hast, das hast du irgendwie nicht rausbekommen und ich dachte mir, ich frag dich einfach heute, aber wenn du dich an nichts erinnern kannst..."

„Nein, leider nicht. Und dann sind wir irgendwann vor Adrians Haus angekommen?"

„Genau. Ich glaube, wir haben für die Strecke eine Dreiviertel Stunde gebraucht, weil ich um kurz nach fünf zu Hause war und zu mir ist es ja nicht weit. Und ich konnte noch ein bisschen gerader laufen als du." Er lachte leise vor sich hin und ich musste auch grinsen.

„Jetzt werd' nicht frech!", wies ich ihn scherzhaft zurecht.

„Auf jeden Fall wolltest du eben wie gesagt unbedingt in Adrians Haus." Er stockte kurz.

„Ja? Und weiter?"

„Ich hab dir gesagt, dass du das nicht tun sollst, es ist ja nicht dein Haus und ein paar Schritte weiter würde dein eigenes, gemütliches Bett auf dich warten, aber du wolltest nicht hören. Deswegen habe ich einfach irgendwann nachgegeben, weil ich mir auch dachte, dass es ja niemandem schadet."

„Bist du noch mit rein gekommen?"

„Nein, das hab ich dir doch schon gesagt."

„Das meinte ich gar nicht, ich glaub dir schon. Ich frage nur, weil ich den Schlüssel zu Adrians Haus nicht mehr finde und ich dachte, du wüsstest vielleicht, wo ich ihn hin getan habe."

„Oh, das ist nicht gut... Aber wie gesagt, ich bin gegangen, als du ins Haus bist, also weiß ich nicht, wo du ihn hingelegt haben könntest."

Ich seufzte. „Okay, dann werde ich jetzt nochmal gründlich suchen, irgendwo muss er ja sein. Aber danke, Dan."

Er atmete langsam aus. „Keine Ursache."

Was war nur los mit ihm?

„Ich mach mich dann mal auf die Suche. Bis bald!"

„Vielleicht probieren wir's ja an einem anderen Abend nochmal mit dem Billard spielen." So wie er es sagte, konnte man das sowohl als Scherz oder als ernst gemeinte Einladung auffassen. Ich entschied mich für eine scherzhafte Antwort.

„Solange wir nicht wieder so besoffen enden wie gestern Abend."

Wieder musste er lachen. „Nein, ganz sicher nicht!"

„Na dann."

„Wir hören uns. Bis demnächst, Robyn." Und noch bevor ich 'Ciao' sagen konnte, hatte er aufgelegt.

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Nachdem ich meinen Kaffee ganz ausgetrunken hatte, machte ich mich wieder zu Adrians Haus auf. Ich wollte schon zielstrebig durch den Garten zur Terrassentür gehen, als mein Blick auf die Wohnungstür fiel.

Der Schlüssel steckte von außen.

Toll. Eine schöne Einladung für jeden Einbrecher.

Aber zum Glück hatte ich ihn gefunden. Ich zog ihn also ab und warf gleich einen Blick in den Briefkasten. Es lagen tatsächlich ein paar Briefe drin. Ich ging die Umschläge einzeln durch, wie jedes Mal. Denn wenn etwas Wichtiges dabei war, dann musste ich Adrian ja sofort schreiben.

Da! Auf einem Umschlag stand „Wichtig!" Ich musste Adrian also umgehend eine Mail schreiben, dass er an eine gemeinnützige Organisation spendete.

Haha.

Der Rest waren entweder Rechnungen oder Werbung.

Die normale Post, die jeder andere auf dieser Welt ebenfalls bekam.

Ich nahm den Schwung also, ging ins Haus und legte ihn zu der anderen Post. Ich hatte mir vorgenommen alles fein säuberlich zu ordnen. Werbung auf den einen Stapel und die restliche Post unterteilte ich in einen Stapel mit Rechnungen und einen weiteren mit allen sonstigen Briefen. Die einzelnen Stapel wiederum waren nach Eingangsdatum sortiert.

Vielleicht übertrieb ich ja ein bisschen, aber ich wollte unbedingt alles perfekt machen.

Danach ging ich ins Wohnzimmer, um die Terrassentür wieder zu verriegeln und machte mich danach – mit dem Schlüssel – wieder auf den Heimweg.

Zu Hause fiel mein Blick auf mein Handy, das immer noch auf dem Wohnzimmertisch lag. Ich warf einen kurzen Blick darauf und sah eine neue Nachricht von Ceil: „Ich will aber jetzt alles wissen! :D" Ich seufzte. Mir war immer noch speiübel und irgendwie packte ich grad gar nicht, ihr alles zu erzählen. Und, was gab's eigentlich zu erzählen? Ich konnte mich schließlich an nichts erinnern!

Also nahm ich mein Handy und tippte als Antwort, dass das echt warten musste, da ich unter Gintonicgitis litt... Wenn das jemand verstand, dann sie.

Nachdem ich eine Tüte mit Cheese-Pops gefunden hatte, haute ich mich wieder auf die Couch, zog eine Decke über mich und schaltete den Fernseher ein. Ich schnallte Null und Nix von dem, was ich sah, aber das war mir auch relativ schnuppe.

Ich dachte an Dan und wunderte mich ein wenig darüber, dass wir ein so unkompliziertes Verhältnis hatten. Wir kannten uns ja nun wirklich nicht sehr lange, aber wir konnten irgendwie so ungezwungen miteinander umgehen, als wären wir seit Jahren befreundet. Zumindest die meiste Zeit, wenn uns nicht gerade der Gesprächsstoff ausging. Aber ich glaubte, dass wir diese Hürde nach letzter Nacht nun auch endgültig überwunden hatten. Ich mochte Dan. Und vor allem mochte ich, dass Dan so gut mit Adrian befreundet war. Ein kleiner Anflug von schlechtem Gewissen stach mir in den Bauch. Wollte ich nur mit Dan befreundet sein, um eine bessere Chance zu haben, an Adrian ranzukommen? Ich überlegte nicht lange.

Nö.

Ich mochte Dan wirklich! Und wir hatten Spaß zusammen. Und wir konnten gut reden. Ich überzeugte mich von meinen ehrlichen Intentionen Dan gegenüber.

Ich stopfte mir Cheese-Pops in den Mund und genoss den Geschmack nach künstlichem Käse – genau richtig für diesen Tag! Dass ich total eklig und widerlich war, wurde mir erst bewusst, als ich fast die ganze Tüte gefuttert hatte und trotzdem kurz mit dem Gedanken spielte, mir einen Burger zu besorgen.

In dem Moment piepte mein Handy. Ceil fragte, ob sie mit einem Burger-Menü vorbeikommen sollte, dann könnte sie die ganze Story hören. Ich lachte leise. Das war wirklich eine beste Freundin. Super neugierig und dazu noch eine Gedankenleserin. Das war schon fast unheimlich.

„Klingt gut – und bitte ein extra großes Menü!" schrieb ich zurück. Und dann wartete ich auf sie.

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So ihr Lieben,
hier ist wieder ein neues Kapitel :)
Dieses Mal auch ein bisschen länger ;)
Wir hoffen, es gefällt euch!

Tyskerfie & HeyGuys77


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