#45 - Was jetzt.
Ungeduldig wartete ich auf ein Taxi. Hier vor dem Flughafen herrschte natürlich wie immer ein reges Kommen und Gehen. Jeder hetzte durch die Gegend, rempelte die anderen Leute an und lief aber einfach weiter, ohne sich zu entschuldigen oder gar umzudrehen.
Ich hielt den Kopf die ganze Zeit gesenkt und versteckte mein Gesicht hinter meinen Haaren. Schon ein bisschen gruselig, dass sich die Paparazzi in München wie die Geier auf mich gestürzt hatten, und hier erkannte mich niemand?
„Ähm. Sorry..."
Okay, das hatte ich jetzt eindeutig verschrien.
Hinter mir standen ein paar Mädels, die mich wohl erkannt hatten und jetzt ein wenig ausflippten. Hä, wieso flippten sie denn aus, wenn sie mich sahen? So toll war ich jetzt auch wieder nicht...
Ich machte schnell Bilder mit ihnen, denn ein Taxifahrer war schon so gnädig gewesen und hatte neben mir gehalten. Er half mir, den Koffer in den Kofferraum zu heben, und ich nannte ihm das Hotel, in dem die Jungs momentan untergebracht waren. Er sah mich ein wenig länger an als nötig, was wohl auch bedeutete, dass er mich kannte.
Ein wenig unangenehm war mir das alles ja schon... Ich musste mich da echt erst drangewöhnen.
Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich den regen Morgenverkehr New Yorks um mich herum beobachtete.
Was sollte ich jetzt eigentlich machen? Was sagte ich, wenn ich ihm gegenüber stand?
Super, Sam. Vielleicht mal überlegen, was zurechtlegen, nachdenken oder so...?
Och nö, das war nicht so mein Stil. Manchmal könnte ich mich echt selber verkloppen für meine Blödheit.
Meine Gedanken wanderten wieder zurück zum Flughafen. Die Paparazzi gingen mir nicht aus dem Kopf. Ich musste mich wirklich erst an dieses Leben im Scheinwerferlicht gewöhnen.
Auf einmal hatte ich einen riesengroßen Kloß im Hals. Ich schluckte schwer, aber er wollte nicht verschwinden. Ich kniff die Augen zusammen, aber seine Stimme wollte nicht aus meinem Kopf gehen. Ich hörte ihn. Ich wusste noch ganz genau, was er damals zu mir gesagt hatte, nachdem wir uns bei den Brits getrennt hatten. Ich wusste es noch so genau, es hatte sich in mein Herz gebrannt...
„Du hast mich wirklich zu einem besseren Menschen gemacht. Trotzdem kam es mir falsch vor, dass ich dich so einnehme. Dass du wegen mir kein richtiges Leben führen kannst. Denn wenn die Welt einmal weiß, dass du meine Freundin bist – dass du meine große Liebe bist – , wirst du keine ruhige Minute mehr haben. Du wirst nicht mehr aus dem Haus gehen können, ohne dass sich die ganze Welt über dich auslässt. Was du für eine Jeans trägst, was du für Sachen einkaufst, wo du hingehst. Du wirst dir vorkommen wie in einem Käfig. Jeder begafft dich, jeder zieht über dich her, egal wie perfekt du auch zu sein versuchst. Sie finden alle immer etwas, worüber sie sich das Maul zerreißen. Ich habe schon viele an diesem Starsein zerbrechen sehen. Wir sind bisher davon verschont geblieben, weil wir fünf uns gegenseitig auf dem Teppich halten und immer für einander da sind, aber ich könnte nicht mit mir selber weiterleben, wenn ich zuschauen müsste, wie dein wunderbares Lächeln nach und nach aus deinem Gesicht verschwindet und du keine Lebensfreude mehr ausstrahlst. Ich würde mir das niemals verzeihen, Sam. Deswegen wollte ich sehen, ob ich ohne dich leben kann. Damit du dir ein Leben aufbauen kannst und wir später irgendwann wieder zusammen kommen können. Das wäre nämlich nur eine zeitliche Trennung gewesen. Nicht für immer. Denn ich möchte mein Leben mit dir verbringen, egal ob jetzt oder erst in fünf Jahren, wenn die One Direction-Zeit für mich vorbei ist. Du bist mein Lebensinhalt, Sam."
Eine einsame Träne lief mir über die Wange.
Er hatte damals nicht gewollt, dass ich seinetwegen im Rampenlicht leben muss.
