#66 - Schnepfe. Glitzerkugel. Superstar.
So, jetzt ging's los.
Kaum dass wir den Visagisten-Raum verlassen hatten, spürte ich die Energie, die hier in der Luft schwebte. Jeder war angespannt, jeder war konzentriert und jeder wartete darauf, dass das Event losging. Techniker hasteten an uns vorbei, Manager sprachen in ihr Headset und Stars gingen mit hoch erhobenem Haupt an uns vorbei.
Ich musste an das letzte Stars4Hope-Event in New York denken. Damals war ich noch als Zuschauer dort, mit einem Backstage-Pass und meiner Cousine im Gepäck. Diesmal war ich selbst einer der Stars.
Und das war gerade einmal eine geschlagene Woche her.
Ich glaube, das würde niemals in meinen Kopf reingehen.
Und ich sah mich selber auch nicht so. Also als Star. Ich stand erst seit so kurzer Zeit in der Öffentlichkeit, dann war ich noch lange kein „Star", auch wenn ich immer so betitelt wurde.
Ich war null Komma null aufgeregt. Das bunte Treiben um uns herum, während wir den Gang entlang liefen, um zum Bereich hinter der riesigen Bühne zu gelangen, ließ mich vollkommen kalt. Ich schaltete sogar ab und stellte meine Ohren auf Durchzug, weil mir das viel zu viel Hektik und Herumgeschreie und –gehetze war.
Gemächlich liefen wir sieben Mädels durch den Gang.
„Sam", erklang eine Stimme hinter uns.
Ich blieb stehen und drehte mich um.
„Heeeey!", sagte ich und drückte Eleanor an mich, die strahlend auf mich zu gekommen war.
Sophia, die neben ihr stand, ignorierte ich geflissentlich. An ihrer säuerlichen Miene war zu erkennen, dass sie mich auch nicht sonderlich gerne sah. Störte mich herzlich wenig. Im Gegenteil. Eigentlich machte es mich ziemlich zufrieden.
„Ach, ich freue mich so, dass wir uns sehen! Du Superstar!", lachte El und strich sich eine Locke hinters Ohr.
„Sam, wir müssen weiter! Hi, El", sagte Dani und umarmte Eleanor herzlich.
Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen.
„Hallo Sophia", begrüßte Danielle die jetzige Freundin ihres Exfreundes freundlich. (Wie sagte Caro immer: ‚die Nachfolgerin.')
Sophia zog nur einmal kurz die Augenbrauen hoch, schürzte die Lippen und drehte sich dann weg.
Ich glaubte, ich sah nicht richtig?!?
„Sie hat gerade mit dir geredet?!", fuhr ich Sophia wütend an.
Dani legte mir beruhigend eine Hand auf den Arm, aber ich riss ihn weg von ihr.
„Bist du eigentlich bescheuert?! Du bist echt unreif, Wahnsinn! Nicht mal grüßen kannst du?!"
„Was interessiert es dich denn?", stellte sie eine Gegenfrage und zog ihr hässliches Näschen kraus.
Darauf fiel mir im ersten Moment nichts ein.
„Kein Wunder, dass Harry mit dir Schreckschraube Schluss gemacht hat", sagte sie jetzt und ich konnte mich nicht zurückhalten und schubste sie an den Schultern zurück.
„Ich frage mich auch schon seit längerem, was Liam an dir findet", zischte ich mit zusammengekniffenen Augen, „so hohl wie du bist, kann das ja nicht viel sein. Mal sehen, wann er dir das nächste Mal den Laufpass gibt."
Ich drehte mich mit wehenden Haaren um und zog Danielle mit mir weg.
„Sam!"
El griff nach meinem Arm.
„Hier, zieh die an, sonst frierst du so!", sagte sie leise und hielt mir ihre hellbraune Lederjacke hin, die sie über ihren Arm gelegt hatte.
„Danke", sagte ich leise und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Tut mir Leid."
Dann gingen wir davon, den anderen fünf unserer eingeschworenen Truppe hinterher.
„Was sollte das?", sagte Dani ein wenig genervt, als wir zu ihnen aufgeschlossen hatten. „Das hättest du echt nicht machen müssen, Sam!"
„Doch, das musste ich machen, weil mich diese eingebildete Schnepfe so aufregt!", knurrte ich und beschleunigte mein Tempo.
Ich überholte Jill und Layla, die ganz vorne liefen.
