#67 - So schwerelos.

Das nächste Interview war von Selena Gomez. Ich fand sie zwar ziemlich cool und echt nett, aber ihre Musik war nicht so mein Fall.

„Uuuuh, jetzt wird's spannend", grinste Danielle.

„Wieso?", frage ich ein wenig dämlich und drehte mich mit gerunzelter Stirn zu ihr, aber sie starrte weiterhin grinsend auf den großen Monitor da oben.

„Na, weil sie sicher nach eurem Video gefragt wird! Du und Justin eng tanzend und so, kannst du dich erinnern? – Sind die beiden momentan eigentlich überhaupt zusammen oder schweigen sie sich an oder sind sie zusammen und tun nur so, als wären sie es nicht?"

Sie sah sich um, aber Justin war schon wieder irgendwo anders unterwegs.

„Keine Ahnung. Ich vertrete ja die Meinung, dass sie das nicht einmal selber wissen", schnaubte ich belustigt.

„Das wäre durchaus möglich", lachte Layla, die auf der anderen Seite neben mir stand und alles mitgehört hatte.

Kaum hatte das Interview begonnen und die ersten Fragen waren beantwortet, da erkundigte sich die rothaarige Interviewerin schon nach mir.

„Und, was sagst du zu dem neuen Video von Justin Bieber?"

„Gibt es eigentlich nichts Interessanteres?!?", platzte ich zornig heraus. Es ging mir so unglaublich auf die Nerven, dass jeder nur noch davon sprach. Als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt als ein blödes Video, in der eine blöde unbekannte Tänzerin vorkam, die blöderweise ganz neu war und auch noch so blöd war und wahrscheinlich etwas mit dem blöden Harry Styles am Laufen gehabt hatte!

Das war doch nicht zu fassen!

Zu blöd alles einfach.

„Es ist so unglaublich gut!", sagte Selena und lächelte, wobei ihre dunklen Augen noch besser zur Geltung kamen. „Ich finde Sam so unglaublich! Sie hat eine Wahnsinnsausstrahlung und kann sich so toll bewegen. Ich hoffe, wir sehen noch ganz viel von ihr, und ...wer weiß, vielleicht kann ich ja mal mit ihr gemeinsam tanzen!"

Layla brach wieder in ihr Hyänenlachen aus. Ich hingegen zog nur eine Augenbraue hoch.

„Hast du das gezwungene Lächeln gesehen? Die hasst dich so abgrundtief!", gackerte Jill und drückte mich an sich.

„Das riecht nach einem sauberen Zickenkrieg", kommentierte Tiffany. Sie sah nicht sonderlich begeistert aus. „Bei sowas ziehen Tänzerinnen aber immer den Kürzeren gegen so Superstars wie Selena... Da hat man als Tänzer keine Chance."

„Sam sicher schon", fuhr Danielle dazwischen. „Als ob sie nicht gegen Gomez ankommen würde. Dass ich nicht lache."

„Ich will mit überhaupt niemandem einen Zickenkrieg anfangen, ich-"

„Pscht!!", machte Dani und deutete wieder hinauf zu dem Interview. Grummeln schloss ich den Mund und starrte mit finsterem Gesicht nach oben. Das fehlte mir gerade noch. Ich hatte schon Taylor Swift gegen mich aufgebracht, Sophia mochte mich nicht – und jetzt noch Selena? Super, einen besseren Start konnte ich nicht hinlegen, was die Sympathien der Superstars anging...

„Also stört es dich nicht, dass sie mit Justin so vertraut tanzt?", hakte die Interviewerin gerade schamlos nach.

„Ich denke, wir sind aus dem Alter raus, in dem man jemanden hasst, weil er seinen Job tut", antwortete Selena sachlich. „Nur weil Sam mit Justin tanzt, heißt das noch lange nicht, dass ich sie nicht mögen kann. Ich denke, aus dem Alter sind wir alle wirklich raus. Sam ist toll. Nein, ich bin nicht eifersüchtig oder so etwas in der Art."

„Paaaam, in your face, Bieber!", lachte Dani zufrieden.

Erst da kapierte ich, was sie meinte. Justin hatte mich natürlich auf eine Weise nur benutzt, um Selena eifersüchtig zu machen. Ob er mich wirklich mochte oder nur mit mir ausgehen wollte, damit sie vor Eifersucht kochte, wusste ich nicht. Wahrscheinlich würde ich es niemals herausfinden, aber das war mir eh egal. Weder sie noch er juckte mich sonderlich.