Tja, jetzt lebte ich im Rampenlicht. Aber nicht einmal seinetwegen, sondern weil ich selbst berühmt war.
Wie würde die Welt denn bitte durchdrehen, wenn Harry und ich wirklich zusammenwaren und wir es öffentlich zeigten...?
Mir schossen sofort Selena Gomez und Justin Bieber in den Kopf. Wie sehr hatte die Presse ihre Beziehung auseinander genommen, in ihre Einzelteile zerlegt, alles diskutiert – obwohl das niemanden, wirklich keine Sau eigentlich etwas anging! Oder Robert Pattinson und Kristen Stewart. Oder Vanessa Hudgens und Zac Efron. Ich hatte mich früher schon immer darüber aufgeregt, wenn die Presse meinte, sie müsste Beziehungsprobleme von Stars öffentlich ausschlachten. Besonders dann, wenn die besagten Stars sich dazu nicht einmal selbst geäußert hatten, sondern irgendwelche ‚geheimen Quellen' oder ‚enge Freunde' etwas ausplauderten!
Schrecklich war das. Schrecklich und nichts Anderes.
Und genau das wollte ich eigentlich nicht. Ich wollte nicht, dass mein Leben so auseinander genommen wurde und jeder sich das Maul über mich zerriss. Dass andere mehr über mich nachdachten als ich selber über mich. Ich wollte das einfach nicht.
Für Harry würde ich das allerdings auf mich nehmen. Ich liebte ihn, und ich wollte mit ihm zusammen sein – aber das war doch etwas krass.
Alles.
Ich drückte meine Stirn gegen die Fensterscheibe und starrte hinaus. In den Himmel. Starrte die Hochhäuser an, von denen ich das Ende nicht einmal sehen konnte. Beobachtete die Leute, die durch die Straßen New Yorks hetzten.
Ich widmete mich meiner Umwelt, aber ich widmete mich nicht meinem eigenen Leben. Ich war schier überfordert, und Caro hatte Recht, ich musste aufpassen, sonst würde ich demnächst wirklich die Nerven verlieren und in der Klapse landen. Was jetzt eigentlich nicht so auf dem Plan stand.
Was machte ich jetzt, wenn ich ihn sah? Wenn ich vor ihm stand, wenn ich ihm in die wunderbaren Augen blickte?
Oder waren sie gar nicht wunderbar, sondern verlogen? Waren sie nur trügerisch schön und eigentlich...-
Ich wollte den Gedanken nicht zu Ende führen.
Wieso zweifelte ich eigentlich so sehr an Harrys Liebe zu mir?
Ach ja. Sorry. Ich vergaß. Weil er ja dieses Supermodel geküsst hat. Und mir vorher verboten hat, mit auf die Party zu kommen. Stimmt. Deswegen zweifelte ich an seiner Liebe, was ziemlich berechtigt war.
So eine Scheiße.
Ich seufzte und lehnte meinen Kopf gegen die Kopfstütze des Taxisitzes. Der Taxifahrer sah mich durch den Rückspiegel an, aber als er merkte, dass ich seinen Blick aufgefangen hatte, schaute er schnell wieder auf die Straße.
Komischer Kerl.
„Wir sind da, Miss", informierte er mich nach ein paar Minuten und hielt am Straßenrand.
Ich kramte meinen Geldbeutel heraus und betete inständig, dass ich noch genug Dollarscheine hatte, um das Taxi überhaupt bezahlen zu können!
Gott sei Dank war es dann auch so. Wenigstens hatte ich einmal Glück.
Ich holte meinen Koffer selber aus dem Kofferraum und kaum hatte ich den Deckel wieder geschlossen, schoss der Fahrer auch schon davon. – Ich sagte doch: Komischer Kerl.
Mit entschlossenen Schritten stapfte ich auf das unglaublich krass und teuer aussehende Hotel zu. Wieso genau ich entschlossen war, wusste ich auch nicht. Ich wusste ja nicht einmal, was ich überhaupt wollte.
Aber das konnte ich alleine nicht entscheiden. Um zu wissen, wie es jetzt weitergehen sollte, musste ich mit ihm reden – und er war genau hier irgendwo in diesem Hotel. Zumindest hoffte ich das.
Ruckartig blieb ich stehen.
Oh scheiße, wieso hatte ich nicht daran gedacht, dass die Jungs vielleicht gar nicht hier waren?
Moment, aber wieso sollten sie nicht hier sein? Es war früh morgens, natürlich waren sie in ihren Betten!
Ich drehte langsam wirklich durch. So richtig.