Ich wollte mit keinem reden. Ich wollte mit nichts konfrontiert werden. Klar wusste ich, dass es dämlich von mir war, dass ich mich von der blöden Kuh hatte provozieren lassen, aber heute war eben nicht mein Tag. Sorry.
An einer Ecke, an der sich zwei Gänge kreuzten, blieb ich stehen und wartete auf die anderen. Erst als sie fast bei mir waren, stellte ich fest, dass ich direkt neben der „Interview-Box" stand.
Das war die neue Erfindung für das heutige und das kommende Stars4Hope-Event in Los Angeles. Es war ein kleiner, viereckiger Raum mit drei dunkelroten Wänden und einer Glaswand (durch die ich jetzt eben hineinblickte), in der jeder Star, der heute Abend auftreten würde, von einem Interviewer (meistens bekannte Youtuber) interviewt wurde. Diese Interviews wurden aufgezeichnet und zwischen den verschiedenen Performances draußen in der Halle auf der großen Leinwand übertragen. Also wenn ein Umbau zwischen Katy Perry und The Script stattfand, wurde diese Zeit damit überbrückt, dass ein Interview gezeigt wurde.
War eigentlich eine ziemlich coole Idee.
Jetzt gerade saßen Fifth Harmony in dem Raum und wurden interviewt.
„Komm", sagte Dani, die mich eingeholt hatte, und griff nach meiner Hand, damit wir uns in dem Tumult, der hier herrschte, nicht verloren.
Wir stellten uns irgendwo in den Backstage-Bereich hinter der Bühne. Die Eröffnung der Show hatte schon angefangen. Keine Ahnung, wer diesmal gemeinsam sang. Ich war zu sehr damit beschäftigt, die herumstehenden Leute zu beobachten.
„Das dauert eh noch eine Ewigkeit, bis wir drankommen. Justin, One Direction und so kommen eh alle immer ziemlich weit hinten", sagte Tiffany gerade, aber eine Stimme unterbrach sie: „Nee, kommen wir nicht, wir sind ziemlich in der Mitte."
Justin hatte sich zu uns gesellt.
Tiffs Gesichtsausdruck wurde sofort heller.
„Hast du gut gemacht, Bieberchen", lobte sie ihn und erntete dafür ein Handküsschen von ihm.
Wenn ich nicht so Scheißlaune hätte, hätte ich das sicher lustig und süß gefunden, aber nicht heute.
Hier hinten hing auch ein riesiger Bildschirm, auf dem das Event übertragen wurde. Gerade ging das Licht auf der Bühne aus und das erste Interview wurde übertragen.
Es war Little Mix.
Ein kleines Lächeln erschien in meinem Gesicht. Ich mochte sie einfach so sehr.
Die Mädels erzählten von ihrem neuen Album, gaben eine kurze Acapella-Kostprobe zum Besten und sprachen mit dem Interviewer (den ich nicht kannte – aber ich kannte generell keine britischen Youtuber) über die Wichtigkeit des heutigen Events.
Zum Abschluss fragte der blonde Kerl dann noch: „Und, was sagt ihr zu dem neuen Superstar, der jetzt seit kurzer Zeit unter uns weilt – Sam Ferroni?"
Mein Magen sackte hinunter in die Kelleretage und mein Herz setzte einen Schlag aus. Wieso war ich so sehr das Gesprächsthema Nummer Eins?!
Ach ja, weil ich Harry Styles' Verflossene war und mich das gleich noch viiiiel interessanter machte...
„Ich liebe sie einfach! Ihr Tanzstil ist einfach einzigartig!", platzte Jesy sofort heraus.
„Kennt ihr sie persönlich?", fragte er jetzt.
Die vier nickten.
„Sie ist so lieb. Ich mag sie wirklich gerne", sagte Perrie und strahlte in die Kamera, „und ich freue mich so sehr, dass sie bei unserem nächsten Video dabei ist!"
Oh ja, da freute ich mich auch schon so sehr drauf, das würde einfach Hammer werden!
„Oh wow, ihr habt sie euch also gleich ins Boot geholt? Wie cool! Wann ist der Dreh denn?"
„Morgen!", antworteten die vier gleichzeitig.
„Endcool!", kommentierte Danielle begeistert neben mir. „Das hast du noch gar nicht erzählt!"
Little Mix richtete noch ein paar Worte an ihre Fans und dann war das Interview auch schon vorbei.
„Du bist so gut mit ihnen befreundet, nicht wahr? Ich sehe immer nur deine Instagram-Bilder", sagte ich grinsend zu Dani. Sie nickte lächelnd.
