#34 - Ich kann nicht.
Der Inhalt meines Kopfes wurde komplett herumgewirbelt und ich wusste nicht einmal mehr, wo oben und wo unten war.
Ich stand hier, beziehungsweise lehnte so halb an der Wand, und war baff. Einfach nur baff.
Ich blinzelte nicht, denn irgendwie wollte es nicht in mein Hirn reingehen, wer hier vor mir stand.
Träumte ich? Irgendwer musste mich mal bitte kneifen!
„Hi", sagte ich und versuchte, nicht allzu böse zu schauen. Ich schluckte und richtete mich ein Stück auf, damit ich nicht mehr wie so ein nasser Sack halb gegen die Wand gelehnt da stand.
Damit ich mir ein wenig von meiner Würde zurückholte.
Man musste mir ja nicht ansehen, wie durcheinander gewirbelt es gerade in meinem Kopf aussah.
Pokerface aufsetzen. So wie immer eben.
„Hey..."
Ich kniff die Augen zusammen und biss die Zähne aufeinander. Mein Herz klopfte wie verrückt und mein Mund wurde ganz trocken.
„Was willst du?", fragte ich und blickte ihm direkt in die Augen.
Wut brodelte in mir auf.
Eine lodernde Wut, die meine komplette Vernunft gerade zu Schutt und Asche brannte.
Mein Atem zitterte ein wenig, als ich tief Luft holte.
„Was willst du hier?", knurrte ich noch einmal, als ich nicht sofort eine Antwort bekam.
„Hörst du mir zu, wenn ich mit dir rede? Bitte?"
Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Meinst du das ernst?"
„Ja."
Ein Seufzer folgte.
Ich schnaubte als Antwort nur.
Er fuhr sich durch seine Haare und sah mich bittend an.
„Nein, ich werde dir sicher nicht zuhören, du kannst gleich wieder gehen, da drüben ist die Treppe", schnappte ich, deutete hinter mich Richtung Treppe und wollte mich an ihm vorbei zur Wohnungstür schieben.
Er stellte sich mir demonstrativ in den Weg. Mein Blick verdunkelte sich und meine Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Provozier mich nicht, sonst rufe ich die Polizei", drohte ich ihm und meinte das auch ernst. Er bewegte sich keinen Millimeter.
„Das kommt bestimmt gut in den Medien, wenn Niall Horan von der Polizei in einem Wohnhaus abgeholt wird. Die Paparazzi freuen sich sicher."
„Jetzt mach mal halblang, Sam", fuhr er mich leicht an und wenn Blicke töten könnten, läge er jetzt eindeutig mucksmäuschenstill auf dem Boden.
„Worüber willst du mit mir denn reden?"
Natürlich wusste ich es, natürlich tat ich das. Es gab nur eins, worüber er reden wollte.
„Darüber, dass mein Exfreund dieses billige Model geküsst hat und wer weiß was sonst noch alles auf der Party mit den Engelchen gemacht hat, nachdem er mir verboten hat, dorthin mitzukommen?"
Meine Stimme war so gehässig, wie ich sie selbst noch nie gehört hatte. Ich sah Niall die ganze Zeit mit zusammengekniffenen, blitzenden Augen an.
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.
„Er hat nicht-"
„Oh bitte!", unterbrach ich ihn und lachte einmal hart auf. „Was willst du sagen? Er hat sie nicht geküsst? Oder er hat mir nicht verboten, mitzukommen? Also ich weiß ganz genau, was ich da in Instagram gesehen habe, und ich weiß auch ganz genau, wie du mich angeschaut hast, nachdem Harry meinte, ich soll besser nicht mitkommen! Also versuch hier nicht, irgendwelche Tatsachen so lange zu verdrehen, bis ich nicht mehr weiß, was stimmt und was nicht stimmt!"
Meine Stimme wurde von Wort zu Wort lauter und sie überschlug sich fast.
„Deswegen sage ich ja, kannst du mir bitte zuhören!"
Nialls Stimme war auch laut, aber er hatte sich perfekt im Griff. Natürlich, er war ja nicht der Gelackmeierte mit dem in Scherben liegenden Liebesleben.
Es war schon ein wenig ironisch, wie weit mein Privatleben und mein Berufsleben gerade auseinander lagen. Das eine war in Scherben und sah nicht danach aus, dass man es in geraumer Zeit gerade biegen könnte, und das andere legte gerade eine steile Kurve in Richtung Himmel hin und gab keine Anzeichen, sich jemals wieder nach unten zu bewegen.
Es war eindeutig lachhaft.
„Ich werde dir nicht zuhören", raunte ich.
Ich wollte keine Nachbarn nach draußen in den Gang locken, das wäre mehr als peinlich. Und irgendwie scheiße für Niall. Ich wollte ihn nicht so in die Kacke reiten, auch wenn mir ehrlich gesagt gerade schon danach zu Mute war..!
„Ich werde dir nicht zuhören, denn es ist mehr als traurig, dass er seinen Arsch nicht selber hierher bewegen kann. Er schickt dich als Kurier, mein Gott, wie alt ist er denn? 13? 14? Traurig, einfach nur erbärmlich."
„Ich bin wohl hier."
Die Stimme, die diese vier Worte sagte, erklang hinter mir.
Alles in mir gefror, selbst das Blut in meinen Adern schien nicht weiterzufließen.