Ich ging wieder weiter und wurde von einem der Security-Menschen aufgehalten. Ach ja, die Security und ich. Wir waren doch das Dreamteam schlechthin!
„Entschuldigen Sie, Miss, Sie können hier nicht rein", informierte er mich und sah ich mit ausdrucksloser Miene an.
Und täglich grüßt das Murmeltier, dachte ich und hätte beinahe die Augen verdreht.
Ich blieb aber auch echt immer an diesen blöden Sicherheitsmännern hängen. Da hatte ich irgendwie eine Anziehungskraft. Die hatten den Fahrstühlen inzwischen eindeutig den Rang abgelaufen!
Aber bevor ich überhaupt etwas antworten konnte, hörte ich schon eine andere, mir bekannte Stimme.
„Sie gehört zu uns", sagte Paul und kam durch den Eingang nach draußen auf uns zu.
Der Security-Mensch sah zwischen Paul und mir hin und her und nickte dann. Er lächelte mich leicht an und ließ mich durch.
Wow, das war ja gar nicht so schwer.
Hoch erhobenen Hauptes ging ich auf Paul zu, aber der zog mich nur unsanft am Arm ins Hotel rein. Ich stolperte hinter ihm her, haute mir den Koffer selbst in die Hacken und wäre beinahe auf die Schnauze geflogen.
„Hey, was bist du denn so grob?!", fuhr ich ihn an und riss mich los, als ich mich endlich wieder gefangen hatte.
„Wir brauchen keinen Paparazzi-Aufstand vor dem Hotel", sagte er sachlich und sah sich um, während er mich in den Aufzug schob (wow, Security und Aufzug direkt hintereinander, na, das konnte ja nur ein Bombentag werden!). „Sie lungern eh immer schon vor dem Hotel rum, um die Jungs zu fotografieren, aber wenn sie jetzt auch noch dich hier sehen würden, wäre die Schlagzeile perfekt."
„Entschuldigung, dass ich mit meinem Exfreund reden möchte und deswegen so dreist bin und hier auftauche, oh heiliger Paulus", knurrte ich und drehte ihm den Rücken zu.
Er antwortete nicht sofort. Ich musste dem Drang widerstehen, mich umzudrehen und sein Gesicht zu mustern. Bestimmt würde der Ausdruck darauf einiges über seine Gedanken verraten. Aber ich drehte mich nicht um. Das war gar nicht nötig.
„Exfreund?", echote Paul.
Jetzt drehte ich doch um und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
„Was denn sonst?", entgegnete ich ruhig.
„Naja, wirklich klar ist die Sache zwischen euch ja nicht."
„Aber zusammen sind wir auch nicht wirklich, oder?!", schoss ich sofort zurück.
Darauf fiel ihm keine Antwort ein.
Gut so.
„Ich bin aber froh, dass du hergekommen bist."
Ich sah zu ihm auf und war überrascht.
„Das meine ich ernst, Sam. Es ist gut so. Ihr müsst das Ganze klären. Schon allein, weil ihr euch einigen müsst, was jetzt mit der Öffentlichkeit ist. Also ja klar, was zwischen euch ist und wie es mit eurer Beziehung weitergeht, das ist das Allerwichtigste, aber das ist allein eure Sache. Wir vom Management müssen allerdings langsam wissen, was wir sagen können und preisgeben dürfen. Wir haben Harry das Versprechen gegeben, uns nicht in seine Angelegenheiten einzumischen, und daran halten wir uns auch. Deswegen drängen wir euch nicht, eurer Statement abzugeben, aber langsam.... kommen wir doch ein wenig in die Erklärungsnot. Beziehungsweise in den Erklärungszwang. Die Leute bombardieren uns mit Fragen, langsam müssen wir handeln. Wir alle."
Bevor ich etwas sagen konnte, öffneten sich die Türen des Fahrstuhls lautlos und Paul schob mich mit einer Hand hinaus, mit der anderen griff er nach meinem Koffer.
„Hinten links ist sein Zimmer."
Er deutete den Gang entlang und ich nickte ihm dankbar zu. Er lief hinter mir her bis zur Zimmertür, stellte den Koffer neben mir ab und ging dann ohne ein weiteres Wort davon.
Ich atmete tief durch. Mein Herz klopfte bis zu meinem Hals und ich hatte das Gefühl, als würde mein Kopf gleich platzen.
Ruhig, Sam. Alles wird wieder gut.
Ich hob die Hand und klopfte gegen die Holztür. Ich wartete auf seine Reaktion.
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