„Ja, wir kennen uns seit den X-Factor-Zeiten. Wir waren immer in Kontakt, aber als Perrie und Zayn dann zusammengekommen sind, haben wir uns automatisch natürlich noch viel öfter gesehen, wenn One Direction und Little Mix plus die One Direction-Freundinnen zusammen unterwegs waren. Sie sind einfach alle supersüß."
Wir standen uns hier jetzt weiterhin die Beine in den Bauch. Weggehen durften wir nicht, denn ein Bühnenmanager hatte uns angeordnet, uns nicht vom Fleck zu bewegen.
Verdutzt hatten wir zugeschaut, wie er einen DIN A3-Plan des Bühnen-Backstage-Bereiches in der Hand hielt und an den Ort, wo wir gerade standen, schrieb: „JB-Dancer."
„Der hat uns jetzt nicht ernsthaft auf seinen Plan gemalt, als wären wir eine Sehenswürdigkeit?", raunte ich Dani entgeistert zu, während der Bühnenmanagerfutzi weiterhin die nächsten Tänzer an ihrem Platz an Ort und Stelle quasi festnagelte.
„Naja, irgendwie muss er ja den Überblick behalten", meinte Jill schulterzuckend.
Ich war einfach noch ein Neuling – wie es aussah, gab es einiges, an das man sich erst einmal gewöhnen musste.
„Du darfst dich jetzt nicht mehr bewegen", wies Tiffany mich mit einem Pokerface zurecht, „keinen Millimeter. – Ahh, halt!!!"
Ich wollte mir gerade mit der Hand durch die Haare streichen, aber sie hielt mein Handgelenk fest.
„Keine Bewegung, sonst wirst du erschossen", flüsterte sie gespielt panisch, wurde dann aber von Laylas lauter Hyänenlache unterbrochen. Beleidigt sah Tiff sie an, aber bei der Lache, die Layla gerade von sich gab, konnten wir alle nicht anders und mussten ebenfalls laut lachen.
„Uuuuh, jetzt kommt Katy Perry", sagte Francis und deutete auf den großen Bildschirm hinauf. Ich drehte mich um.
Gerade ging das Licht auf der Bühne an und eine bunt schillernde Katy Perry erschien.
„Was hat die denn bitte angestellt?!", kommentierte Irina entgeistert.
„Ich würde sagen, da hat ein Body-Painting-Mensch ganze Arbeit geleistet", antwortete Jill und konnte den Blick nicht von ihr reißen. Da ging es mir genauso. Katy trug nur einen sehr knapp geschnittenen Body, ansonsten waren ihre Arme, ihre Beine, ihr Gesicht – also eigentlich ihr gesamter Körper mit bunt schillernder Farbe bemalt.
„Sie sieht aus wie ein Bonbon. Mal sehen, ob Sean sie am Ende des Tages vernaschen darf", grinste Dani schelmisch und wir schmissen uns vor Lachen weg.
Vergnügt beobachteten wir, wie sie sich räkelte und dabei perfekt sang (hallo Playback, hallo Autotune) und sich immer wieder gegen Sean drückte, der wirklich unglaublich gut tanzen konnte und bewegungstechnisch perfekt mit ihr harmonierte.
Als ihre Performance zu Ende war und sie in der Mitte ihres Tänzerkreises stand, schmiegte sie sich frontal an Sean, sodass ihre Gesichter nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt waren. Sie drehte sich noch einmal weg, sang einen letzten hohen Ton.
„Ich wette zehn Pfund drauf, dass sie ihn gleich abknutscht!", rief Irina übermütig.
„Ich wette dagegen!", konterte Dani und ohne hinzuschauen, schlugen sie ein.
Gespannt warteten wir auf die letzten Töne des Nachspiels der Musik – und dann standen Glitzerkugelkaty und Sean wieder direkt voreinander.
„Ich hab's doch gesagt!", frohlockte Irina, als Katy Sean am Nacken packte und ihre Lippen auf seine presste.
Der ganze Backstage-Bereich grölte – von der Halle draußen ganz zu schweigen.
„Verrückt", sagte ich nur und schüttelte den Kopf.
Das Licht auf der Bühne ging aus.
„Ouuuuhh, ich freue mich schon auf später, wenn wir Sean sehen!", lachte Jill.
„Ich bin gespannt, was jetzt für ein Interview übertragen wird", sagte Dani zu mir und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand hinter sich.
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