An Justin hatte ich ja eh kein Interesse.

„Mir ist das eigentlich voll egal-..."

Weiter kam ich nicht. Denn ich hatte meine Aufmerksamkeit woanders hin verschoben. Wir standen ja hier hinten an der Wand des direkten Backstage-Bereichs, wo man uns nicht sehen konnte, aber ich hatte einen freien Ausblick hinüber auf den einen Gang, der zu den Garderoben führte. Und dort kamen jetzt gerade zwei Leute heraus.

Der eine hatte schwarze Haare und die schönsten dunklen Augen, die ich je gesehen hatte, und der andere hatte braune Locken und ...die allerschönsten Augen, die ich überhaupt jemals gesehen hatte.

Ich schluckte.

Dani drückte meine Hand. Sie hatte ihn natürlich auch gleich entdeckt.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihm losreißen.

Wieso sah er so gut aus? Wieso trug er mein Herz bei sich? Wieso interessierte es ihn überhaupt nicht, wo ich war? Wieso interessierte es ihn nicht einmal, wie es mir ging? Wieso?? Wieso war er so?

Ich verstand es nicht. Aber ich musste es akzeptieren. Es half ja alles nichts....

Als ich merkte, dass die anderen Mädels Harry und mich abwechselnd anstarrten, löste ich meinen Blick mühsam von ihm und sah stattdessen Danielle an.

In ihrem Blick lag so viel Kummer, dass ich jetzt stattdessen auf den Boden starrte.

Die beiden hatten jetzt den Backstage-Bereich durchquert und waren in dem anderen Gang verschwunden.

Es hatte mich förmlich umgebracht, dass ich ihn gesehen hatte, auch wenn es nur wenige Sekunden gewesen sind.

Aber manchmal spielte Zeit einfach keine Rolle.

Ich hatte die Wunden notdürftig in meinem Herzen geflickt und ich hatte auch nicht mehr daran gedacht – schön, dass alles jetzt wieder aufgerissen wurde. Nur dadurch, dass ich ihn für ein paar Sekunden gesehen hatte.

Das war doch verrückt!

Es war verrückt, was die Liebe mit einem anstellte! Das würde ich niemals in meinen Kopf hineinbekommen. Niemals.

„Ist alles okay?", flüsterte Dani in meine Locken und ich nickte nur.

Sie strich mir ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren.

Ich merkte, dass die anderen mich bewusst nicht mehr ansahen. Sie waren ja nicht blöd, sie hatten verstanden, dass die Presse Recht hatte, dass da irgendetwas zwischen ihm und mir gewesen ist.

Gott sei Dank waren sie so lieb und taktvoll, dass sie nicht nachfragten.

Ich atmete tief ein und aus und blinzelte nicht mehr, während ich weiter auf den Boden vor meinen glitzernden Schuhen starrte. Ich wollte, dass die Tränen in meinen Augen trockneten. Sie mussten trocknen. Ich würde jetzt hier sicher nicht weinen.

„Guck dir bitte mal Lady Gagas Kleid an. Das kann doch nicht ihr Ernst sein?!", sagte Dani entgeistert und ich hob den Blick.

Ich war ihr so dankbar, dass sie mich abgelenkt hatte.

Die nächste Zeit standen wir hier einfach nur schweigend herum und betrachteten auf dem Bildschirm die Performances und die Interviews.

„Justin Bieber Dancer", sagte jemand und der Bühnenmanager von vorhin, der uns auf seinem Plan als Sehenswürdigkeiten verewigt hatte, blickte uns gestresst an, „ihr seid jetzt nach diesem Interview dran."

Wir nickten und er winkte uns mit sich. Gehorsam folgten wir ihm.

Wir stellten uns an den einen Bühnenaufgang und warteten darauf, dass er uns endlich das Zeichen geben würde.

„Hey Beauty", erklang eine leise, raue Stimme neben mir und jemand streifte meine Schulter. „Aufgeregt?"

„Nö, du, Bieber?", fragte ich, ohne ihn anzusehen.

„Klar, schließlich darf ich endlich wieder mit dir vor der ganzen Welt tanzen."