Sonst hatte er immer das Gegenteil in mir ausgelöst. Selbst wenn wir uns gestritten hatten, selbst nachdem Kendall auf der Bildfläche aufgetaucht war oder als das sogar vorher noch mit Taylor Swift auf den EMAs war – selbst wenn ich ihn abgrundtief hasste... jedes Mal, wenn ich ihn sah oder seine Stimme erklang, schoss ein Feuer durch mich hindurch. Ohne dass ich es aufhalten konnte. Ich war machtlos gegen dieses Feuer.
Aber jetzt...jetzt war es verschwunden.
Es war im Kern erstickt und ich spürte nichts als Kälte.
Ich starrte immer noch Niall direkt in seine hellblauen Augen. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen.
Ich wollte mich nicht umdrehen.
Ich konnte mich nicht umdrehen.
Der Klang seiner Stimme strich immer noch wie ein seidenes Tuch über meine Haut, obwohl er gar nichts mehr sagte. Das Raue in seiner Stimme war besonders ausgeprägt, und ich wusste, dass es immer so war, wenn er innerlich aufgewühlt war. Wenn er emotional war und wenn er verzweifelt war.
Hah, witzig.
Ich konnte mich nicht umdrehen.
„Was willst du hier?", knurrte ich und fixierte mich weiterhin auf das Ozeanblau vor mir. Nialls Blick sprang zwischen der Person hinter mir und mir hin und her.
Er war hier.
Ich war nicht einmal mehr in der Lage, seinen Namen zu denken.
„Was willst du hier?????", schrie ich jetzt und wirbelte herum, sodass mir meine schwarzen Haare um den Kopf flogen.
Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde sog ich seinen Anblick in mich auf. Schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, schwarze Stiefel und schwarze Lederjacke.
Er war genau so gekleidet wie ich mich gerade fühlte.
Welch' ironischer Zufall.
In weniger als einer Sekunde war ich bei ihm und schlug mit den Fäusten auf ihn ein. Er zuckte heftig zusammen, weil er nicht hatte kommen sehen, dass ich auf ihn losgehen würde.
„Was willst du hier, du Arsch! Verzieh dich! Geh! Du bist so ein Arschloch!"
Meine Stimme war so unendlich laut, dass sie in meinen Ohren widerhallte. Ich spuckte ihm die Wörter wie Gift entgegen.
„Ich will dich nicht in meinem Leben haben! Kapierst du das nicht?? Das habe ich in meiner Nachricht wohl überdeutlich gemacht! – Lass mich los!"
Ich riss mich von Niall los, der versucht hatte, mich von Harry wegzuziehen.
„Niall, geh bitte, das ist eine Sache zwischen uns..."
„Nein, ist es überhaupt nicht!! Du verziehst dich jetzt mit ihm zusammen!"
Ich schnaufte heftig und funkelte ihn böse an.
Grün traf grün.
Aber diesmal war es kein schönes Zusammentreffen wie die Male zuvor. Diesmal schossen grüne Blitze aus meinen Augen und ich wollte ihn damit umbringen.
„Sam-"
„Halt den Mund! Halt einfach den Mund!!!! Ich habe keine Lust mehr! Du kannst mich nicht einmal respektieren! - Verzieh dich, Niall! – Und du auch, du Bastard! Du bringst mir nicht einmal so viel Respekt entgegen, dass du dich an meine Bitte hältst, dass du mich für eine Woche in Ruhe lassen sollst!"
Ich kreischte inzwischen schon fast. Und ich sah nichts mehr vor lauter Tränen.
„Was?"
Harry sah mich perplex an und kapierte überhaupt nicht mehr, was hier geschah.
„Du trampelst immer auf mir rum, immer! Egal was in der Öffentlichkeit geschrieben wird, du weißt, dass da immer ein Funken Wahrheit da ist! Und wieso sollte Cara so ein Bild mit Photoshop erstellen lassen! Das Bild ist echt! Du behandelst mich wie Scheiße! Wie Dreck! Bin ich nur dein kleines hübsches Spielzeug?! Bin ich nur da, um dich zu unterhalten, und damit du jemanden hast, der dir bei deinem Gejammer zuhört, wie schwer es ist, Weltstar zu sein?! Gott, dann steig doch einfach aus! Dann sag, dass du nicht mehr willst!"
Ich wusste überhaupt nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Ich musste mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Nämlich dass ich die Schnauze voll hatte.
„Ich habe die Schnauze voll."
Meine Stimme war wieder in Normallautstärke, aber sie klang gefährlich ruhig. Wir standen zwei Meter voneinander entfernt. Niall war immer noch da, aber nicht mehr so nah. Er stand jetzt beim Treppengeländer hinter Harry.
„Ich will nicht mehr, Harry. Du weißt, dass ich dich liebe, und ich könnte mich selber dafür schlagen, dass ich dich so sehr liebe. Aber ich habe keine Lust mehr. Du respektierst mich kein bisschen. Du respektierst nicht einmal eine Bitte von mir, dass du meine Karriere nicht zerstören sollst! Wie bescheuert bist du eigentlich? Was geht in deinem Kopf schief? Du bist erbärmlich. Du bist ein richtiger Weltstar, so richtig klischeehaft. Du bist skrupellos. Du gehst über Leichen, damit du das kriegst, was du willst. Ich will dich nicht mehr sehen. Ruf mich nicht an und komm nicht mehr her. Lass meine Familie in Ruhe. Geh einfach. Geht beide, sofort."
Ich drehte mich auf dem Absatz um und schloss die Tür auf. Sie sagten beide nichts. Keiner hielt mich auf.
Zumindest im ersten Moment nicht.
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