„Rutsch nicht auf deiner Schleimspur aus", ertönte von hinten. Ich brauchte mich nicht umdrehen, ich konnte Tiffanys Stimme auch so erkennen. Ich biss mir von innen auf die Wangen, um ein Grinsen zu verkneifen. Dann drehte ich mich doch zu Justin und lächelte ihn an. Wir waren immerhin ein Team und mussten den Auftritt jetzt gemeinsam als Einheit meistern.

„Ich fand das echt nett, was Selena über mich gesagt hat", sagte ich gerade heraus und beobachtete sein Gesicht. Er nickte.

„Ja, das fand ich auch. Aber anscheinend lernt auch sie dazu", meinte er schulterzuckend nur und umarmte mich plötzlich. „Danke, dass du hier heute mit mir tanzt, Sam, du bist wirklich großartig und ich fühle mich geehrt, dass du mit mir tanzt und nicht mit jemand anderem heute."

Oh, das war aber süß!

„Ach, gerne! Danke, dass ich mit dir tanzen darf!", erwiderte ich lächelnd und meinte das auch ernst.

„Passt auf, sonst steht morgen in allen Klatsch- und Käseblättern, dass da was zwischen euch läuft!", kommentierte Layla kichernd.

Ich verdrehte nur die Augen und streckte ihr die Zunge raus.

Langsam kroch die Aufregung doch in mir hoch und mein Herz klopfte wie verrückt.

„Sam, dreh dich nicht um", raunte mir Dani von hinten so leise ins Ohr, dass nur ich es hören konnte.

Ich konnte mir schon vorstellen, wer jetzt wieder dort war.

Er würde den Auftritt ganz genau beobachten, egal ob er mich loshaben wollte oder wieso auch immer er gerade so ein verrückter, schizophrener Spinner war.

Er würde sich das nicht entgehen lassen. Und das war gut so. es erfüllte mich mit Genugtuung.

„Okay, in zehn Sekunden geht ihr auf die Bühne", erklang wieder die Stimme des Managers.

„Neun... Acht..."

„Fall einfach nicht über deine Füße", sagte Justin und grinste.

„Fünf..."

„Das sagt der Richtige", schoss ich zurück, aber lächelte, weil ich wusste, dass er das nicht ernst gemeint hatte.

Er griff nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, lächelte mich an und zog mich bei „Eins... Los!" auf die Bühne.

Es war stockduster, nur ein kleines Lichtchen brannte auf dem Boden. Es war das Zeichen, wo wir uns hinzustellen hatten.

Das Einzige, was ich hörte, war mein eigener Herzschlag. Mein Herz klopfte wie verrückt. Kennt ihr das, wenn in Filmen so ein lauter Herzschlag an spannenden Stellen eingefügt wird? Genauso war es gerade bei mir. Alles, was ich hörte, war mein eigener Herzschlag und sonst gar nichts.

Mit einem Schlag erinnerte ich mich wieder an meinen Traum von heute Nacht, der mir nach dem Aufwachen gleich entglitten war. Da war Harry gewesen. Er war hier vor mir auf der Bühne erschienen und hatte mich vor der ganzen Welt bloßgestellt, bis Niall mich geweckt hatte.

Diesmal würde das nicht passieren. Ich konnte Justins warmen Atem in meinem Nacken spüren, der mir eine Gänsehaut den Rücken hinunter jagte.

Und dann ging das Licht an.

Und dann legten wir los.

Wir legten los.

Ich glaube, so hatte ich noch nie getanzt. Nicht einmal vorhin, als wir Mädels uns gefilmt hatten und sie alle behauptet hatten, ich hätte so toll getanzt.

Das reichte niemals an das hier heran.

Ich bewegte ich, als hätte ich in meinem Leben noch nie etwas anderes getan.

Es fühlte sich so leicht an. Ich fühlte mich so leicht an. Als würde ich schweben.

Ich war schwerelos.

Ich fühlte mich so gut, wie ich mich noch nie gefühlt hatte.

So frei. So schwerelos.

Ich bemerkte die Menschen und die Kameras und all das um uns herum nicht. Ich fühlte mich, als wäre ich ganz woanders.

Ich wusste natürlich, dass die Kameras mich filmten, und ich wusste genauso, dass er mir gerade zusah. Er verfolgte jede der Bewegungen meines Körpers.

So frei. So schwerelos.

Wir waren der Hammer.

Justin und ich waren unschlagbar zusammen. Wir tanzten so gut.

Als wir in der Schlusspose standen (fast die Gleiche wie Sean und Katy vorhin), starrte ich in seine Augen.

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